Sandra Eckert: The Social Face of the Regulatory State
Rezensiert von Prof.Dr. Dagmar Oberlies, 08.05.2017

Sandra Eckert: The Social Face of the Regulatory State. Manchester University Press (Manchester, UK) 2015. 248 Seiten. ISBN 978-0-7190-9031-8. 91,95 EUR.
Thema
Das Buch befasst sich – am Beispiel der Postreformen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien – mit dem sozialen Gesicht der Regulierung öffentlicher Dienstleistungen in Europa.
Autorin
Die Autorin ist Juniorprofessorin an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main. Ihr Fachgebiet ist ‚Politik im Europäischen Mehrebenensystem‘.
Entstehungshintergrund
Das Buch und die ihm zugrundeliegende Forschung sind im Kontext eines europäischen Forschungsverbundes am Europäischen Universitätsinstitut in Florenz entstanden. Mit der zugrundeliegenden Arbeit hat sich die Autorin an der Freien Universität Berlin bei Tanja A. Börzel promoviert.
Aufbau
Nach einer Einführung folgen Kapitel über
- die Reform öffentlicher Dienstleistungen,
- die soziale Seite der Regulierungen,
- drei Länderstudien gefolgt von einem Ländervergleich,
- die Einbettung des Themas in die internationale politische Ökonomie sowie
- Schlussfolgerungen in Bezug auf die Politik der Reformen und Regulierungen.
Inhalt
In einer Einleitung erläutert die Autorin kurz ihren Ansatz der vergleichenden Kapitalismusforschung (S.3 ff) und den Begriff des ‚regulierenden Staates‘ (S.5 ff). Während ökonomisch begründete Regulierungen gut untersucht seien, gelte dies allerdings nicht für die soziale Seite der Regulierung – dies sei aber, angesichts der Funktion des Staates als Dienstleister und Arbeitgeber, dringend erforderlich (S.5). Dieser sozialen Seite der Regulierung, am Beispiel der Postreform, widmet sich das Buch auf den folgenden 175 Seiten.
Die ersten Kapitel (2 und 3) beschreiben den konzeptionellen Rahmen der Arbeit, zunächst aus der Sicht vergleichender Kapitalismusforschung, dann aus der Sicht der (interdisziplinären) Regulierungsforschung. Im Kern geht es hier um eine Verschiebung der staatlichen Funktionen von einer umverteilenden Rolle zu einer regelsetzenden Rolle, die – nicht demokratisch legitimierte – Institutionen stärkt und politisch-parlamentarische Willensbildungsprozesse schwächt. Die EU selbst kann hierfür als Prototyp gelten. Indirekt wird damit auch von einem neoliberalen, deregulierenden Paradigma als Erklärung Abstand genommen.
Ein weiterer großer Block (Kapitel 4 bis 9) befasst sich mit der Politik öffentlicher Versorgung, vorwiegend anhand der Privatisierung der Telekommunikation, zunächst aus europäischer Perspektive, dann anhand von Länderstudien aus Frankreich, Deutschland und Großbritannien und schließlich in länder- und international vergleichender Perspektive. Dabei wird deutlich, dass die Europäischen Richtlinien zwar die Rahmung für die Privatisierungen im Postsektor abgegeben haben, dass es aber dennoch große Unterschiede in der Art der Umsetzung in Frankreich, Deutschland und Großbritannien gab. Während Frankreich ein hohes Maß an politischer Kontrolle beibehalten hat, hat das deutsche Parlament selbst eine Liberalisierung und Privatisierung betrieben und die Kontrolle auf unabhängige Regulierungsbehörden übertragen. Dabei wurde allerdings – bis zuletzt – die Zuständigkeit für die Postbediensteten ausgenommen bzw. offen gehalten. Anders als in Großbritannien, wo es auch weiterhin eine klare politische Kontrolle in sozialen Fragen gibt.
In einem Schlusskapitel (10) werden die wichtigsten Schlüsse zur Politik der Reform und der Regulierung nochmals zusammengefasst, insbesondere der, dass die Delegationslogiken innerhalb der Europäischen Union variieren und Institutionen in Folge der Privatisierung einen sehr unterschiedlichen Ermessensspielraum eingeräumt bekamen. Dadurch, darauf weist die Autorin ebenfalls hin, kann die politische Verantwortung, vor allem für unpopuläre Ergebnisse, von ‚der Politik‘ auf die Regulierungsbehörden verschoben werden.
Fazit
Das Buch untersucht, wie Regulierungsherausforderungen in verschiedenen Spielarten des Kapitalismus angegangen wurden. Es vergleicht den Wandel in Frankreich, Deutschland und dem Vereinigten Königreich vor allem bei der Reform (genauer: Privatisierung) der Telekommunikation – aber am Rande auch im Stromsektor. Dabei wird auch der Zusammenhang zur europäischen Staatsschuldenkrise erkennbar. Die Analyse widmet sich dabei der Frage, ob und wie sozialpolitische Ziele durch die Regulierungen angesprochen wurden. Das Buch bietet Erklärungen dafür, warum eine Regulierung, die den Verbrauchern zugutekommen sollte, wahrscheinlich die Interessen der Mitarbeiter geschädigt hat und zeigt überdies wie Funktionsmängel von Märkten die Regulierungspolitiken ermöglichten und ihre Ausgestaltung bedingten.
Das Buch ist – im Kern – eine politikwissenschaftliche Doktorarbeit. In der Sozialen Arbeit dürfte sie – trotz des Titels ‚The social face of the regulatory state‘ – nur für einige Wenige interessant sein. Wer sich einen schnellen Überblick über die Thesen der Forschung, dazu noch auf Deutsch, verschaffen möchte, kann auch auf ein öffentliches Working Paper der Autorin (gemeinsam mit Oliver Budzinski) „Wettbewerb und Regulierung“ (Zum Download unter: www.econstor.eu) oder auf einen Open-Access-Artikel ‚Two spheres of regulation: Balancing social and economic goals‘ (www.researchgate.net) zurückgreifen, dies allerdings nur in Englischer Sprache.
Rezension von
Prof.Dr. Dagmar Oberlies
Frankfurt University of Applied Sciences, Fachbereich ‚Soziale Arbeit und Gesundheit‘
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