Patrick Pössel, Andrea B. Horn et al.: Trainingsprogramm [...] Depressionen bei Jugendlichen
Rezensiert von Prof. Dr. Johanna Hartung, 15.03.2005
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Patrick Pössel, Andrea B. Horn, Simone Seemann, Martin Hautzinger: Trainingsprogramm zur Prävention von Depressionen bei Jugendlichen. LARS & LISA. Lust an realistischer Sicht & Leichtigkeit im sozialen Alltag.
Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG
(Göttingen) 2004.
112 Seiten.
ISBN 978-3-8017-1800-8.
39,95 EUR.
CH: 69,90 sFr.
Reihe: Therapeutische Praxis, Band 23. Großformat inklusive CD-ROM.
Zum Thema
Depressionen beginnen vielfach im Jugendalter und können für die Betroffenen bis ins Erwachsenenalter hinein schwerwiegende psychosoziale Beeinträchtigungen zur Folge haben. Risikofaktoren für die Entstehung und Chronifizierung der Störung sind u.a. ein dysfunktionaler Denkstil (selbstabwertende, katastrophisierende Gedanken) und mangelnde soziale Kompetenzen.
Das an der Universität Tübingen entwickelte Gruppentrainingsprogramm LARS&LISA leistet einen Beitrag zur universellen Prävention depressiver Störungen, indem es Jugendliche (im Alter von ca. 12-16 Jahren) anregt, für die Bewältigung der Herausforderungen ihres Alltags realistische und hilfreiche Gedanken zu entwickeln sowie soziale Kompetenzen zu trainieren. Erste Evaluationsbefunde des bisher an Schulen durchgeführten Gruppenprogramms - auf der Grundlage einer 6-monatigen Follow-up-Messung - zeigen positive Effekte hinsichtlich des Ausmaßes selbst berichteter depressiver Symptome und des Selbstwertgefühls.
Gliederung und Inhalte
Als theoretischer Hintergrund des Programms werden Symptomatik und Klassifikation der Depression, epidemiologische Befunde zu Verbreitung und Störungsverlauf, zu Risiko- und Schutzfaktoren im Rahmen eines multifaktoriellen Erklärungsmodells sowie vorliegende Präventionsprogramme skizziert. Es folgt eine prägnante Einführung in das "Wirkprinzip des Programms" (Modell der sozialen Informationsverarbeitung nach Dodge), den Aufbau des Programms und die praktische Arbeit mit dem Trainingsmanual.
Das Trainingsmanual beschreibt 10 wöchentlich stattfindende Einheiten à 90 Minuten. Diese sollten - nach Empfehlung der Autoren - in geschlechtshomogenen Gruppen von ca. 12 - 16 Jugendlichen von zwei Trainern (bei einer Gruppengröße bis zu ca. 8 Jugendlichen auch von einem Trainer) durchgeführt werden. Die Einheiten sind hoch strukturiert und einheitlich aufgebaut. In der ersten Sitzung erhalten die Jugendlichen eine Übersicht über die Ziele, Inhalte und Vorgehensweisen des Programms.
Als fünf "Bausteine des Programms" werden vorgestellt:
- die Formulierung persönlicher Ziele der Jugendlichen ("Find your aims"),
- die wechselseitige Beeinflussung von Gedanken, Gefühlen, Verhalten ("Magische Spirale"),
- das Aufdecken und Verändern dysfunktionaler Gedanken ("Think": Identifizieren von "Runterziehern", Durchführen eines "Realitäts-Checks", Entwerfen und Üben von "Aufbauern")
- das Training selbstsicheren Verhaltens in Abgrenzung zu aggressivem und unsicheremVerhalten ("Just do it")
- das Training von Kontaktverhalten ("Get in touch").
Zur Veranschaulichung der Relevanz der "Bausteine" für die Bewältigung der Anforderungen und Belastungen im Alltag der Jugendlichen führen die Trainerinnen und Trainer in der einführenden Einheit zu jedem der fünf Bausteine ein "Szenenspiel" vor. Auch im weiteren Verlauf des Trainings wird die Alltagsrelevanz der bearbeiteten Themen und trainierten Kompetenzen durch eine Auswahl an Beispielen (insbesondere zu schulischen Leistungssituationen und Situationen bezüglich sozialer Anerkennung im Kontakt zu Gleichaltrigen) verdeutlicht. Zudem wird in jeder Sitzung im Gespräch mit den Jugendlichen die Übertragbarkeit des Gelernten auf ihren eigenen Alltag reflektiert. Ein expliziter Bezug zu dem Begriff der Depression und dem Anliegen des Programms, einen Beitrag zur Prävention von Depressionen zu leisten, fehlt allerdings, so dass dieses distale Ziel für die Jugendlichen nicht transparent gemacht wird.
Das Manual enthält detaillierte Instruktionen für die Trainerinnen und Trainer im Bezug auf zu erarbeitende Gruppenregeln und deren Umsetzung sowie zu vermittelnde und zu erarbeitende Inhalte. Es werden Anregungen für die Formulierung von Gesprächsimpulsen und individueller Rückmeldung sowie Instruktionen für die Anleitung von Gruppenarbeiten und Rollenspielen gegeben. Anregend gestaltete Folien, Arbeitsblätter und "Wissenstests", die am Ende einer jeden Sitzung von den Jugendlichen individuell bearbeitet werden, sind sowohl im Manual als auch auf einer beigefügten CD-ROM verfügbar.
Zielgruppe, Trainer und Setting des Trainings
Zielgruppe des Programms sind Jugendliche im Alter von ca. 12-16 Jahren.
Das vorliegende Manual des Trainings orientiert sich an einem schulischen Setting. Als Trainerinnen und Trainer empfiehlt das Autorenteam: Psychologen, Psychotherapeuten, Sozialpädagogen und Pädagogen mit praktischen Erfahrungen im Umgang mit Jugendlichen und Kenntnissen bzgl. kognitiv-verhaltenstherapeutischer Grundlagen und sozialer Kompetenztrainings.
Das Autorenteam weist darauf hin, dass der Einsatz des Programms - bei einer entsprechenden Adaptation - auch in Beratungsstellen, Jugendzentren, Jugendfreizeiten, Heimen oder Tageskliniken denkbar sei. Nach meiner Einschätzung dürfte das Programm als Präventionsangebot in den o.g. Settings eine wertvolle Bereicherung darstellen. Überlegungen zu entsprechenden Anpassungen des Programms könnten m.E. abzielen auf eine Vermeidung der eher rigiden Disziplinierungstechniken (s.S.34/35), eine Reduzierung des Anteils an schreibbasierten Wissenstests und eine Erhöhung des Anteils an handlungsorientierten Trainingselementen.
Fazit, Empfehlung
Das Trainingsprogramm LARS&LISA beeindruckt durch eine fachlich begründete, klar strukturierte und anregend gestaltete Konzeption des Manuals. So kann es Fachkräfte und Jugendliche in verschiedenen psychosozialen Praxisfeldern anregen, gemeinsam Reflexions- und Handlungskompetenzen zu trainieren, die die Bewältigung alltäglicher Anforderungen und Belastungen unterstützen und einem Depressionsrisiko aktiv entgegenwirken.
Rezension von
Prof. Dr. Johanna Hartung
Hochschule Düsseldorf, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften
Fachgebiet Psychologie
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