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Berta Schrems: Fallarbeit in der Pflege

Rezensiert von Prof. Dr. Margret Flieder, 04.10.2016

Cover Berta Schrems: Fallarbeit in der Pflege ISBN 978-3-7089-1350-6

Berta Schrems: Fallarbeit in der Pflege. Grundlagen, Formen und Anwendungsbereiche. Facultas Verlag (Wien) 2016. 2. Auflage. 180 Seiten. ISBN 978-3-7089-1350-6. D: 17,40 EUR, A: 17,90 EUR, CH: 22,50 sFr.

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Thema

Die Anforderungen an professionelle Pflegearbeit sind hoch, die Komplexität der Pflegesituationen in der Praxis nimmt zu. Durch die Zunahme pflegewissenschaftlicher und pflegepraktischer Erkenntnisse sind Fachkräfte auf allen Ebenen gefordert, ihr Wissen und ihre Kompetenzen regelmäßig zu aktualisieren. Einen Ansatz hierzu bietet die Arbeit mit Fällen, die sich prinzipiell sowohl für Praxissituationen, als auch für Unterricht und Lehre eignen. Fallarbeit ist ein umfassender Begriff und sowohl eine Methode, als auch ein Forschungsinstrument, insofern ist eine grundlegende begriffliche Klärung sinnvoll und notwendig.

Autorin

Berta Schrems ist Privatdozentin der Universität Wien, promovierte Soziologin und diplomierte Krankenschwester. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind u.a. Pflegediagnostik, Qualitätsmanagement und Wissenschaftstheorie.

Aufbau

Der Band umfasst 163 Textseiten und ist in sieben Kapitel aufgeteilt. Es folgt ein Literaturverzeichnis.

Inhalt

In ihrer Einleitung gibt die Autorin einen kurzen Überblick über das Anliegen des Buches in Bezug auf ihr Verständnis von Fallarbeit.

In Kapitel 2 stehen grundlegend die Begriffe Fall und Fallarbeit im Mittelpunkt. Die Erhöhung der Problemlösungskompetenz durch Fallarbeit ist dabei das zentrale Ziel, das jedoch nicht voraussetzungslos ist. Angesichts der Fülle an notwendigen Entscheidungen benötigen Pflegefachkräfte zunächst ein theoretisches Rahmenkonzept mit Instrumenten zur Erfassung, Strukturierung und zur Interpretation fallbezogener Aspekte. Berta Schrems stellt einen konzeptuellen Rahmen kritischen Denkens vor (S. 47) und baut ihre Handlungsbegründung systematisch auf. Sie beleuchtet einzelne Schritte ihres Konzeptes exemplarisch anhand eines Falles von „Gangunsicherheit einer an Demenz erkrankten Person mit einem ausgeprägten Bewegungsdrang“ und nennt für die jeweiligen Schritte beispielhafte Elemente wie Informationssuche, analytisch denken, kognitive Fähigkeiten, Handlungsbegründung sowie einen Katalog mit zentralen Fragen.

Kapitel 3 geht ein auf die Methodologie der Fallarbeit. Das hermeneutische Fallverstehen bzw. grundlegende Elemente zur theoriebasierten Auslegung von Pflegephänomenen werden hier anhand von drei zentralen Aspekten vorgestellt: der Perspektive der Betroffenen, dem situativen Kontext und einem für die Situation adäquaten Erklärungsmodell (S. 55). Dem Prozess der Annäherung an einen Verstehenszusammenhang auf der Basis von systematisierten Pflegewissen und Lebensweltbezug schenkt Berta Schrems besondere Aufmerksamkeit. Auf dieser Basis verdeutlicht sie zunächst eine breite konzeptgestützte Interpretation (exemplarisch S. 69), die anschließend in einer Matrix zur Bedeutungserfassung (S. 71) einen plausiblen Rahmen erhält.

Die Methodik der Fallarbeit steht im Mittelpunkt von Kapitel 4. Hier geht es um eine zunehmende Annäherung an die Fallbearbeitung in der Praxis anhand der Kriterien Informationsgehalt, Authentizität und Nachvollziehbarkeit/Verständlichkeit. Üblicherweise erfolgt die Arbeit mit Fällen im pflegepraktischen Kontext mittels sogenannter Fallbesprechungen (S. 77). Berta Schrems stellt hierfür notwendige Kompetenzen vor, bezieht dabei auch ethische Aspekte mit ein.

Mit Kapitel 5 erfolgt eine Auseinandersetzung mit Auslöser, Zweck und Gegenstand der Fallarbeit in der Pflege. In diesem Kapitel werden Varianten von Fallarbeit wie retrospektive, interpretative, prospektive sowie die ethische Fallarbeit beschrieben. Die Erläuterungen sind gut lesbar und präzise, anschauliche Abbildungen zu den Modellen verdeutlichen das Anliegen.

Der Fallbericht oder Case Report wird in Kapitel 6 vorgestellt. Dieses Kapitel ist mit gut 4 Seiten recht kurz, zur Einordnung der hier vorgestellten Aspekte sind solide Kenntnisse einschlägiger Forschung erforderlich.

In Kapitel 7 wird das Forschungsdesign von Case Studies erläutert. Dieses primär forschungsbezogene Kapitel beleuchtet Aspekte von Phänomen(en), Setting und Kontext. Weiterhin stellt Berta Schrems anhand von Abbildungen (S. 151ff.) Formen und Ebenen von Case Studys sowie Gütekriterien der Forschung vor.

Zielgruppen

Dieser Band ist primär für Lehrende und Lernende/Studierende in akademischen Kontexten in der Pflege geeignet, die einen Überblick über die Möglichkeiten von Fallarbeit gewinnen wollen oder die auf der Basis von Vorkenntnissen nach aktuellen Anregungen zur methodologischen Vertiefung; Forschung und anwendungsbezogenen Transfer suchen. Für praktisch tätige Pflegende ohne pädagogisch-didaktischen Kontext einer Weiterbildung /eines Studiums ist dieser Band eher nicht geeignet.

Diskussion

Berta Schrems ist es mit einem übersichtlichen Band gut gelungen, grundlegende und sehr anschauliche Einblicke in verschiedene Varianten von Fallarbeit zu geben.

Das theoriebasierte Rahmenkonzept ist pflegewissenschaftlich fundiert, plausibel und differenziert. Das Praxisbeispiel eines Menschen mit Demenz mit Bewegungsdrang zieht sich wie ein roter Faden durch den Band, das ist sehr hilfreich zum Verständnis des Konzeptes.

In Bezug auf die praxisnahe Umsetzung gibt es jedoch verbesserungsfähige Bereiche in diesem ansonsten guten Band. In mehreren kooperierenden Berufsgruppen wird bereits seit Jahren erfolgreich Fallarbeit u.a. in Form von kollegialer Beratung geleistet (Soziale Arbeit, Medizin, Therapieberufe wie Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie), ebenso bei den Lehrer_innen. Aus diesen Bereichen liegen Erfahrungen vor mit unterschiedlichen Verfahren von Fallarbeit, die in ein Gesamtkonzept von Fortbildung zur Kompetenzentwicklung systematisch eingebettet sind. Hierzu fehlt es in diesem Band an Hinweisen.

Ebenfalls wünschenswert wäre eine begriffliche Klärung mit Abgrenzung(en) gewesen zum kollegialen Gespräch (z.B. während der Übergabe) oder zur kollegial-konsilbezogenen Fallarbeit (z.B. bei Menschen mit chronischen Wunden), denn diese Varianten werden in der Pflege oftmals synonym mit Fallarbeit verwendet.

Hilfreich für Lernende/Studierende wären konkrete Hinweise auf entsprechende Projekte angewandter Fallarbeit in der Pflegepraxis, vor allem was den konkreten zeitlichen Rahmen bzw. Ablauf oder auch den Umgang mit typischen Hürden oder Widerständen betrifft.

Einige der Abbildungen (z.B. S. 38, S. 123, S. 153) sind aufgrund des Druckformates schlecht lesbar.

Fazit

Für einen Überblick mit exemplarischen Einblicken zum Anliegen von Fallarbeit in der Pflege und die sowohl theoriebezogene, als auch forschungsbezogene Einordnung eignet sich das Buch gut. Der Band liefert wertvolle Hinweise für einen didaktischen/fachdidaktischen Kontext, die – unter Berücksichtigung der o.g. Monita – das professionelle Verständnis von Fallarbeit in der Pflege fördern können.

Rezension von
Prof. Dr. Margret Flieder
Evangelische Hochschule Darmstadt
Fachbereich Pflege- und Gesundheitswissenschaften
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Es gibt 37 Rezensionen von Margret Flieder.

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ISSN 2190-9245