Sieghard Beller: Empirisch forschen lernen
Rezensiert von Dr. Petra Richter, 22.12.2016

Sieghard Beller: Empirisch forschen lernen. Konzepte, Methoden, Fallbeispiele, Tipps. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG (Göttingen) 2016. 3, überarbeitete und erweiterte Auflage. 196 Seiten. ISBN 978-3-456-85615-5. 24,95 EUR. CH: 35,50 sFr.
Thema
Das Buch gibt Informationen zu allen Stationen eines Forschungsprozesses. Der Schwerpunkt liegt auf psychologisch-empirischer Forschung. Vorkenntnisse werden nicht vorausgesetzt. In der vorliegenden Auflage wurden ethische Themen aufgenommen.
Autor
Dr. Sieghard Beller, Professor für Kognitive Psychologie an der Universität Bergen (Norwegen). Er forscht und lehrt zu den Themen Kognition, Sprache und Kultur.
Entstehungshintergrund
Das Buch wurde zwischen 2001 und 2003 während der Tätigkeit des Autors an der Universität Freiburg auf der Grundlage eines Methodik-Kurses für Studierende im Nebenfach Psychologie konzipiert. Das didaktische Konzept stützt sich auf selbstständiges Erarbeiten von Themen, Vertiefen durch Übungen und praktisches Anwenden in einer eigenen empirischen Studie. Die erste Auflage des Buches wurde für viele Zielgruppen verwendet. Darauf beruhende Erfahrungen sind in die vorliegende dritte Auflage aufgenommen worden.
Aufbau und Inhalt
Der Aufbau des Buches orientiert sich in der Reihenfolge an den Etappen eines Forschungsprozesses. Im ersten Kapitel steht entsprechend die Formulierung von Forschungsfrage und Hypothesen im Vordergrund. In weiteren Kapiteln werden Datenerhebung, die Beschreibung von Daten, Repräsentativität, Signifikanz, statistische Aspekte sowie die Berichtsformen empirischer Untersuchungen detailliert dargestellt.
1. Von der Fragestellung zur Untersuchung. Das Kapitel beginnt mit Beispielen von Forschungsprojekten. Diese Beispiele werden miteinander verglichen und in Beziehung zueinander gesetzt. Deutlich wird an dieser Erörterung, wie entscheidend die Formulierung der Forschungsfrage/ der Hypothesen ist. Die Rolle von Fragen, die Erhebung von Erfahrungsdaten und deren Erkenntnisgewinn werden zentral im ersten Kapitel bearbeitet. Wichtige Unterscheidungen werden getroffen, etwa Grundlagen- vs. Anwendungsforschung, empirische vs. analytische Fragen. Der Weg von Fragen zu Hypothesen wird aufgezeigt wie auch Funktionen wie Variablen. Am Ende des ersten Kapitels wird zusammenfassend der Ablauf einer empirischen Untersuchung dargestellt.
2. Daten erheben. In diesem vergleichsweise langen Kapitel (43 Seiten) wird die Datenerhebung facettenreich und umfassend behandelt. Themenfelder sind Messung und Operationalisierung, Kategorien und Häufigkeiten, Einschätzen und vergleichen. Gleichermaßen sorgfältig werden Bereiche wie Verhaltensbeobachtung, Interviews und Fragebögen betrachtet. Tests und Testtheorie runden das Kapitel ab.
3. Daten beschreiben. Inhalt des dritten Kapitels ist der sich an die Datenerhebung anschließende Arbeitsschritt in Forschungsprozessen: die Auswertung der Daten. Zentral werden deskriptive Statistiken angesprochen. Daten werden in diesem Zusammenhang tabellarisch oder grafisch zusammengefasst und durch mathematische Kennwerte beschrieben. In den ersten beiden Abschnitten des Kapitels werden typische Arten der Aufbereitung von Daten mittels Tabellen, Grafiken und statistischen Kennwerten vorgestellt. Der dritte Teil des Kapitels behandelt einige Varianten suggestiver und verschleiernder Datenpräsentation. Anhand dieser Auseinandersetzung können Manipulationen erkannt werden.
4. Repräsentativität und Genauigkeit von Stichproben. Im Gegensatz zur beschreibenden bzw. deskriptiven Statistik geht es im vierten Kapitel um die Interferenz-Statistik (schließende Statistik). Es werden die wichtigen Fragen behandelt, ob eine Stichprobe repräsentativ ist und wie genau sich die Verhältnisse in der Population durch die Stichprobe schätzen lassen. Die Merkmale verschiedener Auswahlverfahren werden analysiert und dargestellt, wie die Genauigkeit von Stichprobenergebnissen bestimmt werden kann. Für diese thematischen Bereiche ist eine Auseinandersetzung mit den Gütekriterien für Kennwertschätzungen unverzichtbar.
5. Der Signifikanztest. Ein eigenes kleines Kapitel (17 Seiten) widmet sich dem Vergleich von Hypothesen und der Entscheidung über Hypothesen. Im ersten Teil des Kapitels wird deutlich, welche Hypothesen bei einem Signifikanztest verglichen werden. Wie Entscheidungen über Hypothesen getroffen werden, wird im zweiten Teil des fünften Kapitels dargestellt.
6. Einfache Designs und statistische Tests. In diesem Kapitel werden ausgewählte statistische Testverfahren für unterschiedliche Skalenniveaus, Kennwerte und Designs vorgestellt. Die Anwendung statistischer Tests ist immer an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Diese Voraussetzungen werden für jedes Verfahren angegeben. Der Vergleich von Stichprobenwerten mit bereits bekannten Werten wird ebenso bearbeitet wie die Designs und Tests für Unterschiedshypothesen. Tests für Zusammenhangshypothesen werden am Ende des sechsten Kapitels beschrieben.
7. Wie man empirische Untersuchungen berichtet. Nach der Auswertung von Forschungsdaten müssen die Forschungsfragen beantwortet werden. Alle Stufen des Forschungsprozesses mit allen begründeten Entscheidungen müssen im Forschungsbericht transparent dokumentiert werden. Erst durch die Zusammenschau aller Aspekte kann beurteilt werden, ob die Forschungsfragen mit der Untersuchung tatsächlich beantwortet werden können. Im siebten Kapitel werden allgemeine Regeln zum Aufbau und zum Verfassen von Forschungsberichten gegeben. Danach wird auf die einzelnen Teile eingegangen.
Diskussion
Durch Inhalte und dem Aufbau des Buches werden Studierende befähigt, eigene empirische Untersuchungen zu entwickeln, zu planen, durchzuführen und zu dokumentieren. Besonders positiv ist m. E. hervor zu heben, dass nach jedem Kapitel Literaturhinweise gegeben werden. Jedes Kapitel ist überdies mit Übungen versehen, deren Lösungen am Ende des Buches einsehbar sind. Es handelt sich somit um ein Studien- und Arbeitsbuch, dessen Ertrag für Studierende während des Studiums oder beim Verfassen von Abschlussarbeiten sehr hilfreich sein kann.
Zu betonen sind ebenfalls die Hinweise zu den Besonderheiten von Telefon-Interviews. Ausführungen hierzu werden in einschlägigen Büchern oft vermisst.
Fazit
Das „Buch Empirisch forschen lernen“ eignet sich für Studierende und andere Interessierte, die sich einer eigenen Untersuchung nähern müssen oder wollen. Das Buch gibt Informationen und Orientierung für alle Forschungsphasen und liefert wichtige Hinweise für die Darstellung von Studien und das Verfassen von Forschungsberichten. Es ist, wie angekündigt, für Leser_innen ohne Vorkenntnisse ebenso geeignet wie für fortgeschrittene Studierende.
Der Aufbau des Buches ist sehr übersichtlich, die Inhalte sind anschaulich dargestellt. Besonders sinnvoll sind die im Buch integrierten Übungen.
Rezension von
Dr. Petra Richter
Lehrkraft für besondere Aufgaben, Fachhochschule Kiel
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Es gibt 2 Rezensionen von Petra Richter.
Zitiervorschlag
Petra Richter. Rezension vom 22.12.2016 zu:
Sieghard Beller: Empirisch forschen lernen. Konzepte, Methoden, Fallbeispiele, Tipps. Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2016. 3, überarbeitete und erweiterte Auflage.
ISBN 978-3-456-85615-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/20767.php, Datum des Zugriffs 03.10.2023.
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