Matthias Wengenroth: Poster ACT. Das Hexaflex-Modell auf einen Blick
Rezensiert von Dr. Alexander Tewes, 22.12.2016

Matthias Wengenroth: Poster ACT. Das Hexaflex-Modell auf einen Blick.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2016.
13 Seiten.
ISBN 978-3-621-28392-2.
D: 24,95 EUR,
A: 25,60 EUR,
CH: 34,60 sFr.
Poster und Arbeitsblätter in der Sammelmappe.
Thema und Entstehungshintergrund
Die Akzeptanz und Commitmenttherapie (ACT) nach Hayes wird zur sogenannten „Dritten Welle“ der Verhaltenstherapie gezählt. Hier gibt es bereits einige Veröffentlichungen, von denen auch auf Socialnet.de bereits Rezensionen vorliegen (vgl. Greco & Hayes, 2011; Louma et al., 2009; Wilson & DuFrene, 2011). Matthias Wengenroth arbeitet als niedergelassener Psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis und hat sich u.a. auf diesen Therapieansatz spezialisiert. Er publiziert vor allem Arbeitsmaterialien wie Therapie-Tools und das hier vorliegende Poster.
Autor
Matthias Wengenroth ist Diplom-Psychologe, hat mehrere Jahre am Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie in Herten gearbeitet und arbeitet seit 2003 in eigener psychotherapeutischer Praxis in Solingen sowie als Referent und als Übersetzer und Autor von Fachliteratur.
Aufbau und Inhalt
Die Publikation erscheint in einer Sammelmappe mit folgenden Inhalten:
- Ein farbiges DIN-A-1 Poster mit dem Hexaflex-Modell der ACT,
- einer kurzen Einführung in die Arbeit mit dem Modell,
- sechs Arbeitsblätter für Patienten mit therapeutischen Hinweisen zu jedem Ansatzpunkt des Modells,
- sowie sechs Arbeitsblätter für Therapeuten als Unterstützung für die Fallkonzeptualisierung und Behandlungsplanung.
Sämtliche Arbeitsblätter sind auch als Download verfügbar.
Um diese Inhalte besser zu verstehen, sollen hier kurz die Inhalte der ACT skizziert werden. Die ACT kennzeichnet sich, wie viele der anderen Therapieformen der so genannten „Dritten Welle“ durch den Einsatz von Achtsamkeitstechniken aus. Ziel ist, dysfunktionale Gedanken nicht zwingend zu ändern, sondern sie anzunehmen und sich von ihnen im eigenen Handeln nicht zwingend leiten zu lassen. Ein Alleinstellungsmerkmal der ACT ist die zentrale Arbeit an eigenen Werten, die Grundlage des gesamten Therapieprozesses ist. Aus diesen Grundüberzeugungen heraus wurde ein Modell der Psychopathologie und der daraus resultierenden therapeutischen Arbeit entwickelt, für die der Autor die o.g. Arbeitsmaterialien liefert:
1. Erlebnisvermeidung vs. Akzeptanz. Menschen mit psychischen Erkrankungen vereint in der Regel unabhängig vom konkreten Störungsbild die Tendenz, unangenehmes Erleben verdrängen oder kontrollieren zu wollen. Da dies (zumindest bei den Menschen, die Psychotherapie in Anspruch nehmen) häufig nicht gelingt, wird als Alternative Akzeptanztraining mit dem Ziel größerer psychischer Flexibilität durchgeführt. Dieser Ansatz wird beispielsweise auch in der DBT nach Marsha Linehan gelehrt.
2. Fusion vs. Defusion. „Fusion“ bedeutet, dass Menschen mit ihren Gedanken „verschmelzen“, also die Inhalte der Gedanken „für bare Münze nehmen“. Ein typischer Gedanke wäre beispielsweise: „Ich bin ein Versager“. Hilfreich wäre es bereits zu denken: „Mein Verstand sagt mir, dass ich ein Versager bin.“
3. Mangel an mentaler Präsenz vs. Gegenwärtigkeit. Ein Mangel an mentaler Präsenz beschreibt das „Feststecken“ oder Abdriften in Gedanken an Vergangenes oder Zukünftiges. Um das Ziel – Gegenwärtigkeit – zu erreichen, kommen vornehmlich Achtsamkeitsübungen zum Einsatz.
4. Selbst als Konzept vs. Selbst als Kontext. „Selbst als Konzept“ beschreibt den Umstand, dass die betroffene Person sich komplett mit ihren verinnerlichten Selbstannahmen identifiziert. Es wird daran gearbeitet, eine Art Metaebene einzunehmen, von der aus die Wahrnehmung der eigenen Person ohne Bewertung betrachtet wird. Dies ist der abstrakteste und anspruchsvollste Teil der ACT.
5. Unklarheit über Werte vs. Wertearbeit. Wie bereits erwähnt, stellt die Wertearbeit den zentralen Baustein und das Alleinstellungsmerkmal der ACT dar. Wenn die eigenen Werte (in Abgrenzung zu konkreten Zielen) früh erarbeitet werden, kann hinterher im Grunde die gesamte Therapie daran ausgerichtet werden.
6. Impulsivität, Passivität, problematische Beharrlichkeit vs. Commitment. In diesem Teil nimmt die betroffene Person sich, basierend auf den zuvor erarbeiteten Werten und unter Zuhilfenahme der anderen Prozesse, vor, an welchen konkreten Zielen gearbeitet werden soll (statt sich wie bislang lediglich durch die Gedanken und Gefühle im Handeln leiten zu lassen).
Diskussion
Die ACT stellt noch ein junges Therapieverfahren dar, das „im Windschatten“ der bekannteren Therapien der so genannten „Dritten Welle“ der Verhaltenstherapie, der DBT-A und der Schematherapie, dennoch zunehmend an Evidenz und Bedeutung gewinnt. Im Erwachsenenbereich bereits umfassend beforscht, stehen Befunde für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen noch weitgehend aus. In Deutschland gibt es meines Wissens nach noch keine Studien zu diesem Ansatz. Die vorliegenden Arbeitsmaterialien stellen auch kein beforschtes Manual dar, sondern sind vielmehr für die konkrete Nutzung in der Psychotherapie konzipiert worden. Das Poster ist professionell gestaltet und die Arbeitsmateralien können online bezogen werden. Beim Poster ist es etwas schade, dass es gefaltet im Schuber verschickt wird. So bleiben die Knickstellen auch beim Aufhängen (z.B. an einer Flipchart) sichtbar. Jede andere Versandform hätte den Preis jedoch wahrscheinlich zu hoch getrieben. Die Arbeitsblätter müssen differenziert bewertet werden. Besonders hilfreich sind die Therapeutenmaterialien, mit denen eine individuelle Fallkonzeption erarbeitet werden kann. Meinem Wissen nach sind dies die einzigen Arbeitsmaterialien dieser Art, die am deutschen Markt erhältlich sind. Für die konkrete Therapiearbeit hat der Autor im Rahmen der Reihe „Therapie-Tools“ des Beltz-Verlags bereits eine bessere Materialsammlung veröffentlicht (Wengenroth, 2012).
Fazit
Mit dem „Poster ACT“ liegt eine Arbeitsmaterialie für die therapeutische Arbeit vor, die die Komplexität der Achtsamkeits- und Commitment-Therapie auf einen Blick übersichtlich darstellt. Sie kann besonders gewinnbringend in der Einzel- oder Gruppentherapie genutzt werden, ist dafür jedoch nicht zwingend erforderlich. Die Veröffentlichung richtet sich somit zwingend an psychotherapeutisch Tätige, die mit diesem Ansatz arbeiten.
Rezension von
Dr. Alexander Tewes
Instituts- und Ausbildungsleiter LAKIJU-VT (Lüneburger Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie), Psychiatrische Klinik Lüneburg gemeinnützige GmbH im Verbund der Gesundheitsholding Lüneburg
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