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Maya Stagge: Multikulturelle Teams in der Altenpflege

Rezensiert von Dipl.-Pädagogin Bettina Wichers, 01.11.2016

Cover Maya Stagge: Multikulturelle Teams in der Altenpflege ISBN 978-3-658-11509-8

Maya Stagge: Multikulturelle Teams in der Altenpflege. Eine qualitative Studie. Springer VS (Wiesbaden) 2016. 291 Seiten. ISBN 978-3-658-11509-8. D: 39,99 EUR, A: 41,11 EUR, CH: 41,50 sFr.

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Thema

Die vorliegende Dissertation gibt einen Überblick über den bisherigen Forschungsstand zu den Themenfeldern Altenpflege, Fachkräftemangel in der Pflege und Zunahme von multikulturellen Teams in diesem Setting. Die qualitative Interviewstudie gibt Einblicke in die Innensicht dieser Teams und zeigt spezifische Herausforderungen der Zusammenarbeit in multikulturellen Teams in der Altenpflege auf.

Autorin und Entstehungshintergrund

Maya Stagge war zum Zeitpunkt der hier dokumentierten Dissertation wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Pflegeforschung und Beratung (ZePB) der Hochschule Bremen. Die Dissertation wurde begutachtet von Prof. Dr. Hildegard Theobald vom Institut für Gerontologie an der Universität Vechta und von Prof. Dr. Monika Habermann vom ZePB.

Aufbau

Aufgrund des Charakters einer wissenschaftlichen Arbeit gliedert sich die vorliegende Veröffentlichung in den Definitionsteil bzw. Darstellung der Hintergründe (Kap. 1-4), zeigt den aktuellen Forschungsstand zum konkreten Thema auf (Kap. 5) und geht dann über in die Dokumentation der einzelnen Schritte des Forschungsprojekts selbst (Kap. 6-10), wobei in Kap. 10 die Forschungsergebnisse ausführlicher dargelegt werden. Kap. 11-13 schließen das Buch mit jeweils einem kurzen Kapitel zu Zusammenfassung, Handlungsempfehlungen und Ausblick.

Inhalt

1 Einleitung – Übersicht über die Fakten zur Migrationssituation in Deutschland und der Polarität der Diskussion über Menschen mit Migrationshintergrund. Im Spannungsfeld zwischen Integrationsproblematik und Lösung des Fachkräftemangels führt die Autorin an die Thematik der multikulturellen Teams in der stationären Altenpflege auf Mikro-, Meso- und Makroebene heran und skizziert dann Problemstellung, Konzeption und Aufbau der vorliegenden Arbeit.

2 Definitionen und theoretische Konzepte skizziert u.a. die Begriffe Team (insbesondere bezogen auf die Pflege), Kultur und multikulturell/ interkulturell/ transkulturell sowie Teamentwicklung.

3 Rahmenbedingungen – das Kapitel beleuchtet den Forschungsgegenstand auf der Makroebene: die demographische Entwicklung, der Fachkräftemangel in der Pflege und die Migration von Pflegenden weltweit sowie das „Einwanderungsland Deutschland“ und die Ambivalenzen hierzulande gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund zwischen Integrationsdebatte und Hoffnung für den Arbeitsmarkt.

4 Altenpflege in Deutschland – das Kapitel widmet sich dem Forschungsgegenstand der multikulturellen Teams auf der Mesoebene: u.a. Beschäftigungsstrukturen in der Altenpflege, Qualifizierung, Beschäftigungsformen und Verdienststruktur, aber auch Verweildauer im Beruf und Fluktuationsneigung. Zuletzt wendet sich das Kapitel den Mitarbeiter/innen mit Migrationshintergrund bzw. deren möglichem Einfluss auf die Qualität der Pflege zu.

5 Forschungsstand „multikulturelle Teams in der Pflege“ – mit diesem Kapitel leitet die Autorin anhand des Forschungsstandes zu den zentralen Dimensionen über, aus denen sie die Forschungsfragen formulieren wird. Die schon für sich nicht üppige Datenlage, die sich bei der Fokussierung auf Deutschland und aktueller Studien nochmals reduziert, zeigt einige sich in mehreren Studien wiederholende Aspekte auf, wie die Beobachtung, dass es keine durchgehend positiven Erkenntnisse zu multikulturellen Arbeitsgruppen gibt, dass die Arbeitsleistung eines multikulturellen Teams unter anderem von dem Ausmaß der Routinetätigkeiten abhängt, dass die Potentiale, die aufgrund der multikulturellen Zusammensetzung vorhanden sind, nur durch ausreichend Aufwand und Zeit in der Teamentwicklung/Führung zu heben sind, und dass insbesondere die Kommunikation und die sehr vielschichtigen Sprachbarrieren mit die größte Herausforderung dieser Teams ist.

6 Entwicklung der Forschungsfragen – kurz und knapp wird auf zwei Seiten die zentrale Forschungsfrage aus dem vorher dargelegten bisherigen Erkenntnisstand entwickelt: „Wie wird die Zusammenarbeit in multikulturellen Teams in der Altenpflege aus der Innensicht wahrgenommen?“

7 Forschungsdesign – Beschreibung von Feldzugang, Sample (3 Teams), Methodik (qualitative Querschnittstudie mit problemzentrierten Leitfadeninterviews, Auswertung mit qualitativer Inhaltsanalyse) und Erhebungssituation.

8 Gütekriterien qualitativer Forschung – kurze kritische Beleuchtung hinsichtlich der vorliegenden Arbeit u.a. von intersubjektiver Nachvollziehbarkeit und Relevanz der Forschung.

9 Forschungsethik – kurze Skizzierung der ethischen Grundsätze der Forschungsarbeit.

10 Ergebnisse – hier seien nur kurz die Themenkomplexe genannt:

  • Team, u.a. mit verschiedenen strukturellen Aspekten (Alter, Migrationshintergrund etc.), Qualifikation, Beschäftigungsformen, aber auch zur Identität im Team und die Einschätzung der Möglichkeiten der Teamentwicklung
  • Multikulturelle Teams u.a. mit den Aspekten der Selbst- und Fremdwahrnehmung des „Fremden“, Unterschiede im Pflegeverständnissen und der Umgang mit verschiedenen interkulturellen Aspekten
  • Kultur mit Hinblick auf die Strategien im Umgang mit kulturellen Unterschieden („Anpassungsstrategie vs. Gleichbehandlungsstrategie“).

11 Zusammenfassung und Diskussion – einige Erkenntnisse: Interkulturelle Diskurse scheinen zugunsten einer Entkulturalisierung zurückgedrängt zu werden, was als Strategie gegen die Überforderung des Arbeitsalltags interpretiert wird; Kultur wird als Privatsache betrachtet; Kommunikationsschwierigkeiten führen u.a. dazu, dass kommunikativ schwache Kolleg/innen eher gemieden werden, ihnen weniger Respekt entgegengebracht wird und sie an den Rand des Teams gedrängt werden; osteuropäischen Mitarbeiter/innen wird sowohl in Selbst- als auch Fremdwahrnehmung ein liebevollerer Umgang mit den Bewohner/innen zugeschrieben.

12 Handlungsempfehlungen für die Praxis – kurzer Abriss einiger allgemeiner Möglichkeiten, z.B. Teamentwicklung z.B. durch informelle Austauschmöglichkeiten, gemeinsame Pausen, Etablierung eines Diversity Managements, Förderung ausbildungswilliger Hilfskräfte.

13 Nutzen für die Wissenschaft und Ausblick – durch die Studie ergeben sich neue Erkenntnisse insbesondere in Bezug auf den Einfluss der Kommunikationsschwierigkeiten auf die Versorgungsqualität; Empfehlung für weiterführende Studien

Diskussion

Eine Rezension für socialnet.de soll in erster Linie eine Empfehlung für Fachleute aus dem Sozial- und Gesundheitswesen geben, nicht für die Wissenschaft. So folgt diese Diskussion auch vor allem der Frage, welchen Nutzen die vorliegende Dissertation als Fachliteratur für die Praxis bietet. Der Charakter einer wissenschaftlichen Arbeit, der für diese Publikation anscheinend nicht verändert wurde, reduziert jedoch in gewisser Weise auch die Nutzbarkeit für die Praktiker, die kein oder nur ein geringes Interesse an den Forschungshintergründen haben. Dies gilt jedoch nicht nur für diese Publikation, ist also eher eine Anmerkung grundsätzlicher Art.

Deutlich wird in dem Buch, dass die Thematik der multikulturellen Teams in der Altenpflege ein in der Forschung nach wie vor unterrepräsentiertes Thema ist, so dass der Verdienst der Autorin, sich dieses Themas anzunehmen, deutlich hervorgehoben werden muss. Besonders ausführlich und auch interessant zu lesen sind die drei Kapitel zur Datenlage auf Makro-, Meso- und Mikroebene (Kap. 3, 4 und 5), wobei insbesondere Kap. 5: Forschungsstand „multikulturelle Teams in der Pflege“ auch für Praktiker sehr aufschlussreiche Informationen vermittelt. Inwiefern das eigentliche Herzstück der Arbeit, die Ergebnisse der Interviewstudie in Kap. 10, für Praktiker interessant zu lesen sind, sei dahingestellt. Das Auffinden der Zusammenfassungen der Forschungsergebnisse (Kap. 10.1.9, 10.2.5, 10.3.2), hier Resümee genannt, ist eher mühsam. Insgesamt wirkt die Ergebnisdiskussion aus Sicht einer wissenschaftlich ausgebildeten Praktikerin eher dünn, die Kap. 11, 12 und 13, die aus dieser Perspektive sehr interessant sind, kommen mit maximal 2-4 Seiten doch etwas knapp weg. Wirklich hilfreiche Anregungen findet man als Praktikerin hier nicht, insbesondere Kap. 12: Handlungsempfehlungen für die Praxis bleibt hier auf gerade einmal drei Seiten sehr vage und benennt im Grunde genommen nur Selbstverständlichkeiten eines normalen Teamentwicklungsprozesses: Informellen Austausch und kommunikative Fähigkeiten verbessern, Diversity Management einführen, gute Einarbeitung – spezifische auf die multikulturellen Bedingungen abzielende und zugleich konkrete Maßnahmen, wie sie in der Praxis direkt umgesetzt werden können, fehlen.

So bleibt nach der Lektüre abschließend zwar ein verbesserter Informationsstand zu konstatieren, für die Praktikerin fanden sich aber kaum konkrete Hinweise, wie die Erkenntnisse nun konkret in den Teams umzusetzen sind. Aufgrund des Charakters der der Veröffentlichung zugrundeliegenden qualitativen Studie als Dissertation wird dies auch nicht erforderlich gewesen sein, so dass man es der Autorin nicht als Mangel zuschreiben kann und sollte. Ihr Verdienst ist es, sich überhaupt dieses Themas angenommen zu haben und mit dieser Studie erste Daten über die Wahrnehmung der Arbeitssituation in multikulturellen Teams aus der Perspektive der Mitarbeiter/innen geliefert zu haben. Aus Sicht der Praxis bleibt zu hoffen, dass sich aus dieser Veröffentlichung heraus konkrete Handlungsempfehlungen und Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation multikultureller Teams in der Altenhilfe und der durch sie geleisteten Versorgungsqualität ergeben werden.

Fazit

Lesenswert für Praktiker/innen, die an einer besseren Integration von Mitarbeiter/innen mit Migrationshintergrund in die Arbeitsteams interessiert sind, und Hintergründe erfahren wollen – sie sollten allerdings erwartungsfrei hinsichtlich konkreter Handlungsempfehlungen sein. Unerlässliche Lektüre schon aufgrund der bisher dünnen Datenlage für alle Wissenschaftler/innen im Feld der Pflegeforschung und Personalentwicklung mit Schwerpunkt Pflege. Auch für politische Entscheider sicher lesenswert.

Rezension von
Dipl.-Pädagogin Bettina Wichers
Gerontologin (M.Sc.), Dipl.-Pädagogin & Coach
CommuniCare. Kommunikation im Gesundheitswesen, Göttingen
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Es gibt 35 Rezensionen von Bettina Wichers.

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Zitiervorschlag
Bettina Wichers. Rezension vom 01.11.2016 zu: Maya Stagge: Multikulturelle Teams in der Altenpflege. Eine qualitative Studie. Springer VS (Wiesbaden) 2016. ISBN 978-3-658-11509-8. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/21485.php, Datum des Zugriffs 04.10.2023.


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