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Einfach anders. Menschen mit Asperger-Syndrom (...)

Rezensiert von Dipl.-Päd. Petra Steinborn, 10.01.2017

Cover Einfach anders. Menschen mit Asperger-Syndrom (...) ISBN 978-3-9524056-4-2

Einfach anders. Menschen mit Asperger-Syndrom kommen zu Wort. Kirja Verlag (Gelterkinden) 2016. 212 Seiten. ISBN 978-3-9524056-4-2. D: 22,90 EUR, A: 22,90 EUR, CH: 24,90 sFr.

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Thema

Mit dieser Anthologie (hochwertige Sammlung ausgewählter Texte in Buchform) wird von Menschen, die unter den Bedingungen des Asperger-Syndroms leben, detailliert Auskunft darüber gegeben. Sie berichten über ihre einzigartigen Gefühls- und Erlebniswelten, aus denen sie nur selten heraustreten, weil sie die Erfahrung machen, oft nicht verstanden zu werden und auf Unverständnis treffen. Sie erleben eine Nicht-Akzeptanz, die zum weiteren Rückzug veranlasst. Mit diesem Buch laden Autorinnen und Autoren ein, in die andere Gedankenwelt einzutauchen. Diese Tatsache fasste schon der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788-1860) vortrefflich in einem Satz zusammen: „Bei gleicher Umgebung lebt doch jeder in seiner eigenen Welt“. (Klappentext)

Entstehungshintergrund

Der Kirja-Verlag wurde 2012 von dem Ehepaar Ramona und Stephan Zettel in Gelterkinden (Schweiz) gegründet. Der Verlag hat sich zur Aufgabe gemacht, Bücher, Broschüren und Multimedia-Produkte herauszugeben und per Online-Shop zu verkaufen. Anliegen ist das Thema „Asperger Syndrom“ und das Wissen darüber in der Öffentlichkeit bekannter zu machen, das Verständnis für betroffene Menschen und die Akzeptanz für ihre andere Denkweise zu vergrößern, sodass das Potenzial autistischer Menschen von der Gesellschaft erkannt wird (Quelle: http://www.kirjaverlag.ch). Zusätzlich werden auch pädagogische Hilfsmittel angeboten wie z.B. Time Timer.

Einer der Söhne erhielt im Jahr 2008 nach einigen Fehldiagnosen die Diagnose Asperger-Autismus. Das war eine riesige Erleichterung, da das Verhalten des Sohnes, welches vor allem in der Schule sichtbar wurde, endlich einen Namen bekam. 2009 gründete sich eine Elterngruppe, um den Austausch zwischen Eltern mit dem gleichen „Schicksal“ zu ermöglichen. 2011 gründete diese Gruppe gemeinsam mit einem Kinderpsychiater den Verein Asperger-Hilfe Nordwestschweiz. Im Namen des Vereins werden pro Jahr mehrere Seminare angeboten und Ferien für Familien organisiert. Es werden auch Infoveranstaltungen oder Klassenstunden für die Schulen/Eltern oder Mitschüler*nnen zum Thema Asperger Autismus angeboten. Den Namen des Verlages und das Verlags-Logos wurde von dem 12-jährigen Sohn des Ehepaars Zettel ausgetüftelt.

Der Kirja Verlag nimmt auch gerne Anfragen oder Mitteilungen entgegen z.B. wenn man ein (Buch)-Projekt passend zum Hauptthema realisieren möchten und dazu einen Verlag braucht oder wenn man den noch jungen Verlag finanziell unterstützen möchten. Das hier vorgelegte Buch wurde durch finanzielle Unterstützung zahlreicher Spenderinnen und Spender realisiert.

Aufbau und Inhalt

Das Buch umfasst 210 Seiten und ist im Hardcover Format erschienen. Es gliedert sich nach Vorwort und Danksagung in 21 Kapitel, die nicht durchnummeriert sind. Jedes Kapitel ist vom einer anderen Autorin oder Autor geschrieben. Auf der linken Seite wird die Autorin/der Autor namentlich kurz vorgestellt, auf der rechten Seite beginnt der verfasste Artikel, in dem aus der eigenen Perspektive beschrieben wird, wie sie ihren Autismus erleben und einordnen.

  • Vorwort
  • Facetten des Autismus
  • Missverständnisse
  • Hallo lieber Leser
  • Kommunikation einer autistischen Person
  • Autismus die Stärke der Schwäche von Kommunikationskompetenzen
  • Die Freunde mit meinem Autismus komplett umgzugehen zu können
  • Als Autist leben
  • Warum der Mensch sein eigenes Schicksal nicht immer ändern kann
  • Kurzgeschichten des Alltags in Form der Aphorismen (belehrende Geschichten)
  • Das Leben von Matteo
  • Gedanken über mich
  • Gedanken über das Leben
  • That´s a Wrap
  • Mein weisser Traum
  • Im Kindergarten
  • Wie ich bin
  • „…und – alles gut?“
  • „Irgendwas ist anders“
  • Herzlichen Dank für eure Unterstützung

Im Vorwort wird der Begriff Autismus Spektrum kurz allgemein erklärt. Intention des Buches ist, die Individualität von Menschen zu beschreiben, die unter den Bedingungen von Autismus leben. Jeder ist anders, so wie es auch bei Menschen ohne Autismus der Fall ist. Mit dem hier vorgelegten Buch wurden verschiedene Beiträge gesammelt und zusammengestellt

Aleksander Knauerhase, der im Alter von 35 Jahren die Diagnose Asperger-Autismus erhielt, macht den Anfang. Knauerhase schreibt über die Facetten des Autismus, der sich für ihn manchmal wie ein Puzzle zeigt, das aus vielen Teilen besteht. Die Teile stehen für die verschiedenen Facetten und auch für die unterschiedlichen Sichtweisen z.B. aus Sicht der Person selber, aus Sicht der Angehörigen oder der Gesellschaft. Knauerhase erlebt oft, wie die verschiedenen Sichtweisen wie in einem Wettlauf miteinander konkurrieren. Er wünscht sich, dass diese Konkurrenzen aufgegeben werden, damit sich ein Bild aus verschiedenen Facetten zusammensetzen kann. 2016 hat er das Buch mit dem Titel „Autismus mal anders“ herausgegeben (www.socialnet.de/rezensionen/20949.php).

Aline Köstli schreibt über das Thema Missverständnisse, von denen sie in ihrem Leben zahlreiche erlebt. Sie plädiert dafür, offen mit seiner Diagnose umzugehen, damit das Gegenüber weiß, worum es geht. Sie selber hat damit gute Erfahrungen gemacht und erfahren, dass die Umgebung verständnisvoller und hilfsbereiter reagiert, wenn sie weiß, warum sich ein Mensch so verhält. Aline Köstli veröffentlichte 2015 im Kirja Verlag ihre lesenswerte Autobiografie „Miss Abgefahren“ (www.socialnet.de/rezensionen/18464.php).

Anita Andermatt erfuhr mit 40 Jahren von ihrer Asperger Diagnose. Sie hat ihr Leben lang gefühlt, dass etwas nicht stimmt und war sehr erleichtert, als sie die Diagnose bekam. Ihr Beitrag ist in Form eines Briefes formuliert und trägt den Titel Hallo lieber Leser! In diesem Brief schreibt sie, wie es ihr geht, was in ihrem Kopf passiert, was ihr gut tut und was nicht z.B. zu wenig Ruhe für sich zu haben. Man erhält Einblicke in ganz alltägliche Situationen wie z.B. mit dem Auto von A nach B zu kommen oder die öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen. Bei diesen Aktivitäten gibt es Dinge, die man nicht vorausplanen kann oder die anderweitig anstrengend sind wie der Geräuschpegel in öffentlichen Verkehrsmitteln. Das macht Stress. Andermatt ist am liebsten Zuhause. Sie liebt Routinen z.B. am Morgen, die ihr helfen in den Tag zu kommen. Beim Schreiben des Artikels merkt sie, wie schwer es ist, einem Nicht-Autisten Autismus zu erklären. Durch den gewählten Schreibstil hat man den Eindruck, in einem Dialog mit der Autorin zu stehen, da sie neben den Erklärungen immer wieder Fragen an die Leserschaft formuliert.

Anita Furrer erfuhr mit 10 Jahren von ihrem Autismus, die Diagnose erhielt sie drei Jahre vorher, was ihr aber nicht gesagt wurde. Sie schreibt über Kommunikation einer autistischen Person. Für sie ist Kommunikation so wichtig wie Essen und Trinken. Wer nicht kommunizieren kann, ist nicht überlebensfähig. Ihr Beitrag gliedert sich in sieben Unterkapitel. Sie hatte als Kind wie viele andere autistische Kinder auch, Probleme die Worte der Eltern richtig aufzufassen und deshalb Probleme in der Kommunikation, die dazu führten, dass sie sich zurückzog. Die Eltern hatten ihre Geschwister zum Vergleich und ihnen fiel auf, dass Anita sich anders entwickelte. Durch Förderung gelang es, Sprache adäquat anzubahnen und zu entwickeln, Kontakte aufzubauen und Blickkontakt zu halten. Anita Furrer schreibt über ihre akustischen Wahrnehmungsschwierigkeiten und über die Kommunikation in der Arbeitswelt. In ihrem Artikel sind verschiedene Beispiele aus ihrem Leben zusammengestellt, die sehr anschaulich beschreiben, was sie erlebt hat und was ihr geholfen hat, mit diesen Schwierigkeiten umzugehen.

Dio ist 30 und schreibt inkognito über Autismus – die Stärke der Schwäche von Kommunikationskompetenzen. Sein Text handelt von den Schwierigkeiten im Dialog zwischen Asperger und Nicht-Asperger. Es ist nur eine Sichtweise den Asperger-Autismus als Schwäche zu sehen, eine andere ist ihn als Stärke zu begreifen. Der Artikel handelt von dieser Stärke.

Von der Freude mit meinem Autismus komplett umgehen zu können schreibt Dominic Müller (21). Autismus wird in diesem Artikel als Besonderheit beschrieben, die dazu führt, das Dinge gut gelingen und wobei Unterstützung notwendig ist. Dominic Müller schreibt mittels fc (facilitated communication), eine Methode der unterstützten Kommunikation, bei der der Schreibende durch eine andere Person gestützt wird. Der Artikel handelt von den Erlebnissen von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter.

Gerhard Gaudard ist 40 Jahre, verheiratet. Nach einen Zusammenbruch (burnout) 2010 wurde Autismus diagnostiziert. Mit seinem Beitrag Als Autist leben möchte er Einblicke in sein Leben geben, wie das Leben ist und wie es sich anfühlt. Genau diese Aspekte werden immer wieder von Nicht Autisten, den sogenannten Neurotypischen (NT) gefragt. Sie sind aber schwer zu beantworten, weil man dafür wissen müsste, wie es ist, als NT zu leben. Gaudard berichtet über Dinge, die ihm wichtig sind z.B. nicht ausgegrenzt zu werden oder nicht die Ausnahme zu sein. Das Leben in einer neurotypisch geprägten Welt ist anstrengend z.B. wenn „ja“ gesagt wird und „nein“ gemeint ist Gaudard ist ehrlich und für ihn ist ein „Nein“ ein „Nein“. Er sagt, was er denkt und erlebt, dass das schwierig sein kann. Mittlerweile hat er sich für solche Situationen auswendig gelernte Sätze zurecht gelegt, die er dann verwenden kann.

Ingeborg Marxer ist 1964 geboren und sehr vielseitig interessiert. Der Titel ihres knappen Beitrages, der sich in zwei Teile gliedert, lautet: Warum der Mensch sein eigenes Schicksal nicht immer ändern kann. Darin schreibt sie über Misserfolge und Nöte, die sich in einem Menschenleben dauernd wiederholen können. Sie hat es immer wieder erlebt, „ausgestoßen“ zu werden. Es war extrem verletzend, zu erleben, nicht verstanden zu werden oder die Schuld für Dinge, die nicht wie erwartet eintreten, zu bekommen. Das macht krank und führt dazu, dass man immer wieder hart kämpfen und sich „durchbeißen“ muss (S. 92). Sie berichtet darüber, dass sie „ihren inneren Frieden“ wiederfand und es schaffte, mithilfe von Mediation ihre angeborene Depression auf ein „Minimum zu reduzieren“(S.88).

Kurzgeschichten des Alltags in Form der Aphorismen (belehrende Geschichten) findet man in dem Beitrag von Manuel Kunz, der 32 Jahre alt ist. Diese 12 Kurzgeschichten handeln vom Leben auf dem Spielplatz, von Nächten der Angst, von Depression oder einem Klassentreffen, von Stimmungsschwankungen oder einer Liebeserklärung an seinen Computer, von einer „Begleiterin“ (die Wahrnehmungsstörung), die sein Leben prägt und der er später den Namen „Asperga“ gibt, von Unsicherheiten und Berührungen, über eine Packungsbeilage, wie man einen Menschen mit Autismus liebt und von einem neuen Leben, das er beginnt, als er 2014 die Diagnose Autismus bekam.

Matteo stellt sich mit einem Foto vor. Er ist 12 Jahre alt und er schreibt in fünf Sätzen, was er bisher erlebt hat und was seine Hobbies sind. Sein Artikel trägt die Überschrift: Das Leben von Matteo.

Michael M, ist 21 Jahre und Schüler an einem Gymnasium in Bern. 2011 bekam er die Diagnose Asperger-Syndrom. In dem Beitrag Gedanken über mich sammelte er Gedanken über seine Existenz, seine Identität und seine Schwierigkeiten (nicht nur die mit dem Autismus). Sein Nachdenken über sein Leben ist wie er selber sagt: „je nach Stimmung (depressiv bis euphorisch)“ (S.112). Dabei beleuchtet er Auswirkungen, die jeweils Zwischenüberschriften darstellen: das Ausgehen, Neid, Depressionen, Berufung, Akzeptanz und positive Eigenschaften, schwieriges Leben, Normalität, der Nachteil der Hochfunktionalität, Gefühlsintensität, der Sinn im Leben, Vergeben und Bedeutung sowie die Selbstakzeptanz. Diese Themen reflektieren sein Leben und Erleben.

Auch Nora Mylonas, einer Frau mit Asperger-Syndrom, die als Mathematiklehrerin an einem Gymnasium arbeitet, verheiratet ist und drei Kinder hat schreibt über Gedanken über das Leben. Sie hat gute und schlechte Tage. Kurz vor ihrem 40.Geburtstag erfährt sie die Diagnose und plötzlich macht so vieles einen Sinn. „All die unzähligen sozialen Desaster, dieses Phänomen, das mich immer wieder Menschen wie ein Kind beschützt und bemuttert haben, dieses Gefühl, unter einer Glasglocke zu leben und nie ganz dazu zu gehören – plötzlich hat all dies eine Erklärung gefunden.“ (S. 129). Ihr Beitrag ist in Versform geschrieben und hat 10 Überschriften: der Anfang, das Erwachen, die Einsamkeit, die Trauer, die Leere, die Dunkelheit, die Freundschaft, das Ende, die Kindheit und der arme Mensch.

Odin Aerni ist 21 Jahre alt und kommt aus Basel. Sein Artikel That´s a Wrap handelt von seiner Kindheit, geht über die Schulzeit am Gymnasium und reicht bis in die Ausbildungszeit. Aerni probiert vieles aus und macht aktuell eine Ausbildung.

Mein weisser Traum und im Kindergarten wurden von Rolf Piotrowski, Jg. 1956 geschrieben. Sehr spät, nach vielen Fehldiagnosen erhielt er die Diagnose Asperger Autismus. Er ist Heilpraktiker für Psychotherapie, Buchautor und Fotograf. Der weisse Traum beginnt mit einem Bild, bei dem der Autor auf einer Eisscholle sitzt und im unberechenbaren Meer treibt. Die Scholle ist von Nebel umgeben und ihm ist kalt. Es ist wie ein zugefrorenes Zuhause, eine „weisse Enklave“ (S. 155), auf der er sich gerne zurückziehen würde. Der zweite Beitrag handelt von seiner Zeit im Kindergarten.

Swantje Panzer wurde 1970 geboren und ist die Älteste von zwei Töchtern. Ihr Beitrag Wie ich bin beginnt im Alter von 45 Jahren, vier Monate zuvor hat sie ihre Diagnose erfahren. Sie schreibt von Erlebnissen aus der Kindheit und als Teenager, aber auch aus dem aktuellen Alltag z.B. über Freundschaft oder ihr Berufsleben, in einer großen Firma. Panzer denkt in Bildern. Meetings sind anstrengend für sie, weil sie die Energie aller Menschen wahrnimmt. Das ist hart. Problematisch ist auch, wenn ihre Bilder im Kopf in Worte fassen muss, das fällt ihr schwer. Muss sie mal eine Präsentation halten zeigt sie Bilder statt Texte. Seit der Diagnose weiß sie, dass sie anders „verdrahtet“ ist und dass sie nicht falsch ist, sondern das ihr Sein so wie es ist in Ordnung ist. Auch der Beitrag …„und – alles gut?“ ist von ihr. Diese Frage, mit der eine Kollegin einen Smalltalk einleitet, wirkt bei ihr überfordernd, weil sie nicht intuitiv einordnen kann, was genau gemeint ist. Solche Sätze beginnt sie dann genau zu analysieren, was aber nicht der Sinn von Smalltalk ist. Sie beschreibt verschiedene Episoden aus ihrem Leben wie ein Friseurbesuch oder ein Zahnarztbesuch, das Shoppen allgemein oder das Shoppen von Kleidung und vieles mehr.

„Irgendwas ist anders“ lautet der letzte Artikel von Kai Ottinger. Er bekam mit 36 Jahren seine Diagnose. Er arbeitet bei VW, ist aber eigentlich Musiker. Aktuell arbeitet er an seinem ersten Album. Auch das Schreiben von Geschichten ist ein Hobby von ihm. In seinem Text spielt er mit dem Satz „irgendwas ist anders“ und zieht das Fazit: „Alle sind anders“. Er hat sich in vielen Bereichen und Berufen ausprobiert, was er anschaulich schildert. Oft zieht er sich hinter eine „Nebelwand“ zurück, aber es gibt auch Zeiten, in denen er anderen einen Einblick gewährt, indem er „ein kleines Fenster“ (S. 206) öffnet.

Am Ende des Buches werden die Spenderinnen und Spender namentlich benannt, die die Veröffentlichung des Buches unterstützt haben. Dabei geht ein besonderer Dank auch an die Hans Asperger-Stiftung.

Diskussion

Diese Anthologie ist eine Einladung mittels Geschichten und Berichten in Gedankenwelten von Menschen einzutauchen, die unter den Bedingungen von Autismus leben. Der Begriff Gedankenwelten wurde mit Bedacht gewählt, da neurotypische (also diejenigen, die keine neurologischen Besonderheiten aufweisen) und autistische Menschen letztlich in einer Welt, auf demselben Planeten leben, jeder auf seine Art. Diese Zusammenstellung ist Zeugnis des breiten Spektrums, mit dem man in Berührung kommt, diese Tatsache spiegelt sich auch in dem Begriff Autismus Spektrum wider. 19 in sich abgeschlossene Geschichten geben Einblicke in die Realität der Autorinnen und Autoren in der Altersspanne von 12 bis 61 Jahre, Frauen und Männer, allein lebend, in geschützter Wohngemeinschaft oder verheiratet, aus der Schweiz oder aus Deutschland. Vermisst habe ich Beiträge von Menschen im Seniorenalter wie z.B. Mar Wanrooij aus den Niederlanden, der mit 65 Jahren erfahren hat, dass er Autist ist. Sein Buch „Autibahn“ aus dem Jahr 2014 ist bisher leider nur in englischer Sprache erschienen.

Jeder Beitrag ist in sich geschlossen, dieses Format erlaubt es, hin und her zu blättern und an den Stellen zu lesen, die ansprechen und neugierig machen. Alle Berichte sind einzigartig, hinter jedem Beitrag steht ein Mensch mit seiner Geschichte und seinen Lebenserfahrungen. Zu Anfang wird die Autorin/der Autor kurz vorgestellt, sodass man etwas über die Person erfährt. Die Berichte sind in Form und Inhalt individuell und dennoch ähneln sich die Erfahrungen. Es wird von Missverständnissen, Ausgrenzung bis hin zu Depressionen berichtet, aber auch von Begegnungen mit Menschen, die unterstützen und Hilfestellung geben. Bemerkenswert ist die Offenheit, mit der über persönliche Erlebnisse geschrieben wurde. Auch die Formate haben mich beeindruckt: Beiträge als Fließtext, als Steckbrief mit Foto wie bei Matteo oder wie im Beitrag von Nora Mylonas in Versform. Auch allein diese Vielfalt macht deutlich, wie unterschiedlich Menschen sind.

Fazit

Mit dieser hochwertigen Sammlung ausgewählter Texte in Buchform (Anthologie) wird von Menschen, die unter den Bedingungen des Asperger-Syndroms leben, detailliert Auskunft gegeben. Sie berichten über ihre einzigartigen Gefühls- und Erlebniswelten, aus denen sie nur selten heraustreten, weil sie die Erfahrung machen, oft nicht verstanden zu werden und auf Unverständnis zu treffen. Sie erleben eine Nicht-Akzeptanz, die zum weiteren Rückzug veranlasst. Mit diesem Buch laden Autorinnen und Autoren ein, in die andere Gedankenwelt einzutauchen (Klappentext). Das Buch ist in einem hochwertigen Hardcover Format erschienen, sodass man es gerne zur Hand nimmt. Durch die größere Schrift ist es gut zu lesen. Dieses Buch mit dem Titel „Einfach anders“ ist – um im Bild zu bleiben – einfach gelungen und einfach empfehlenswert!

Rezension von
Dipl.-Päd. Petra Steinborn
Tätig im Personal- und Qualitätsmanagement in einer großen Ev. Stiftung in Hamburg-Horn. Freiberuflich in eigener Praxis (Heilpraktikerin für Psychotherapie). Leitung von ABC Autismus (Akademie-Beratung-Coaching), Schwerpunkte: Autismus, TEACCH, herausforderndes Verhalten, Strategien der Deeskalation (systemisch), erworbene Hirnschädigungen
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Es gibt 315 Rezensionen von Petra Steinborn.

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ISSN 2190-9245