Daniel Gysin, Carmen Spiegel (Hrsg.): Jugendsprache in Schule, Medien und Alltag
Rezensiert von Moritz Stock, 11.07.2017

Daniel Gysin, Carmen Spiegel (Hrsg.): Jugendsprache in Schule, Medien und Alltag. Peter Lang Verlag (Bern · Bruxelles · Frankfurt am Main · New York · Oxford) 2016. 410 Seiten. ISBN 978-3-631-65706-5. D: 74,95 EUR, A: 77,00 EUR, CH: 84,00 sFr.
Thema
Der 19. Band der Reihe „Sprache – Kommunikation- Kultur: Soziolinguistische Beiträge“, welcher von der Germanistin Eva Neuland in leitender Funktion herausgegeben wurde, beschäftigt sich vorwiegend mit dem übergeordneten Thema der Nutzung von Jugendsprache im schulischen Kontext, aber auch mit der Verwendung jugendlicher Sprachformen in den Neuen Medien und betrachtet schließlich die sprachübergreifende Verwendung von Jugendsprache. Insgesamt vereint dieser Sammelband 26 Beiträge, welche diverse Überlegungen zum Einsatz von Jugendsprache im (Fremdsprachen-)Unterricht miteinschließt.
Herausgeberin und Herausgeber
Die Schirmherrin der seit dem Jahr 2008 herausgegebenen soziolinguistischen Reihe Sprache – Kommunikation – Kultur ist die emeritierte Germanistikprofessorin Eva Neuland, welche an der Bergischen Universität Wuppertal von 1995 bis 2013 eine Professur für Germanistik und Didaktik der deutschen Sprache innehatte und unter anderem in den Bereichen Soziolinguistik, Sprachdidaktik, Deutsch als Fremdsprache und Interkulturelle Kommunikation geforscht hat.
Der 19. Band der Reihe wurde von Prof. Dr. Carmen Spiegel und Dr. Daniel Gysin herausgegeben. Prof. Dr. Carmen Spiegel ist seit 2007 Professorin für deutsche Sprache und ihre Didaktik an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe. Ihre Forschungsschwerpunkte liegen in den Bereichen Gesprächskompetenz und Unterrichtsinteraktion. Dr. Daniel Gysin hat an der PH Karlsruhe promoviert und ist Realschullehrer und Lehrbeauftragter. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen im Bereich der Online-Kommunikation.
AutorInnen
Insgesamt beinhaltet der Band 26 Beiträge von 31 AutorInnen, welche vorwiegend aus der germanistischen Sprachforschung kommen. Eine AutorInnenübersicht lässt der Band aber vermissen.
Entstehungshintergrund
Große Teile der in diesem Band enthaltenden Beiträge sind verschriftliche Vorträge der internationalen Konferenz zur Jugendsprache, die 2014 in Karlsruhe stattfand. Der Schwerpunkt der Tagung umfasste das Themenfeld Jugendsprache in Schule und Unterricht. Die Tagung wurde organisiert von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg und Karlsruhe und steht in Tradition der 1998 vom Osnabrücker Sprachwissenschaftler Peter Schlobinski eröffneten Tagungsreihe zu verschiedenen Aspekten der Jugendsprache. Fortgesetzt wurde diese 2001 an der Universität Wuppertal, 2004 an der Universität Zürich, 2008 in Kopenhagen und 2011 an der Universität Freiburg. Als letztes fand sie 2016 in Graz statt.
Aufbau
Nach einer Einleitung durch die HerausgeberInnen gliedert sich das Buch in drei größere Teilbereiche mit jeweils mehreren Beiträgen:
- Jugendsprache und Schule
- Medien
- Sprachverwendung – Sprachvergleich
Der erste Abschnitt umfasst 15, der zweite acht und der dritte und letzte drei Beiträge. Jeder Einzelbeitrag schließt mit einer separaten Literaturliste und beginnt mit einer für die deutschen Beiträge englischsprachigen Kurzzusammenfassung und für die drei englischsprachigen Beiträge mit einer deutschsprachigen Kurzzusammenfassung.
Ich stelle aus den verschiedenen Abschnitten exemplarisch einige Beiträge vor.
Zur Einleitung
Der Band strebt an aus unterschiedlichen Perspektiven das Spannungsverhältnis von Jugendsprache und Schule näher zu beleuchten. Die HerausgeberInnen zeigen in der Einleitung auf, dass die Institution Schule mit der Verpflichtung eines spezifischen Bildungsideals und der Repräsentation dieses durch die Lehrpersonen nach Außen, einen Gegenpol zu jugendsprachlichen Ausdrucksweisen bietet, die als Ausdrucks- und Identifikationsmittel jugendlicher Gruppierungen eher dem freizeitlichen Bereich zuzurechnen sind. Es stellt sich hier also die Frage, auf welche Weise jugendsprachliche Praktiken auch in der Schule zu finden sind. Diesem Themenbereich widmet sich der erste Teilbereich des Bandes, welches auch gleichzeitig der umfangreichste ist. Die Einleitung präsentiert eine Kurzzusammenfassung jedes Beitrags und ordnet diesen in ein übergeordnetes Narrativ ein.
Die zweite Schwerpunktsetzung beschäftigt sich mit Jugendsprache und Medien. Die HerausgeberInnen heben in der Einleitung die Vielschichtigkeit des Forschungsfeldes hervor und präsentieren im Folgenden Kurzdarstellungen der einzelnen Beiträge dieses Themenabschnitts. Zuletzt wird in der Einleitung auch der mit drei Beiträgen kürzeste Teil des Bandes vorgestellt, welcher mit Sprachverwendung – Sprachvergleich überschrieben ist. Dahinter verbirgt sich die Auseinandersetzung mit jugendsprachlichen Phänomenen in Österreich und den Niederlanden und in einem letzten Beitrag die Thematisierung von sprachübergreifenden Gemeinsamkeiten von Jugendsprache.
Zu 1. Jugendsprache und Schule
Der erste Block zum Thema Jugendsprache und Schule beginnt mit dem einführenden Artikel „Schule als sprachlicher und sozialer Erfahrungsraum für Jugendliche: Perspektiven der linguistischen Jugendsprachforschung“ der Reihen-Herausgeberin Eva Neuland und bietet einen passenden Einstieg in das Themenfeld. Sie zeigt an exemplarischen Beispielen sprachliche und soziale Handlungsfelder im Schulkontext auf und hebt die Komplexität jugendlicher Kommunikationspraktiken in der Schule hervor. Der Artikel bietet eine gute Rahmensetzung für die weiteren Beiträge des Sammelbandes und zeigt bereits die Mannigfaltigkeit jugendsprachlicher Kommunikationsweisen auf, die von klassischen Schülerbriefchen bis zu WhatsApp-Nachrichten reichen.
Der zweite Beitrag „Lernziel ‚Situationsangemessen kommunizieren‘ – Schüler zwischen Unterrichtssprache und Jugendsprache“ von Miriam Morek analysiert anhand eines exemplarischen Fallbeispiels das sprachliche Agieren eines Schülers aus der 5./ 6. Jahrgangsstufe in schulischen und nicht-schulischen Kontexten und betrachtet anhand dieses Beispiels das situationsangemessene Kommunikationsverhalten des Schülers und dessen Kontextualisierungskompetenz.
Katrin He greift in ihrem Beitrag „Die Sprache Jugendlicher in schulischen Kontexten – eine Fallanalyse“ anschließend kritisch die These auf, dass Jugendsprache als spezifische Kommunikationsform nur in außerschulischen Kontexten existieren kann. Dazu untersucht sie Jugendsprache in schulischen Kontexten anhand des Gruppenunterrichts als besondere Unterrichtskommunikationsform, welche eine Nähe zu jugendsprachlichen Ausdrücken herstellt und diese darüber hinaus auch evoziert. Sie arbeitet heraus, wie die untersuchten SchülerInnen durchaus kompetent zwischen einer lockeren jugendsprachlichen Kommunikationsform in der Gruppenarbeit zu ‚angemessenerer‘ Sprache in der Präsentationssituation im Plenum wechseln können.
Vivien Heller verschiebt die Blickrichtung von den SchülerInnen auf die Reaktionen des Lehrpersonals und greift in ihrem Beitrag „‚das_s VOLL verARsche hier‘: Aligment und Disalignment mit jugendsprachlichen Praktiken in der Unterrichtsinteraktion“ auf Ergebnisse ihrer eigenen Untersuchung von insgesamt 120 Unterrichtsstunden in den Fächern Mathematik und Deutsch im 5. Schuljahr zurück und spürt damit der Frage nach, wie Lehrpersonen mit jugendsprachlichen Praktiken im Unterricht umgehen.
Die folgenden drei Beiträge von Franc Wagner und Ulla Kleinberger, Eleonora Massa und Margrethe Heidmann analysieren auf unterschiedliche Weise Schreibpraktiken Jugendlicher in den neuen Medien. Der Beitrag „Reflexionen zum Schreiben Jugendlicher in neuen Medien“ von Wagner und Kleinberger stellt das Verhältnis von Schreibkompetenz und neuen Medien in den Vordergrund. Untersucht werden stilistische Ausprägungen und Kombinationen vor und nach der flächendeckenden Verbreitung des Internets. Die Ergebnisse der hier präsentierten Studie verdeutlichen die Flexibilität der Jugendlichen und die Fähigkeit sich an stetig verändernde Kommunikationsformen und Textsorten anzupassen. Massa beschäftigt sich in dem Artikel „Über das Schreibverhalten Jugendlicher in und außerhalb der Schule: Eine empirische Untersuchung“ mit der Sprachverfall-Debatte im italienischen Sprachraum im Zuge des starken Bedeutungsgewinns von Online-Kommunikation und präsentiert ihre durchgeführte Studie mit italienischen SchülerInnen. Heidmann vervollständigt diesen kleinen thematisch zusammenhängenden Block mit ihrem Beitrag „Compound errors in the new media and in schools“. Sie vergleicht das Schreiben in den neuen Medien (Blogs u.a.) mit dem schulischen Schreiben (Diktat 9. Klasse, Essays) von Jugendlichen. Den Fokus legt sie dabei auf Getrenntschreibungsfehler in den unterschiedlichen Texten. Die Ergebnisse legen nahe, dass in den Textsorten der neuen Medien mehr Getrenntschreibungsfehler gemacht werden, als in den traditionellen Textformen.
Anka Baradaranossadat analysiert in ihrem Beitrag „Erscheinungsweisen von Jugendsprache im Schulalltag und Perspektiven für den Deutschunterricht“ einerseits klassische Formen schulischer Nebenkommunikation in Form von Schülerbriefchen, sowie jugendsprachliche Unterrichtskommunikation durch Fragebögen bei Lehrkräften, schriftlichen Arbeiten und Hausaufgaben mitsamt der Lehrkorrekturen und veranschaulicht dadurch die variantenreiche schulische Thematisierung von Jugendsprache.
Petra Balsliemke fragt in ihrem Beitrag „Verbesserung des Sprachbewusstseins durch die Reflexion über Jugendsprache? – Umfrageergebnisse, Lehrwerkanalyse und Unterrichtsbeispiele“ danach auf welche Weise Jugendliche über ihren eigenen Sprachgebrauch nachdenken und wie diese jugendsprachlichen Selbstreflexionen in den Deutschunterricht integriert werden können. Sie tut dies anhand einer Befragung von Schülern im Alter von 11 bis 18 Jahren und einer Lehrwerkanalyse. Daran anschließend geht es Isabel Auferkorte in ihrem Beitrag „Registererweiterung in gesprochener Sprache – Ein Konzept für einen Projektkurs “ darum aufzuzeigen wie SchülerInnen einer elften Klasse mit Registererweiterungen umgehen.
Die nächsten drei Beiträge von Christian Rink, Eugeune Colinet Tatchouala und Martin Wichmann sind im Bereich der Auslandsgermanistik angesiedelt. Christian Rink beschäftigt sich in seinem Artikel „‚Kiezdeutsch‘ in Forschung und Lehre der Auslandsgermanistik“ mit dem Sprachphänomen ‚Kiezdeutsch‘ und plädiert in diesem Zusammenhang für eine engere Zusammenarbeit von Sprachwissenschaft, Literaturwissenschaft und Kulturwissenschaft im Kontext der auslandsgermanistischen Lehre und Forschung. Eugeune Colinet Tatchoula thematisiert in dem Beitrag „Jugendsprache im DaF-Unterricht in Afrika – Positive Aspekte eines neuen didaktischen Verfahrens“ jugendsprachliche Ausprägungen in Afrika und stellt Anknüpfungspunkte zur deutschen Jugendsprache her. Als Fallbeispiel wird der gymnasiale und universitäre DaF-Unterricht in Kamerun herangezogen. Martin Wichmann stellt schließlich in seinem Beitrag „Jugendsprache im DaF-Unterricht, aber wie? Didaktisierungsvorschläge anhand authentischer und aktueller Sprachdaten“ ein Projekt vor welches aktuelle Film-, Musik und Interaktionsbeispiele für den DaF-Unterricht bereitstellt und zu einer authentischeren und aktuelleren Nutzung jugendsprachlicher Besonderheiten im Unterricht genutzt werden soll.
Die letzten beiden Beiträge des übergeordneten Themenabschnitts „Jugendsprache und Schule“ stammen von Diana Walther und Christian Efing. Erstere setzt sich in ihrem Artikel „Lästern über Mitschüler/innen und Lehrer/innen – Zur sprachlichen Ausprägung und kommunikativen Funktion des Sprachhandlungsmusters Lästern im Kontext Schule“ mit dem Phänomen des Lästerns als besonderes schulisches Sprachhandlungsmuster auseinander und zeigt unter anderem auf, dass dieses auf der Beschreibungsebene nicht nur kompetitiv gegenüber den Lästerobjekten ausgerichtet ist, sondern auch kooperative Züge annehmen und so gemeinschaftsbildend wirken kann. Dazu betrachtet sie die jugendsprachlichen Strategien in den Lästerhandlungen und stellt heraus, dass die Lästerhandlungen sowohl intra- als auch intergenerationelle Ausrichtungen aufweisen. Efing zeigt in seinem Artikel „‚Irgendwann muss man ja mal erwachsen werden.‘ Spracheinstellungen und Sprach(differenz)bewusstsein in Hinblick auf Jugendsprache bei (Berufs-)SchülerInnen“ mit der biografischen Betrachtungsebene einen weiteren innovativen Analysefokus auf. Anhand erster Ergebnisse einer Pilotstudie untersuchte er, ob und auf welche Weise sich das jugendsprachliche Repertoire beim Wechsel von der Berufsschule ins Erwerbsleben ändert. Erste Ergebnisse weisen auf einen wichtigen Einschnitt in der Verwendung von Jugendsprache nach dem Eintritt ins Erwerbsleben hin.
Zu 2. Medien
Der zweite Themenbereich „Medien“ beginnt mit dem Beitrag „WhatsApp-Chats. Neue Formen der Turn-Koordination bei räumlich-visueller Begrenzung“ von Eva L. Wyss und Barbara Hug. Anhand von Screen-Shots analysieren sie Interaktionsmuster bei WhatsApp und betrachten dabei vor allem das sogenannte chunking und pushing, also das Aufteilen und das In-den-Vordergrund-Drängen gesendeter Nachrichten.
Nils Bahlo, Tabea Becker und Daniel Steckbauer betrachten in ihrem Artikel „Von ‚Klugscheißern‘ und ‚Grammatik-Nazis‘ – Grammatische Normierung im Internet“ Normverstöße innerhalb jugendlicher Sprechergemeinschaften. Dies tun sie anhand des Phänomen des Grammatik-Nazis. Grundlage für die Analyse waren einerseits authentische Daten aus dem Internet und andererseits Whats-App-Nachrichten einer Gruppe gleichaltriger Jugendlicher.
Die folgenden zwei Beiträge von Konstanze Marx und Daniel Gysin bilden eine passende thematische Einheit: Marx betrachtet im Artikel „Funktionale Aspekte des Banter-Prinzips auf dem Prüfstand“ die sogenannte Online-Banter-Interaktion, also das humorvolle gegenseitige Beleidigen von Jugendlichen in Online-Communities. Sie stellt heraus, dass durch dieses Banter-Verhalten sowohl der Unterhaltungswert maximiert wird, als auch aktiv Online-Identitäten konstruiert werden. Gysin fokussiert in dem Beitrag „Höflichkeitsstrategien von Jugendlichen im Netz“ auf die gegenteilige Kommunikationsform im Netz und beschäftigt sich mit dem Austauschen von Höflichkeiten. Er analysiert unter anderem die Verwendung von Emoticons und stellt dadurch die Vielfältigkeit des Ausdrucks von Höflichkeit in der jugendlichen Online-Kommunikation heraus und zeigt, dass sich diese von der von Erwachsenen nur in der konkreten Ausgestaltung unterscheidet.
Weitere Beiträge dieses Themenblocks sind der von Ying Ma zum Code- und Script-Switching in Postings von chinesischen Germanistikstudierenden, der von Anja Vasiljevic zu Jugendsprache auf Facebook, in dem Jugendsprache auf dem sozialen Netzwerk auf lexikalischer Ebene untersucht wird und der von Joachim Gerdes zu jugendsprachlichen Entlehnungen im Standarddeutschen. Abgeschlossen wird der zweite Themenblock vom Beitrag „Neologismen und besondere syntaktische Strukturen in den Jugendzeitschriften BRAVO, BRAVO GiRL! und Mädchen“ von Sanela Mesic, die Neologismen und besondere syntaktische Strukturen in den Jugendzeitschriften BRAVO, BRAVO GiRL! und Mädchen untersuchte. Sie stellt darin heraus, dass die benutzte Sprache in den genannten Jugendzeitschriften höchst innovativ ist, die verwendeten Wörter aber nur teilweise der Jugendsprache entnommen wurden und es sich dabei häufig um neue Kompositionen aus Fragmenten der Jugendsprache und eigenen Wortschöpfungen handelt.
Zu 3. Sprachverwendung – Sprachvergleich
Der dritte und letzte Themenblock fasst abschließend drei Einzelbeiträge zusammen, die zunächst den Jugendsprachgebrauch in Österreich, im niederländischen Brabant und schließlich sprachübergreifende Eigenschaften der Jugendsprache herausarbeiten. Der Beitrag zum Sprachgebrauch von österreichischen Jugendlichen „Jugendsprache(n) in Österreich – Zur Interaktion von Dia- bzw. Regiodialekt und alterspräferentiellem Sprachgebrauch“ von Arne Ziegler und Melanie Lenzhofer fragt unter anderem danach wie Dialekt jugendliches Sprechen beeinflusst, nach potenziellen Stadt/Land-Differenzen und inwiefern der Sprachgebrauch Jugendlicher mit Migrationshintergrund Einfluss auf das jugendsprachliche Verhalten innerhalb einer gemischtethnischen Gruppe hat. Herausgestellt werden schließlich der Variantenreichtum der jugendlichen SprecherInnen und die teils sehr starken Stadt/Land-Differenzen.
Jos Swanenberg weist in seinem Artikel „Fine features. Youth language and culture in Brabant – The Netherlands“ auf den vielseitigen Gebrauch verschiedener Dialekte und Sprachen der Jugendlichen in Brabant hin und diskutiert inwiefern dieser grammatikalisch besondere Sprachgebrauch auch als Ausdruck ihrer Identität zu verstehen ist. Zuletzt unternimmt Ignacio M. Palacios Martinez im Beitrag „Describing Teen Talk Across Languages. A Preliminary Corpus-Based Study“ den Versuch sprachübergreifende Eigenschaften von Jugendsprache anhand lexikalischer Erscheinungen der spanischen und englischen Jugendsprache mit dem Verweis auf andere Sprachen zu beschreiben. Die Analyse legt einen ersten Grundstein für eine weiterführende und umfassendere sprachübergreifende Beschreibung von Jugendsprache.
Diskussion
Die Reihe „Sprache – Kommunikation – Kultur: Soziolinguistische Beiträge“ der Peter Lang Verlagsgruppe existiert bereits seit dem Jahr 2008 und in dieser Zeit wurden bereits 18 Bände veröffentlicht, die sich auf ganz unterschiedlichen Ebenen immer wieder ausgiebig mit der Analyse von Jugendsprache auseinandergesetzt haben. Im Bereich der Jugendsprachforschung ist diese Reihe im deutschsprachigen Raum deshalb eine erste Anlaufstelle für einen strukturierten Überblick über die nationale, aber auch internationale Jugendsprachforschung. Der nunmehr 19. Band fügt sich darin seht gut ein und bietet vor allem im Bereich der Nutzung von und des Umgangs mit Jugendsprache im schulischen Kontext eine ganze Reihe aktueller Forschungsergebnisse.
Die Strukturierung des Bandes in drei unterschiedliche Teilbereiche ist grundsätzlich gelungen, auch wenn diese nur in Grundzügen miteinander zusammenhängen und etwas der Eindruck entsteht, dass eine vollständige Fokussierung auf Jugendsprache und Schule und ein separater Band zum Thema Jugendsprache und Medien den vorliegenden Band homogener und weniger fragmentiert hätte wirken lassen. Trotz dieses minimalen Kritikpunktes kann übergreifend der Umstand lobend hervorgehoben werden, dass die HerausgeberInnen versucht haben innerhalb der drei Abschnitte thematisch zusammenpassende Einzelbeiträge sinnvoll zusammenzuführen. Dies sorgt vereinzelnd immer wieder für einen thematischen Fluss und einen so entstehenden Dialog zwischen den in sich abgeschlossenen Einzelbeiträgen. Diskussionswürdig ist indes, warum die Beiträge von Franc Wagner und Ulla Kleinberger, Eleonora Massa und Margrethe Heidemann Andersen, die sich auf unterschiedliche Weise unter anderem auch mit Kommunikationsformen in den neuen Medien beschäftigen, nicht im zweiten Themenblock „Medien“ aufgenommen wurden. Hier hätte gut die Brücke vom Themenkomplex Schule in den Bereich Medien geschlagen werden können.
Weiterhin positiv herauszustellen ist aber das in vielen Beiträgen zu findende Bestreben, über die germanistisch orientierte soziolinguistische Forschung hinaus zu denken und auch sozial-, kultur-, und medienwissenschaftliche Blickwinkel einzunehmen. Dieses zu fördernde Vorgehen eröffnet den Raum für ein weiterführendes interdisziplinäres Nachdenken über das komplexe Phänomen der Jugendsprache, von dem beispielsweise auch die Jugendmedienforschung stark profitieren könnte. Zu loben ist hier auch der letzte, mit nur drei Beiträgen leider sehr kurze Themenblock, indem eine internationale und sprachübergreifende Perspektive eingenommen wird.
Abschließend sei noch auf die Mannigfaltigkeit des in den Beiträgen und den zugrundlegenden Studien eingesetzte methodische Repertoires verwiesen, welches zeigt wie methodisch komplex soziolinguistische Forschung gestaltet werden kann. Dieses reicht von der Konversationsanalyse in Kombination mit kultureller Ethnografie, über die hermeneutische Soziologie hin zur Grounded Theory und Gattungsanalyse. Auch im Kontext der methodischen Umsetzung eignet sich dieses Buch sehr gut als Inspiration für zukünftige Forschungsarbeiten.
Fazit
Der Band bietet einen umfassenden Einblick in aktuelle Forschungsergebnisse der Jugendsprachforschung im schulischen Kontext und gibt darüber hinaus auch einen ersten Einblick in den Forschungsbereich Jugendsprache und neue Medien. Hier bietet der Band allerhand Anknüpfungspunkte für zukünftige Forschungsarbeiten in der linguistischen, aber auch der didaktischen und sozial-, kultur-, und medienwissenschaftlichen Forschung. Dazu beeindruckt die Vielfältigkeit der untersuchten Materialien und der Einsatz eines breit aufgestellten Methodenapparats.
Rezension von
Moritz Stock
Universität Siegen.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Lehrstuhl Medien und Kommunikation
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