Klaus-Peter Hufer, Dirk Lange (Hrsg.): Handbuch politische Erwachsenenbildung
Rezensiert von Elisabeth Vanderheiden, 05.10.2016

Klaus-Peter Hufer, Dirk Lange (Hrsg.): Handbuch politische Erwachsenenbildung. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2016. 367 Seiten. ISBN 978-3-89974-943-4. D: 39,80 EUR, A: 41,00 EUR.
Thema
Politische Erwachsenenbildung ereignet sich in einem pluralen System, sowohl im Blick auf die Träger als auch in Bezug auf die Einrichtungen oder die Veranstaltungsformen und -inhalte. Das Buch von Hufer und Lange will vor diesem Hintergrund ein Handbuch sein, dass „das Wissen um Grundlagen, Rahmenbedingungen, Themen, Ansätze, Akteure, Lehren und Lernen für alle, die in der politischen Erwachsenenbildung tätig sind, bündelt und zugänglich macht“. Grundlegend ist dabei das Anliegen, dass politische Bildung „die Mündigkeit ihrer Teilnehmer und Teilnehmerinnen fördert, indem sie durch den Besuch der Veranstaltungen ihre Urteilskraft entwickelt“ (7).
Herausgeber, Autorinnen und Autoren
Klaus-Peter
Hufer
war außerplanmäßiger Professor an der Fakultät
Bildungswissenschaften der Universität Duisburg-Essen, von 1976 –
2014 und Fachbereichsleiter für Geistes- und Sozialwissenschaften an
der Kreisvolkshochschule Viersen. Er ist Autor und Herausgeber
zahlreiche Veröffentlichungen zur Geschichte, Theorie und Praxis der
politischen Bildung und Erwachsenenbildung.
Dirk
Lange
ist Professor für Didaktik der Politischen Bildung am Institut für
Politische Wissenschaft der Leibniz Universität Hannover, Direktor
des Instituts für Didaktik der Demokratie (IDD) und
Bundesvorsitzender der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung
(DVPB). Zuvor war er Direktor der Agentur für Erwachsenen- und
Weiterbildung (AEWB) Niedersachsen.
Weitere Textbeiträge stammen von fast 40 renommierten Expert*innen und Fachleuten aus der politischen Erwachsenenbildung.
Aufbau und Inhalt
Das Handbuch setzt neben der Einleitung und einem einführenden Beitrag von Oskar Negt, der einen Versuch einer Ortsbestimmung der politischen Bildung unternimmt, fünf inhaltliche Schwerpunkte:
- Grundlagen
- Rahmenbedingungen
- Themen und Ansätze
- Akteure
- Lehren und Lernen.
Viele der Artikel folgen einer bestimmten Struktur:
- Definitionen des Themenbereichs
- Genese/Entwicklung
- Relevanz für die Erwachsenenbildung
- Umsetzbarkeit in die Praxis
- Bewertung/Ausblick
- Literatur.
Schwerpunkt Grundlagen
Im ersten Schwerpunkt des Handbuches blicken zwei Autoren zunächst auf die historischen Wurzeln der politischen Erwachsenenbildung: Paul Ciupke nimmt sich der Geschichte der politischen Erwachsenenbildung von der Aufklärung bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs an, während Klaus-Peter Hufer die Geschichte der politischen Erwachsenenbildung nach 1945 genauer beleuchtet.
Ein weiterer Akzent dieses Schwerpunktes ist die Frage nach der Essenz des Politischen in der politischen Erwachsenenbildung. Dazu beziehen drei Artikel Stellung: Waltraud Meints-Stender, Dirk Lange betrachtet ebenso wie Peter Faulstich diese Fragestellung genauer. Christine Zeuner stellt die theoretischen Ansätze der politischen Erwachsenenbildung vor, während Jens Korfkamp die Bezugswissenschaften in den Blick nimmt, in deren Kontext sich die politische Erwachsenenbildung ereignet.
Im Schwerpunkt Rahmenbedingungen werden zwei Facettenpolitischer Erwachsenenbildung genauer unter die Lupe genommen: den bildungspolitischen Trends geht Bernd Overwien nach, während Inken Heldt die Europäische Rahmenbedingungen der politischen Erwachsenenbildung analysiert.
Hufer und Lange sehen die politischen Erwachsenenbildung zu Recht in der „Tradition eines historischen Demokratisierungsprozesses, zu dessen wesentlichen Elementen das kritische Denken und der Emanzipationsanspruch zählen. Für diese politische Selbstbestimmung gelten die Fähigkeiten zur reflektierten Orientierung, zur kritischen Beurteilung und zur aktiven Gestaltung der politischen Wirklichkeit als unverzichtbar.“ (7) Daraus ergeben sich folgerichtig eine große Anzahl an Themen und Ansätze, die zahlreiche Artikel im dritten Schwerpunkt untersuchen.
- Andreas Eis beleuchtet insbesondere den Emanzipationsbegriff im Kontext der politischen Erwachsenenbildung genauer, während Benedikt Widmaier die politische Bildung in aktuelle und historische demokratietheoretische Debatten einordnet und dabei auf die Erwachsenenbildungspraxis herunterbricht und insbesondere den politischen Partizipationsgedanken intensiver beleuchtet.
- Norbert Reichling schließt Ausführungen zur Erinnerungskultur im Kontext (politische) Erwachsenenbildung an, während Björn Allmendinger und Kai Venohr die besondere Bedeutung der Rechtsextremismusprävention in der politischen Erwachsenenbildung herausarbeiten.
- Tonio Oeftering spürt der Globalisierung nach, streift dabei auch Themen wie Weltbürgertum und Weltgesellschaft.
- Paul Mecheril, Noelia Streicher greifen in ihrem Artikel eines der „Top-Themen gegenwärtiger öffentlicher Debatten“ (163) auf, wenn sie sich der politischen Erwachsenenbildung in der Migrationsgesellschaft widmen.
- Markus W. Behne bietet vor allem eine Übersicht über die Umsetzung des Europa-Themas als Fort- und Weiterbildungsthema in der politischen Erwachsenenbildung der letzten 30 Jahre.
- Unter dem Titel „Soziale Fragen und Gerechtigkeit“ reflektiert Detlef Horster unterschiedliche Gerechtigkeitskonzepte und thematisiert darüber hinaus Bildungsarmut und Bildungsgerechtigkeit.
- Albert Scherr beleuchtet in seinem Artikel Menschenwürde und -rechte als Grundwerte und Grundrechte genauer und schlägt über den Begriff Menschenrechtsbildung die Verbindung zur politischen Erwachsenenbildung her.
- Johannes Schillo bietet in seinem Text grundlegende Ausführungen zur Medienkompetenz und verweist darauf, dass Bildungsarbeit zwar zum einen in einem Konkurrenzverhältnis zu medialen Angeboten stehe, zum anderen aber traditionell und heute mehr denn je auch Gegenstand politischer Erwachsenenbildung sei.
- Gudrun Hentges führt in die Bedeutung des Genderbegriffes im Kontext politischer Erwachsenenbildung ein und bilanziert auch die zentralen aktuellen und zukünftigen Herausforderungen.
- Der Umweltbildung und der Bildung für nachhaltige Entwicklung in der politischen Erwachsenenbildung spürt Heino Apel nach, während David Salomon sogenannte integrative Ansätze in den Mittelpunkt seiner Darlegung stellt. Damit meint er: „solche Ansätze im Kontext politischer Bildung, die über eine explizite Fachdidaktik hinausgehen und danach fragen, welchen Beitrag auf den ersten Blick vor- oder unpolitisch anmutende Gegenstandsbereiche zur politischen Sozialisation einerseits, zur Ausbildung politischer Urteilsfähigkeit andererseits leisten können.“ (231).
Konstitutiv für die politische Erwachsenenbildung in Deutschland ist das plurale System: „Die Pluralität der staatlichen und gesellschaftlichen Träger ist demokratietheoretisch und bildungspolitisch eine wichtige und förderliche Grundlage der politischen Erwachsenenbildung:“ (8). Dies findet seinen Widerhall im nächsten Schwerpunkt Akteure.
- Klaus-Peter Hufer stellt das Engagement der Volkshochschulen im Kontext politischer Erwachsenenbildung dar, während Patrick Bredel die parteinahen Stiftungen präsentiert. Siegfried Frech führt in das Selbstverständnis und die Aufgaben der Bundeszentrale und die Landeszentralen für politische Bildung ein. Dem folgt ein Beitrag von Ina Bielenberg, die die zivilgesellschaftlichen Institutionen und Träger der politischen Erwachsenenbildung vorstellt, also z. B. die Bildungsstätten dun Bildungswerke, die Heimvolkshochschulen, die Europahäuser und Europäischen Akademien u. a.
- Andreas Michelbrink porträtiert die politische Bildungsaktivitäten von Arbeitnehmerorganisationen und konzentriert sich dabei insbesondere auf das Engagement der Gewerkschaften und von Arbeit und Leben.
- Lothar Harles widmet sich in seinen Ausführungen der politischen Bildung in konfessioneller Trägerschaft und stellt nicht nur die wichtigsten Akteur*innen vor, also die Arbeitsgemeinschaft der katholisch-sozialen Bildungswerke, die Katholische Erwachsenenbildung Deutschland, die Evangelische Erwachsenenbildung Deutschlands, die Evg. Akademien, sondern arbeitet auch aktuelle Trends und Perspektiven sowie Zukunftsaufgaben heraus und nimmt eine Einordnung in die Gesamtlandschaft der politischen Erwachsenenbildung in Deutschland vor.
Die drei folgenden Artikel dieses Schwerpunktes fokussieren träger- und institutionsübergreifende Fragestellungen, so stellt Falk Scheidig das pädagogisches Personal und die Professionsentwicklung in den Fokus seiner Ausführungen, während sich Iris Witt einer intensiven Beschäftigung mit den Teilnehmer*innen in der politischen Erwachsenenbildung widmet. Hakan Gürses stellt unter dem lyrischen Titel „Mühen der Ebene im Land der Berge“ die politische Erwachsenenbildung in Österreich vor.
In seiner Hinführung verweist Oskar Negt im Hinblick auf das Lernen in der politischen Erwachsenenbildung auf Folgendes hin: „Die Idee des exemplarischen Lernens ist verknüpft mit begreifendem Denken, dass auf Einsichtsfähigkeit besteht. Wichtig sind nicht die isolierten einzelnen Faktoren, nicht das arbeitsteilige Trainieren von Fachwissen, wichtig ist dass das Gewicht des Einzelnen sich durch den Zusammenhang des Ganzen bestimmt und jede Veränderung des einzelnen Faktors auf das Ganze Einfluss hat. Dieses Element der Deutung des Ganzen und damit auch die Kritik der Zustände des Gemeinwesens sind Voraussetzung dafür, die Verhältnisse im Blick auf eine vernünftige Organisation der Gesellschaft zu verändern.“ (15, im Original kursiv). Welche konkreten Niederschlag dies in der Praxis hat, wird im letzten Schwerpunkt Lehren und Lernen deutlich. Zunächst untersucht Horst Siebert die Lernvoraussetzungen, derer es in der politischen Erwachsenenbildung bedarf, während Paul Ciupke unter dem Stichwort Partizipative Arrangements die Vielfalt der Veranstaltungs- und Lernformen beleuchtet. Horst Siebert schließt den Bogen mit Ausführungen zur Didaktik der politischen Erwachsenenbildung ab.
Fazit
Das Buch von Hufer und Lange will als erstes seiner Art ein Handbuch sein, „das die Grundlagen der Arbeit in der politischen Erwachsenenbildung beschreibt, die Rahmenbedingungen, die institutionellen Akteure und das Lehren und Lernen“ (Klappentext). Diesem Anspruch wird es gerecht! So dass es als eine wichtige und grundlegende Einführung in die Vielfalt und die Eckpunkte, aber auch Perspektiven politischer Erwachsenenbildung in Deutschland (inklusive eines Beitrages aus Österreich) betrachtet werden darf.
Rezension von
Elisabeth Vanderheiden
Pädagogin, Germanistin, Mediatorin; Geschäftsführerin der Katholischen Erwachsenenbildung Rheinland-Pfalz, Leitung zahlreicher Projekte im Kontext von beruflicher Qualifizierung, allgemeiner und politischer Bildung; Herausgeberin zahlreicher Publikationen zu Gender-Fragen und Qualifizierung pädagogischen Personals, Medienpädagogik und aktuellen Themen der allgemeinen berufliche und politischen Bildung
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Zitiervorschlag
Elisabeth Vanderheiden. Rezension vom 05.10.2016 zu:
Klaus-Peter Hufer, Dirk Lange (Hrsg.): Handbuch politische Erwachsenenbildung. Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2016.
ISBN 978-3-89974-943-4.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/20748.php, Datum des Zugriffs 10.12.2023.
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