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Thomas Brühne: Städte in verschiedenen Kulturräumen

Rezensiert von Prof. Dr. Detlef Baum, 21.07.2016

Cover Thomas Brühne: Städte in verschiedenen Kulturräumen ISBN 978-3-8300-8846-2

Thomas Brühne: Städte in verschiedenen Kulturräumen. Diskursanalytische Studien und exemplarische Modellbildung. Verlag Dr. Kovač GmbH (Hamburg) 2016. 390 Seiten. ISBN 978-3-8300-8846-2. D: 99,80 EUR, A: 102,60 EUR.

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Thema

Städte waren immer schon etwas Besonderes und haben sich – auch bewusst – vom Land unterschieden. Ihre Bewohner waren von der landwirtschaftlichen Produktion befreit, also auch von der Arbeit in der Landwirtschaft befreit. Städte waren immer auch Impulsgeber und Zentren kultureller Entwicklung und sozialer Gestaltung der Lebensbedingungen und Städte waren insgesamt immer auch „fortschrittlicher“ und stärker ökonomischen, kulturellen und sozialen Wandlungsprozessen unterworfen. Ihre Kerndynamik hat auch einen neuen Lebensstil mit hervorgebracht: die Urbanität.

Und mit der europäischen Stadt verbinden wir z. B. die Entfaltung einer bürgerlichen Gesellschaft und die Emanzipationsgeschichte des Stadtbürgertums.

Heute sind Großstädte und Metropolen global eingebunden, zumindest international so vernetzt, dass sie in eine internationale Arbeitsteilung eingebunden sind, die Internationalität erforderlich macht.

Es wird also notwendig sein, sich mit den Metropolen und Großstädten anderer Kulturkreise über die jeweilige ökonomische und soziale Struktur und das jeweilige kulturelle Verständnis von Stadt zu verständigen und darüber, wie man in Städten in Zukunft leben will und wie man sich die Stadt als soziale Daseinsform jeweils vorstellt.

Autor

Dr. Thomas Brühne hat sich mit dieser Arbeit an der Universität Koblenz-Landau habilitiert.

Aufbau

Die Arbeit gliedert sich in sechs größere Kapitel:

  1. Einleitung
  2. Methodologische Vorüberlegungen
  3. Das Forschungsdesign
  4. Der Forschungsprozess
  5. Neue Überlegungen zur Modellbildung
  6. Ausblick

Der Einleitung vorangestellt sind ein Abbildungs- und ein Tabellenverzeichnis; am Ende des Buches befindet sich eine Literaturliste und in einem umfangreichen Anhang findet man Feinanalysen von einschlägigen Publikationen nach den Kriterien

  • Betrachtung des Diskursfragments im institutionellen Kontext,
  • Analyse der Textoberfläche,
  • Analyse der fachbegrifflichen Struktur,
  • inhaltlich-ideologische Aussagen,
  • Interpretation des Diskursfragments.

Zur Einleitung

Unter dem Titel „Auf dem Weg in eine globale Stadtgesellschaft“ beschäftigt sich der Autor zunächst mit dem Begriff der Metropole; Metropolen wie Paris, London oder Amsterdam waren in der Frühen Neuzeit bereits große und zugleich äußerst heterogene und differenzierte ökonomische und kulturelle Zentren. Brühne geht auf den Begriff der Metropolis, der Mutterstadt in der griechischen Antike ein; Metropolen sind Städte in einem Städtesystem, in dem sie auch eine gewisse Zentralitätsfunktion haben. Die wissenschaftlichen Diskurse zum Metropolenbegriff werden ausführlich vorgestellt und kritisch diskutiert.

Weiter stellt der Autor seine Fragestellung vor und erörtert die Problemperspektive seines Themas: Die Vielfalt von Stadtbegriffen und die Ungenauigkeit der Definitionen erschweren das Phänomen Stadt analytisch zu durchdringen. Und Brühne interessiert, wann und wie diese wissenschaftliche Diskussion begonnen hat und sich verdichtet hat. Deutlich wird diese Problemperspektive in einer zitierten Tabelle, in der quantitative und qualitative Stadtbegriffe aufgelistet sind.

Nach einer Einordnung des Themas in die Geographie und ihre Didaktik und nach der Begründung, warum die Themenfelder Megastädte, Weltstädte, Metropolen und Global Cities ein Forschungsgegenstand der Geographiedidaktik sind, kommt der Autor zur Zielsetzung seiner Forschung. Es geht darum „die fachwissenschaftlichen Forschungsebenen ‚Global Cities‘, ‚Weltstadt‘, ‚Megastädte‘ und ‚Metropolen‘ als Ausdruck postmoderner Urbanisierungsprozesse mit traditionellen kulturgenetisch-funktionalen Betrachtungsweise von Städten in Verbindung zu bringen und zu strukturieren, um daraus letztlich ein theoretisch begründbares modifiziertes Stadtmodell ableiten zu können“ (22 f). Der Autor versteht den konzeptionellen Aufbau in zwei Teilen: Einmal geht es um eine empirische gestützte Analyse und Ordnung und Systematisierung der wissenschaftlichen Diskurse; zum anderen geht es um die Konstruktion eines Stadtmodells.

Zu 2. Methodologische Vorüberlegungen

Hier entfaltet der Autor die wissenschaftliche Diskussion der Diskursforschung ausführlich und detailliert, bringt die Diskurse in einen Überblick und diskutiert dann die wissenschaftstheoretischen Hintergründe der Diskursforschung an Hand der Literatur. Weiter stellt er die verschiedenen Diskursbegriffe und -theorien vor, setzt sich mit Protagonisten wie Foucault und Habermas auseinander und diskutiert dann schließlich die Diskursanalyse im Kontext qualitativer Sozialforschung, strukturiert die Diskursarten und analysiert sie tiefgehend.

Zu 3. Das Forschungsdesign

In diesem Kapitel erklärt und begründet der Autor die Konstruktion eines eigenen individuellen Forschungsdesigns, das theoretische Aspekte der wissenssoziologischen Diskursanalyse mit Elementen der kritischen Diskursanalyse vereint. Dabei rekurriert Brühne auf Vertreter der jeweiligen Ansätze. Weiter erörtert der Autor die Abfolge des Forschungsprozesses und die Bestimmung des zu untersuchenden Diskursfeldes, geht auf weitere Fragen an den Forschungsgegenstand und die Datenerhebung ein und diskutiert schließlich die Interpretation der Ergebnisse.

Zu 4. Der Forschungsprozess

In diesem umfangreichen Kapitel geht es zunächst um die Festlegung des Diskursfeldes und um die Formulierung von Fragen an den Forschungsgegenstand. Der Autor zitiert dabei eine Liste von Fragen, die sich vor allem auf das Auftauchen, die Rekonstruktion, die Akteure, die raum-zeitlichen Kontexte, die Wirkungen und die Erkenntnisse der Spezialdiskurse beziehen.

Weiter geht es um die Darlegung des Datenkorpus und die Verteilung der Codes auf die Spezialdiskurse, die in der Rekonstruktion und Feinanalyse diskutiert werden. In den Spezialdiskursen wird analysiert und interpretiert, welche Aspekte und Indikatoren jeweils diskutiert werden, um den Begriff der Metropole z. B. zu bestimmen und abzugrenzen zu anderen Begriffen der Stadt. Die Codes sind also diese Aspekte und Themen, die zu einer theoretischen und analytischen Bestimmung eines Begriffs in den Diskursen herangezogen wurden.

Diese Codes werden im Folgenden für alle Spezialdiskurse benannt.

World City

  • Kulturelle Transformation
  • Räumliche Transformation
  • Gesellschaft
  • Weltweite Vernetzung
  • Nationale Funktion
  • Globale Steuerung
  • Wandel der Metropole
  • Urbane Fragmentierung
  • Nationalstaatliche Funktion
  • Metropolitane Netzwerke
  • Globale Eingliederung

Megastadt

  • Regionale Maßstabsebene
  • Sozioökonomische Disparitäten
  • Sozialräumliche Fragmentierung
  • Nationale Maßstabsebene
  • Vulnerabilität
  • Handlungsebene
  • Global City Diskussion
  • Globale Maßstabsebene

Global City

  • Global City Region
  • Räumliche Fragmentierung
  • Gesellschaftlich-kulturelle Diversifikation
  • Politisches Zentrum
  • Informations- und Kommunikationszentren
  • Weltweite Netzwerke
  • Transnationalisierung
  • Finanzströme
  • Hierarchisierung der Städte
  • Inszenierte Globalisierung

Am Beispiel der Rekonstruktion und Feinanalyse des Spezialdiskurses Metropole soll nun im Folgenden dargestellt werden, wie der Autor vorging.

Code: Wandel der Metropole

Zunächst beklagt Brühne den inflationären Gebrauch des Metropolen-Begriffs. Er geht dann auf eine Definition von Häußermann ein, der die Metropole als Zentrum eines Städtesystems oder einer Region begreift; er nennt dann Voraussetzungen für die Metropole, wie ein klar abgegrenztes Gebiet, in der die dort befindliche Stadt – aus welchen Gründen auch immer – eine dominante Bedeutung erhält.

Der Autor diskutiert und analysiert dann die entsprechenden Diskurse an Hand der Literatur und stellt dann für den deutschen Sprachraum eine starke kulturelle Funktion der Metropole fest, die sich im Zuge der industriellen Verstädterung verändert, weil nun mehr die industrielle Produktion den Charakter der Stadt bestimmt.

Weiter setzt sich der Autor ausführlich mit der postmodernen Stadt auseinander.

Die Diskussion jeden Codes wird mit einer These abgeschlossen. Hier lautet die These, dass der Metropolenbegriff einem Wandel unterlag und heute eher wirtschaftsgeographisch gemeint wird. Historisch bedingt verbindet man aber mit diesem Begriff auch ein gesellschaftliches Leitbild des Städtischen der Moderne. Ob er – wie behauptet – aus der Sicht der Soziologie überholt erscheint, ist eine Diskussion wert.

Code: Urbane Fragmentierung

Urbane Fragmentierung meint, dass die Funktionen einer Metropole nur im Kontext der anderen Städte und deren Funktionen gesehen werden kann. Häußermann spricht hier von einer komplementären Funktionsspezialisierung, die zu einem Miteinander führen muss, zu einer Arbeitsteilung der Städte, die sie gleichsam voneinander abhängig macht. Dabei beschränken Autoren die Stadt auch auf die ökonomische Funktion, von einem Wandel der sozialen und kulturellen Funktion im Zeichen des Wandels zu einer postfordistischen Organisation von Massenproduktion und -konsumption ist weniger die Rede. Der Autor bezieht sich dabei auf Soja.

Die These des Autors lautet: Innerhalb einer Metropole ist von einer komplementären Funktionsspezialisierung eines miteinander verbundenen Städtenetzwerkes auszugehen. Die neue räumlich-ökonomische Arbeitsteilung führt zu sozialräumlichen Verschiebungen des Städtischen und zu starken Interdependenzen zwischen Stadt und urbanen Regionen.

Code: Nationalstaatliche Funktion

Metropolen brauchen ein klar abgrenzbares Gebiet, in dem eine Stadt eine höhere Bedeutung erlangt. Diese Bedeutung wird heute auch durch eine internationale Dominanz erzeugt; deshalb gibt es vor allem in Asien auch Programme, die nationale Städte durch eine Aufwertung ihrer Infrastruktur zu Weltstädten machen. Internationalität setzt Nationalität voraus; die Bedeutung des Nationalstaates wird auf diese Weise noch einmal unterstrichen. Die nationalstaatliche Funktion des Ausbaus der Infrastruktur ist jedoch Bedingung für Metropolen; gleichzeitig können nationalstaatliche Eingriffe die Entwicklung von Metropolen hemmen. Dieses Dilemma drückt der Autor in der entsprechenden These aus.

Code: Metropolitane Netzwerke

Nun ist die Metropole ein Zentrum, aber nicht das Zentrum. Vielmehr gibt es viele Zentren; vernetzte Diskurse und Kooperation statt zentrale Entscheidungen und Konkurrenz sind erforderlich – so der Autor in Anschluss an Häußermann. Internationaler Informationsaustausch lässt die Metropole zu einem Dienstleistungs-, Steuerungs- und Kontrollstandort werden argumentiert der Autor in Anlehnung an Blotevogel. Und weiter meint Brühne, dass sich in Abhängigkeit zu der Kommunikationsinfrastruktur metropolitane Netzwerke zwischen den einzelnen Städten ausbilden. Auf diese Weise würden sie zu integrativen Bestandteilen eines europäischen bzw. weltweiten Städtesystems.

Code: Globale Eingliederung

Globalisierung als ein Prozess, in dessen Verlauf transnationale Wirtschafsakteure so agieren, dass sie des Nationalstaats und deren nationale Ökonomie nicht mehr bedürfen, um strategische Entscheidungen zu treffen. Diese Globalisierung führt auch dazu, dass sich in Metropolen Funktionen zentralisieren und konzentrieren. Der Autor argumentiert hier in Anlehnung an Sassen, die von einer „Geographie der Zentralität“ spricht, „die die Metropole in ein Gitter strategischer Knotenpunkte der globalen Weltwirtschaft transformiert“ (Sassen).

In Anlehnung an Soja diskutiert der Autor die postmoderne Stadt, spricht vom Wechselspiel des Städtischen und von Internationalisierungsprozessen, stellt dann aber auch fest, dass die Städte eher wirtschaftsstrategisch aufgestellt sind und die Betrachtung der Städte als global organisierte Kontroll- und Steuerungsstandorte eher wirtschaftsgeographisch begründet ist.

In Anschluss an die Rekonstruktion und Feinanalyse der Spezialdiskurse über die vier Stadttypen diskutiert der Autor die Ergebnisse. Diese ausführliche und kritische Diskussion bezieht sich auf die wichtigsten Studien zu den einzelnen Stadttypen. Dabei stellt er im Überblick fest, dass die Literatur widersprüchlich und unübersichtlich geworden ist, so dass der Anspruch, eine Theorie der Stadt zu formulieren, eher schwierig einzulösen ist.

Auch auf die Grenzen der Ergebnisdarstellung macht der Autor aufmerksam.

Zu 5. Neue Überlegungen zur Modellbildung

Die bisherigen Erklärungsmodelle der Stadt basieren auf den Kulturräumen, in die wir die Welt eingeteilt haben. Wir können uns die europäische Stadt im Unterschied zur angloamerikanischen Stadt vorstellen oder zur chinesischen und zur islam-orientalischen Stadt. Muss die Welt neu geordnet werden, damit wir die verschiedenen Stadttypen heute jeweils besser verorten können?

Brühnes Überlegungen zur Modellbildung lassen dies vermuten. Dabei bezieht sich der Autor immer noch auf die räumlichen Orientierungsraster des Kulturraums, es wäre aber erforderlich, das von ihm zu konstruierende Modell in die theoretische Modellbildung mit einzubeziehen.

Zunächst setzt sich der Autor mit den Grundzügen der Modelltheorie, mit dem Modellbegriff und mit Aspekten ausgewählter Modelltheorien auseinander und stellt dann theoretische Überlegungen zur Modellbildung an, teilt die Modelle ein, ordnet sie und diskutiert didaktische Modelle.

Anschließend beschäftigt sich Brühne mit dem Kulturerdteilkonzept als räumliches Bezugsraster. Er geht zunächst auf die Ursprünge kulturräumlicher Erdgliederungen ein und beschäftigt sich ausführlich mit der entsprechenden Literatur, vor allem mit den Kulturerdteilkonzepten nach Kolb und nach Newig. Weiter diskutiert der Autor die didaktische Reflexion der Kulturendteilkonzepte.

Ausführlicher erörtert Brühne dann die stadtgeographische Adaption des Kulturerdteilkonzepts. In einer Übersicht stellt er einmal kulturgenetische Stadttypen der deutschen Geographie vor und zum anderen werden ausgewählte kulturräumliche Stadtmodelle tabellarisch dargestellt. Am Ende kommt der Autor zu dem Schluss, dass im Zeitalter der Globalisierung kulturelle und spezifisch gesellschaftliche Prozesse überformt werden, wenngleich sie kulturell vorgeprägt sind und damit die Überformung selbst als kulturell prägend bestimmt werden könnte.

Welchen Zweck haben dann noch Modelle, die gleichsam abstrahierend verallgemeinern? Diese kritisch-reflexive Auseinandersetzung mit den Modellen ist notwendig, wenn man eines konstruiert – und dem Autor ist dies auch bewusst.

Wie also könnten Kulturerdteile und Stadtmodelle neu gegliedert werden? Eine solche Neugliederung wird als Zitat vorgestellt, historisch und strukturell begründet und kritisch diskutiert.

Anschließend diskutiert der Autor seinen Favoriten: das Modell der anglo-amerikanischen Stadt. Diese Stadt ist relativ jung und dennoch gibt es eine Reihe von Gemeinsamkeiten der amerikanischen Städte, die sich in ein Modell einbinden lassen. Hohe Dichte, Heterogenität der Bevölkerung und Größe, sowie die Zentralitätsfunktion der City (Central Business District) hat schon die Forscher der Chicagoer Schule fasziniert.

Weiter diskutiert der Autor das Modell der US-amerikanischen Kernstadt, der Downtown. Brühne geht dabei auf drei Stadtmodelle näher ein. Einmal zitiert er eine prominente Stadtforscherin – Schneider-Sliwa –, die in den amerikanischen Kernstädten Problemzonen identifizierte und fragte, ob die baulich-funktionale Struktur und sozialräumliche Bedingungen für die dort vorgefundenen Probleme verantwortlich waren.

Ein weiterer Autor – Hahn – sieht die Stadt als ein Modell einer ringzonalen Anordnung von Räumen um das Zentrum herum; ein Modell das bereits Park und Burgess im Kontext der Chicago School für die Stadt Chicago entwickelten. Dieses Modell macht bereits auf Suburbanisierung in den Edge Cities aufmerksam und auf einen Prozess der Gentrifizierung.

Weiter diskutiert der Autor ein Modell, das von einem Mehr-Kern-Modell ausgeht und so die sozialräumliche Struktur der Stadt erfasst.

Alle Modelle werden ausführlich dargestellt und diskutiert, um daraus dann grundlegende und allgemeine Merkmale der US-amerikanischen Städte abzuleiten. Diese werden schematisch übersichtlich vorgestellt.

Die Ebenen Mikroebene (Personen, Haushalte), Mesoebene (Stadtviertel) und Makroebene (Gesamtstadt) werden eingeführt und ihr Verhältnis zueinander diskutiert, um dann zu Merkmalskonfigurationen zu kommen, die es dann letztlich möglich machen, bestehende Modelle der Stadt mit neueren diskursanalytisch geprägten Überlegungen in Verbindung zu bringen (286).

Brühne diskutiert auch die Grenzen der Übertragbarkeit des neuen Stadtmodells, sogar im amerikanischen Kulturraum selbst. Kanadische Städte z. B. sind weniger fragmentiert und weniger sozioökonomisch disparat, kulturelle Diversität ist an der Tagesordnung. Die Dichte der Bewohnung der kanadischen Innenstädte ist deutlich höher als in den USA etc.

Im Anschluss an diese Erörterung diskutiert der Autor didaktische Überlegungen zu diesem Stadtmodell, das vom Alltagswissen und den Alltagserfahrungen ausgeht und zu einer Theoriebildung führt (führen soll).

Zu 6. Ausblick

Ist alles Global City: die Megastädte, die Metropolen und die Weltstädte? Die diskursanalytische Betrachtung hat gezeigt, dass es Querverbindung gibt; Querverbindungen allerdings, die stärker auf die Charakterisierung der Global City hinauslaufen als auf die anderen Stadttypen. Das führt dazu, dass diesem Stadttypus noch mehr Interesse entgegen gebracht werden muss.

Trotz der langen Tradition geographischer Feldforschung in Deutschland ist das Modell der anglo-amerikanischen Stadt geeignet, das traditionelle Kulturerdteilkonzept als Ordnungssystem zu überwinden.

Modelle müssen immer auch hinsichtlich der dort zugrundeliegenden Prämissen befragbar sein – aber Modelle haben auch den Charme einer besseren und übersichtlicheren Darstellung des zu Erklärenden und zu Begründenden.

Für die angloamerikanische Stadt liegt ein solches Modell bislang noch nicht vor – so der Autor. In einem solches Modell im Übrigen Milieubildung unter den Bedingungen kultureller Differenz und sozialstruktureller Heterogenität und diverser Lebensstilführungen als Kennzeichen der Urbanität einer Stadt abzubilden, bedarf noch einiger Forschungsanstrengungen.

Diskussion

Die Arbeit ist in erster Linie eine methodologische Herausforderung und erst in zweiter Linie eine Auseinandersetzung mit der Urbanisierungsgeschichte und dem Verständnis von Stadt in den jeweiligen Kulturkreisen. Die Verwirrung, die mit den unterschiedlichen Stadtbegriffen – Global City, Megastadt, Metropole und Weltstadt – verbunden ist, ist der Ausgangspunkt dieser Studie und der Anlass, über die unterschiedlichen Kulturkreise hinweg ein Modell zu konstruieren, das die Stadt als Global City etc. erklärt und begründet. Die theoretische und analytische Durchdringung der Frage, warum es so ist und wie es dazu kommen konnte, war der Ausgangspunkt der Überlegung und in einer diskursanalytischen Herangehensweise hat der Autor versucht, Indikatoren herauszufiltern, von denen die meisten der Autorinnen und Autoren sagen konnten, das seien in der Tat die Kriterien, die eine Global City von einer Megastadt unterscheiden etc. und die gleichsam modellhaft verallgemeinerbar sind.

Die anglo-amerikanische Stadt als eine solche zu identifizieren und in ein Modell einzubinden, mag dem Forschungs- und Erkenntnisinteresse geschuldet sein; so richtig einleuchtend ist die Wahl allerdings nicht, vor allem deshalb nicht, weil sie quasi konkurrenzlos mit Städten anderer Kulturkreise herausgezogen wurde.

Interessant ist der Ansatz dennoch. Sicher ist auch wichtig, analytisch die Megastadt von der Global City zu unterscheiden. Viel wichtiger scheint zu sein – und da argumentiert der Soziologe – die gesellschaftlichen Kontexte mit zu analysieren, die dazu geführt haben, dass eine Stadt Global City oder Metropole wurde. Diese wurden zwar angesprochen und als Rahmung durchaus auch benannt und auf die sozioökonomischen Wechselwirkungen ist auch eingegangen worden, aber die Wechselwirkungen von Stadt und Nation, Stadt und ländlichem Raum, Stadt und Politik sind in diesem Begründungszusammenhang genauso bedeutsam. Stadt ist zwar Gesellschaft, aber ohne die Gesellschaft ist die Stadt nichts. Und Gesellschaft ist nicht nur Kultur und Raum.

Fazit

Das Buch eröffnet neue Perspektiven der Erforschung unterschiedlicher Stadttypen, die in den wissenschaftlichen Diskursen nicht trennscharf gegenüber stehen. Es eröffnet vor allem eine interessante methodologische Diskussion um Modellbildungen und ihren Nutzen.

Der Titel „Städte in verschiedenen Kulturräumen“ bezieht sich eher auf die Frage, wie sich die unterschiedlichen hier analysierten Stadttypen – Metropole, Global City, Megastadt und Weltstadt – in den einzelnen Kulturkreisen verstehen und wie sie verstanden werden.

Das anglo-amerikanische Stadtmodell mag da auch einige wichtige Hinweise geben – etwa, wie der Amerikaner seine Stadt im Unterschied zum Asiaten oder Europäer versteht. Aber die Modellbildung auf der Basis dieses Stadtmodells lässt einige Fragen offen.

Rezension von
Prof. Dr. Detlef Baum
Professor em. Arbeits- u. Praxisschwerpunkte: Gemeinwesenarbeit, stadtteilorientierte Sozialarbeit, Soziale Stadt, Armut in der Stadt Forschungsgebiete: Stadtsoziologie, Stadt- und Gemeindeforschung, soziale Probleme und soziale Ungleichheit in der Stadt
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Es gibt 172 Rezensionen von Detlef Baum.

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Zitiervorschlag
Detlef Baum. Rezension vom 21.07.2016 zu: Thomas Brühne: Städte in verschiedenen Kulturräumen. Diskursanalytische Studien und exemplarische Modellbildung. Verlag Dr. Kovač GmbH (Hamburg) 2016. ISBN 978-3-8300-8846-2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/20772.php, Datum des Zugriffs 10.10.2024.


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