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Franziska Eisenhuth: Strukturelle Diskriminierung von Kindern mit unsicheren Aufenthaltsstatus

Rezensiert von Prof. Dr. Torsten Linke, 26.09.2016

Cover Franziska Eisenhuth: Strukturelle Diskriminierung von Kindern mit unsicheren Aufenthaltsstatus ISBN 978-3-658-09847-6

Franziska Eisenhuth: Strukturelle Diskriminierung von Kindern mit unsicheren Aufenthaltsstatus. Subjekte der Gerechtigkeit zwischen Fremd- und Selbstpositionierungen. Springer VS (Wiesbaden) 2015. 311 Seiten. ISBN 978-3-658-09847-6. D: 49,99 EUR, A: 51,39 EUR, CH: 53,00 sFr.

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Thema

Die Autorin befasst sich in diesem Band mit einem für die Soziale Arbeit und die Pädagogik sehr relevanten und aktuellen Thema, welches über diese Institutionen hinaus auch gesellschaftliche und politische Tragweite hat. Sie richtet den Blick auf Menschen, die mit unsicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland leben und nimmt dabei mit Kindern eine besonders vulnerable Gruppe in den Fokus. Die Autorin beschränkt ihre Arbeit auf die begleiteten Minderjährigen. Bereits der Titel verweist darauf, dass die Autorin hier eine strukturelle Diskriminierung sieht. Ausgehend von theoretischen Überlegungen auf Grundlage und Diskussion des Capabilities Approach, auch unter Einbeziehung von Ideen aus den Cultural Studies, stellt sie Kinder und ihr Recht auf Selbstverwirklichung in das Zentrum ihrer Überlegungen. Gemeinsam mit den Ergebnissen der von ihr durchgeführten qualitativen Interviewstudie, kommt die Autorin zu Ableitungen für notwendiges politisches und fachliches Handeln.

Die Publikation richtet sich an Studierende wie Fachkräfte in den Bereichen Soziale Arbeit und Erziehungswissenschaft, an Personen die mit Geflüchteten arbeiten, an wissenschaftlich in diesem Bereich Lehrende und Forschende sowie in Politik und Verwaltung tätige Personen.

HerausgeberInnen

Das Werk erscheint als Band 14 in der Reihe Kinder, Kindheiten und Kindheitsforschung, die von Sabine Andresen, Isabell Diehm, Christine Hunner-Kreisel und Claudia Machold herausgegeben wird.

Autorin und Entstehungshintergrund

Das Werk ist die Doktorarbeit der Autorin, die Stipendiatin der Research School Education and Capabilities an der Universität Bielefeld war.

Aufbau

Das Buch ist in sechs Kapitel aufgeteilt.

Der Einleitung folgen zwei weitere inhaltlich-theoretische Kapitel mit dem Fokus auf Kinder mit unsicheren Aufenthaltsstatus, daran schließen sich zwei Kapitel zur Forschungsmethodik und den Forschungsergebnissen an, bevor im sechsten Kapitel die Ergebnisse zusammengefasst, diskutiert und mit einem Fazit abgeschlossen werden. Im Anhang befinden sich die von der Autorin zur Erhebung genutzten Dokumente.

Inhalt

Im ersten Kapitel, der Einleitung, nimmt die Autorin Begriffsklärungen und eine Gründung des Forschungsthemas vor. Sie beschäftigt sich mit der strukturellen Diskriminierung von Menschen mit unsicheren Aufenthaltsstatus in Deutschland, nimmt die Rechte von Kindern in den Blick und leitet daraus ein (erziehungs-)wissenschaftliches Erkenntnisinteresse ab.

Im zweiten Kapitel, Status quo: Kinder mit unsicheren Aufenthaltsstatus, werden die einführenden Punkte, mit Blick auf Kinder und ihre Rechte, spezifisch vertieft und es wird ein Überblick zum vorliegenden Forschungsstand erarbeitet. Das im ersten Kapitel dargelegte Erkenntnisinteresse wird dadurch noch deutlicher, da sowohl hinsichtlich des Themas wie der Personengruppe Leerstellen benannt werden.

Im dritten Kapitel, Theoretische Grundlegung: Kinder mit unsicheren Aufenthaltsstatus als Subjekte der Gerechtigkeit, kommt die Autorin zu ausführlichen Überlegungen und kritischen Diskussionen auf die Kindern eingeräumten Rechte und Möglichkeiten und damit zusammenhängend den Konzepten zu Bildung und Erziehung von Kindern. Die Autorin nutzt als Grundlage ihrer Überlegungen zum Subjektstatus von Kindern aus einer gerechtigkeitstheoretischen Perspektive, den Ansatz des Capabilities Approach und bezieht sich hier auf zentrale Akteur_innen und deren Theorien. Ausführlich wird auf die Ideen und Konzepte von Martha Nussbaum eingegangen, aber es werden auch weitere Überlegungen, wie von Nancy Fraser, einbezogen. Die daraus gezogenen Schlüsse werden mit Arbeiten aus den Cultural Studies (zum Beispiel von Paul Mecheril) und den New Social Childhood Studies (zum Beispiel Allison James; Alan Prout) diskutiert.

Im vierten Kapitel, Anlage und Durchführung der Studie, legt die Autorin ihre Forschungsmethodik dar. Es werden Themen wie der qualitative Forschungszugang, die Grounded Theory, der Zugang zu den Interviewpartner_innen und die Erarbeitung des Leitfadens dargelegt, diskutiert und das eigene Handeln und Vorgehen reflektiert.

Im fünften Kapitel, Forschungsergebnisse: Eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten und Subjektpositionen betroffener Kinder, werden nach Kurzportraits der für die Auswertung ausgewählten Interviews, die zentralen anhand der Grounded Theory herausgearbeiteten Kategorien und Konzepte vorgestellt, wodurch eine strukturelle Benachteiligung und Diskriminierung die zu eingeschränkten Handlungs- und Entfaltungsmöglichkeiten führen, deutlich werden. Diese Ergebnisse diskutiert die Autorin mit den oben genannten Theorien aus dem dritten Kapitel.

Im sechsten Kapitel, Schluss, kommt die Autorin zu einer zusammenführenden Diskussion und einem Fazit ihrer Arbeit. Es werden konkrete Ableitungen für die Politik getroffen.

Der Band umfasst insgesamt 280 Seiten zzgl. des für qualitativ Forschende interessanten Anhangs.

Diskussion

Der Band nimmt ein für Praxis und Wissenschaft relevantes Thema in den Blick und damit auch eine große Leerstelle in diesem Bereich. Es gelingt, diese Lücke weiter zu schließen. Die Herausforderung mit Kindern die von Abschiebung bedroht sind zu arbeiten und mit den daraus resultierenden Situationen umzugehen, ist sowohl in der Sozialen Arbeit wie den Bildungsinstitutionen oft Teil der täglichen Praxis für die Fachkräfte. Die Autorin nimmt jedoch nicht den Faden der möglichen Überforderung von Fachkräften oder Institutionen auf. Sie wendet sich den eigentlich Betroffenen und der wahrscheinlich am wenigsten gehörten Gruppe dieser bestehenden rechtlichen Praxis zu, den Kindern mit unsicheren Aufenthaltsstatus, und zeigt deren Situation auf, indem diese zum Sprechen kommen. Damit gelingt auch ein wichtiges Kriterium qualitativer Forschung, die Darstellung der Innenperspektive aus der Sicht der Subjekte. Darüber hinaus ist die Situation in der sich diese Kinder befinden und auch dies wird deutlich herausgearbeitet, ethisch und rechtlich – auch mit Blick auf allgemein anerkannte Kinderrechte – höchst bedenklich. Zu Recht werden daher politische Forderungen gestellt, die aus den wissenschaftlich belegbaren Ergebnissen abgeleitet sind. Es ist anzunehmen, dass eine Änderung der vorhandenen Rechtsstellung die zu einer Verbesserung der Lebenssituationen von betroffenen Familien führen würde, letztlich auch positiv auf die Arbeitssituation in den Institutionen, die mit den Familien und Kindern arbeiten, wirken würde. Die Beseitigung der strukturellen Diskriminierung wäre nicht nur an sich, sondern auch in der Folge der dadurch entstehenden Möglichkeiten ein gesellschaftlicher Gewinn.

Fazit

Es gelingt der Autorin sehr gut, das Thema Kinder mit unsicheren Aufenthaltsstatus aufzugreifen, in das Gebiet einzuführen und die vorhandene strukturelle Diskriminierung herauszuarbeiten. Die Diskussion des Capabilities Approach liefert Erkenntnisse in Bezug auf die Bildung und Erziehung von Kindern unter Einbezug einer gerechtigkeitstheoretischen Perspektive. Das Vorgehen in der Arbeit und die Durchführung der Studie können vor allem für Studierende wichtige Anhaltspunkte für eigene Arbeiten liefern. In Seminaren und Praxiswerkstätten im Studium der Sozialen Arbeit bietet sich der Band sowohl für die inhaltliche Arbeit an, zum Beispiel in der Flüchtlingssozialarbeit, aber auch für allgemeine forschungsmethodische Veranstaltungen, da er als gutes Praxisbeispiel für die Durchführung einer Studie dienen kann. Die inhaltlichen Aspekte können insgesamt für Wissenschaft und Praxis wichtige Ausgangspunkte für weitere Überlegungen oder bei der Erarbeitung von Konzepten bilden. Der Band schließt mit politischen Forderungen. Es wäre zu wünschen, dass die Ergebnisse in die entsprechenden Diskussionen Eingang finden.

Rezension von
Prof. Dr. Torsten Linke
Hochschule Zittau/Görlitz - Fakultät Sozialwissenschaften
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Es gibt 5 Rezensionen von Torsten Linke.

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Zitiervorschlag
Torsten Linke. Rezension vom 26.09.2016 zu: Franziska Eisenhuth: Strukturelle Diskriminierung von Kindern mit unsicheren Aufenthaltsstatus. Subjekte der Gerechtigkeit zwischen Fremd- und Selbstpositionierungen. Springer VS (Wiesbaden) 2015. ISBN 978-3-658-09847-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/21398.php, Datum des Zugriffs 11.06.2023.


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