Daniel Bindernagel (Hrsg.): Die Eigensprache der Kinder
Rezensiert von Diplom-Pädagoge Volker Raupach, 26.01.2017

Daniel Bindernagel (Hrsg.): Die Eigensprache der Kinder. Idiolektische Gesprächsführung mit Kindern, Jugendlichen und Eltern. Carl-Auer Verlag GmbH (Heidelberg) 2016. 296 Seiten. ISBN 978-3-8497-0054-6. D: 34,95 EUR, A: 36,00 EUR.
Thema
Sprache ist eines der wichtigsten Werkzeuge in der pädagogischen Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern. Mit Sprache werden nicht nur Informationen weitergegeben, sondern auch Beziehung hergestellt und gepflegt. In der pädagogischen Arbeit kann eine Orientierung und das Aufgreifen der Sprache der Kinder eine Möglichkeit sein, damit die betroffene Person das Gefühl entwickelt, es wird ihm zugehört. Idiolektik, also das Aufgreifen der eigenen Sprache der Kinder, Jugendlichen und Eltern kann dabei eine effektive Methode darstellen, um dieses Ziel zu erreichen.
Herausgeber
Daniel Bindernagel (Hrsg.), Dr. med. Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Seit 2004 ist er leitender Arzt am Kinder- und Jugendpsychiatrischen Dienst St. Gallen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die ambulante und teilstationäre Psychotherapie mit Kindern, Jugendlichen und deren Familien, Mitarbeiterführung und Organisationsentwicklung sowie ambulante Gruppentherapie mit Kindern und ihren Eltern. Er ist seit 20 Jahren Ausbilder für Idiolektik und seit 2016 der 1. Vorsitzende der Gesellschaft für Idiolektik und Gesprächsführung. Als Herausgeber und Autor veröffentlichte er zwei Bücher im Carl Auer Verlag zu diesem Thema: „Schlüsselworte – Idiolektische Gesprächsführung in Therapie“, Beratung und Coaching (2010/2013) und „Die Eigensprache der Kinder – Idiolektische Gesprächsführung mit Kindern, Jugendlichen und Eltern“ (2016). Unter anderem publiziert er Artikel und hält Vorträge u.a. zu Themen der Eltern-Kind-Therapie und der frühen Kindheit.
Entstehungshintergrund
In den letzten Jahren wurde von Seiten der Fachöffentlichkeit die Bedeutung der frühen Eltern-Kind-Interaktion immer mehr in den Fokus genommen. Es gibt diverse Untersuchungen, die sich mit der Bedeutung des Umfanges der Interaktion zwischen Eltern und ihren Kindern befassen. Neben dem Umfang der vokalen Interaktion nimmt die idiolektische Gesprächsführung auch die klanglichen Aspekte von Sprache sowie die Verwendung von Schlüsselwörtern in den Blick. Dieses Buch befasst sich mit der Vielfalt und den Eigenheiten des Einsatzes der Eigensprache in der Gesprächsführung. Dazu hat Daniel Bindernagel verschiedene Fachleute aus dem Bereich der Idiolektik an diesem Buch mit ihren Schwerpunkten beteiligt.
Aufbau
Das Buch stellt auf 279 Seiten nach einem kurzen Vorwort von Therese Steiner und einer Einleitung in sieben Kapiteln und einem Schusswort die Thematik der Eigensprache und der idiologischen Gesprächsführung dar.
Im ersten Kapitel wird eine theoretische Einführung in das Thema gegeben und dargestellt, wie sich die Eigensprache des Kindes bis hin zum Jugendlichen entwickelt. Der Aufbau der weiteren Kapitel erfolgt nach dem gleichen Muster. In den einzelnen Kapiteln wird die Entwicklung der Eigensprache für dieses Entwicklungsalter dargestellt: Danach folgen in den jeweiligen Kapiteln Fallbeispiele durch die theoretische Aspekte demonstriert und vertieft werden sollen.
Im zweiten Kapitel wird dieses auf das Entwicklungsalter des Babys und des Kleinkindes dargestellt. Im dritten Kapitel wird das Entwicklungsalter des Vorschulkindes in den Blickpunkt genommen. Der Fokus des vierten Kapitels liegt auf dem Schulkindalter, während das fünfte Kapitel sich mit der Eigensprache des Jugendlichen befasst. Das sechste und siebte Kapitel legen ihren Schwerpunkt auf die Eigensprache der Eltern und von Fachpersonen. Im Anschluss befasst sich das achte Kapitel mit dem Nutzen der Idiolektik.
Am Ende des Buches befinden sich ein Anhang mit Informationen zur Ausbildung in Idiolektik, einem Literaturverzeichnis sowie Hintergrundangaben über die Autorinnen und Autoren und dem Herausgeber.
Inhalt
Im ersten Kapitel, welches zum Einstieg in das Thema dient, wird von dem Autor Daniel Bindernagel eine theoretische Einführung in das Thema gegeben. Er befasst sich unter anderem mit dem Neugeborenem und wie es seinen Rhythmus und seine Befriedigung findet. Im weiteren Verlauf des ersten Kapitels werden die Entwicklung und die Eigensprache des einjährigen Kindes, des Kleinkindes, des Vorschulkindes, des Schulkindes und des Jugendlichen kurz vorgestellt.
Das zweite Kapitel befasst sich im ersten Teil mit den komplexen Entwicklungsaufgaben des Neugeborenen und des Kleinkindes. Dabei werden kurz wichtige entwicklungspsychologische Schritte wie die Entwicklung der Motorik und des sich selbst erkennen dargestellt. Im Anschluss folgt eine Darstellung der Eigensprache des Kindes. Dabei wird herausgestellt, dass der Gebrauch ganz individuell ist. Es schließt sich eine kurze Darstellung der Grundzüge der Eltern-Kleinkind-Psychotherapie an. Im zweiten Teil des Kapitels folgen diverse Praxisbeispiele mit jeweils einer kurzen Reflexion zur Verdeutlichung des Einsatzes der idiolektischen Gesprächsführung in dieser Altersstufe.
Im dritten Kapitel befassen sich die Autoren Ivonne Krüger und Franz Jochen Pelzer mit der Eigensprache des Vorschulkindes. Das Kapitel beginnt mit der Vorstellung der Entwicklungsaufgaben des Vorschulkindes. Dabei wird ein besonderer Schwerpunkt auf die Sprachentwicklung und die Entwicklung des Humors gelegt. Im weiteren Verlauf des Kapitels wird die Eigensprache des Vorschulkindes vorgestellt. Dabei stehen die nonverbalen und präverbalen Signale und die unfertige, eigene Sprache des Kindes im Vordergrund. Im zweiten Teil des Kapitels stellt Franz Jochen Pelzer den Arbeitskontext des Waldkindergartens vor. Es folgte eine Darstellung des Menschenbildes, welches der Idiolektik zu Grunde liegt. Auch dieses Kapitel endet mit der Darstellung verschiedener Praxisbeispiele und der jeweiligen Reflexion des Einsatzes der Idiolektik. Das erste Beispiel stammt aus dem Arbeitskontext Waldkindergarten. Es folgen Praxisbeispiele aus dem Arbeitskontext Kindertagesstätte von Ivonne Krüger.
Das vierte Kapitel von den Autoren Daniel Bindernagel, Marianne Kleiner und Angela Schiemer stellt die Entwicklungsaufgaben des Schulkindes in den Vordergrund. Besonders die sprachliche und kognitive Entwicklung wird vorgestellt. Genau wie in den anderen Kapiteln folgt die Herausstellung der Eigensprache in dieser Entwicklungsphase. Marianne Kleiner stellt anschließend den Einsatz der Idiolektik im Bereich Schule vor und zeigt anhand von Beispielen deren Einsatz im Bereich Schule. Angela Schiemer befasst sich mit dem Einsatz der Idiolektik im Bereich der Psychotherapie mit Schulkindern. Auch hier folgen Praxisbeispiele mit deren Reflexion aus diesem Arbeitsbereich.
Tilmann Rentel und Andreas Speth befassen sich im fünften Kapitel mit der Eigensprache von Jugendlichen. Auch in diesem Kapitel werden die Entwicklungsaufgaben in dieser Altersphase vorgestellt. Tilman Rentel stellt im Anschluss Praxisbeispiele aus der Psychotherapie mit Jugendlichen vor. Im weiteren Verlauf des Kapitels werden dann von Andreas Speth Verbalstrategien unter Berücksichtigung der Eigensprache in der Psychotherapie mit Jugendlichen vorgestellt.
Das sechste Kapitel befasst sich mit der Eigensprache von Eltern. Der Herausgeber und Hans Hermann Ehat stellen Entwicklungsaufgaben von Eltern vor. Es folgen Praxisbeispiele aus dem Bereich Gespräche mit Eltern in der Schule und im Anschluss folgen Beispiele von Gesprächen mit Eltern aus dem therapeutischen Bereich.
Horst Poimann und Daniel Bindernagel befassen sich im siebten Kapitel mit der Eigensprache von Fachpersonen. Nach einer kurzen Einführung in die Thematik wird eine Teamsitzung aus dem Bereich kinderpsychiatrische Tagesklinik als Praxisbeispiel vorgestellt.
Im achten Kapitel setzen sich einige Autoren des Buches noch einmal abschließend mit dem Nutzen der Idiolektik auseinander. Kurz nehmen die Autoren persönlich Stellung zu ihren positiven Erfahrungen mit dem Einsatz dieser Gesprächstechnik.
Diskussion
Dieses Buch rückt die Eigensprache der Kinder bzw. Jugendlichen und Erwachsenen in den Mittelpunkt. Die Kapitel zu den entsprechenden Altersgruppen sind von der Systematik gleich aufgebaut, dieses erleichtert die Lesbarkeit des Buches. Die kurze Darstellung der Entwicklungsaufgaben der verschiedenen Altersstufen zu Beginn der einzelnen Kapitel bietet einen guten Einstieg in die Auseinandersetzung mit der entsprechenden Altersstufe. Die ausgewählten Fallbeispiele verdeutlichen mit ihrer anschließenden Reflexion gut den Einsatz dieses Gesprächsansatzes. Durch die große Bandbreite der Arbeitsbereiche, aus der die Fallbeispiele stammen, ist es für einen großen Personenkreis interessant.
Fazit
Das Buch ist für alle Personen geeignet, in deren Tätigkeiten sich Gesprächssituationen mit Kindern und Jugendlichen ergeben. Die Praxisbeispiele stammen zwar zum Teil aus dem Bereich der Psychotherapie, aber sind auf andere Gesprächssituationen übertragbar. Da in dem Buch neben dem Bereich der Vorschulkinder auch der Bereich der Schulkinder und Jugendliche sowie Eltern und Fachpersonal abgedeckt wird, ist es auch für die Arbeit mit dieser Altersspanne interessant. Das Buch eignet sich auch dazu, einzelne Kapitel für die entsprechende Altersspanne herauszugreifen. Das Buch hat mich dazu angeregt, wieder mehr auf die Eigensprache meiner Gesprächspartner zu achten.
Rezension von
Diplom-Pädagoge Volker Raupach
Diplom Pädagoge, Lehrtätigkeit an einer Fachschule und Berufsfachschule für Sozialwesen
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