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Harro Jenss, Marcus Jahn et al. (Hrsg.): Israelitisches Krankenhaus in Hamburg - 175 Jahre

Rezensiert von Dr. phil. Hubert Kolling, 07.12.2016

Cover Harro Jenss, Marcus Jahn et al. (Hrsg.): Israelitisches Krankenhaus in Hamburg - 175 Jahre ISBN 978-3-95565-159-6

Harro Jenss, Marcus Jahn, Peter Layer, Carsten Zornig (Hrsg.): Israelitisches Krankenhaus in Hamburg - 175 Jahre. Hentrich & Hentrich Verlag (Berlin) 2016. 167 Seiten. ISBN 978-3-95565-159-6. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.

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Thema

Am 10. Juni 1841 wurde der Grundstein für das neue, von Salomon Heine gestiftete Krankenhaus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg gelegt. Das vorliegende Buch berichtet von der 175-jährigen bewegenden Geschichte des Krankenhauses und würdigt mit kurzen Portraits jene Menschen, die in Vergangenheit und Gegenwart durch ihre Leistungen und Beiträge zur Fortentwicklung und Profilierung der Institution beigetragen haben.

Herausgeber und Autor*innen

Für die Herausgabe der Veröffentlichung zeichnen sich Dr. med. Harro Jenss (von 1994 bis 2011 Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin am Spital Waldshut / Südbaden), Marcus Jahn (Kaufmännischer Direktor), Prof. Dr. Peter Layer (Ärztlicher Direktor und Direktor der Medizinischen Klinik) und Prof. Dr. Carsten Zornig (Stellvertretender Ärztlicher Direktor und Direktor der Chirurgischen Klinik) verantwortlich.

Neben den Herausgebern steuerten zu dem Buch auch Ute Banse (Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg), Privatdozent Dr. Marc Freitag (Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie / Intensivmedizin), Dr. med. Ulrich Rosien (Leitender Arzt der Medizinischen Klinik) und Sylvia Steckmest Beiträge bei.

Entstehungshintergrund

Das Israelitische Krankenhaus in Hamburg (IK) zählt heute zu den renommiertesten und beliebtesten Krankenhäusern Hamburgs mit weit ausstrahlender Reputation. Im Jahre 2016 konnte es auf eine 175-jährige Geschichte zurückblicken. Das vorliegende Buch, das von einer Reihe regionaler und überregionaler Firmen gefördert wurde, entstand anlässlich des Jubiläums.

Aufbau

Nach dem Grußwort von Olaf Scholz, Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg (S. 8), dem Vorwort der Herausgeber (S. 9-10) sowie Auszüge aus der Rede des Bundespräsidenten Joachim Gauck zum 50-jährigen Jubiläum des Neubaus des Israelitischen Krankenhauses in Hamburg 2011 (S. 11-13) gliedert sich der Band in die folgenden fünf Kapitel, die ihrerseits zahlreiche Unterkapitel und einen Anhang (S. 142-165) aufweisen:

  1. Krankenhaus der Deutsch-Israelitischen Gemeinde in Hamburg (S. 15-46)
  2. Die ersten 32 Jahre des 20. Jahrhunderts – 1900 bis 1932 (S. 47-62)
  3. Das Israelitische Krankenhaus unter der NS-Diktatur (S. 63-80)
  4. 1945 bis 1995 – Neubeginn und Kontinuität (S. 81-94)
  5. Das Israelitische Krankenhaus in Hamburg – Heute (S. 95-141).

Inhalt

Das erste Kapitel widmet sich zunächst der Stiftung sowie dem Bau des IK, das für alle Menschen unabhängig von ihrer Religion offenstehen sollte. Durch die Konzeption und die technischen Einrichtungen befand sich die Einrichtung, die bei ihrer Gründung für 80 bis 100 Betten ausgelegt war, auf dem damals neusten Stand und bot den Kranken eine neue Qualität der Unterbringung und Versorgung. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass sich das Haus erfolgreich entwickelte und zu einer geschätzten Institution in der Hansestadt wurde. Die ärztliche Leitung und Behandlung der Kranken lag zunächst in Händen von zwei in Hamburg zur Praxis zugelassenen Ärzten, von denen der eine die „chirurgische Station“ und der andere die „medicinische Station“ übernahm. Wie die Darstellung zeigt, kam neben der medizinischen Versorgung eine entscheidende Funktion dem im Krankenhaus wohnenden Ökonomen zu, indem er nicht nur für die Einhaltung der Hausordnung und die Erstellung des Registers der aufgenommenen und entlassenen Patienten zuständig war, sondern auch selbständig die Aufnahme der Patienten besorgte und die Anordnungen der Ärzte ausführte. Demgegenüber kamen den „Krankenwärtern“ bis 1898 „weitgehend Hilfsfunktionen“ zu; erst danach wurde die Krankenpflege von ausgebildeten Krankenschwestern geleitet.

Wie im zweiten Kapitel dargelegt wird, stellten die ersten 32 Jahre des 20. Jahrhunderts bis zum Beginn der NS-Diktatur eine höchst erfolgreiche Phase in der Geschichte des IK dar. Unterbrochen wurde diese Entwicklung lediglich durch den Ersten Weltkrieg (1914-1918), in dem das Krankenhaus teilweise Funktionen eines Lazaretts übernahm. Die weitere Entwicklung der Einrichtung wurde dabei unter anderem durch den Neubau von zwei Krankenpavillons, die durch Spenden finanzierte Gründung der Stiftung „Israelitisches Schwesternheim“ einschließlich eines Pensionsfonds, den Bau eines Schwesternhauses und die Einrichtung einer eigenen Krankenpflegeschule sowie umfangreiche Erweiterungsbauten, wodurch die Zahl der Betten auf 225 stieg, geprägt.

Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit dem IK unter der NS-Diktatur. Die Ideologie und Politik der Nationalsozialisten führten nach 1933 zu einem tiefen Buch in der Entwicklung der Einrichtung, indem dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verfolgt, vertrieben und deportiert wurden. Wie die Autor*innen aufzeigen, sah sich das IK mit Beginn des Nationalsozialismus mit den folgenden vier Hauptproblemen konfrontiert:

  • das Ausbleiben ‚arischer Patienten‘ und die erste Emigrationswelle der Juden führten zu finanziellen Problemen
  • die Versorgung mit koscherem Fleisch bereitete nach dem Schächtungsverbot ein besonderes Problem
  • das Ik wurde zur Zufluchtsstätte für andernorts entlassene jüdische Ärztinnen und Ärzte
  • das IK verlor viele kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch deren erzwungene Emigration.

Im vierten Kapitel wird zunächst die „Wiederbelebung“ der Stiftung Israelitisches Krankenhaus in Hamburg beziehungsweise der schwierige Neubeginn nachgezeichnet. Von besonderer Bedeutung für die weitere Entwicklung der Einrichtung war nicht zuletzt die Entscheidung für einen Neubau 1959/60 in Hamburg-Alsterdorf. Hamburger Senat und Bürgerschaft stellten hierfür im Sinne der Wiedergutmachung ein 20.000 qm großes Grundstück zur Verfügung und bewilligten die für die Baukosten erforderlichen Mittel in Höhe von vier Millionen DM. Die wiederum „den Angehörigen aller Konfessionen dienende Anstalt“ hatte zunächst 110 Betten und war mit modernsten medizinischen und technischen Mitteln ausgestattet. Nach einer längeren Phase häufiger personeller Wechsel in den 1960er Jahren waren die danach folgenden Jahrzehnte, so die Autor*innen, durch Kontinuität, Ausweitung des Leistungsspektrums sowie Etablierung neuer Abteilungen und bauliche Veränderungen gekennzeichnet.

Das fünfte Kapitel beschäftigt sich mit dem Israelitischen Krankenhaus in Hamburg in der Gegenwart, wobei es zum Zeitpunkt seines 175-jährigen Jubiläums „einen ausgezeichneten Ruf weit über die Grenzen der Hansestadt hinaus“ genießt. Sein heutiges Ansehen und seine Beliebtheit basieren dabei „auf einer Kombination hervorragender Qualitäten, von denen die medizinische und pflegerische Versorgung auf sehr hohem Niveau zusammen mit einer individuellen, umfassenden Betreuung jedes einzelnen Patienten mit einem Höchstmaß an Zuwendung die tragenden Elemente sind“ (S. 95). Ergänzend hierzu werden die einzelnen Fachabteilungen einschließlich des Qualitäts- und Risikomanagements, die Pflege und das Hospiz am IK vorgestellt.

Ergänzt wird die Darstellung durch einen Anhang, der neben einer Zeittafel und Übersichten („Das Israelitische Krankenhaus heute – ‚Auf einen Blick‘“, die „Wissenschaft und Forschung am Israelitischen Krankenhaus“ sowie „Die Leitenden Ärzte am Israelitischen Krankenhaus seit 1843“) auch Dokumente wie die „Instruktionen für den Ökonomen und Wärter-Ordnung, 1865“ und die „Urkunde, Grundsteinlegung 1929, Eckernförder Straße, St. Pauli“ vorstellt. Ferner finden sich hier Verzeichnisse der unveröffentlichten Quellen und Literatur sowie ein Dank an die Förderer der Publikation.

Diskussion

Als erstes städtisches Krankenhaus Hamburgs nahm im Jahre 1823 das Allgemeine Krankenhaus St. Georg seinen Betrieb auf. Mit der Grundsteinlegung 1841 folgte das Israelitische Krankenhaus, das damit zu den ältesten Krankenhäusern der Freien und Hansestadt Hamburg zählt und im Jahre 2016 auf eine 175-jährige Geschichte zurückblicken kann. Anlässlich dieses Jubiläums gaben Harro Jenss, Marcus Jahn, Peter Layer und Carsten Zornig das vorliegende Buch heraus, in dem sie die bewegende Geschichte des Krankenhauses von seinen Anfängen bis in die Gegenwart – untergliedert in fünf große Kapitel – in Wort und Bild vorstellen.

In ihrem Vorwort weisen die Herausgeber darauf hin, dass das IK seit seiner Einweihung im Jahre 1843 durch Umbauten, Erbauung neuer Pavillons und eines Schwesternhauses sowie durch Erweiterungsbauten immer wieder modernisiert und neuen Erfordernissen angepasst wurde. Diese Dynamik habe ihre Fortsetzung mit dem Neubau 1959/60 am jetzigen Standort gefunden und gelte in gleicher Weise bis in die ‚Jetzt-Zeit‘. Zum Inhalt sowie zur Bedeutung und Funktion des Buches halten sie sodann wörtlich fest: „Die vorliegende Schrift erzählt von einzelnen Marksteinen in der Entwicklung des IK. Kurze Porträts würdigen die Leistungen jener Menschen, die das Krankenhaus in den vielen Jahrzehnten getragen, ausgebaut und gefördert haben. Die biographischen Hinweise stehen stellvertretend für die vielen ungenannten Angestellten des IK. Den vertriebenen und ermordeten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und deren Schicksal während der Herrschaft der Nationalsozialisten gebührt eine besondere Erinnerung. Bewusst wird ‚neben‘ die Geschichte die Darstellung der Gegenwart im ‚IK 2016‘ gestellt, die einen Einblick in das Leistungsspektrum und die Schwerpunkte der Fachabteilungen vermittelt“ (S. 10).

Das chronologisch aufgebaute Buch mit Festeinband und Fadenheftung präsentiert ansprechend gestaltet mit zahlreichen Schwarzweiß- und Farbabbildungen die wechselhafte Geschichte des Israelitischen Krankenhauses in Hamburg. Die explizite Funktionsbestimmung des Hauses, „die Heilung Kranker“ und nicht „die Beherbergung Bedürftiger“, spiegelt dabei die Aufgabe des Krankenhauses moderner Prägung wieder. Die tiefgehenden Kontinuitätsbrüche und existentiellen Bedrohungen als Folge der NS-Diktatur werden ebenso thematisiert wie die schwierige ‚Wiederbelebung‘ der Stiftung nach 1945. Indem neben der historischen Darstellung auch der Blick auf die Gegenwart nicht zu kurz wird deutlich, dass das IK auf eine lange Tradition zurückblicken kann, deren bestimmende Grundsätze – die Versorgung von Kranken unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit, gelebte Zuwendung für die Patienten und hochqualifizierte Medizin und Pflege – auch heute noch für die Einrichtung maßgeblich sind.

Im Unterschied zu vielen vergleichbaren Publikationen haben die Autor*innen bei ihrer Darstellung nicht nur den Blick auf die Medizin und deren Repräsentanten gerichtet, sondern auch die Pflege und deren Entwicklung im Verlauf der Geschichte berücksichtigt und sowohl im Text als auch im Bild dargestellt. So finden sich beispielsweise in der „Erinnerung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Israelitischen Krankenhauses, die während der NS-Diktatur aus Deutschland vertrieben und ermordet wurden“ (S. 77-79) nicht nur Namen von Ärzten, sondern ebenso auch von „Schwestern“ wieder.

Fazit

„Israelitisches Krankenhaus in Hamburg – 175 Jahre“ ist eine gelungene Jubiläumsschrift, zu der man den Herausgebern sowie dem IK herzlich gratulieren kann. Das Buch präsentiert die Geschichte der Einrichtung von ihrer Gründung bis in die Gegenwart in einer ansprechend gestalteten Form, wobei vor dem Hintergrund der jeweils zeitgenössischen Geschehnisse sowohl die medizinische als auch die pflegerischen Entwicklungen Berücksichtigung finden.

Rezension von
Dr. phil. Hubert Kolling
Krankenpfleger, Diplom-Pädagoge und Diplom-Politologe
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Es gibt 192 Rezensionen von Hubert Kolling.

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ISSN 2190-9245