Barbara Leitner, Jutta Gruber (Hrsg.): Ankommen. Willkommenskultur in der Kita
Rezensiert von Dr. Marion Aicher-Jakob, 27.03.2017
Barbara Leitner, Jutta Gruber (Hrsg.): Ankommen. Willkommenskultur in der Kita. verlag das netz GmbH (Kiliansroda) 2016. 50 Seiten. ISBN 978-3-86892-106-9. D: 9,90 EUR, A: 10,20 EUR.
Thema
Kindern mit veränderten Lebenssituationen und deren Bezugspersonen das Ankommen in der Kindertagesstätte zu erleichtern, ist Anliegen der Sonderausgabe von Betrifft KINDER. Anhand vielfältiger Praxisbeispiele setzen pädagogische Fachkräfte Impulse, wie sie diese Aufgabe in ihrer Arbeit umsetzen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Verantwortliche von Stiftungen und der Gewerkschaft geben Einblicke, wie Kinder in Kindertagestätten unterstützt werden können. Die Zusammenarbeit mit Eltern, Bindung und Sprache, Inklusion, vorurteilsbewusste Erziehung, Vernetzung im Sozialraum werden als wichtige Ansätze zur Entwicklung einer Willkommenskultur dargelegt.
Entstehungshintergrund
Barbara Leitner und Jutta Gruber sammelten auf einem Streifzug durch deutsche Kindertagesstätten Praxisbeispiele, die Willkommenskultur nicht nur als Bonmot, sondern als integraler Teil einer inklusiven Pädagogik zeigen.
Aufbau und Inhalt
Die Notwenigkeit, nach Deutschland geflohenen Kindern und ihren Familien ein gutes Leben zu ermöglichen, wird als einleitender Gedanke vor die Einzelbeiträge gestellt. Kindertagestätten begleiten Kinder auf ihrem Lebensweg und können ihnen zu Beginn beste Chancen eröffnen. In praxisnahen Einzelbeiträgen zeigen Fachkräfte auf, wie Kindertagestätten ihr Potenzial nutzen können, um Kindern das Ankommen zu erleichtern.
Sandra Fink, Fachwirtin für Organisation und Einrichtungsleiterin, macht in ihrem Beitrag „Ein Ort für Schutz und Geborgenheit“ die Notwendigkeit deutlich, Kindern Wertschätzung entgegenzubringen und ihnen die Anbindung an die Einrichtung zu ermöglichen. Der städtische Kindergarten Clara Grunwald in Leonberg ist ein offen gestaltetes Lernhaus, das in einer positiven Haltung die Grundlage für anstehende Herausforderungen sieht.
Birgit Leyendecker, Professorin für Entwicklungspsychologie und Resilienzforschung an der Ruhr-Universität Bochum, unterstreicht in ihren Ausführungen „Kinder annehmen, wie sie sind“, die Aufgabe pädagogischer Fachkräfte einen sicheren Ort zu gestalten. Kinder, die mit besonderen Herausforderungen konfrontiert sind, entwickeln sich bisweilen nicht, wie erhofft und benötigen hierzu Unterstützung. Wichtig wird es dabei herauszufinden, welche Unterstützung Kinder für ihre Entwicklung benötigen. Leyendecker zeigt Formen einer behutsamen Eingewöhnung auf, die die besonderen Ausgangslagen der Kinder berücksichtigt. In ihrem zweiten Beitrag „Wenn es schwierig wird“ geht sie der Frage nach, wie man posttraumatische Belastungsstörungen erkennt und mit ihnen umgehen kann.
Axel Möller, Leiter des Programms WillkommensKITAs der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung in Dresden, stellt in „Gut ankommen“ das gleichnamige Programm vor. Unterstützt werden Einrichtungen in Sachsen und Sachsen-Anhalt, die Kinder aus Flüchtlingsfamilien aufnehmen. In den Kindertagesstätten sollen Kinder erfahren, dass sie willkommen und akzeptiert werden. Dieser Prozess soll in den Kindertagestätten bewusst gestaltet werden.
Yvonne Bakenecker, Fachberaterin mit dem Schwerpunkt EU-Ost-Zuwanderung und Flüchtlinge, zeigt in ihrem Artikel „Unkompliziert und ohne Formalitäten“, wie die mobile Kindertagestätte im nordrhein-westfälischen Gelsenkirchen Willkommenskultur versteht. Die Kindertagesstätte startete 2014 in einem umgebauten Wohnwagen, der vor der Haustüre der zugewanderten Kinder zum Spielen einlud.
Timm Albers, Professor für Inklusive Pädagogik an der Universität in Paderborn, stellt in seinem Beitrag „Miteinander aufwachsen – voneinander lernen“ die soziale Partizipation in der inklusiven Didaktik ins Zentrum seiner Ausführungen. Kenntnisse über Sprache und Spracherwerb kennzeichnet Albers als notwendige Kompetenz für frühkindliche Fachkräfte, die eine anregende Umgebung für Peerinteraktion konstituieren wollen.
Petra Wagner, Direktorin des Instituts für Situationsansatz in der Internationalen Akademie Berlin, zeigt in ihren Ausführungen „Vielfalt respektieren, Ausgrenzung widerstehen“, Wege auf, Zugehörigkeit und Beteiligung zu ermöglichen. Um Diskriminierungen aufzudecken und ein Diversitätsbewusstsein zu entwickeln, fordert Wagner eine Werteklärung im Team für Inklusion.
Sarah Girlich, Sprachwissenschaftlerin und Projektkoordinatorin beim Landeskompetenzzentrum Sprachförderung an Kindertageseinrichtungen in Sachsen, verdeutlicht in ihrem Artikel „Do you like to play with me“ das Potenzial von Kindertagesstätten beim Erlernen der deutschen Sprache. Gelebte Mehrsprachigkeit wird anhand von Praxisbeispielen als Ressource einer heterogenen Zusammensetzung dargestellt.
Sabine Mair, pädagogische Leitung eines Montessori-Musik-Kindergartens in Wien, betont in ihrem Beitrag „Dialog auf gleicher Augenhöhe“ die Relevanz einer angemessenen Gesprächsführung mit Eltern im Rahmen einer interkulturellen Bildungspartnerschaft. Sie zeigt unterschiedliche Formen auf und legt die Kommunikationsgrundlage eines Dialogs auf Augenhöhe dar.
Melz Malayil, ehemalige Leiterin von „Treffpunkt Familienkita“, einem gemeinsamen trägerübergreifenden Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der BASF in Rhein-Neckar-Region, veranschaulicht in ihrem Beitrag „Eltern sind immer wichtig“ Formen interkultureller Elternarbeit. Sie verweist auf die Notwendigkeit, auf die Stärken der Eltern zu blicken und sich von einem defizitorientierten Blick freizumachen.
Björn Köhler, Sozialarbeiter und Leiter des Sozialpädagogischen Büros der GEW Bayern, stellt in seinen Ausführungen „Vernetzung heißt handeln lernen!“ das Potenzial einer Vernetzung im Sozialraum dar.
Fazit
Die Sonderausgabe von Betrifft KINDER liefert gewinnbringende Impulse, wie eine Willkommenskultur von einer Gut-Mensch-Floskel in eine gesellschaftliche Aufgabe transformiert wird, die konkrete Umsetzung in Kindertagesstätten findet. Neben den gewonnenen pädagogischen Innenansichten werden praktische Anregungen gegeben, auf Materialien verwiesen und relevante fachliche Hintergrundinformationen sichtbar.
Rezension von
Dr. Marion Aicher-Jakob
Dipl.-Päd., Akad. Oberrätin
stellvertretende Leitung des Schulpraxisamts
Institut für Erziehungswissenschaft
Pädagogik und Didaktik des Elementar- und Primarbereichs
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Es gibt 4 Rezensionen von Marion Aicher-Jakob.
Zitiervorschlag
Marion Aicher-Jakob. Rezension vom 27.03.2017 zu:
Barbara Leitner, Jutta Gruber (Hrsg.): Ankommen. Willkommenskultur in der Kita. verlag das netz GmbH
(Kiliansroda) 2016.
ISBN 978-3-86892-106-9.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/21755.php, Datum des Zugriffs 08.09.2024.
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