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Michael Winkler, Ulf Sauerbrey: Friedrich Fröbel und seine Spielpädagogik

Rezensiert von Prof. Dr. Christiane Vetter, 19.01.2018

Cover Michael Winkler, Ulf Sauerbrey: Friedrich Fröbel und seine Spielpädagogik ISBN 978-3-506-78441-4

Michael Winkler, Ulf Sauerbrey: Friedrich Fröbel und seine Spielpädagogik. Eine Einführung. Verlag Ferdinand Schöningh (Paderborn) 2018. 215 Seiten. ISBN 978-3-506-78441-4. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR, CH: 36,80 sFr.

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Herausgeber

Michael Winkler ist Professor für Allgemeine Pädagogik und Theorie der Sozialpädagogik an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Er ist auch Mitglied der Internationalen Fröbelgesellschaft (IFS).

Ulf Sauerbrey ist derzeit Privatdozent am Institut für Allgemeinmedizin des Universitätsklinikums Jena. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Bildung und Kultur der Friedrich-Schiller-Universität Jena und er ist Mitglied der IFS.

Entstehungshintergrund

Die Fröbelforschungsstelle Jena, verortet am Institut für Bildung und Kultur der Friedrich-Schiller-Universität, trägt als Forschungsverbund dazu bei, die Theorie und Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung historisch zu fundieren. Am vorliegenden Buch haben Ulf Sauerbrey und Michael Winkler mehrere Jahre gearbeitet, sodass nun eine der Biografieforschung nahestehende Einführung in Fröbels Spielpädagogik vorliegt (vgl. S. 14).

Aufbau

Um die personen-, ideen- und sozialgeschichtliche Rekonstruktion von Fröbels Spielpädagogik darzustellen, ist das Buch in zwei Teile und zehn Kapitel gegliedert. Die Autoren nutzen einen literarischen Erzählstil und ergänzen diesen um sachliche- und systematische Informationen. Das Buch wurde in zwei Teile unterteilt:

  1. „Der junge Fröbel - pädagogische Zensuren“ und
  2. „Der spielende Fröbel – Kindergarten und Spielpädagogik“

Die sozialgeschichtlich relevanten Informationen spiegeln sich in den Kapitelüberschriften.

Nach der Einleitung folgt Teil I und Kapitel 1 „Einführung: Fröbel als Klassiker der Pädagogik“. Hier wird seine Bedeutung als Klassiker hervorgehoben. Fröbel begriff Erziehung als Aufforderung zur Selbsttätigkeit des Kindes und das Spiel als die zentrale Ausdrucksweise des Kindes. Er machte die Beobachtung zum methodischen Prinzip, zeigte, wie Bildung als Ermöglichung von Selbsttätigkeit (Benner) als kategoriale Bildung die Rahmung für Erziehung bildet (vgl. S. 24).

Kapitel 2 „Bedingungen und Momente einer pädagogischen Biografie“ rekonstruiert die Jahre 1782-1817. Die Zeit seines Aufwachsens endet mit der Begegnung und Auseinandersetzung mit Pestalozzi. In Kapitel 3 „Pestalozzi und Fröbel – Tradition und Emanzipation pädagogischer Ideen“ thematisieren die Autoren Fröbels pädagogische Annahmen, die in der Auseinandersetzung mit Pestalozzi reiften.

In Kapitel 4 „Die Menschenerziehung und die Religion“ stehen die Keilhauer Zeit und Fröbels religiöse Vorstellungen im Fokus. Als selbsternannter Schulpädagoge in Keilhau entwickelte er im Alter von 35 Jahren seine Pädagogik, die ohne ein Verständnis für seine religiösen Einstellungen nicht nachvollzogen werden kann.

Teil II des Buches „Friedrich Fröbel und die Spielpädagogik“ zeichnet seinen Weg vom Schul- zum Kleinkindpädagogen nach, der schließlich in der Spielpflege die wichtigste Aufgabe von Erziehung und Bildung sah. Kapitel 5 „Die Spielpädagogik“ benennt die Beobachtung von Kindern, die Unterstützung der häuslichen Erziehungsumwelt, die Spielgaben und den Garten als Aspekte der Spielpädagogik, durch die der Lern- und Bildungsprozess des Kindes angeregt werden sollte. Seine Lebens-, Erkenntnis- und Schönheitsformen repräsentieren elementare Strukturen der Welt und sie sollen Kindern helfen, mit den Anforderungen des Lebens zu Recht zu kommen (vgl. S. 105).

In Kapitel 6Fröbels Kindergarten im Kontext öffentlicher Kleinkindererziehung“ ordnen die Autoren seine Erfindung des Kindergartens in den historischen Kontext der Kleinkinderbetreuung ein.

Kapitel 7Fröbel im Vormärz und das Kindergartenverbot“ rekonstruiert die Gründe, die 1851 dazu führten, dass der Kindergarten in Preußen verboten wurde (vgl. S. 135).

Kapitel 8 „Nachwirkungen: Die Globalisierung des Kindergartens im 19. Jahrhundert“ greift die weitere Entwicklung der Institution auf.

In Kapitel 9 wird nochmals auf die pädagogische Bedeutung der „Spielgaben“ Bezug genommen.

Kapitel 10 „Schlussgedanken“ weisen Fröbels Gedanken als bis heute relevant aus.

Inhalt

Es war ungewöhnlich, dass ein Mann sich so für Kinder interessierte, wie Friedrich Fröbel es tat. Genauso interessant ist, dass er lange Zeit auf der Suche war, das Richtige für sich zu finden. Biografische Hintergründe, zeitgeschichtlich relevanten Ereignisse und sozial- und ideengeschichtliche Informationen tragen nicht nur zum Lesevergnügen des Buches bei, sondern erhellen die Fragestellung.

Lebenslauf und Quellen
Friedrich Fröbel wurde am 21. April 1782 im mitteldeutschen Oberweißbach, im heutigen Freistaat Thüringen und Landkreis Saalfeld/Rudolstadt, als sechstes Kind seiner Eltern geboren. Sein Vater war dort seit 1775 im Thüringer Wald und Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt evangelischer Pfarrer. Viele Menschen im Ort lebten vom Handel mit Olitäten (vgl. S. 45). Kleinstaaterei, Landwirtschaft, Aufklärung und die Religiosität prägten die Menschen dieser Zeit. Neben der Tradition war die Gesellschaft im Wandel. Das evangelische Pfarrhaus, bei aller Armseligkeit so die Autoren, war ein Ort, an dem diskutiert und Traditionen bewahrt wurden. Natürlich lenkt Gott die Welt. Natürlich hat Gott einen Plan für die Menschen, auch wenn die Kinder- und Müttersterblichkeit aufgrund von Armut sehr hoch war. Auch Fröbels Mutter starb ein dreiviertel Jahr nach seiner Geburt. Fröbel erlebte das als starken Verlust und erwähnt das Ereignis als Motiv, sich beruflich mit Kindern zu beschäftigen (vgl. S. 48). Vom Vater fühlte er sich gedemütigt und erst als sein Onkel den fast 11 Jahre alten Jungen nach Stadtilm holte, schaffte er im Alter von 14 Jahren den Elementarschulabschluss.

Ausbildungen

Bei einem Förster lernte er Landvermessung. Weil sein Bruder in Jena Medizin studierte, konnte Fröbel 1799 einige Wochen bei ihm leben und begann ein Philosophiestudium, wobei er sich vor allem mit Botanik beschäftigte (vgl. S. 49). Ohne Unterstützung des Vaters fehlten die finanziellen Möglichkeiten, um ein Studium erfolgreich zu beenden. So lernte er in Bamberg Feldmesser, kehrte 1801 jedoch nach Oberweißbach zurück, um den Vater bis zu seinem Tod zu pflegen. 1803 nahm er eine Gutsverwaltungsstelle in der Oberpfalz an und schon 1804 arbeitete er als Sekretär auf einem Gut in Neubrandenburg. 1805 reiste er nach Frankfurt, um Architekt zu werden. Ein Freund machte ihn mit dem Pädagogen Gottlieb-Anton Gruner bekannt, der in Frankfurt eine Pestalozzi-Reformschule aufbauen wollte. Kurz entschlossen nahm Friedrich das Angebot an, an dieser Schule Lehrer zu werden. Er selbst, aber auch die Lehrer, zweifelten schon bald an seiner Lehrbefähigung (vgl. S. 51). Fröbel schien allerdings von den aufklärerischen Ideen Pestalozzis begeistert zu sein, sodass er zu Fuß ins schweizerische Iferten wanderte, um bei ihm zu hospitieren.

Fröbel als Lehrer

Bereits zwei Wochen später nahm er eine Hauslehrerstelle in der Adelsfamilie Holzhausen in Frankfurt an. In einem Brief an den Bruder Christoph schreibt Fröbel, wie er diese Aufgabe ausübte und von den Kindern durch seine Beobachtung ihrer Verhaltensweisen lernte (vgl. S. 54). Von 1808-1810 lebte er mit den Holzhausen Kindern am Erziehungsinstitut bei Pestalozzi in der Schweiz.1809 bemühte er sich bereits in seiner Heimat Thüringen eine Schule zu gründen, was ihm zu der Zeit noch nicht gelang (vgl. S. 56). Weil seine Differenzen mit Familie Holzhausen stärker wurden, begann er zu Beginn des neuen Jahrzehnts in Göttingen Philosophie zu studieren. 1812 war er dazu dann auch in Berlin und hörte Johann Gottlieb Fichte. Bedingt durch die Napoleonischen Befreiungskriege beteiligte er sich im Korps der Lützower Jäger an der Verteidigung des Vaterlandes. Nach dem Krieg arbeitete er als Mineraloge in Berlin und besuchte auf Anraten von seinen Freunden Middendorff und Langethal für ein Semester eine Vorlesung bei Friedrich Daniel Schleiermacher. Mit Debatten über Erziehung und Unterricht war er also in Berührung, als er 1816 eine Erziehungsanstalt in Griesheim gründete (vgl. S. 58). Innerhalb der Fröbelforschung ist man sich einig, dass Fröbel Mitte dreißig aus Berlin flüchtete, um seine Einsamkeit zu überwinden, die er im Umgang mit den Mineralien besonders intensiv empfand (vgl. S. 58).

Fröbels Briefe sind eine zentrale Quelle, um den „authentischen“ Fröbel (Heiland) kennen zu lernen. Vier davon markieren seine geistige Entwicklung (vgl. S. 45). Der Brief an den Herzog von Meiningen 1827 und der, an Karl Christian Friedrich Krause 1828, ein Sozialkritiker und Staatstheoretiker in Jena, beinhalten Hinweise zu seiner Pädagogik (vgl. S. 54). Des Weiteren gilt die Auseinandersetzung mit Johann Heinrich Pestalozzi als zentral, um Fröbels Pädagogik zu begreifen (vgl. S. 60). Darüber schreiben die Autoren (vgl. S. 62ff). Im Kern der elementarpädagogischen Methode ging es darum, die Anschauung von elementaren, also grundlegenden Formen zu schulen und die Mütter in das Bildungsprogramm einzubeziehen. Die Situation und die Notwendigkeiten des Lebens kommen bei Pestalozzi in den Blick. Die Fröbelforschung identifizierte 77 Briefe, in denen Fröbel sich mit Pestalozzis Ideen explizit beschäftigte (vgl. S. 70). Von ihm übernahm er den Gedanken der elementaren Gliederung und die Bedeutung der Anschauung bzw. des Zeigens. Allerdings, so Fröbel, erfahre das kleine Kind die Welt vor allem mithilfe des Tastsinnes (vgl. S. 71).

Vom Lehrer zum Kleinkindpädagogen – Keilhau
1817 beschloss Fröbel, in dem Ort mit 20 Bauernhäusern und 90 Minuten Fußweg von Rudolstadt entfernt, sein „Erziehungstal“ (Fröbel) aufzubauen. Im Alter von 35 Jahren hatte er 1816 die „Allgemeine Deutsche Erziehungsanstalt“ in Griesheim bei Stadtilm eröffnet. Im nahegelegenen Keilhau lebte die Familie seines Bruders, der 1817 starb. Fröbel meinte, dass er sich jetzt auch um die Schwägerin und die Kinder kümmern sollte, weshalb er die Erziehungsanstalt nach Keilhau verlegte. Noch heute ist dort eine Sprachheilschule untergebracht, die Fröbels Pädagogik nutzt. „Die Arbeit der Erziehungseinrichtung in Keilhau, aber auch die spätere Konzeption und Praxis des Kindergartens lassen sich nur verstehen, wenn Fröbels Religiosität als deren Basis reflektiert wird“ (S. 78).

Zur Bedeutung der Religion

So war das Leben Jesu für Friedrich Fröbel Vorbild und Sinngebung. Die Sünde und der Zorn Gottes waren Fröbel ebenso vertraut, wie die Möglichkeit, Gottes Zorn durch Arbeit und durch Nachahmung guter Werke abzuwenden bzw. zu lindern. Gottesnähe erfuhr Fröbel in der Eigenschaft der Immanenz Gottes. Gott ist, so Fröbel, in allem, was auf der Welt ist. Das Göttliche kann sinnlich in der Natur erfahren werden. Durch die Eigenschaft der Transzendenz wirkt Gott als ein ewiges Gesetz. Da Gott immanent und transzendent ist, ist menschliches Leben Gottesdienst und Ausdruck des Göttlichen. Erziehung, so formulierte Fröbel in seinem Buch die Menschenerziehung, dürfe gerade deshalb nicht als Vorschrift oder als Eingreifen aufgefasst werden. Erziehen bedeute Nachgehen dessen, was im Menschen bereits vorhanden ist (vgl. S. 85). Das Anregen und Unterstützen, das Ermöglichen und entdecken von Lebenszusammenhängen sowie die Notwendigkeit, dazu im direkten Austausch mit dem Kind zu sein, beschrieb Fröbel als „Lebenseinigung“. Die Autoren dieses Buches interpretieren den Begriff darüber hinaus auch als Auseinandersetzung des Menschen mit seiner Welt. „Das ‚Innen‘ ist, wie wir bereits wissen, als geistig und göttlich wirkende Kraft zu verstehen, das ‚Außen‘ als sinnlich wahrnehmbare Welt“ (vgl. S. 86). Dass Kinder spielen müssen, ist nach Fröbel göttlicher Antrieb und deshalb quasi eine natürliche Entwicklungstatsache, die pädagogisch unterstützt werden sollte. Nach Fröbel be-greife das Kind im Spiel die Welt und sich selbst (vgl. S. 88).

Teil II Spielpädagogik
Als Lehrer, Hauslehrer und selbsternannter Schulleiter sowie Erzieher in Keilhau schrieb er zahlreiche Briefe. 1820 auch „An unser deutsches Volk“. 1826 erscheint sein Hauptwerk, die Menschenerziehung, die nie vollendet wurde. 1844, vier Jahre nach seiner Stiftung des Kindergartens in Blankenburg, erschienen die Mutter- und Koselieder. Fröbel hatte Beziehungen, die er vor allem brieflich pflegte. Er schrieb täglich und teilte seine Ideen mit, die unter den Frauen gelesen wurden, die er zu Spielbegleiterinnen ausbildete.

Obwohl Fröbel sich selbst oft im Weg stand, entdeckte er eine Pädagogik vom Kinde aus (vgl. S. 93). Zwar ist Fröbel als Erfinder des Kindergartens weltweit bekannt und bis ins 20. Jahrhundert hinein galt seine Pädagogik als vorbildlich und maßgeblich, z.B. in den USA aber auch in Deutschland. Es kam sogar zum sogenannten Fröbel-Montessori Streit, und in der DDR wurde seine Pädagogik besonders hervorgehoben. Seine Texte sind nicht leicht verständlich. Oft versuchte er sprachlich mehrere Sachverhalte in einem Satz auszudrücken und „notgedrungen“, so die Autoren, muss man in eine fremde Welt eintauchen, um überhaupt zu verstehen, was er wollte. Seine religiösen Fantasien rücken das, was er zu sagen hatte, auch in den Bereich des Mythischen (vgl. S. 96). Sicher war ihm bewusst, dass die frühe Kindheit die Entwicklung des Lebens entscheidend beeinflusst. Doch diese Reflexion diente ihm einzig dazu, die Spielgaben elementarpädagogisch zu erarbeiten. Das pädagogische Setting des Kindergartens war für Fröbel keineswegs Ersatz für die Erziehung in der Familie. Erziehung und Unterrichten gehörten für ihn zusammen und es ging ihm darum, Kindern Lerninhalte zu (re-)präsentieren, die sie mit ihrem Leben in Verbindung bringen konnten und die ihre Wahrnehmung für Strukturen schulte.

Fröbels Methode

Durch informieren, belehren und zeigen führte er seine Spielgaben ein, nutzte den Garten zur Anschauung des natürlichen Wachstums und die Mutter- und Koselieder, eine Sammlung von Kinderliedern, um den Bildungsprozess bereits zu Hause zu stärke.

Fröbel dachte, so die Autoren, durchaus auch modern. Auch Georg Wilhelm Friedrich Hegel oder Friedrich Wilhelm Joseph Schelling nutzen wie er die Spekulation, um grundlegende Erkenntnisse zu gewinnen. Fröbel interessierten Entwicklungsvorgänge und Gestaltveränderungen in der Natur und im menschlichen Leben (vgl. S. 100). „Ausgangspunkt der Fröbel´schen Spielpädagogik ist, dass er Kinder, ihr Spielen und ihren Alltag, aber auch ihr Lernen intensiv beobachtet und zu verstehen sucht“ (S. 101). Damals hatten Kinder keine Anerkennung und die Frage, was sie brauchen, damit sie ihre Individualität entwickeln, war noch gar nicht denkbar. Insofern ist Fröbel seiner Zeit voraus, denn für ihn war jedes Kind qua göttlicher Natur selbsttätig und im Spielen waren sie ganz bei sich selbst. Durch die Interaktion mit der Mutter, den Peers oder den Erziehern erleben Kinder durch die sprachliche Begleitung im Umgang mit den Spielgaben die Gesetze, Regeln, Formen und Normen der Kultur. Seine Kreis- und Bewegungsspiele, die Gartenpflege und auch die Spielgaben werden den Kindern nicht einfach zur Verfügung gestellt, sondern sind Mittel, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Der Woll-Ball am Faden, die Kugel, die Walze und der Würfel repräsentierten ein System elementarer Bausteine, die Fröbel erfand und durch die linien- und punktförmlichen Spielmittel ergänzte. Die sogenannten Lebens- Erkenntnis- und Schönheitsformen ermöglichen das Nachahmen durch Nachbauen von Gegenständen des Alltags. Die Aufteilung der Würfel zeigt dem Kind ein Ganzes, zwei Halbe, Viertel und Achtel, Körper und Linien. Die symmetrischen Schönheitsformen unterstützen die ästhetische Wahrnehmung und bei den Kreis- und Bewegungsspielen erfahren Kinder Regeln und Gemeinschaft (vgl. S. 105).

Die Funktion des Kindergartens
Der Kindergarten sollte aber keine Schule sein, auch wenn er dazu beiträgt, die Welt in ihren Grundelementen zu erfassen. Der Kindergarten, so hoffte Fröbel, ergänzt die Familienerziehung und bereitet auf die Schule vor. In der öffentlichen Einrichtung erleben Kinder Welt in erweiterter Form. Die von ihm unterstellte Einheit zwischen Natur, Geist und Kultur, die Vorstellung vom Garten Eden, der als Schutzraum für den Menschen und als Ort der Grundsicherung wirkt, rahmt die Spielpflege. Die Autoren benennen auch die anderen Einrichtungen der öffentlichen Kleinkinderziehung, etwa die Strickschule von Friedrich Oberlin im Steintal oder die Detmolder Bewahranstalt oder die von Robert Owen in Schottland und Samuel Wilderspin in London inspirierten Bewahranstalten. Theodor Fliedner stellte das sozialfürsorgliche Interesse in den Vordergrund und durch Johannes Fölsing in Darmstadt wurde der schulische Bildungsgedanke gestärkt. Angesichts dieser Traditionen ist der Fröbel´sche Kindergarten eine Innovation. Familienergänzend, schulvorbereitend und individualpädagogisch förderlich wurde er am 7. August 1851 auf Betreiben des preußischen Kultusministers Karl Otto Raumer sogar verboten. Im Buch werden die Hintergründe zusammengetragen. Deutlich wird die Abhängigkeit der Pädagogik vom politischen Mainstream. Bevor der Kindergarten im 19. Jahrhundert zum Exportschlager wurde, verwässerte sich die Fröbelpädagogik nach Fröbels Tod. Die Verbreitung des Kindergartens nach England, Amerika und Australien fand im Kontext der Auswanderungswelle statt. In der Fröbelforschung ist die Bemühung um den „authentischen“ Fröbel (Heiland) wichtig, aber auch die Rezeptionsgeschichte, ohne die Fröbels Werk vergessen wäre (vgl. S. 163).

Die Pädagogik des Kindergartens
Neben Pestalozzi, Schleiermacher und auch Fichte, denen Fröbel persönlich begegnete und mit deren Ideen über die Funktion von Erziehung und Bildung er sich beschäftigte, hat auch Johann Gottlieb Herder Einfluss auf sein Denken genommen. Der Weimarer Generalsuperintendent, Dichter und Philosoph stellte, so die Autoren, die Grundidee dieser Pädagogik zur Verfügung. Fröbel wollte selbsttätige Menschen erziehen und die Gaben, die Gott den Menschen in Form der Begabung geschenkt hat, bilden dafür einen Rahmen. Seine Spielgaben sollten innere Entwicklungen anregen. Kugel, Walze und Würfel, keine beliebigen Körperformen, sondern elementare Verkörperungen wichtiger Gesetze erhellen die physikalische Welterfahrung. Durch die sprachliche Begleitung, die das Betrachten der Flächen, Kanten, Ecken lenkt und durch die Prosodie, die die symbolische Repräsentanz des Alls im Ball verstärkt, wird auch die Bewegung, der Stillstand und die Dynamik in Gestalt der Kugel, des Würfels und der Walze abgebildet (vgl. S. 172). Die dritte Spielgabe erweitert, so die Autoren, die kategoriale Unterscheidungen in die Lebens- und Erkenntnisformen. Mit dem geteilten Würfel kann die Welt im Kleinen nachgebaut werden. Beindruckend sei, so die Autoren, die Nähe zu evolutionsanthropologischen Erkenntnissen. Durch die Fokussierung der Aufmerksamkeit im Umgang mit den Spielgaben entwickeln Kinder die Fähigkeit zur Bezugnahme auf Dinge. Auch Michael Tomasello stellte fest, so die Autoren, dass die dyadische Beziehungsöffnung den Beginn der Befähigung zur gemeinsamen Intentionalität ausrückt und Perspektivität ermöglicht (vgl. S. 177). Sinngebung, Formverständnis und Beziehungserleben werden durch die Spielgaben angeregt.

Im Schlusskapitel reflektieren die Autoren eine Gefahr, die vom falsch verstandenen Fröbel ausgehen kann. Immer wieder wird das Spiel als Mittel des pädagogischen Handelns aufgefasst und die Spielgaben verführen zur Instrumentalisierung des Spiels. Wenn das Spiel lehrreich sein soll und nach der gesellschaftlich akzeptierten Begründung Ausschau gehalten wird, erweist sich die Pädagogisierung des Spiels, so die Autoren, auch als „gefährliches Vorhaben“ (S. 192). Fröbel wollte nicht, dass Erwachsene den Kindern Vorschriften machen und ihr Spiel lenken und Vorgaben einbringen, die mehr dem Denken von Erwachsenen entsprechen, als dem der Kinder. Seine Spielpflege wurde häufig aber genauso rezipiert.

Diskussion

Diese Einführung in Fröbels Spielpädagogik setzt einige Kenntnisse voraus, ermöglicht aber auch neue Sichtweisen. Der Autodidakt Fröbel und der, der auch als pädagogischer Versager gilt, aber aus seinem Scheitern immer wieder Kraft schöpfte und schließlich im pädagogischen Nachdenken seine Stärke entwickelte, rührt an. Haben heutige Erzieher und Erzieherinnen diese Kompetenz? Die Autoren schaffen es meiner Ansicht nach, die Perspektive Fröbels beizubehalten, und ihn zu Wort kommen zu lassen. Ins Gelingen, so wie wir es heute wollen, war er vermutlich nicht verliebt und Pädagogik, zumal das Spiel, sollte keine Lernfunktion erfüllen. Er bemühte sich um ein sinnvolles Leben und sah in der Erziehung und Spielpädagogik den Hauptzweck des Kindergartens, dem die Bildung zu- aber auch nachgeordnet ist. Das Primat der Erziehung, die durch die Bildung ihre Zielrichtung bekommt hilft, Lernen nicht nur als Informationsvermittlung zu begreifen, sondern als eine Befähigung zum selbsttätigen Leben.

Da Fröbel die Welt als göttliche Einheit begreifen lernte und Gott und die Welt für ihn noch keine Gegensätze darstellten, sondern unterschiedliche Sphären, die aber in Beziehung zueinanderstehen, kann er einen Sinn im Leben erkennen. Die Welt nicht nur funktional zu betrachten und die pädagogischen Methoden in den übergeordneten Rahmen von Erziehung und Bildung zur Selbsttätigkeit einzubinden, erscheint mir aber nicht nur für die Vergangenheit passend, sondern auch für die Gegenwart notwendig zu sein. Um die Humanität des Menschen zu entwickeln, ist es doch auch heute wichtig dahin zu gehen, wo der Mensch ganz Mensch sein kann, nämlich im freien Spiel. Die Lektüre des Buches lenkt unweigerlich den Blick auf die aktuelle Kita-Praxis, in der das Spiel immer mehr verschwindet und allenfalls noch im Sinne der Pädagogisierung begründbar und machbar erscheint. Pädagogik vom Kindes aus wird heute nicht mehr an die Seiensweise des Kindes gekoppelt. Um die Wirkung des Spiels und die pädagogischen Prämissen zu vermitteln, suchen heutige Erzieherinnen und Erzieher Experten, statt selbst als Vertreterinnen der Spielpädagogik aufzutreten. Natürlich hat sich unser Wissen über das Spielen erweitert, doch die Beschäftigung mit Fröbels Spielgaben hilft, immer wieder neu, den tiefen Sinn des Spielens zu entdecken.
Den Autoren gelingt die biografische und epochale Einordnung seiner Idee und durch den sprachlichen Mix von Stilrichtungen wird hier keine Heldengeschichte vorgestellt und die Spielpädagogik systematisch erarbeitet. Spielpädagogik ist keine Anwendung von Methoden, sondern das Verstehen der Tätigkeit des Kleinkindes. Die eigentliche Stärke der praktischen und theoretischen Pädagogik ist es, das Spiel in seiner Bedeutung zu erfassen und die kindliche Entwicklung durch Spielgaben zu fördern.

Fazit

Das Buch sollte im Studium der Pädagogik und der Pädagogik der frühen Kindheit gelesen werden. Fröbels Spielmittel waren an der Entwicklung des Kindes ausgerichtet. Schon er räumte der Beobachtung des Kindes einen zentralen pädagogischen Stellenwert ein, und fokussierte die Aufmerksamkeit des Kindes auf elementare Gesetzmäßigkeiten. Es liegt nun auch an den Fachkräften, ob sie die spielpädagogischen Kompetenzen zukünftig in erzieherisches Handeln integrieren werden.

Rezension von
Prof. Dr. Christiane Vetter
Leiterin der Studienrichtung Soziale Arbeit in der Elementarpädagogik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Stuttgart

Es gibt 63 Rezensionen von Christiane Vetter.

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Zitiervorschlag
Christiane Vetter. Rezension vom 19.01.2018 zu: Michael Winkler, Ulf Sauerbrey: Friedrich Fröbel und seine Spielpädagogik. Eine Einführung. Verlag Ferdinand Schöningh (Paderborn) 2018. ISBN 978-3-506-78441-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/21002.php, Datum des Zugriffs 03.10.2024.


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