Marina Metz: Migration – Ressourcen – Biographie
Rezensiert von Dr. Olga Frik, 08.03.2017

Marina Metz: Migration – Ressourcen – Biographie. Eine Studie über Zugewanderte aus der ehemaligen Sowjetunion. Springer VS (Wiesbaden) 2016. 268 Seiten. ISBN 978-3-658-13663-5. D: 39,99 EUR, A: 41,11 EUR, CH: 41,50 sFr.
Thema und Aktualität
Die Themenbereiche Migration und Ressourcen wurden in den letzten Jahren immer wieder im wissenschaftlichen und im politischen Diskurs aufgegriffen. Laut Metz ist die Wahrnehmung von Migranten und Migrantinnen als Experten und Expertinnen ihres Lebens innerhalb der (sozial- und erziehungswissenschaftlichen) Forschung trotz wachsender Popularität der Ressourcenorientierung nur bedingt vorhanden. Insofern schließt die vorliegende Studie eine vorhandene Forschungslücke.
Im Focus der vorliegenden Untersuchung liegen Migration und Ressourcen in ihrer vielschichtigen Wechselbeziehung zueinander unter gesamtbiographischer Perspektive. Marina Metz thematisiert in ihrer Studie die Wirksamkeit von biographischen Erfahrungen von Menschen im Migrationsprozess und untersucht sie im gesamtbiographischen Kontext. Besonderes Augenmerk gilt den Fragen, auf welche Weise biographische Erfahrungen zu Ressourcen werden und wie diese in der Migrationssituation wirken. Um diese Fragen zu beantworten, nimmt Metz die gesamtbiographische Perspektive ein.
Die empirische Grundlage der Studie bilden Biographien von Migranten und Migrantinnen aus der (ehemaligen) Sowjetunion, die in den 1990er Jahren nach Deutschland eingewandert sind. Das Ziel der Studie ist, Prozesse der biographischen Verarbeitung von Lebensereignissen, Besonderheiten und die Bedeutung dieser Prozesse für den Migrationsprozess am Beispiel von Migranten und Migrantinnen aus der ehemaligen Sowjetunion zu untersuchen. In ihrer Studie plädiert Metz dafür, die Migration unter dem Blickwinkel auf Ressourcen zu betrachten und zeigt schließlich die Notwendigkeit einer Perspektivenerweiterung.
Autorin
Marina Metz ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Lehre (Fachbereich Soziale Arbeit) an der Evangelischen Hochschule Darmstadt.
Aufbau und Inhalte
Die vorliegende Studie greift zentrale Aspekte auf, die für eine qualifizierte Betrachtung von Themenbereichen Migration und Ressourcen in ihrer vielschichtigen Wechselbeziehung zueinander unter gesamtbiographischer Perspektive von Bedeutung sind. Das Buch gliedert sich in die folgenden vier Teile:
- „Analytische Zugänge und Konsequenzen für den eigenen Forschungsprozess“
- „Untersuchungsdesign“;
- „Empirie“;
- „Schlussbetrachtung und weiterführende Perspektiven“.
In der Einleitung gibt die Autorin eine Einführung in die Thematik und einen Ausblick auf Inhalte und Aufbau ihrer Arbeit. Hier wird die Untersuchungsgruppe dargestellt. In diesem Einleitungskapitel wird die Untersuchungsperspektive der Studie erläutert und in die Forschungslandschaft eingeordnet.
Im ersten Teil („Analytische Zugänge und Konsequenzen für den eigenen Forschungsprozess“) werden im ersten Schritt die ausgesuchten Begriffskomplexe, die theoretischen Konzeptionen hinsichtlich ihrer Erkenntnisse, Grenzen und offenen Fragen diskutiert. Dann werden Irritationen aufgedeckt und kritisch reflektiert. Anschließend gibt es hier einen Überblick über den Forschungsstand mit dem thematischen Schwerpunkt auf die Migration aus der (ehemaligen) Sowjetunion. Danach werden die Fragen nach dem Aufenthaltsstatus bzw. den Einreisemodalitäten diskutiert und die daraus entstehenden Irritationen nachgezeichnet. Metz erweitert den analytischen Rahmen auf Forschungsausrichtungen, welche eine ressourcenorientierte Forschungsperspektive verfolgen bzw. Studien aus dem Bereich der zentralen Dimensionen, Migration – Ressourcen – Biographie, vereinen. Die Autorin baut auf die gewonnenen Erkenntnisse auf und entwirft den analytischen Rahmen der Untersuchung.
Im Teil II („Untersuchungsdesign“) wird der methodische Zugang zur Untersuchungsgruppe ausführlich dargestellt. Hier werden die methodologischen und methodischen Grundlagen erläutert. Metz legt die Prozesse der Datenerhebung (Lebensgeschichten in Form von biographisch-narrativen Interviews) und der Erarbeitung der Fallrekonstruktionen offen. Hier werden die Forschungsfragen gestellt:
- Auf welche Weise erwerben Menschen unterschiedliche biographische Erfahrungen und welche Faktoren tragen dazu bei?
- Wie bilden sich die unterschiedlichen Erfahrungshintergründe möglicherweise zu Ressourcen bzw. zu den lebenserhaltenden Strategien zur Bewältigung der belastenden Lebenssituationen vor der Migration?
- Inwieweit können Migranten und Migrantinnen auf ihre Strategien und Ressourcen nach der Migration zurückgreifen, d. h. ob und ggf. wie ihre biographischen Erfahrungen vor der Migration einen Einfluss auf die Bewältigung der Migrationssituation bzw. auf die Eingliederung in das neue gesellschaftliche System haben?
- Wie wirken unterschiedliche biographische Erfahrungen als Ressourcen für die Fortentwicklungen bzw. für die Alltagsbewältigung sowohl vor als auch nach der Migration? (S.67)
Teil III („Empirie“) ist der Empirie gewidmet. Hier stellt Metz die Ergebnisse der Fallrekonstruktionen und Auswertungsschritte dar. Es folgen die Ergebnisse der komparativen Analyse aus den Fallrekonstruktionen. Mittels der rekonstruktiven Verfahren wurden Ergebnisse erzeugt, welche erlauben, Aussagen über die Entstehung von biographischen Ressourcen sowie über ihre spezifischen Entwicklungsdynamiken im gesamtbiographischen Verlauf und explizit im Migrationsprozess zu treffen (S.205). Des Weiteren werden hier die Diskussion der Forschungsergebnisse und verallgemeinernde Aussagen über das Verhältnis von biographischen Erfahrungen und Ressourcen im Migrationsprozess der untersuchten Gruppe aufgeführt.
Im Teil IV („Schlussbetrachtung und weiterführende Perspektiven“) interpretiert Metz die Gesamtergebnisse der empirischen Befunde. Hier gibt es eine abschließende Betrachtung in Bezug auf das Zusammenspiel zwischen biographischen Erfahrungen, Migration und Ressourcen. Diese Betrachtung folgt dem Anspruch, den ressourcenorientierten Forschungsansatz auf weitere gesellschaftliche Gruppen übertragen zu können.
Zielgruppen
Das Buch eignet sich für Studierende und Lehrende der Studiengänge aus den Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik, Erziehungswissenschaften, empirische Sozialforschung und Migrationsforschung. Es kann sich aber auch an diejenigen Leser richten, die sich für die Migrationsthematik interessieren, und könnte deshalb für einen breiten Leserkreis empfohlen werden.
Diskussion
Marina Metz hat eine theoretisch sachhaltige, prägnante und durch die Auszüge aus den Interviews lebendige qualitative Studie über Themenbereiche Migration und Ressourcen am Beispiel von Migranten und Migrantinnen aus der ehemaligen Sowjetunion vorgelegt, die zudem gut lesbar und sinnvoll strukturiert ist, was einen angenehmen Eindruck beim Lesen vermittelt. Ihre kenntnisreichen Diskussionen mit bisherigen Theorien und Annahmen zum Gegenstand tragen zu einem differenzierten Verständnis des Themenfeldes Migration und Ressourcen bei.
Die Ergebnisse der Studie von Marina Metz zeichnen in der Zusammenschau ein wesentlich differenzierteres Bild der Migration aus der ehemaligen Sowjetunion, als es bisher in der Migrationsforschung vorhanden war und liefern einen Beitrag zur aktuellen Diskussion bezüglich der Migration. Außerdem unterstreichen die Untersuchungsergebnisse die Notwendigkeit, den Blick stärker als bisher auf die Ressourcen der Zugewanderten zu richten, und öffnen somit sowohl neue Perspektiven für theoretische wie auch empirische Auseinandersetzungen mit der Migrationsthematik. Es stellen sich zahlreiche interessante Anschlussfragen und es zeigen sich Möglichkeiten zu weiteren Forschungsprojekten.
Fazit
Das Buch eröffnet Zugänge zu dem bisher vernachlässigten Thema Migration und Ressourcen. Mein persönlicher Eindruck ist: Es handelt sich hier um ein interessantes und lesenswertes Buch, das zum Weiterdenken anregt. Die gesammelten Erkenntnisse wurden in einer klaren und verständlichen Sprache dargelegt, was das vorliegende Buch zu einer aufschlussreichen und lohnenswerten Lektüre macht.
Rezension von
Dr. Olga Frik
Finanzuniversität, Omsk, Russische Föderation. Ehemalige Lehrbeauftragte und Gastwissenschaftlerin an der Leibniz-Universität Hannover
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