Fred Bernitzke, Hans-Dietrich Barth: Theorie trifft Praxis
Rezensiert von Dr. Anke Meyer, 24.11.2016

Fred Bernitzke, Hans-Dietrich Barth: Theorie trifft Praxis. Handlungskompetenz im sozialpädagogischen Berufspraktikum. Verlag Europa-Lehrmittel Nourney, Vollmer GmbH & Co. KG (Haan-Gruiten) 2016. 2. Auflage. 203 Seiten. ISBN 978-3-8085-6762-3. D: 16,90 EUR, A: 17,40 EUR.
Thema
In Deutschland führen viele Wege zum Beruf der Erzieherin bzw. des Erziehers. Seit nunmehr schon einigen Jahren gibt es an Fachhochschulen die Möglichkeit „Pädagogik der Kindheit“, „Elementarpädagogik“ oder andere einschlägige Studiengänge zu belegen. Ein anderer Zugang sind berufliche Gymnasien, in denen neben der Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher das Abitur erworben wird. Der klassische Weg führt über die Fachschulen für Sozialpädagogik, in denen die Theorie in der Schule und die Praxis über Praktika in entsprechenden Einrichtungen vermittelt wird. Anders als bei Ausbildungen im Dualen System gibt es für die Praxisanleiter/innen keine vergleichbare Fortbildung wie bei Meister/innen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der Praxis soll eine gewisse Qualität gewährleisten. Wie ein entsprechendes Ausbildungskonzept aussehen kann und welche Kompetenzen Anleiter/innen und Berufspraktikant/inn/en mitbringen bzw. entwickeln sollten, zeigen Hans-Dietrich Barth und Fred Bernitzke in ihrem Buch Theorie trifft Praxis, das in einer zweiten, ergänzten Auflage neu erschienen ist. Erweitert wurde das Buch in Hinblick auf die Betreuung von U3-Kindern und die Betreuung von Hausaufgaben bei Schulkindern.
Aufbau und Inhalt
Das Buch beschäftigt sich in vier Kapiteln mit
- dem Ausbildungskonzept des Berufspraktikums,
- den Anleitungskompetenzen,
- den Kompetenzen der Berufspraktikant/inn/en und
- den rechtlichen Grundlagen.
Als Grundlage für das Ausbildungskonzept werden zunächst kurz die Ziele des Berufspraktikums und die beiden Lernorte Fachschule und Praxisstelle skizziert.
In dem Kapitel „Ausbildungskonzept“ teilen die Autoren das Berufspraktikum in drei Phasen ein: die Einführungs- und Orientierungsphase, die Erprobungsphase und die Verselbständigungsphase. In Form von Tabellen zeigen sie beispielhaft, welche Inhalte am ersten Tag, in der ersten Woche und im ersten Monat des Praktikums vermittelt werden sollten und durch welche Aktivitäten die Praktikantin bzw. der Praktikant sich mit diesen Inhalten auseinandersetzen und sie so besser verinnerlichen kann. Für die Reflexion der Einführungsphase gibt es schließlich einen Auswertungsbogen, der es der Anleiterin/dem Anleiter ermöglichen soll mit dem Praktikanten/der Praktikantin ins Gespräch zu kommen. Solche detaillierten Auswertungsbögen liegen ebenfalls für die Erprobungsphase und die Verselbständigungsphase vor. Die wesentlichen Aufgaben und Praxisanforderungen fallen in den beiden folgenden Phasen naturgemäß wesentlich kürzer aus, da sie sich größtenteils aus den Oberthemen der Einführungsphase ergeben.
Das Kapitel „Anleitungskompetenzen“ beginnt mit dem Verständnis von Anleitung im Spannungsfeld von „Vormachen, Eingreifen, Helfen“ auf der einen Seite und dem „Erfahrungen Machenlassen, Begleiten und Unterstützen“ auf der anderen Seite. Die Autoren plädieren für eine Zurückhaltung in der Anleitung, durch die es den Praktikant/inn/en ermöglicht würde, eigene Erfahrungen zu machen und eigene Schlüsse zu ziehen.
Im nächsten Punkt geht es um die Auswahl einer für die Einrichtung passenden Praktikantin/en. In Anlehnung an die Kompetenzbereiche in der Ausbildung zeigen Barth und Bernitzke, wie die Einrichtung ein Anforderungsprofil erstellen und die entsprechenden Kompetenzen im Bewerbungsverfahren bei den Bewerber/inne/n erfassen kann. Neben dem klassischen Bewerbungsgespräch raten sie auch zu Hospitationen, um die Bewerber/innen besser kennen zu lernen. Auf den Ablauf und die Auswertung des Bewerbungsgespräches gehen sie detailliert ein.
Ein weiteres wichtiges Thema sind Anleitungsmethoden. Hierbei werden insbesondere die Kollegiale Fallberatung, das Beratungsgespräch, das Reflexionsgespräch und das Kritikgespräch eingehend erläutert und mit Hilfe von Beispielen anschaulich gemacht.
Der letzte Punkt in Hinblick auf die Anleitungskompetenzen ist die Beurteilung der Berufspraktikant/inn/en. Die Autoren gehen hierbei auf mögliche Wahrnehmungsfehler ein und auf unterschiedliche Bewertungsverfahren wie das Arbeitszeugnis, die Dienstliche Beurteilung und die Schulbezogene Beurteilung.
Im nächsten Kapitel geht es um die Kompetenzen der Berufspraktikantin. Auch hier orientieren die Autoren sich an den Kompetenzbereichen in der Ausbildung. In Hinblick auf die Selbstkompetenzen zeigen sie, wie die Praktikant/inn/en sich auf ihre eigenen Stärken besinnen können, wie sie zielorientiert und effektiv arbeiten und wie sie an Selbstsicherheit gewinnen und mit Stress umgehen können. Bei der Methodenkompetenz beziehen sie sich vor allem auf schulische Anforderungen wie das Verfassen einer schriftlichen Arbeit, einer Präsentation im Abschlusskolloquium und die Vorbereitung auf die Abschlussprüfung. Die Fachkompetenzen beziehen sich demgegenüber eher auf den praktischen Teil der Ausbildung. Hier geht es um Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren, um die Durchführung von Gesprächen mit Kindern und Jugendlichen, um Beteiligungsverfahren für Kinder und Jugendliche, um die Betreuung von Kindern unter drei Jahren, um die Hausaufgabenbetreuung im Schulkindbereich und um Hilfeplanverfahren in der Kinder- und Jugendhilfe.
Das letzte Kapitel widmet sich den rechtlichen Grundlagen des Berufspraktikums. Hier werden die relevanten Abschnitte aus dem Berufsbildungsgesetz und dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zusammengestellt.
Diskussion
Die Autoren richten sich mit ihrem Buch ausdrücklich an Fachschüler/innen im zweiten Ausbildungsjahr, an Berufspraktikant/inn/en, an Praxisanleiter/innen und an die Lehrpersonen von Fachschulen. Gelingt ihnen das? Ich selbst bin Lehrerin an einer Fachschule und konnte viele für mich interessante Aspekte in dem Buch finden. Auch wenn beispielsweise die Auswertungsbögen für die unterschiedlichen Phasen des Berufspraktikums in erster Linie Werkzeuge für die Anleiter/innen sind, so haben die Fachschulen immer auch die Aufgabe eng mit der Praxis zu kooperieren und in Zusammenarbeit mit der Praxis Leitlinien zu entwickeln, die eine gute Qualität der Ausbildung gewährleisten.
Auch die Ausführungen zu Bewerbungsgesprächen können für die Schule hilfreich sein, um die Studierenden auf das Bewerbungsverfahren vorzubereiten. Was für die Schule als Vorbereitung auf die Praxis wertvoll ist, muss natürlich auch für die Praxis sinnvoll sein, d.h. insbesondere für die Anleiter/innen, sein. Hier findet sich viel hilfreiches Material um Berufspraktikant/inn/en zu unterstützen und ein eigenes Anleitungskonzept zu entwickeln.
Etwas fragwürdiger finde ich den Teil zu den Kompetenzen der Berufspraktikant/inn/en, gehen doch die konkreten Prüfungsanforderungen sowohl von Bundesland zu Bundesland als auch von Fachschule zu Fachschule innerhalb eines Bundelandes z.T. weit auseinander. Insgesamt muss man auch davon ausgehen, dass sowohl die Methoden- als auch die Fachkompetenzen schon wesentlich breiter in der Schule thematisiert worden sind, so dass sie für die Berufspraktikant/inn/en nichts Neues mehr sind und auch nur an der Oberfläche bleiben können. Für die Anleiter/innen können sie nichtsdestotrotz eine gute Zusammenstellung sein, um sich über aktuelle Ausbildungsinhalte zu informieren.
Der letzte Punkt des Buches, die rechtlichen Grundlagen, sind ein häufig wenig beliebtes Thema. Umso wichtiger finde ich es, dass sie hier leicht zugänglich zusammengestellt sind, so dass man ohne lange Recherche darauf zugreifen kann.
Das Buch beinhaltet viele Tabellen und knappe Darstellungen im Spiegelstrich-Stil, so dass man sich schnell und punktgenau informieren kann. Andere Passagen wie z.B. die Erläuterungen von Beratungsgesprächen sind prosaischer und durch viele Beispiele anschaulich geschrieben, so dass man die Inhalte gut in die Praxis übertragen kann. Besonders gut gefallen mir die Auswertungsbögen zu den unterschiedlichen Phasen des Berufspraktikums, deren Erstellung viel Arbeit macht und die mit Sicherheit ein hilfreiches Instrument für Auswertungsgespräche sind.
Das Buch bezieht sich ausdrücklich auf das Berufspraktikum der Fachschule, die auch das Zuhause der beiden Autoren ist. Vieles eignet sich mit Sicherheit aber auch für Praxisphasen und das Anerkennungsjahr im Rahmen des Fachhochschulstudiums.
Fazit
Theorie trifft Praxis – das ist ein Feld, auf dem im sozialpädagogischen Bereich noch viel geackert werden kann. Das Buch von Barth und Bernitzke bietet gute Werkzeuge, um die Arbeit hieran voranzutreiben.
Rezension von
Dr. Anke Meyer
Lehrerin am Berufskolleg,
Fachleiterin für Sozialpädgogik in der LehrerInnenausbildung
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