Birgit Apfelbaum, Nina Efker et al.: Technikberatung für ältere Menschen und Angehörige
Rezensiert von Prof. Stefan Müller-Teusler, 16.01.2017
Birgit Apfelbaum, Nina Efker, Thomas Schatz: Technikberatung für ältere Menschen und Angehörige. Praxis-Tipps für ein Service-Angebot in der Kommune.
Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. - DV
(Berlin) 2016.
129 Seiten.
ISBN 978-3-7841-2923-5.
D: 15,90 EUR,
A: 16,40 EUR,
CH: 19,90 sFr.
Deutscher Verein für Öffentliche und Private Fürsorge: Hand- und Arbeitsbücher, H 22. Für Mitglieder des Deutschen Vereins 12,90 €.
Entstehungshintergrund und Thema
Der demographische Wandel ist vielfach verschlafen worden, obwohl die Prognosen lange bekannt waren. Neben der Frage von Versorgung und Betreuung von älteren Menschen im Kontext des Fachkräftemangels steht auch die Frage nach technischen Unterstützungsmöglichkeiten im Raum.
Hier setzt das Buch (noch rechtzeitig) an: Im Rahmen eines Modellprogramms gab es für 22 Kommunen die Möglichkeit, für zwei Jahre eine geförderte Technikberatungsstelle für ältere Menschen und Angehörige einzurichten. Die Autor_innen waren an zwei Beratungsstellen (Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt) selber tätig als auch in der wissenschaftlichen Begleitung. Gleichwohl ist das Buch keine Evaluationsstudie, sondern – das sei vorweggenommen – ein sehr geglückter Leitfaden zum Aufbau und zur Funktionsweise einer solchen Beratungsstelle.
Die Autor_innen
- Prof. Dr. phil. Birgit Apfelbaum lehrt und forscht an der Hochschule Harz und entwickelt den Forschungsschwerpunkt „Demographischer Wandel als Impuls für Soziale Innovation im ländlichen Raum“.
- Nina Efker hat u. a. die Senioren-Technikberatung in Solingen aufgebaut und dort vernetzte Angebote etabliert.
- Thomas Schatz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Harz und hat in Wanzleben-Börde die Senioren-Technikberatung aufgebaut.
Aufbau und Inhalt
Eine ausführliche und übersichtliche Einleitung führt einerseits in das Thema ein und gibt andererseits einen guten Überblick über die thematisierten Inhalte. Jedes Kapitel ist für sich abgeschlossen, sodass das Buch auch als Nachschlagewerk zu einzelnen Themen genutzt werden kann.
In der Vorahnung, dass viele Kommunen argumentieren, eine solche Beratungsstelle bräuchten sie nicht mit dem Verweis auf Pflegedienste, Kümmerer/Seniorenbegleiter und vorhandene Beratungsstellen für Senioren, ist das 2. Kapitel ganz der Notwendigkeit und Argumentation für eine solche Beratungsstelle gewidmet. 8 Argumente führen die Autor_innen an, die u. a. die Attraktivität einer Kommune als Lebensort steigern können. Das ist wohl die doppelte „Vergeblichkeitsfalle“ (S. 9): Die eine Zielgruppe, nämlich die Menschen, brauchen die Beratung noch nicht oder nicht mehr (so jedenfalls die häufigen Aussagen), die andere Zielgruppe, nämlich die Kommunen, weisen auf fehlende Haushaltsmittel hin und sehen hier Nachbesserungsbedarf bei den Aufgaben der Pflegekassen.
Im dritten Kapitel geht es um die Aufgaben und Zielgruppen der Technikberatung. Dabei ist den Autor_innen wichtig, dass es um pragmatische Beratung geht, nicht um technisch anspruchsvolle Lösungen. Dazu passt auch, dass sie acht verschiedene Zielgruppen (S. 25) aufzählen, für die jeweilige Beratungsprozesse unterschiedlich gestaltet sein müssen. Erfreulich ist auch, dass die ethischen Dimensionen eigens angesprochen werden, damit die Euphorie des technisch Machbaren nicht Überhand gewinnt.
Das 4. Kapitel thematisiert, wie eine Senioren-Technikberatung aufgebaut werden soll. Dazu gehört die Einbindung in bestehende Netzwerke wie auch die lokale Etablierung. Inhaltlich leitet das Kapitel schon zu Formen der Beratung über, denn es geht um die Art und Weise des Erreichens der Zielgruppen. Dazu gehören auch geeignete Mitarbeiter_innen, die technisch versiert sind und beraten können (oder es gibt eine doppelte Stellenbesetzung). Wichtig ist die Beratung „aus dem Koffer“, denn es geht meistens um aufsuchende Beratung.
Beratung ist eine wichtige Form professioneller Sozialer Arbeit, da macht die Senioren-Technikberatung keine Ausnahme. Dementsprechend widmet sich Kapitel 5 dem Beratungsprozess sowohl was den Akteur betrifft, als auch die Interaktion und die Zielgruppen.
Die aufsuchende Beratung und der Beratungsprozess erfordert es, dass Berater über die Lebensphase Alter Kenntnisse haben und diese auf Technik beziehen können. Das ist Inhalt des 6. Kapitels, wobei die Überschrift „Die Zielgruppe Senior/innen erreichen“ vielleicht irritierend ist, besser wäre etwas wie „Grundlagen zu Alter und Technik“.
Kapitel 7 ist mit knapp 3 Seiten sehr kurz und ist stichwortartig eine Zusammenfassung zu motivierenden Faktoren für eine Beratungsstelle wie auch der Umgang mit Zugangsbarrieren.
Das letzte Kapitel 8 greift die Evaluation der Modellprojekte auf. Daraus werden 20 Handlungsempfehlungen formuliert und erläutert, die gut die Argumente für eine Etablierung einer solchen Technikberatung (vgl. Kapitel 2) ergänzen. Auch hier ist die Überschrift „Zugangsbarrieren überwinden: 20 Handlungsempfehlungen“ etwas unglücklich, denn das Kapitel auf der vorherigen Seite (7.2) ist ebenfalls mit „Zugangsbarrieren“ überschrieben. Da dieses Kapitel auch einen resümierenden Charakter hat, wäre als Überschrift „Senioren-Technikberatung: 20 Handlungsempfehlungen“ vielleicht passender gewesen.
Ein bebilderter Anhang (24 Seiten) mit Beispielprodukten für eine Beratungsstelle, die im Sinne der Menschen ganz pragmatisch sind, bilden den Schluss des Buches.
Diskussion und Fazit
Wie eingangs schon erwähnt, ist das Buch sehr gut gelungen, anschaulich und dennoch nicht plakativ. Die Mischung aus eigenen Erfahrungen aus der Senioren-Technikberatung und die Evaluation des Modellprogramms sowie fachliche Aspekte zu spezifischen Themen (z. B. Beratung) fließen gut zusammen, wobei es hier nicht um die Wissenschaftlichkeit und die Empirie geht, sondern um die gewonnenen Erfahrungen. Im Sinne der gewonnenen Erfahrungen verzichten die Autor_innen auf eine Wissenschaftssprache, sondern schreiben gut und allgemein verständlich, so dass das Buch eine breite Zielgruppe hat: Wohlfahrtsverbände, Pflegedienste, letztendlich auch Pflegekassen, Auszubildende sowieso und vor allen Dingen: (Kommunal-) Politiker sowie andere Beratungsdienste für Senioren. Wer auf eine breite Darstellung von AAL-Systemen gehofft hat, wird hier kaum fündig. Zum einen passen diese kaum in den Beratungskoffer, zum anderen sind sie vielfach technisch sehr aufwendig (und teuer) und scheiden damit als pragmatische Lösung aus. Im Anhang des Buches sind ein paar Dinge genannt, die in AAL-Systeme eingebunden werden können, was aber nicht im Fokus dieses Buches steht.
Die Autor_innen weisen zu Recht auf die dringende Notwendigkeit solcher Beratung hin, das können Pflegedienste und Sanitätshäuser in der Breite nicht abdecken. Es ist dem Buch zu wünschen, dass es eine breite Leserschaft findet und die Botschaften bei den relevanten Entscheidungsträgern ankommen und bald umgesetzt werden.
Rezension von
Prof. Stefan Müller-Teusler
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