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Claus Reis, Susan Geideck et al.: Produktions­netzwerke in der lokalen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik

Rezensiert von Dr. Lea Putz-Erath, 06.02.2017

Cover Claus Reis, Susan Geideck et al.: Produktions­netzwerke in der lokalen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik ISBN 978-3-943787-61-0

Claus Reis, Susan Geideck, Tina Hobusch, Martina Schu, Benedikt Siebenhaar, Lutz Wende: Produktionsnetzwerke in der lokalen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Aufbau kooperativer Strukturen und Weiterentwicklung sozialer Dienstleistungen am Beispiel des SGB II. Fachhochschulverlag (Frankfurt am Main) 2016. 135 Seiten. ISBN 978-3-943787-61-0. D: 16,00 EUR, A: 16,50 EUR.
Schriftenreihe des ISR - "Institut für Stadt- und Regionalentwicklung" der Frankfurt University of Applied Sciences, 11.

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Thema

Produktionsnetzwerke bieten für lokale Behörden die Möglichkeit, eine verbindliche, dauerhafte und rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit zu bestimmten Fragestellungen und Zielgruppen zu etablieren. Im vorliegenden Band werden die Erfahrungen mit der Professionalisierung von Netzwerkarbeit in der lokalen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik zusammengefasst und in Form eines Leitfadens vorgestellt.

Entstehungshintergrund

Von Januar 2014 bis Ende 2015 begleitete das Institut für Stadt und Regionalentwicklung (ISR) der Frankfurt University of Applied Sciences das Pilotprojekt „Dienstleistungen Hand in Hand – Teilhabe und Integration in Arbeit für Langzeitbezieherinnen und -bezieher durch zielgruppenbezogene Produktionsnetzwerke“. Das Konzept der Produktionsnetzwerke wurde davor als Möglichkeit interorganisationaler Kooperation entwickelt. Der Band ist auf Basis der Erfahrungen und Ergebnisse aus dem oben genannten Pilotprojekt entstanden. Er soll „[.] den Transfer der Erfahrungen und Erkenntnisse aus dem Projektkontext in die Praxis zu ermöglichen.“ (S 9)

Aufbau

Das Buch gliedert sich in fünf Haupteile:

  1. Zur Einführung: Lehren aus der Implementation (S 12-15)
  2. Die rechtliche Grundausrüstung: Kooperation und Vernetzung als Aufgabe der Grundsicherungsträger (S 16-32)
  3. Die begriffliche Grundausrüstung: inter-organisationale Kooperation und Netzwerke (S 33-46)
  4. Konzeptionelle Konsequenzen: Wie entstehen Produktionsnetzwerke? (S 47-65)
  5. Methodisches Vorgehen: Wie werden Produktionsnetzwerke gebildet, gesteuert und verstetigt. (S 66-110)

Die AutorInnen stellen diesen Hauptteilen ein Vorwort, eine Einleitung sowie eine „Anleitung für eilige Leser_innen“ vor. Den Abschluss bilden ein Anhang (Vorstellung zweier konkreter Projekte), sowie die Verzeichnisse von Abbildungen und Tabellen sowie der Literatur.

Inhalt

Kapitel 1 „Zur Einführung: Lehren aus der Implementation“ bietet in Form von 17 Thesen genau das, was der Titel aussagt: Lehren aus der Umsetzung. Diese Thesen können wichtige Hinweise für den Transfer des Konzepts der Produktionsnetzwerke auf andere Standorte sein. Entscheidend scheint z.B. der gelungene Wechsel von der Einzelfall auf die fallübergreifende Planung. In einer wichtigen Analysephase wird auf Einzelfälle zurück gegriffen, die Ergebnisse müssen jedoch wieder auf eine allgemeinere Ebene gespiegelt werden. Darüber hinaus wird die personale Ebene besonders hervorgestrichen: die Leitungsebene gibt den Weg durch Grundsatzentscheidungen für Produktionsnetzwerke vor und schafft Bedingungen zur Veränderungsbereitschaft der Beteiligten. Empfohlen wird des Weiteren ein Start der Netzwerke der sich zunächst in einem „eingegrenzten thematischen oder geografischen Rahmen“ bewegt, um so im engeren Rahmen stützende Strukturen für größere Aufgaben zu entwickeln.

Mit Kapitel 2 wird Projektverantwortlichen die „rechtliche Grundausrüstung“ für Kooperation und Vernetzung von Grundsicherungsträgern gegeben. Dabei beziehen sich die AutorInnen vor allem auf das SGB II (Aufgabenstellung und Zielsetzung § 1 SGB II, Eingliederungsvereinbarung § 15 SGB II sowie die Angaben zu gesetzlichen Kooperationsverpflichtungen: § 44b Abs. 2 SGB II, § 44c SGB II, § 18 SGB II). Darüber hinaus geben Sie übersichtliche Hinweise auf gesetzliche Schnittstellen zwischen SGB II und SGB III, SGB II und SGB VIII, SGB II und SGB IX, SGB II und SGB XII sowie SGB II und BaföG. Datenschutzrechtliche Rahmenbedingungen bilden den Abschluss dieses Kapitels.

Das Begriffsverständnis des Projektteams zu Kooperation und Netzwerken wird in Kapitel 3 umfassend erörtert. Dazu führen die AutorInnen das Modell von Corbett/Noyes über Stufen von Kooperationsbeziehungen ein (Kommunikation-Vertiefung) und richten ihren Blick dann auf die Beziehungsstrukturen als Eigenschaften von Netzwerken. „Umfang und Intensität von Kooperation werden von den organisationalen Akteuren bestimmt, die ein Netzwerk bilden und gestalten.“ S 37. Netzwerke weisen bestimmte Strukturelemente auf und können in funktionale Netzwerktypen eingeordnet werden. Entscheidend für die Typenbildung sind dabei die Funktionen der Netzwerke. Produktionsnetzwerke stellen jene Netzwerke mit einer dauerhaften Zusammenarbeit, einem hohen Formalisierungsgrad und einer teilweisen, sachlich definierten Aufgabe der Eigenständigkeit beteiligter Organisationen und Personen zu Gunsten gemeinsamer Ziele dar.

Kapitel 4 widmet sich der Frage der Entstehung von Produktionsnetzwerken. Hier finden sich komplexe wissenschaftliche Überlegungen zu den Eigenschaften von Organisationen und ihren Netzwerken sowie Versuchen diese gezielt zu untersuchen und zu steuern. Nach Corbett/Noyes gehen Claus Reis und seine KollegInnen vom „Eisbergmodell der Organisation“ aus. Demnach müssen für gelingende Produktionsnetzwerke die zunächst unsichtbaren Ebenen von Organisationen wie Leadership oder Organisationskultur in den Blick genommen und mit einbezogen werden. Mit dem Konzept der „verteilten Expertise“ kann Fallwissen in verschiedenen Organisationen erklärt und zusammengeführt werden. Davon ausgehend stellt das Forscherteam „Fälle“ als Zugänge zum Aufbau und der Gestaltung von Produktionsnetzwerken vor. Einzelne Fälle sollen in einem hermeneutischen Verfahren die Grundlage für „generative Themen“ (S 63) sowie die Entwicklung eines Zielsystems für das Produktionsnetzwerk sein.

Der 5. Teil des Bandes gibt mit detaillierten und konkreten Entscheidungshilfen, Leitfäden und Methoden Anleitung zur Umsetzung eines Projekts zur Etablierung von Produktionsnetzwerken. Dabei wird immer wieder auf die Grundlagen aus Kapitel 1-4 hingewiesen. Vier grundlegende Handlungsschritte werden vorgeschlagen:

  1. Vorentscheidungen und Vorbereitungen;
  2. Durchführung von Planungskonferenzen;
  3. Umsetzung des Zielsystems;
  4. Überprüfung und Verstetigung der Produktionsnetzwerke.

Die zwei abschließenden Projektdarstellungen geben einen Einblick in die Bedingungen aus der Praxis des (Forschungs-)Projekts und zeigen unterschiedliche Verläufe und Ergebnisse im Kreis Warendorf und der Kommune Mühlheim an der Ruhr.

Diskussion

Der Versuch einen „Leitfaden“ statt eines normalen Projektberichts herauszugeben ist mit diesem Band gelungen. Das AutorInnen-Team spannt mit dem Buch den Bogen von wissenschaftlicher Auseinandersetzung über Organisationen, kommunalen Aufgaben über die Berücksichtigung der Realitäten der lokalen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bis hin zum konkreten Vorschlag der Etablierung von Produktionsnetzwerken. Dabei gelingt es (und das ist meiner Meinung nach sehr selten!) in einem Werk sowohl KollegInnen aus der Wissenschaft und KollegInnen aus der Praxis anzusprechen.

Fazit

Das vorliegende Buch stellt Produktionsnetzwerke als eine Möglichkeit dar, in der lokalen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik soziale Dienstleistungen weiter zu entwickeln. Dabei stellt es wissenschaftliche und rechtliche Hintergründe als auch konkrete Umsetzungsvorschläge nicht nur nebeneinander, sondern zeigt an konkreten Beispielen wie diese Ebenen ineinander greifen. Produktionsnetzwerke geben den lokalen Behörden die Möglichkeit kooperative Strukturen zu entwickeln, ihre Dienstleistungen im Sinne des Gesetzgebers zu verbessern und lokale Behörden etwas weiter zusammen rücken zu lassen. Ein besonders gelungener Forschungsbericht, der es verdient hat in den Teams vieler SozialdezernentInnen besprochen zu werden.

Rezension von
Dr. Lea Putz-Erath
Geschäftsführerin femail – Verein für Frauenberatung und zur Förderung von Geschlechtergerechtigkeit, AT
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Es gibt 21 Rezensionen von Lea Putz-Erath.

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Zitiervorschlag
Lea Putz-Erath. Rezension vom 06.02.2017 zu: Claus Reis, Susan Geideck, Tina Hobusch, Martina Schu, Benedikt Siebenhaar, Lutz Wende: Produktionsnetzwerke in der lokalen Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Aufbau kooperativer Strukturen und Weiterentwicklung sozialer Dienstleistungen am Beispiel des SGB II. Fachhochschulverlag (Frankfurt am Main) 2016. ISBN 978-3-943787-61-0. Schriftenreihe des ISR - "Institut für Stadt- und Regionalentwicklung" der Frankfurt University of Applied Sciences, 11. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/21845.php, Datum des Zugriffs 13.01.2025.


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