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Claus Normann, Andreas Jähne et al.: Schwierige Gesprächs­situationen in Psychiatrie und Psychotherapie

Rezensiert von Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos, 05.12.2016

Cover Claus Normann, Andreas Jähne et al.: Schwierige Gesprächs­situationen in Psychiatrie und Psychotherapie ISBN 978-3-437-24421-6

Claus Normann, Andreas Jähne, Gitta Jacob, Klaus Lieb, Mathias Berger: Schwierige Gesprächssituationen in Psychiatrie und Psychotherapie. Urban & Fischer in Elsevier (München, Jena) 2016. 2. Auflage. 196 Seiten. ISBN 978-3-437-24421-6. D: 39,99 EUR, A: 41,20 EUR.

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Thema

Das vorliegende Buch ist die 2. Auflage eines insbesondere für Novizen im Therapiebereich von Psychotherapie und Psychiatrie geschriebenen Buches, welches Hilfestellung zur Lösung von schwierigen Situationen in Therapiebeziehungen anbieten will. Hierbei verorten die Autoren sich zwar einerseits als selbst überwiegend verhaltenstherapeutisch sozialisiert ein, betonen aber die schulenübergreifende Praxis und entsprechend gesammelte Lösungsvorschläge.

AutorInnen

Die AutorInnen sind (Berger, Lieb, Normann) Mediziner und leiten als Professoren Abteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie in Freiburg und Mainz, Dr. Gitta Jacobs ist PD und leitet die GAIA AG in Hamburg.

Entstehungshintergrund

Alle Autoren sind seit längerem praktisch im Bereich Psychiatrie und Psychotherapie tätig und bekommen wegen der Leitungsfunktionen zahlreiche Kontakte auch mit Anfängern in der Facharzt-Ausbildung, bzw. der Psychotherapieausbildung. Hierbei erleben sie wiederkehrende und störungsunspezifisch „schwierige Situationen“ im Patientenkontakt- solche sammeln und systematisieren sie im vorliegenden Buch mit dem Ziel, gerade Anfängern in diesem Bereich Anregungen und Hilfestellungen zur Lösung solcher Gesprächshemmnisse anzubieten.

Aufbau

Die Systematik bringt die Autoren zu neun Hauptschwierigkeiten, die zusammen mit einer knappen Einleitung die zehn Kapitel des Buches bilden. Die Thematiken reichen von „der Patient macht keine Fortschritte…“, über „Der Patient sieht Probleme überwiegend bei anderen…“ und „Suizidalität“ bis hin zu „Die Behandlung wir durch begrenzte Ressourcen des Patienten erschwert“. Ein umfangreiches Nachschlag-Register schließt das Buch ab.

Ausgewählte Inhalte

Alle Kapitel beginnen mit knappen Fall-Vignetten, die die thematisierte Schwierigkeit konkretisieren. Daran an schließt sich quasi eine theoretische Begründung, warum die Schwierigkeit im Kontext von Psychiatrie und Psychotherapie ein wesentlicher Bestandteil der Veränderungsarbeit ist – die Autoren überschreiben diesen Teil jeweils mit „Hintergrund“ und „Analyse“. Lösungsstrategien schließen sich an, wobei neben allgemeinen Ausführungen konkrete verbale Formulierungsvorschläge blau hervorgehoben sind. Die Lösungsstrategien selbst sind jeweils im Sinne von Handlungsaufforderungen überschrieben, z.B. „Behalten Sie die Ziele im Verlauf der Behandlung im Auge“(S.8).Im Tabellenform werden dann die Lösungsvorschläge teilweise durch entsprechende Dialoge (Arzt- Patient) nochmals verdeutlicht.

Dies soll an einem Kapitel konkreter verdeutlicht werden, Kap. 7 „Suizidalität“. Auch hier beginnen die Autoren mit einem Fallausschnitt, und klären dann den „Hintergrund“- die Relevanz von Suizid als eine der häufigsten Todesursachen, deren Epidemiologie und die Risikoverteilung bspw. zwischen den Geschlechtern. In der „Analyse“ sollte dann geklärt werden, ob psychiatrische Krankheiten eine Rolle spielen, der Patient einer Risikogruppe angehört und ob Absprachefähigkeit besteht. Als Lösungsstrategie wird zunächst empfohlen „Nicht mit der Tür ins Haus zu fallen“, dann abzuklären, ob Depression, Psychose oder Sucht vorhanden ist und der Patient einer Risikogruppe angehört. Wesentlich erscheint die Abklärung der Absprachefähigkeit und die Einbeziehung des sozialen Umfeld- dies wird erläuternd ausgeführt. Es folgt die Empfehlung „Haben Sie keine Angst, intensiv nach Suizidalität zu fragen“, ein „Non.S-Abkommen“ zu schließen und -später- Suizidalität als Chance zu begreifen, deren implizite Botschaft im Beziehungsgeschehen zu entschlüsseln und sich selbst etwa im Sinne der CBASP (Cognitive Behaviorel Analysis System of Psychotherapy) diszipliniert einzulassen. Eine Tabelle veranschaulicht das dialogische Vorgehen knapp, bevor auch Hinweise auf notwendigen Einsatz von Medikamenten gegeben werden und schließlich auch auf Grenzen auf Seiten des Therapeuten verwiesen wird.

Diskussion

Zunächst ist festzustellen, dass die Autoren eine umfassende Zusammenstellung „schwieriger Gesprächssituationen in Psychiatrie und Psychotherpie“ vorlegen und hierbei eine überzeugende Systematisierung hin zu Lösungsvorschlägen anbieten. Sie betonen dabei, dass z.B. in Therapiemanualen zu wenig auf auftauchende Schwierigkeiten eingegangen wird- durch Ausbildungs.- und Supervisionserfahrung wissen sie um die Notwendigkeit, hier Therapie-kompetenz zu erweitern. Die Autoren betonen, dass es nicht um störungsspezifische Besonderheiten geht, sondern eher um allgemeine Schwierigkeiten, die einer Lösung zugeführt werden sollen. Bis hin zum Register sind sie hierbei allerdings sehr stark an einem Medizinischen Krankheits-Modell orientiert: der Arzt diagnostiziert (hier die Schwierigkeit auf Seiten des Patienten) und entwickelt therapeutische Strategien und Verordnungen. Zwar wird auch an Selbst-Reflexion und Thematisierung in Supervision erinnert- die psychotherapeutische Arbeit wird aber wenig systematisch als dynamisches Beziehungsgeschehen zwischen Klient, Therapeut und Methode gesehen. Möglicherweise ist das auch darauf zurückzuführen, das in der praktizierten Psychiatrie und Psychotherapie eben nicht gleiche Arbeitsmodelle zur Anwendung kommen und im Buch ein Deckel für zwei Töpfe gesucht wird. Dies stellt nicht das anregende Kapital des Buches in Frage- gibt aber kritisch zu bedenken, ob die empfohlenen Lösungen nicht doch zu sehr wie Medikamenten-Empfehlungen „Man nehme…“ ankommen – deshalb soll das Buch gerne im Rahmen von Aus- und Fortbildung da empfohlen werden, wo gleichzeitig das wechselseitige Beziehungsgeschehen in Therapie thematisiert und in Selbsterfahrung erfahrbar wird.

Fazit

Eine umfassende Sammlung von schwierigen Gesprächssituationen in Psychiatrie und Psychotherapie – allen Berufs- und Ausbildungsgruppen, die mit Patienteninteraktionen zu tun haben, bietet sich ein reicher Fundus, der allerdings nur dann zu zielführend-hilfreichen Interventionen führen wird, wenn gleichzeitig Beziehungsarbeit und -fähigkeit durch eine therapeutische Grundausbildung und Selbstreflexion gewährleistet ist.

Rezension von
Prof. Dr. Christian Schulte-Cloos
Hochschullehrer Hochschule Fulda, Fachbereich Sozialwesen, seit 31.8.2011 pensioniert
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Es gibt 90 Rezensionen von Christian Schulte-Cloos.

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ISSN 2190-9245