Tobias Fimpler, Philipp Hannen: Kernaufgaben der offenen Jugendarbeit
Rezensiert von Manuel Fuchs, 02.02.2018

Tobias Fimpler, Philipp Hannen: Kernaufgaben der offenen Jugendarbeit. Auseinandersetzung mit Selbstverständnis und eigenständiger Legitimation. Springer VS (Wiesbaden) 2016. 137 Seiten. ISBN 978-3-658-14606-1. D: 39,99 EUR, A: 41,11 EUR, CH: 41,50 sFr.
Entstehungshintergrund
Die Publikation resultiert aus der Masterarbeit von Tobias Fimpler und Philipp Hannen, zwei Absolventen des Masterstudiums „Jugendhilfe – Konzeptentwicklung und Organisationsgestaltung“ an der Fachhochschule Münster.
Thema
Die Publikation trägt den Titel „Kernaufgaben der Offenen Jugendarbeit“ sowie den Untertitel „Auseinandersetzung mit Selbstverständnis und eigenständiger Legitimation“. Die Autoren befassen sich im Rahmen einer Literaturarbeit mit grundsätzlichen Fragen nach der Legitimation der Offenen Jugendarbeit als Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe. Inhaltlicher Ausgangspunkt der Publikation stellt zunächst die Lebensphase Jugend dar, welche auf der Grundlage verschiedener Bezugswissenschaften interdisziplinär beschrieben wird. Weiterführend beschäftigen sich die Autoren mit der Fragestellung, welche Kernaufgaben die Offene Jugendarbeit in Bezug auf die Lebensphase Jugend aufweist. Die Autoren beschränken sich bei ihrer Analyse gezielt auf bestehende wissenschaftlich-theoretische Literatur und wollen auf dieser Grundlage zu einer Profilschärfung der Offenen Jugendarbeit anregen.
Autoren
Die Autoren Tobias Fimpler und Philipp Hannen sind seit Abschluss ihres Masterstudiums „Jugendhilfe – Konzeptionsentwicklung und Organisationsgestaltung“ an der FH Münster als Lehrbeauftragte im Fachbereich Sozialwesen sowie in der Praxis der Kinder- und Jugendarbeit tätig. Das Verfassen der Publikation folgt der Intention der Autoren, eine Profilstärkung der Offenen Jugendarbeit sowohl im (selbstreflexiven) wissenschaftlichen Kontext als auch bezogen auf Politik und Kommunalverwaltung zu fördern.
Aufbau
Die Publikation gliedert sich in folgende sechs Kapitel:
- Einleitung
- Jugend – interdisziplinär betrachtet
- Leistungen ausgewählter Sozialisationsinstanzen hinsichtlich der Lebensphase Jugend
- Das Profil der Offenen Jugendarbeit
- Offene Jugendarbeit und eigenständige Legitimation
- Kritische Würdigung
Inhalt
In der Einleitung (Kapitel 1) stellen die Autoren neben der Vorstellung des thematischen Aufbaus den Entstehungskontext, die Hauptfragestellung und die Zielsetzung der Publikation vor. Weiter grenzen Fimpler und Hannen den Fokus ihrer Publikation explizit ein und ordnen das Arbeitsfeld der Offenen Jugendarbeit der Kinder- und Jugendhilfe zu. Weiter konzentrieren sich die Autoren in ihren Ausführungen auf die Zielgruppe „Jugendlicher“ – ohne, dass sie jugendkulturelle, geschlechterspezifische u.a. Unterscheidungen herausarbeiten.
In Kapitel „Jugend – interdisziplinär“ (Kapitel 2) stellen Fimpler und Hannen im Anschluss an ihre geäußerten Vorüberlegungen (Kapitel 2.1) verschiedene disziplinäre Zugänge mit deren zentralen Erkenntnissen und Relevanzen für die Hauptfragestellung vor.
- Zunächst beschreiben sie psychologische Aspekte des Jugendalters (Kapitel 2.2). Hierbei stellen die Autoren zentrale Aspekte einschlägiger Konzepte und Theorien zur Entwicklungspsychologie des Jugendalters vor. Dieses Vorgehen folgt dem Ziel die Aufgaben und Legitimation von Offener Jugendarbeit aus der Perspektive der Entwicklungspsychologie spezifisch herauszuarbeiten. Hierbei richtet sich der Fokus auf eine Beschreibung zentraler Aspekte u.a. der kognitiven und biophysiologischen Entwicklung, den Entwicklungsaufgaben, der Identitätsbildung / -arbeit und der Umwelt der Jugendlichen.
- Im weiteren Verlauf wird in Kapitel Jugend – soziologisch (Kapitel 2.3) eine jugendsoziologische Perspektive eingenommen. Hierbei stellen die Autoren zentrale Erkenntnisse aus Theorien und Konzepten der Jugendsoziologie dar.
- In Kapitel 2.4 folgen weitere disziplinäre Betrachtungen von Jugend aus der Perspektive der Rechtswissenschaft und Kriminologie, der Ökonomie, Politik- und Kulturwissenschaft.
- In einer Zusammenfassung (Kapitel 2.5) kommen Fimpler und Hannen schließlich zu einer Schlussbetrachtung und leiten zum Folgekapitel über.
Im Kapitel „Leistungen ausgewählter Sozialisationsinstanzen hinsichtlich der Lebensphase Jugend“ (Kapitel 3) werden die im Kapitel 2 vorgestellten disziplinären Zugänge miteinander verknüpft, um den daraus heraus resultierenden Unterstützungsbedarf im Kontext der Entwicklung Jugendlicher zu selbstbestimmten und gesellschaftlich mitverantwortlichen Persönlichkeiten herauszuarbeiten. Hierbei stellen die Autoren auch Bezüge zur Relevanz und zur Bedeutung verschiedener Sozialisationsinstanzen für junge Menschen her. Hierfür wird in Kapitel 3.1 zunächst eine Klärung und Schärfung des Begriffs „Sozialisation“ vorgenommen, um schließlich näher auf die Strukturen, Erscheinungsformen und Funktionen der Sozialisationsinstanzen
- Familie (Kapitel 3.2),
- Peergroup (Kapitel 3.3) und
- Schule/Ausbildungssystem (Kapitel 3.4) einzugehen.
Das Kapitel 4 befasst sich mit dem „Profil der Offenen Jugendarbeit“. Zur Darstellung des Profils greifen die Autoren auf das zuvor entwickelte interdisziplinäre Bild der Lebensphase Jugend (Kapitel 2) und die eruierten gesellschaftlichen Erwartungen und Anforderungen an Jugendliche in den unterschiedlichen Sozialisationsinstanzen (Kapitel 3) zurück und präzisieren das Arbeitsfeld der Offenen Jugendarbeit, ihre Bezugsgruppen und ihre Sozialisationsfunktion (Kapitel 4.1 – 4.4).
In Kapitel 5 „Offene Jugendarbeit und eigenständige Legitimation“ wird die eingangs gestellte Fragestellung beantwortet. Mit Rückgriffen auf die vorigen Kapitel identifizieren und begründen die Autoren verschiedene Funktionen und zentrale Aspekte des spezifischen Selbstverständnisses Offener Jugendarbeit.
- In diesem Zusammenhang heben die Autoren auch die zentrale Bedeutung der weiterzuverfolgenden Reflexivität und Analyse hinsichtlich der grundsätzlichen Funktion Offener Jugendarbeit als Schlüsselelemente einer wirksamen Legitimation hervor (Kapitel 5.1).
- Abschließend formulieren die Autoren Handlungsempfehlungen mit Blick auf Politik und Kommunalverwaltung (Kapitel 5.2).
Die Publikation schließt mit dem Kapitel „Kritische Würdigung“ (Kapitel 6). Hier rekapitulieren die Autoren ihr methodisches und inhaltliches Vorgehen in aller Kürze, weisen die Limitationen ihrer Befunde aus und verorten ihre Publikation im aktuellen Diskurs der Offenen Jugendarbeit.
Diskussion
Die Publikation von Fimpler und Hannen nimmt Bezug auf die wiederkehrende und bedeutsame Fragestellung, wie sich das Arbeitsfeld der Offenen Jugendarbeit (selbst) legitimiert. Um diese Frage zu beantworten ziehen die Autoren einschlägige theoretisch-wissenschaftliche Befunde aus Sozialer Arbeit, Psychologie, Soziologie und weiteren Bezugswissenschaften heran. Aufgrund dessen, dass es sich bei der Publikation um die Veröffentlichung einer Masterarbeit handelt ist es plausibel, dass die Autoren auf eine tiefgreifende und vollständige Darstellung von Befunden und Diskursen der einzelnen Wissenschaftsbereiche als auch auf einen Einbezug empirischer Befunde zum Gegenstand verzichtet haben und sich in ihren Ausführungen auf die Zielgruppe der Jugendlichen beschränken.
Die Stärke der Publikation liegt in der prägnanten Darstellung und Zusammenführung verschiedener relevanter Legitimierungszusammenhänge für die Offene Jugendarbeit. Auf diese Weise gelingt es den Autoren zentrale Kernaufgaben der Offenen Jugendarbeit herauszuarbeiten um dessen Profil für den wissenschaftlichen und kommunalpolitischen Diskurs weiter zu schärfen. Das formulierte Ziel der Autoren den wissenschaftlichen Diskurs als auch die Auseinandersetzung mit der Legitimation Offener Jugendarbeit in Politik und Kommunalverwaltung zu fördern beschränkt sich auf die Formulierung allgemeiner Handlungsempfehlungen. Für den aktuellen Legitimationsdiskurs zur Offenen Jugendarbeit wäre es förderlich gewesen die Handlungsempfehlungen für die Bereiche Politik und Kommunalverwaltung noch etwas spezifischer herauszuarbeiten. Gleichwohl leisten Fimpler und Hannen mit ihrer Publikation wichtige Impulse zur Weiterentwicklung und Profilschärfung der Offenen Jugendarbeit – es ist zu hoffen, dass das Arbeitsfeld der Offenen Jugendarbeit in Theorie und Praxis diesen wichtigen Impuls nicht nur zur Selbstreflexion, sondern auch zur (gemeinsamen) Diskussion nutzt.
Fazit
Die Publikation setzt sich mit der für die Offene Jugendarbeit sehr bedeutsamen Thematik der Legitimation des Arbeitsfeldes Offener Jugendarbeit auseinander. Die Publikation von Fimpler und Hannen ermöglicht es wichtige Antworten auf die Frage zu geben, welche gesellschaftliche und sozialisatorische Funktion die Offene Jugendarbeit einnehmen kann und hilft den Diskurs zur Legitimation Offener Jugendarbeit zu verstehen und neu anzuregen. Auf diese Weise finden Leserinnen und Leser unterschiedliche theoretisch begründete Argumente zur Funktion und Bedeutung Offener Jugendarbeit für die Zielgruppe und die Gesellschaft. Die Publikation unterstützt vor allem Fachkräfte aus der Praxis Offener Jugendarbeit (insbesondere auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger), Studierende aus den Sozialwissenschaften und Fachpersonen aus der Kommunalverwaltung in kurzer Zeit zentrale Aspekte der Lebensphase Jugend im Kontext des Arbeitsfeldes der Offenen Jugendarbeit zu verstehen und zu reflektieren. Darüber gibt die Publikation wertvolle Impulse zur Fortführung des Diskurses in der Wissenschaft und liefert erste wichtige Hinweise zur Weiterentwicklung der Beziehung und Zusammenarbeit von Forschung und Praxis. Abschließend ist zu bemerken, dass die Publikation die Freude daran weckt, sich mit Fragen zur Legitimation und damit verknüpft mit der wichtigen Funktion Offener Jugendarbeit für Jugendliche aufs Neue auseinanderzusetzen.
Rezension von
Manuel Fuchs
M.A.
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut Kinder- und Jugendhilfe, Hochschule für Soziale Arbeit, Fachhochschule Nordwestschweiz
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