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Manfred Bruhn, Karsten Hadwich (Hrsg.): Servicetransformation (... zum Dienstleistungs­unternehmen)

Rezensiert von Prof. Dr. Bernd Halfar, 26.04.2017

Cover Manfred Bruhn, Karsten Hadwich (Hrsg.): Servicetransformation (... zum Dienstleistungs­unternehmen) ISBN 978-3-658-11096-3

Manfred Bruhn, Karsten Hadwich (Hrsg.): Servicetransformation. Entwicklung vom Produktanbieter zum Dienstleistungsunternehmen. Forum Dienstleistungsmanagement. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH (Wiesbaden) 2016. 830 Seiten. ISBN 978-3-658-11096-3. D: 99,99 EUR, A: 102,80 EUR, CH: 105,50 sFr.

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Entstehungshintergrund und Thema

In der Reihe „Forum Dienstleistungsmanagement“ wird jedes Jahr ein Schwerpunktthema grundlegend bearbeitet. Der nun vorliegende Band beschäftigt sich mit „Servicetransformation“. Wenn Autokonzerne sich nun als „Mobilitätsdienstleister“ selbst definieren, wenn aus Handelsunternehmen „Lieferhelden“ werden und Telefongesellschaften, die eigentlich Telefonanlagen und Verbindungen verkaufen, nun Kommunikationsdienstleister werden, dann steht dahinter ein wuchtiger Trend, den dieser Band in theoretischer und empirischer Analyse aufgreift. Aus Industrie- und Handelsunternehmen werden Dienstleistungsunternehmen. Zumindest wächst innerhalb der Unternehmen der interne Anteil an Services gegenüber Produkten.

Die Relevanz für die Sozialbranche ist auf den ersten Blick, bei der Durchsicht der Gliederung und Themenstellungen nicht erkennbar, doch auf den zweiten Blick atemberaubend. Die beiden Herausgeber, Manfred Bruhn und Karsten Hadwich, haben ihren Spürsinn für Themen, „die dran sind“, wieder einmal bewiesen.

Aufbau

Unterteilt ist der Band in acht Abschnitte, die insgesamt 41 Beiträge umfassen. Zu den Schwerpunkten gehören die Grundlagen der Servicetransformation, die Entwicklung von Geschäftsmodellen, die Bedeutung der Digitalisierung für Servicetransformation, die Entwicklung von Serviceinnovationen, Formen der Kunden-Anbieter-Integration, die Förderung der Kundentransformation, das Management der Anbietertransformation sowie Beispiele der Servicetransformation.

Im Anhang des Buches befindet sich ein Serviceteil mit einer umfangreichen Literaturliste, gegliedert nach den Themenbereichen des Buches, sowie ein Stichwortverzeichnis.

Inhalt

Wenn sich die Produkte immer mehr angleichen, wenn dem Konsumenten (oder Produzenten) die Argumente für Kaufentscheidungen ausgehen, dann bietet die Anreicherung der Produkte mit Dienstleistungen neue Unterscheidungspotenziale. Die Unternehmen befinden sich auf dem Weg von der Produktwertschöpfung zur Servicewertschöpfung. Die für die Beschreibung und Analyse eingesetzten ähnlichen Begriffe heißen Servicetransformation, Servitization, Service Infusion, Service Transition, Hybrid Offerings oder Integrated Solutions.

Im ersten Abschnitt finden sich hier gut recherchierte Aufsätze über die theoretischen Konzepte ( so die Einführung von Bruhn/Hadwich, der Beitrag von Duschek „Conceptualizing the Transition to Serivitization“ und weitere Arbeiten von Freiling et al. Verdienstvoll sind die Literaturrecherchen über „Erfolgsfaktoren der Service Transition“ von Fließ/Lexutt und über „Understanding the transformation from products to services“ von Braun/Falter/Hadwich.

Um Geschäftsmodelle im Kontext von Servicetransformationen kümmern sich die Beiträge im zweiten Abschnitt des Buches. Es geht um die Wertschöpfungsarchitektur der Unternehmen, die nun durch Produkte und Dienstleistungen so kombinieren müssen, dass für Kunden der größtmögliche Nutzen hergestellt wird. Zu finden sind Beiträge zur verbesserten Wertschöpfung im Online-Shopping durch „curated shopping“, zur optimierten Kombination von Produkten und Dienstleistungen im Sinne von „Business Solutions“ und eine empirische Studie (Bielefeldt/Thaler/ Herbst) bei den weltweit wertvollsten 500 Unternehmen. Untersucht wurden die Umwandlungen in Richtung Serviceunternehmen bei Produktherstellern, die entsprechende Betonung des Geschäftsmodells als produktorientiert, systemorientiert, dienstleistungsorientiert und wertschöpfungsorientiert. Aus sozialwirtschaftlicher Sicht besonders interessant sind in diesem Abschnitt die Beiträge von Kleinaltenkamp et al sowie von Geigenmüller et al. Zu finden sind hier grundlegende, auch übertragbare, Erkenntnisse über neue Wertschöpfungsketten bei hybriden Unternehmen sowie (bei Gegenmüller et al.) hoch interessante Überlegungen zum „Opportunity Seeking“. Wie gelingt es, innovative Geschäftschancen aufzuspüren?

Das dritte Paket in diesem Buch enthält drei Aufsätze zur Servicetransformation durch Digitalisierung. Sowohl die Beiträge zur Digitalisierung industrieller Dienstleistungen, zur Digitalisierung im Handel als auch zur raumüberwindenden Angebotsstruktur von Dienstleistungen durch Digitalisierung sind so weit von sozialwirtschaftlichen Themenstellung entfernt, dass eine tiefere Erläuterung verzichtbar erscheint.

Dichter an möglichen Sichtweisen von Anbietern sozialer Dienstleistungen angeschlossen ist der vierte Themenabschnitt in diesem Buch. Hier drehen sich die Fragestellungen um die Bedingungen und Möglichkeiten, innovative Dienstleistungen zu generieren und zu implementieren. Van Husen betrachtet aus der Perspektive des Service Engineering grundlegend die Bedingungen und Formen transformierter Leistungen in Services und liefert einen systematischen Einstieg in diese Thematik. Raffiniert und geistreich liest sich der Beitrag von Salewski über „Modularisierung im Kontext der Servicetransformation – Herausforderungen und Optimierungsansätze.“ Die notwendige Standardisierung und Individualisierung der Leistungen werden durch das Konzept der Modularisierung systematisch behandelt. Man liest über die Individualisierung von Produkten und über die Standardisierung von Dienstleistungen, und vice versa. Die von Salewski entwickelten (statischen und dynamischen) Entscheidungssituationen bei der Erstellung von modularisierten Dienstleistungen bieten Anregungen für sozialwirtschaftliche Dienstleistungsunternehmen, in diese Diskussion einzusteigen. Ebenso lesenswert ist der Beitrag von Stoppel/Roth über „Value-Based Pricing im Kontext der Servicetransformation“. Mit der Servicetransformation verändern sich auch die Pricing -Strategien. Was wird denn vom Dienstleistungskunden als wertvoll wahrgenommen? In dieser Fragestellung, den wahrgenommenen Wert durch den Kunden als Ansatzpunkt für die Preisfindung zu nehmen, und nicht die Kosten und Wettbewerbspreise für das pricing heranzuziehen, ist für „unsere Branche“ interessant. Für Unternehmen, die sich im Transformationsprozess befinden, ist die Umstellung von einem produktzentriertem zu einem servicezentriertem Wertverständnis kompliziert, aber diese Komplikationen ergeben für sozialwirtschaftliche Unternehmen gute Anregungen. Möglicherweise könnte man auch den Beitrag von Lehr als Anregung für sozialwirtschaftliche Problemlösungen heranziehen. Kurz gesagt, geht es um unterschiedliche Dienstleistungskonfigurationen zwischen Besitz und Nutzung, zwischen Access-Based Services und Nonownership Services. Diese beiden Konzeptionen bieten im Sozialbereich sehr viel Stoff zum Nachdenken und für strategische Entscheidungen.

Das fünfte Kapitel dreht sich um einen Klassiker der Dienstleistungstheorie –, um die Integration des Kunden in die Dienstleistungserstellung und um die entsprechende Kunden-Anbieter-Integration. Wie Serviceunternehmen im Sinne von „Open Innovation“ ihre Kunden in die Dienstleistungsentwicklung einbeziehen können und vor allem, ob man das tun sollte, ob man daraus tatsächlich Nutzen ziehen kann, und worin mögliche Differenzen zwischen Produkt- und Serviceentwicklungen bestehen, zeigen Fiechtner et al. Ähnliche Überlegungen zur Kundenintegration in Servicetransformationsprozesse stellen Koof et al. sowie Reckenfelderbäumer/Arnold an. Alle drei Beiträge könnten als Basistexte für ein Seminar eingesetzt werden, das sich um die Themen der Sozialwirtschaft, besonders im Bereich der Sozialimmobilie drehen: Bauträger, Immobilieninvestor, Pflegebetreiber und was bedeutet jeweils Kundenintegration? Weniger interessant für soziale Träger sind die Beiträge von Siems/Niemand zum Bedarfslebenszyklus und einer möglichst langen und guten Kundenbindung und der Text von Wieseke et al zur „Service Infusion in Industrial Selling“.

In der siebten Abteilung des Bandes finden sich dann Arbeiten zum Management der Umgestaltung von Produkt- zu Dienstleistungsanbietern. Da versammeln sich eher grundsätzliche Überlegungen (Pfisterer et al.) zur Analyse der Kundenwertkreation, zu den Nutzungsprozessen von Angeboten und zu den Schlussfolgerungen, die aus der Servicetransformation anbieterseitig zu ziehen sind. Konsequenzen für den Vertrieb industrieller Dienstleistungen beleuchtet Geigenmüller – eigentlich thematisch weit entfernt von der Sozialarbeit –, aber mit guten Anregungen für das Sozialmanagement, wenn diese das Prinzip der Dienstleistungsorientierung beherzigen will. Ähnlich fruchtbar erscheint der Aufsatz von Müller et.al. über ein Integriertes Produktportfolio-Management für die Entwicklung hybrider Leistungsbündel. Hybride Leistungsbündel zu entwickeln, zu planen und zu organisieren, -möglichst mit IT-Unterstützung –, ist eine aktuelle Aufgabenbeschreibung für alle Träger Sozialer Arbeit – und das Dienstleistungsmanagement ist auch hier der Sozialarbeitswissenschaft um Lichtjahre, na ja, genauer: um ca. 20 Jahre voraus. Der Beitrag von Özergin/Helm über „Service Ingredient Branding“ ist aus der Sozialperspektive nicht relevant, ebenso kann in dieser Hinsicht der Beitrag von Popp über Führungsstile überblättert werden. Aufmerksamer wird der Rezensent wieder bei dem Text von Weigel über „Qualitätsmanagement von Dienstleistungsnetzwerken im Kontext der Servicetransformation“. Hier gibt es für alle sozialwirtschaftlichen Unternehmen, die sich mit dem Gedanken von Kooperationen befassen, eine Fundgrube von Anregungen, wie man in Dienstleistungsnetzwerken Fallstricke, Widerstände, Barrieren und Konflikte erkennen und bearbeiten kann.

Im abschließenden achten Kapitel des Buches illustrieren vier Aufsätze Branchenaspekte der Servicetransformation. Die Fallstudien stammen aus dem Handel, der Wasserwirtschaft und der Windenergie. Und sind, trotz ihrer Qualität, für diese Besprechung nicht relevant.

Diskussion und Fazit

Wie immer, als langjähriger Beobachter dieser Reihe stelle ich fest: es ist frappierend, wie theoretisch fundiert, gut lektoriert und methodisch anregend die Beiträge auch in diesem Jahresband sind. Die Herausgeber leisten für die Entwicklung der Disziplin des Dienstleistungsmanagements richtig gute Arbeit, – und, das wissen sie wahrscheinlich nicht, sie stiften auch benachbarte Disziplinen, wie zum Beispiel die Sozialwirtschaftslehre, an. Kurioserweise könnte dieses Buch über die Transformation von Unternehmen in Richtung „Dienstleistungsunternehmen“ gerade für sozialwirtschaftliche Unternehmen Überlegungen anregen, über eine Transformation von Dienstleistungsunternehmen zu Produktherstellern zu werden. Das sozialwirtschaftliche Unternehmen wird dann (auch) zum Bauunternehmen, zum Immobilienunternehmen, zum Hersteller von Heil- und Hilfsmitteln, zum Hersteller von Wohntechnologie oder zum IT-Unternehmen. Die in diesem Band beleuchteten Themenstellungen wären identisch, nur eben auf den Kopf gestellt, rückwärts gedacht.

Noch eine Anmerkung zu Schluss: es liegen nun so viele Bände in dieser famosen Reihe vor –, Lob über Lob! Aber als Leser aller Bände entsteht mittlerweile auch der Eindruck, dass die wissenschaftliche Community des Dienstleistungsmanagements – etwas wie ein wissenschaftlicher Wanderzirkus – jedes Thema spielen kann, dieselben Autoren tauchen, themenunabhängig, immer wieder auf, und die Bearbeitungsmuster der einzelnen Schwerpunktthemen ähneln sich, die eigenen Arbeitsthemen werden auf das neue Schwerpunktthema, intelligent, aber doch erkennbar, angepasst. Dadurch entsteht ein déja vu Effekt, der vermieden, zumindest bedacht werden könnte.

Rezension von
Prof. Dr. Bernd Halfar

Es gibt 38 Rezensionen von Bernd Halfar.

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ISSN 2190-9245