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Irini Aliwanoglou, Rüdiger Waßmuth (Hrsg.): Hier bin ich für mich und zusammen mit anderen

Rezensiert von Prof.em Dr. Alexa Köhler-Offierski, 17.07.2017

Cover Irini Aliwanoglou, Rüdiger Waßmuth (Hrsg.): Hier bin ich für mich und zusammen mit anderen ISBN 978-3-940636-38-6

Irini Aliwanoglou, Rüdiger Waßmuth (Hrsg.): Hier bin ich für mich und zusammen mit anderen. Neue Wohn-, Pflege- und Betreuungsmöglichkeiten. Paranus Verlag (Neumünster) 2016. 208 Seiten. ISBN 978-3-940636-38-6. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 19,00 sFr.

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Thema

Eine zentrale Frage im Zusammenhang mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) ist die nach der Wohnsituation. Die Herausforderungen bestehen in der Ermöglichung von Teilhabe für Menschen mit und ohne Behinderung, in unterschiedlichen Lebensaltern. Wie wir aus vielen Befragungen wissen, heißt das, möglichst Heimunterbringung zu vermeiden und Wohnen im bisherigen Umfeld ermöglichen. Es gibt inzwischen Modelle von Quartiersprojekten und Hausgemeinschaften, die zeigen, „wie inklusive Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen realisiert werden können und wie bestehende Versorgungsstrukturen weiterentwickelt werden sollten.“ (Rückseite Einband)

Herausgeberin und Herausgeber

Beide Herausgeber haben langjährige Erfahrung in der Altenhilfe in unterschiedlichen Funktionen. Beide arbeiten derzeit am Aufbau der Paritätischen Pflege Schleswig-Holstein insbesondere im Bereich innovativer Wohnformen.

Entstehungshintergrund

Das Buch ist aus der Zusammenarbeit der Paritätischen Pflege Schleswig-Holstein gGmbH und des Paranus Verlags der Brücke Neumünster, letztere seit langem sozialpsychiatrisch und trialogisch engagiert, entstanden. Ziel ist, „Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen dazu an(zu)regen und ein(zu)laden…, aktiv an dem Ausbau einer sozialraumorientierten Pflege- und Betreuungslandschaft mitzuwirken und sich bei der Gestaltung von neuen Versorgungsformen einzubringen.“ (S. 9)

Aufbau und Inhalt

In insgesamt 23 Artikeln werden unterschiedliche Perspektiven in Bezug auf neue Wohnformen von den unterschiedlichsten Akteuren und Akteurinnen entfaltet. Ich greife einige heraus.

Den Anfang macht die Politologin Ulrike Petersen mit einer konstruktiv-kritischen Zeitreise in den Bereich ambulant betreuter Wohn-Pflegegemeinschaften, gefolgt von einer differenzierenden Darstellung der unterschiedlichen Wohntypen durch den Mitherausgeber Rüdiger Waßmuth.

Katharina Weresch nähert sich dem Wohnen im Alter aus der Perspektive einer Architektin. Aus der Sicht einer engagierten Mutter schildert Christine Burdorf den Weg zu einer außergewöhnlichen WG und den bis dahin zu meisternden Stolperstellen.

Über das subjektive Erleben im Rahmen eines Auszugs der Tochter berichten Mutter und Tochter Krupski unter dem zitierenden Titel „Es ist die beste Zeit meines Lebens“. Birka Jahnke stellt den Start desselben Wohnprojekts als pädagogische Leitung dar.

Die gesetzliche Betreuerin Elke Heyden-Dahlhaus berichtet über die verschiedenen – schwierigen – Stationen ihres „Wanderpokals“ Ecki, bis er schließlich in einer Pflegewohngruppe zuhause wird. Dies liegt wesentlich auch an der guten Pflege, die eine akzeptierende Atmosphäre vermittelt, allerdings auch ihren Preis hat: die Kosten. Auch Gisela Peters, Angehörige, hebt in ihrem Beitrag die Bedeutung der individualisierten Pflege hervor.

Eine zentrale Frage der Daseinsvorsorge, nämlich „Alt werden auf dem Dorf“, greift Ministerialdirigent i.R. Andreas Fleck auf. Voraussetzung aus seiner Perspektive seien „viel Information, Bürgerbeteiligung und möglichst viel politischer Konsens“ (S. 130). Es handele sich um einen Lernprozess, in dem Daseinsvorsorge neu begriffen werden muss, zu dem auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Modellen neuer Wohnformen gehört und die Suche nach Kooperationspartnern. Schleswig-Holstein hat hierfür eine Beratungsstelle eingerichtet, die Irene Fuhrmann vorstellt. Ihr Beitrag leitet über zu dem der zweiten Herausgeberin Irini Aliwanoglou zu neuen Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen.

Abschließend positionieren sich VertreterInnen des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, der Wohnwirtschaft und eines Leistungsträgers und der Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung und es wird ein Bogen geschlagen zu rechtlichen Aspekten bis hin zu dem Beitrag von Bärbel Pook mit dem Titel „Ein Bürgernetzwerk für nachbarschaftliches Wohnen und Leben im gewohnten Stadtteil“.

Diskussion

Die von Aliwanoglou und Waßmuth vorgestellten Neuen Wohn-, Pflege- und Betreuungsmöglichkeiten sind ganz so neu nicht mehr. Allerdings werden Wohnen im Alter und Wohnen von Menschen, die durch die Behindertenhilfe unterstützt werden, häufig separiert behandelt. Und ebenso steht bei neuen Wohnformen häufig die Wohnraumgestaltung im Vordergrund und weniger die Verzahnung zwischen Pflege, Betreuung und Wohnraum. Das Besondere ist, dass hier überwiegend aus einer Region multiperspektivisch und netzartig Einblick in die Entwicklung, Voraussetzungen und geglückte Umsetzungen derartiger verzahnter Projekte gegeben wird. Am Rande werden auch missglückende Projekte gestreift sowie die Mühen und der lange Atem, den derartige Initiativen benötigen, benannt. Wenn dann „die beste Zeit in meinem Leben“ herauskommt, ist das Ergebnis, alles in allem, ermutigend für Folgeprojekte.

Die Artikel sind nun nicht thematisch geordnet, sondern umkreisen das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven. Überschneidungen sind nicht ganz zu vermeiden. Das Buch ist eher zum Einlesen geeignet und weniger als Handlungsanleitung, wie nun eine neue Wohnform gegründet werden kann. Dazu scheinen mir die lokalen Bedingungen zu unterschiedlich.

Bezüglich der an sich informativen Grundriss-Abbildungen wäre eine nicht nur lupenlesbare Darstellung wünschenswert.

Fazit

Neue Wohn-, Pflege- und Betreuungsmöglichkeiten für Menschen im Alter und für solche, die als behindert gelten, ermöglichen sowohl Teilhabe wie auch Rückzugsraum ins Private. Wohnen, Pflege und Betreuung sind dafür miteinander zu verzahnen und erfordern nicht nur einen langen Atem in der Entwicklung der Projekte, sondern auch qualifizierte Professionelle, die neben den Angehörigen und der möglichen Nachbarschaft Kontinuität gewährleisten.

Der regionale Schwerpunkt der vorgestellten Projekte liegt in Schleswig-Holstein, sie werden sowohl aus Nutzerperspektive wie aus der von unterschiedlichsten Professionellen bis hin zur Landesverwaltung dargestellt. Damit gibt der Sammelband über insgesamt 23 Beiträge einen facettenreichen Einblick bisheriger Erfahrungen und zeigt: es geht doch.

Rezension von
Prof.em Dr. Alexa Köhler-Offierski
Seniorprofessorin Evangelische Hochschule Darmstadt

Es gibt 26 Rezensionen von Alexa Köhler-Offierski.

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Zitiervorschlag
Alexa Köhler-Offierski. Rezension vom 17.07.2017 zu: Irini Aliwanoglou, Rüdiger Waßmuth (Hrsg.): Hier bin ich für mich und zusammen mit anderen. Neue Wohn-, Pflege- und Betreuungsmöglichkeiten. Paranus Verlag (Neumünster) 2016. ISBN 978-3-940636-38-6. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/21824.php, Datum des Zugriffs 13.09.2024.


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