Frank Urbaniok: FOTRES - Forensisches Operationalisiertes Therapie-Risiko-Evaluations-System
Rezensiert von Dr. phil. Gernot Hahn, 12.09.2017

Frank Urbaniok: FOTRES - Forensisches Operationalisiertes Therapie-Risiko-Evaluations-System. Diagnostik, Risikobeurteilung und Risikomanagement bei Straftätern. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft (Berlin) 2016. 3. Auflage. 644 Seiten. ISBN 978-3-95466-242-5. D: 119,95 EUR, A: 102,95 EUR, CH: 99,00 sFr.
Thema
FOTRES – Das Forensisch operationalisierte Therapie-Risiko-Evaluations-System ist ein Instrument zur Beurteilung des individuellen Risikoprofils von Straftätern auf der Grundlage von über 80 Risiko-Eigenschaften, dessen Anwendung es ermöglicht eine spezifische Fallhypothese abzuleiten und darauf aufbauend kriminalprognostische Aussagen zu treffen. Frank Urbaniok begann 1998 an der konzeptionellen Entwicklung des Risiko-Beurteilungssystems, neben der -lizenzierten- Onlineversion des Instruments liegt nun in dritter Auflage das grundlegende Handbuch vor, das erstmals vollständig die (bisher zum Teil verstreut publizierten) theoretischen Grundlagen und die vom Autor entwickelte klinisch-diagnostische Konzeption des Systems beinhaltet. Das Risiko-Beurteilungssystem wird in der vorwiegend deutschsprachigen Praxis des Straf- und Maßregelvollzugs verwendet und wurde in den vergangen 20 Jahren stetig weiterentwickelt.
Autor
Frank Urbaniok, Dr. med. habil., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie arbeitet als Chefarzt des Psychiatrisch Psychologischen Dienstes (PPD) des Kantons Zürich/Schweiz und als Honorarprofessor an der Universität Konstanz. Nebenberuflich arbeitet er als Gutachter und Supervisor, vorwiegend mit dem Arbeitsschwerpunkt Sexual- und Gewaltstraftaten. Das von ihm entwickelte FOTRES vertreibt er als Lizenzprodukt mit eigener Firma und bietet in diesem Zusammenhang Fortbildungen, Schulungen und Supervision an. Urbaniok ist Autor zahlreicher Fachbücher und -artikel, darunter der 2012 erschienene Band „Interventionen bei Gewalt- und Sexualstraftätern“, den er zusammen mit Jérome Endrass, Astrid Rossegger und Bernd Borchard herausgegeben hat (siehe www.socialnet.de/rezensionen/13293.php).
Aufbau
Das Handbuch FOTRES ist in sechs Kapitel mit jeweils umfangreichen Unterkapiteln untergliedert. Dort werden neben einer Einleitung jeweils eine Einführung und umfangreiche Ausführungen zu statischen und variablen Risikomerkmalen gegeben:
Einleitung, theoretische und methodische Grundlagen, Systematik des FOTRES
Basis-Risiko: „Wie hoch ist das Grundrisiko einer Person“?
Basis-Beeinflussbarkeit: „Wie hoch sind die Chancen für einen (tatzeitnahen)erfolgreichen Veränderungsprozess“?
Aktuelle Beeinflussbarkeit: „Wie hoch sind die Chancen für einen aktuellen
Erfolgreichen Veränderungsprozess“?
Aktuelles Risiko: „Wie hoch ist das aktuelle Risiko einer Person“? „Wie ausgeprägt sind die Risiko-Eigenschaften aktuell“? „Wie ausgeprägt ist die risikosenkende Selbstkontrolle“?
Aktuelle Umweltfaktoren (externe Belastungs- und Schutzfaktoren)
Der Anhang bietet neben einen Sachwortverzeichnis Hinweise zu wichtigen Bewertungsregeln bzgl. der Risikoeinschätzung und deren Merkmale.
Zu I. Einleitung
Auf 44 Seiten entwirft Urbaniok die „FOTRES-Theorie“, eine forensisch-psychiatrische/psychologische Konzeption die dem Instrument zugrunde liegt. Die Theorie inkludiert Bausteine aus Persönlichkeitspsychologie, Psychopathologie, Kriminal- und Prognosewissenschaft sowie Kriminal- und Psychotherapie, deren Begrifflichkeiten und theoretischen Essenzen hier miteinander verknüpft, zusammengefasst vorgestellt werden. Bereits hier geht Urbaniok auf die Bedeutung von Risikoeigenschaften ein, die eher verhaltensnah (also auf der Verhaltensebene beobachtbar) verortet werden und als psychiatrisch-diagnostische Symptome oder persönlichkeitsimmanente Variablen (z.B. als delinquenzfördernde Weltanschauungen) erfasst und beschrieben werden. Die Stärke von FOTRES wird hier darin beschrieben die Risiko-Eigenschaften zu erfassen und in ihrem Ausprägungsgrad zu beschreiben, aus denen sich im konkreten Fall deliktrelevante Handlungsbereitschaft(en) ableiten lassen. Die Konsequenzen die Urbaniok daraus zieht sind auf der ersten Ebene kriminalprognostische Überlegungen, in zweiter Linie aber auch kriminaltherapeutisch-strategische Ableitungen: „Eine Risikosenkung kann durch eine Verminderung der Ausprägung dieser Risiko-Eigenschaften eintreten. Alternativ gibt es die Möglichkeit, dass deliktpräventive Fähigkeiten entwickelt werden, die kompensatorisch gegen die Ausprägung der Risiko-Eigenschaften wirken können. In dem Maße, in dem diese kompensatorische Wirkung erzielt werden kann, ergibt sich ebenfalls eine Senkung des (Rückfall-)Risikos“ (15). Im Weiteren werden in der Einleitung Überlegungen zu tatmotivationalen Aspekten (Persönlichkeitsmerkmale vs. situative Aspekte) für die Risikoerfassung und das -management angestellt, darauf aufbauende Therapiestrategien abgeleitet und an einem Fallbeispiel ausgeführt. In einem extra Abschnitt werden methodische Grundsatzthemen diskutiert (Basisrückfallraten, Evaluation von Risikobeurteilungsinstrumenten) und darauf aufbauend die Systematik der FOTRES-Diagnostik, deren zentrale Ebenen und Struktur beschrieben. Diese beinhaltet vier Bereiche:
1. Basis-Risiko
2. Basis-Beeinflussbarkeit
3. Aktuelles Risiko
4. Aktuelle Beeinflussbarkeit
Zu II. Basis-Risiko
Im zweiten Kapitel werden ausführlich die als Basis-Risiko konzipierten Risikoeigenschaften erfasst, beschrieben und in neun Gruppen gebündelt. Diese Gruppen erfassen die Aspekte „Dissozialität, Gewalt und Dominanz“, „Fantasien, Erregung und Sexualität“, „Impulsive Reaktionsbereitschaft/Reaktivität“, „Expansive Dispositionen“, „Defizit Dispositionen“, „Schizophrenie und andere psychiatrische Erkrankungen“, „Sucht, Depression und Trauma“, „Diverse Dispositionen“ und „Basale Wahrnehmungsmuster“. In diesem Kernstück des FOTRES-Konzepts wird auch die Relevanzeinschätzung individueller Risiko-Eigenschaften für den konkret einzuschätzenden Fall hinsichtlich künftigen Deliktverhaltens beschrieben (Relevanzfaktor), Besonderheiten der Anlassdelinquenz und deren Bedeutung für die aktuelle Risikoeinschätzung erfasst (Tatmuster-Modul), sowie auf die Bedeutung delinquenznaher Persönlichkeitsdispositionen eingegangen.
Aus der Fülle der theoretisch-konzeptionellen Erträge dieses Kapitels seien hier lediglich die Ausführungen zur Gruppe 1 der Risiko-Eigenschaften (Dissozialität, Gewalt und Dominanz) vorgestellt: Urbaniok stellt hier die wesentlichen Merkmale dieser Risikogruppe vor (Dissozialität, chronifizierte Gewaltbereitschaft, Affinität für tötungsnahe Handlungen, Dominanzproblematik, kaltblütig manipulative Persönlichkeit, Waffenaffinität, delinquenzfördernde Weltanschauung, kompensatorisches Risikoverhalten), formuliert anamnestische Leitfragen zur Erfassung dieser Merkmale (z.B. „Spielen für den Betroffenen bei der Umsetzung eigener Interessen und Bedürfnisse die legitimen Interessen anderer Menschen oder der Umwelt keine oder nur eine sehr geringe Rolle“?) und unterlegt die Einzelaspekte neben der theoretischen Herleitung mit konkreten Fallbeispielen. Zur Erfassung der einzelnen Gruppenmerkmale werden neben den exakt ausformulierten Leitfragen auch Hinweise zur Schnelleinschätzung („Quick-Guide“) gegeben. Diese erfassen als Überblicks-Check zentrale Merkmale eines Items, z.B. zum Aspekt „Waffenaffinität“ die Phänomene „starker Hang zu Waffen“; „Faszination für Waffen“; „mit Waffen vertraut“. Auch diese Ausführungen werden anhand von Beispielen ausführlich illustriert.
Zu III. Basis-Beeinflussbarkeit
Die in diesem Kapitel beschriebene Ebene soll eine Aussage darüber ermöglichen, wie gut das im vorangegangenen Kapitel erfasste Basis-Risiko günstig (im Sinn von Normalisierung) beeinflusst werden kann. Ansatzpunkte dafür sind die Reduktion der Ausprägung risikorelevanter Persönlichkeitsmerkmale und die Etablierung von Kompensationsmöglichkeiten, z.B. durch Verbesserung der Selbstkontrollmöglichkeiten. Diese Ebene hinsichtlich der Beeinflussbarkeitsmöglichkeiten fußt auf den Unterebenen „allgemeine Erfolgsaussicht“ und „Ressourcen“.
Urbaniok definiert in diesem Kapitel die Merkmale der beiden Subebenen (Klarheit des Veränderungsfokus, Angehbarkeit des Veränderungsfokus, Erfolgsförderndes Potential, Verantwortungsübernahme, Distanzierung von der Tat, Strategisches Lügen, spontane Opferempathie, Auseinandersetzungsfähigkeit etc.), erschließt die Ebenen und Merkmale wiederum durch Leitfragen (z.B. „Übernimmt der Betroffene Verantwortung für all seine Handlungsweisen, ohne den Versuch zu unternehmen, bestimmte Tatbereiche auszublenden, zu verdrängen oder zu externalisieren“?) und gibt zu den wesentlichen Items ausführliche Fallbeispiele, an denen die Ausführungen beispielhaft konkretisiert werden.
Zu IV. Aktuelle Beeinflussbarkeit
Zur Beurteilung der aktuellen Beeinflussbarkeit werden die im Kapitel Basis-Beeinflussbarkeit erhobenen Werte neu gewertet. Entsprechend gelten für diesen Bereich die gleichen Herangehensweisen und Bewertungsregeln. Entsprechend enthält dieser Abschnitt keine weiteren Bearbeitungshinweise.
Zu V. Aktuelles Risiko
Das aktuelle Risiko(potential) definiert Urbaniok in diesem Abschnitt als „Aktuelle Ausprägung der Risiko-Eigenschaften + Selbstkontrolle = Aktuelles Risiko“.
Zur Erfassung des aktuellen Potentials werden die zuvor im Bereich Basis-Risiko erfassten Werte ebenfalls neu bewertet und mit Bezug auf eine Berechnungstabelle hinsichtlich ihres Bezugs zur Ebene der Selbstkontrolle neu (464) berechnet. Das Kapitel führt in die Grundlage der beiden Ebenen ein, expliziert diese erneut durch Merkmalsbeschreibungen, explorierende Leitfragen und Fallbeispiele. Das Kapitel zeigt hier zudem konkrete Ansätze für deliktorientierte Kriminaltherapie auf, in dem z.B. zentrale Therapieinhalte, etwa „Wissen um die generelle Deliktproblematik“ (480) beim Täter, oder „Wissen um die eigene Tatdynamik“ (481) erfasst, benannt, in ihren Inhalten beschrieben und deren Ausprägungsgrad durch Leitfragen (z.B. „Vermag der Betroffene Auslösesituationen, Entstehungsbedingungen und begünstigende Faktoren seiner Tat zu identifizieren“?) erschlossen werden.
Als Basismodul geht Urbaniok hier auch auf die Kernstücke jeder Kriminaltherapie, die Deliktrekonstruktion und das Risikomanagement ein, deren Konzeption, Aufbau und Zielsetzung (Identifikation des Deliktmechanismus) beschrieben werden. Hinsichtlich des Risikomanagements werden die wesentlichen Bestandteile (z.B. Kenntnis der spezifischen Risikofaktoren, Bedeutung und Ausmaß von deliktrelevanten Fantasien, Wachsamkeitspegel bzgl. dysfunktionaler Veränderungsprozesse, Wahrnehmung der eigenen Ansprechbarkeit auf deliktfördernde Stimuli) vorgestellt und wiederum durch Leitfragen und Fallbeispiele erschlossen. Als Therapie-bezogene Bewertungsebene wird hier auch die Qualität der aktuell laufenden Therapie berücksichtigt, indem etwa die Beziehung des Probanden zur Therapie, zu Therapeuten, die Interaktionsfähigkeit, die individuelle Stellung in Therapiegruppen, Ausmaß von Fantasien, Offenheit im Mitteilungsverhalten, sowie psychiatrische Behandlungsfaktoren erschlossen und wiederum durch Leitfragen und Fallbeispiele erschlossen werden.
Zu VI. Aktuelle Umweltfaktoren
Als externale prognosewirksame Faktoren werden hier Risiko- und Schutzmerkmale beschrieben die neben dem bestehenden Basisrisiko und den aktuellen Fähigkeiten zur Selbstkontrolle eine zusätzlich verstärkende oder moderierende Wirkung haben können. Externe Faktoren sind in den Ebenen Arbeit/Ausbildung, Partnerschaft/Familie, Freizeit, Suchtmittel, ökonomische Situation, psychische Belastungen, soziales Umfeld, Politik/Religion und weiteren Ebenen angesiedelt.
Urbaniok weist darauf hin, dass die Bedeutung (Beeinflussungsstärke) externaler i. S. persönlichkeitsferner Merkmale eher marginal einzuschätzen sei, da Umweltfaktoren u.a. nicht beständig seien, sich jederzeit ändern könnten. Diese Einschätzung wurde in der 3. Auflage des FOTRES korrigiert, in früheren Auflagen wurde den externen Faktoren noch größere Wirkungsstärke beigemessen.
Zum Anhang
Der Anhang beinhaltet die Zusammenstellung von Risiko-Eigenschaften, deren Kombination unwahrscheinlich oder sogar ausgeschlossen ist, also in der Praxis eher selten zu beobachten sein wird, Hinweise zu den Bewertungsregeln von Risikomerkmalen, eine grafische Darstellung der wichtigsten Strukturelemente von FOTRES und tabellarische Auflistung der im Buch beschriebenen Risiko-Eigenschaften, sowie das Literatur- und Stichwortverzeichnis.
Zielgruppe
Als praxisorientiertes Handbuch wendet sich FOTRES an Gutachter, Therapeuten und Bewährungshelfer und bietet auch für Fachpersonen aus anderen Disziplinen eine gründliche Einführung in die Forensische Psychiatrie und Psychologie und die Grundlagen der Risikobeurteilung.
Diskussion
Urbaniok befasst sich seit nunmehr 20 Jahren mit der Beurteilung von Risikomerkmalen bei Straftätern und der Bewertung von Therapieverläufen bei dieser Gruppe. Das dabei gesammelte Wissen ist in die 3. Auflage des Handbuchs, das den theoretischen und methodischen Hintergrund der online-basierten Applikation zur Risiko- und Therapieverlaufseinschätzung darstellt, eingeflossen. Das Buch enthält damit den prognose- und kriminal(therapie)wissenschaftlichen State-Of-The-Art, ist hinsichtlich Umfang und Vollständigkeit einmalig und empfiehlt sich auch für die Einrichtungen und PraktikerInnen in der Straftäterbehandlung, die das Instrument FOTRES nicht direkt anwenden (wollen). Der Aufbau der Kategorien, die darin vorgenommenen Bewertungen einzelner Risikomerkmale, deren Verhältnis untereinander und in der Gesamtbewertung erlaubt in allen Phasen der oftmals komplexen und dynamischen Veränderungsprozesse innerhalb von Tätertherapien Orientierung und Überblick.
Das Gesamtwerk ist auf die Identifikation von Risikomerkmalen und deren Ausprägungsgrad ausgerichtet. Dies entspricht dem empirisch belegten Wissensstand um Rückfallwahrscheinlichkeiten und Veränderungsansätze der Kriminaltherapie. Die Rolle von internalen und externalen Schutzfaktoren wird im FOTRES zwar benannt, jedoch -und das noch deutlicher als zuvor- als zweitrangig bewertet. Hier wäre i. S. der Weiterentwicklung (und Urbaniok wird das FOTRES weiterentwickeln) das aktuelle Wissen und die prognostische Stärke von Protektivfaktoren stärker zu berücksichtigen und durch Validitätsprüfungen zu sichern. Die Arbeitsgruppe um Urbaniok hat solche empirischen Überprüfungen bzgl. Aufbau und Aussagerichtigkeit des FOTRES in den letzten Jahren selbst durchgeführt. Die Ergebnisse wurden in den letzten Jahren publiziert, das Instrument hinsichtlich Validität geprüft und bestätigt. Damit ist FOTRES ein umfassendes, in seinem Aufbau klar und übersichtlich strukturiertes System zur Erfassung des Rückfallrisikos von Straftätern, zur Benennung der Beeinflussbarkeit einer Risikodisposition und zur Auswertung deliktorientierter Therapieverläufe und des Allgemeinverlaufs. Auf dieser Grundlage ist der im Strafvollzug und vor allem in der forensischen Psychiatrie geforderte Ausbau qualitätssichernder Maßnahme auf Grundlage empirisch belegter Merkmale und Mechanismen ermöglicht, bzw. folgt einer einheitlichen Struktur und verbindlichen Items. Das Handbuch ist, unabhängig ob von Nicht-Anwendern oder Nutzern des Instruments gelesen eine wichtige Hilfe für die Behandlungsplanung und -durchführung, sowie für die Beurteilung des aktuellen Risikoszenarios.
Der Aufbau des Programms, die Darstellungen im Handbuch sind didaktisch sehr gut durchstrukturiert, alle Phasen des Programms werden neben der inhaltlichen Darstellung und Beschreibung durch Fallbeispiele illustriert, die zu erhebenden Kategorien durch Leitfragen erschlossen (die alleine für sich genommen schon einen Schatz an kriminaltherapeutisch relevanten Ebenen erschließen). In seiner Vollständigkeit hinsichtlich der Erfassung relevanter Risikomerkmale und -eigenschaften, von Deliktmustern, der empirisch begründeten Beurteilung deliktrelevanter Persönlichkeitseigenschaften und Verhaltensmerkmale, sowie die darauf aufbauende Möglichkeit zur Einschätzung von Therapieverläufen ermöglicht die Strukturierung von Tätertherapien und kann Behandlungsteams das Maß an Sicherheit in Therapieplanung und -durchführung geben, das in diesem Kontext zu fordern ist.
Als Kritik an FOTRES wird immer wieder genannt, dass die Anwendung des Instruments zu kompliziert, zu aufwändig sei. Die dafür zu erbringende Zeit stehe nicht im Verhältnis zu den Möglichkeiten. Tatsächlich bedarf es eines gewissen Aufwands, um FOTRES anzuwenden. Die von Urbaniok angegebenen 20 Minuten („bei sehr guter Fallkenntnis“) dürften, vor allem bei Neuanwendern, knapp bemessen sein. Andererseits führen alle Einrichtungen der Forensischen Psychiatrie regelmäßig Fallkonferenzen zur Therapieverlaufsauswertung und weiteren -planung durch und wenden dafür mehr oder weniger klar formulierte Kriterien an. Diese Praxis erfährt durch die hier publizierten Grundlagen eine ausreichende Begründung und Differenzierung. Merkmale, wie sie in jeder Tätertherapie gefordert sind. An der Art des Aufbaus des Handbuchs lässt sich ablesen, welche umfangreichen praktischen Erfahrungen in der Anwendung und in der Vermittlung des Programms im Rahmen von Fort- und Weiterbildung/Schulung gewonnen wurden. Diese sind in die Gestaltung des Handbuchs eingeflossen.
Fazit
Behandlungseinrichtungen des Straf- und Maßregelvollzugs erhalten neben einem über 80 Items umfassenden strukturierten Instrument zur Erfassung und Messung individuell vorliegender Risikomerkmale und -eigenschaften eine Grundkonzeption zur Erstellung kriminalprognostischer Merkmale und zur Konzeption kriminaltherapeutischer Behandlungsmaßnahmen. Das Werk benennt persönlichkeitsnahe/-immanente Risikoeigenschaften von Straftätern und das sich daraus ergebende Basis-Risiko, beschreibt deren grundsätzliche und aktuelle Beeinflussbarkeit und geht auf die Rolle externaler Faktoren ein. Einrichtungen haben so die Möglichkeit im Sinn qualitätssichernder Maßnahmen ihre konzeptionelle Grundausrichtung zu gestalten und zu sichern. Die sich daran anschließende Frage wird sein, nicht ob man dabei auf FOTRES zurückgreifen will, sondern wann dies erfolgt, bzw. wie es fachlich zu begründen ist, auf das Konzept und Instrument verzichten zu können.
Rezension von
Dr. phil. Gernot Hahn
Diplom Sozialpädagoge (Univ.), Diplom Sozialtherapeut
Leiter der Forensischen Ambulanz der Klinik für Forensische Psychiatrie Erlangen
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