Roswitha Sommer-Himmel, Karl Titze et al.: Kinder bewerten ihren Kindergarten
Rezensiert von Christine Gottbehüt, 04.11.2016
Roswitha Sommer-Himmel, Karl Titze, Daniela Imhof: Kinder bewerten ihren Kindergarten. Wie Kinder ihren Kindergarten sehen, Instrument und Implementierung von Kinderbefragung in der Kindertageseinrichtung. Dohrmann Verlag (Berlin) 2016. 120 Seiten. ISBN 978-3-938620-39-7. D: 14,90 EUR, A: 15,40 EUR.
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Thema
Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit einem bisher in Forschung und Praxis im Feld der Kindertagesbetreuung weniger beachteten Aspekt des Themas Partizipation von Kindern: der systematischen Einbeziehung der Perspektive von Kindern als Zukunftsfeld der Qualitätsentwicklung von Kindertagesstätten (vgl. S.10). Um die Perspektiven und die Bedürfnisse von Kindern zu verdeutlichen und Kinder ihrer Entwicklung entsprechend zu Wort kommen zu lassen, wurde am Kompetenzzentrum für Pädagogik und Entwicklung in der Kindheit der Evangelischen Hochschule Nürnberg das Instrument KbiK© – Kinder bewerten ihren Kindergarten entwickelt. Neben dem methodischen Zugang und den Ergebnissen von Kinderbefragungen beinhaltet das Buch ein vollständiges Befragungsinstrument mit dem dazugehörigen Auswertungsblatt zur praktischen Anwendung.
Autor*innen
- Prof. Dr. Roswitha Sommer-Himmel, ist Erzieherin, Sozialpädagogin und seit 2008 Professorin für Pädagogik an der Evangelischen Hochschule Nürnberg, Fakultät Sozialwissenschaften. Sie leitet den Studiengang Erziehung und Bildung im Kindesalter (B.A.).
- Prof. Dr. Karl Titze ist Leiter des Sozialwissenschaftlichen Instituts für Forschung und Transfer (SWIFT) an der Evangelischen Hochschule Nürnberg.
- Daniela Imhof M.A. ist Psycholinguistin und wissenschaftliche Mitarbeiterin.
Entstehungshintergrund
DIE KITA gGmbH, ein evangelischer Trägerverbund für Kindertagesstätten, initiierte das Projekt „Kinder kommen zu Wort…“, um die Partizipation von Kindern in ihren Kindertageseinrichtungen weiter zu entwickeln. Prof. Dr. Sommer-Himmel und Prof. Dr. Titze von der Evangelischen Hochschule Nürnberg wurden beauftragt, unter Einbindung von Studierenden und Mitarbeiter*innen der Kindertagesstätten, ein Instrument zu entwickeln mit dem die Bedürfnisse von Kindern möglichst objektiv erhoben werden können.
Aufbau
Die vorliegende Publikation verfolgt den klassischen Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit. Nach dem Vorwort des Auftraggebers, folgt eine allgemeine Zusammenfassung des durchgeführten Projektes. Im Weiteren ist das Buch in fünf Kapitel unterteilt:
- Allgemeiner Teil
- Ergebnisse der Kinderbefragung
- Weiterentwicklung des Instruments
- Empfehlungen
- Literatur
Nach dem Literaturverzeichnis ist das Instrument KbiK© sowie das KbiK – Auswertungsblatt© vollständig aufgeführt. Zudem liegt dem Buch eine Vorlage (Skulptur) bei, die im Rahmen der Kinderbefragung genutzt wurde.
Inhalt
Im Vorwort beschreibt Elke Wuthe, pädagogische Leitung der DIE KITA Einrichtungen in Kulmbach, die Entstehungsgeschichte des Projektes „Kinder kommen zu Wort…“. Die Zusammenfassung verschafft einen allgemeinen Überblick über die Ziele, den Aufbau und den Verlauf des Projektes.
I. Allgemeiner Teil. In diesem Kapitel wird der Auftrag genauer beschrieben. Dieser Beschreibung folgt ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Der Qualitätsbegriff, wie er in der vorliegenden Veröffentlichung gültig ist, wird definiert. Das Bild vom Kind als Akteur im Kindergarten (vgl. S.13f) wird ebenso thematisiert wie die Besonderheiten von Interviews mit Kindern. Weitere theoretische Grundlagen zu Bedürfnissen und dem Wohlergehen von Kindern im Kindergarten, dem Stellenwert sozialer Beziehungen im Kindergarten, der Zufriedenheit von Kindern mit Strukturen und Aktivitäten im Kindergartenalltag und der Partizipation von Kindern im Kindergarten werden literaturgestützt dargestellt. Ein großer Anteil des ersten Kapitels entfällt auf den methodischen Zugang bzw. die Methodenentwicklung. Die wichtigsten Ergebnisse zweier Vorstudien und die Einarbeitung in das Instrument werden erläutert und detaillierte Erklärungen zum Befragungsinstrument Kbik® und der Durchführung der Befragung geliefert. Mithilfe von Grafiken und Einzelaussagen erfolgt eine Bewertung des Instruments durch die Interviewer*innen.
Mit der Datenaufnahme, Aussagen zur erhobenen Stichprobe, Dauer der Interviews, der Datensicherung und der Auswertungsmethode endet der Allgemeine Teil.
II. Ergebnisse der Kinderbefragung. Den umfangreichsten Teil der Publikation stellen die Ergebnisse der Kinderbefragung dar. Die erhobenen Daten sind in Säulendiagrammen dargestellt und jeweils ausführlich erklärt. Jeder befragte Bereich ist separat aufgeführt und wird durch Zitate von Kindern, die während der Interviews geäußert wurden, ergänzt. Die Daten stellen einen Querschnitt über alle befragten Kinder innerhalb von 13 Kindergärten dar. Sonderauswertungen oder Rückschlüsse zu den einzelnen Einrichtungen erfolgen aufgrund der geringen Stichprobengröße nicht (vgl. S.29). Der siebte Unterpunkt dieses Kapitels beschreibt die Möglichkeiten zur Kurzauswertung der Interviewergebnisse durch die Erstellung von drei Indizes, die aus den Ergebnissen der einzelnen Items des Interviewbogens berechnet werden können (vgl. S.73). Mit der Zusammenfassung der Ergebnisse schließt das Kapitel. Ein zentrales Ergebnis der Befragung ist, dass Erzieher*innen den Aufbau eines tragfähigen sozialen Netzes durch stabile Beziehungen zu den Kindern und Hilfe bei emotionalen Problemen von Kindern unterstützen können. Das kindliche Wohlbefinden steht in deutlichem Zusammenhang mit dem sozialen Netz der befragten Erzieher*innen (vgl. S.80).
III. Weiterentwicklung des Instruments. Im Anschluss an die Durchführung der ersten Befragung mit KbiK® wurde das Instrument ausführlich überarbeitet. Die Dauer der Interviews hatte sich für die Kinder als zu lange herausgestellt, so dass Fragenbereiche gekürzt oder ganz herausgenommen wurden. Ergänzt wird die Befragung im methodischen Bereich um eine kindgerechte Form des Rankings und eine verbale Einführung in den Themenbereich Streit/Konflikt im Alltag. Das Auswertungsblatt stellt eine praktische Erweiterung des Interviewbogens dar (vgl. S. 84).
IV. Empfehlungen. In diesem Kapitel werden die zuvor erhobenen Daten, deren Auswertung und daraus gezogene Rückschlüsse hinzugezogen, um Empfehlungen für die Praxis von Kindertageseinrichtungen auszusprechen. Pädagogische Empfehlungen gibt es für die Partizipation von Kindern in Gruppen von Kindertageseinrichtungen und für einzelne Kinder anhand sozialer Beziehungen. Empfehlungen zum Gebrauch des Instrumentes Kbik® sowie eine Würdigung des gesamten Projektes beenden dieses Kapitel.
V. Literatur. Auf drei Seiten findet man einen umfassenden Überblick über die der Forschung und dem Projekt zu Grunde liegende Literatur.
Diskussion
Den Autor*innen der vorliegenden Publikation gelingt es sehr gut, das aktuelle Thema Partizipation von Kindern in Kindertageseinrichtungen von einer bisher weniger beachteten Perspektive aus zu betrachten. Neben dem theoretischen Teil, der für Wissenschaftler*innen und pädagogische Fachkräfte gleichermaßen wertvolle Informationen liefert, zeigt die Nutzung des Instrumentes KbiK® Kindertageseinrichtungen einen guten Weg, wie Partizipation von Kindern im Alltag integriert werden kann. Da das komplette Instrument samt Auswertungsblatt im Buch enthalten ist, können pädagogische Fachkräfte in der Praxis ganz konkret damit arbeiten. Der Titel der Publikation „Kinder bewerten ihren Kindergarten“ beschränkt die Anwendung nicht auf die Organisationsform Kindergarten. Ebenso ist sie für Kindertagesstätten geeignet. Befragt werden bei KbiK® fünf- und sechsjährige Kinder bezüglich des Erlebens ihres Kindergarten-Alltags. Für Wissenschaftler*innen und Forschende kann das Instrument beispielsweise als Grundlage für eine Erweiterung der Altersspanne der befragten Kinder und somit für eine Weiterentwicklung des Instrumentes genutzt werden.
Für pädagogische Fachkräfte, die Partizipation von Kindern im Alltag von Kindertageseinrichtungen leben und in ihre pädagogische Praxis einbinden möchten, stellt das vorliegende Werk sicherlich eine Bereicherung dar
Fazit
Das vorliegende Werk vermittelt einen guten Einblick in ein aktuelles Thema aus dem Feld der Kindertagesbetreuung: die gelebte Interaktion mit und die Partizipation von Kindern (vgl. S.10). Neben theoretischen wissenschaftlichen Grundlagen werden Ergebnisse der Forschung und der praktischen Anwendung des Instrumentes KbiK© nachvollziehbar und übersichtlich dargestellt. Da das vollständige Instrumentarium ebenso wie Vorlagen zur Auswertung im Buch enthalten sind, können pädagogische Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen dies in ihrer praktischen Arbeit einsetzen und anwenden. Auch Forschenden bietet die Publikation interessante Erkenntnisse hinsichtlich der Partizipation und der Befragung von Kindern zu ihren Bedürfnissen und ihrem Wohlergehen in Kindertageseinrichtungen. Darüber hinaus kann das Buch als Grundlage zur Erarbeitung und Entwicklung eigener Instrumente genutzt werden.
Rezension von
Christine Gottbehüt
B.A. Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Bildung, Erziehung und Betreuung in der Kindheit | Rheinland-Pfalz an der Hochschule Koblenz.
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Kommentare
Anmerkung der Redaktion: Die Rezension entstand im Rahmen des Masterstudiengangs Kindheits- und Sozialwissenschaften (MAKS) der Hochschule Koblenz
Zitiervorschlag
Christine Gottbehüt. Rezension vom 04.11.2016 zu:
Roswitha Sommer-Himmel, Karl Titze, Daniela Imhof: Kinder bewerten ihren Kindergarten. Wie Kinder ihren Kindergarten sehen, Instrument und Implementierung von Kinderbefragung in der Kindertageseinrichtung. Dohrmann Verlag
(Berlin) 2016.
ISBN 978-3-938620-39-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/21154.php, Datum des Zugriffs 10.11.2024.
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