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Heike Wendt, Wilfried Bos et al. (Hrsg.): TIMSS 2015 Mathematische und natur­wissenschaftliche Kompetenzen (...)

Rezensiert von Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Heekerens, 21.12.2016

Cover Heike Wendt, Wilfried Bos et al. (Hrsg.): TIMSS 2015 Mathematische und natur­wissenschaftliche Kompetenzen (...) ISBN 978-3-8309-3566-7

Heike Wendt, Wilfried Bos, Christoph Selter, Olaf Köller, Knut Schwippert et al. (Hrsg.): TIMSS 2015 Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Waxmann Verlag (Münster, New York) 2016. 408 Seiten. ISBN 978-3-8309-3566-7. D: 39,90 EUR, A: 41,10 EUR.

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Thema

Das Buch stellt Anlage und Ergebnisse der Trends in International Mathematics and Science Study (TIMSS) 2015 sowie in diesem Kontext interessierende Daten und Analysen vor.

Entstehungshintergrund

TIMSS (https://de.wikipedia.org/wiki/Trends_in_International_Mathematics_and_Science_Study) ist eine international-vergleichende den mathematischen und naturwissenschaftlichen Bereich betreffende Schulleistungsstudie, die seit 1995 alle vier Jahre durchgeführt wird. Wie bereits in den Jahren 2007 und 2011 (vgl. dazu Heekerens, 2013a) hat sich Deutschland auch im (Früh-)Jahr 2015 mit der vierten Jahrgangsstufe an der Studie beteiligt.

Herausgeberin und Herausgeber

  • Wilfried Bos, seit 2005 Professor für Bildungsforschung und Qualitätssicherung an der TU Dortmund und 2005-2014 Direktor des dortigen Instituts für Schulentwicklungsforschung (IfS; www.fk12.tu-dortmund.de/cms/de/home/Personen) ist als Autor und Herausgeber deshalb an erster Stelle zu nennen, weil die Durchführung von TIMSS 2015 wie zuvor schon von TIMSS 2007 und TIMSS 2011 dem IfS oblag und Wilfried Bos stets als wissenschaftlicher Leiter der Studien fungierte.
  • Heike Wendt (www.ifs.tu-dortmund.de/cms/de/home/Mitarbeiter) ist Mitarbeiterin am o. g. Institut und National Research Coordinator sowohl für TIMSS 2015 als auch für Progress in International Reading Literacy Study (PIRLS) 2016.
  • Christoph Selter (http://madipedia.de/wiki/Christoph_Selter) ist Professor für Mathematikdidaktik an der TU Dortmund; er hat auch schon bei TIMSS 2007 und 2011 mit gearbeitet.
  • Olaf Köller ist seit 2009 Geschäftsführender Wissenschaftlicher Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik an der Universität Kiel (www.ipn.uni-kiel.de/de/das-ipn), Mitarbeiter am Nationalen Bildungspanel sowie einer der wenigen deutsch(sprachig)en Bildungsexperten, der John Hatties zusammenfassende Analysen der empirischen Forschung zur Unterrichtsqualität (vgl. Heekerens, 2013b, 2014) zur Kenntnis genommen hat (vgl. etwa www.emse-netzwerk.de [zuletzt aufgerufen am 10.12.2016]).
  • Knut Schwippert (www.ew.uni-hamburg.de) ist Professor für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Empirische Bildungsforschung, Internationales Bildungsmonitoring und Bildungsberichterstattung an der Universität Hamburg. Er kennt TIMSS noch aus Zeiten, da sie hierzulande noch überhaupt nicht realisiert wurde: Er war in den 1990ern als Datenanalytiker für TIMSS tätig.
  • Daniel Kasper (www.fk12.tu-dortmund.de) mit ausgewiesener Kompetenz in Statistik, Psychometrie und Forschungsdesigns ist Mitarbeiter am o. g. Dortmunder Institut für Schulentwicklungsforschung.

Herausgeberin und Herausgeber fungieren – neben anderen Personen – auch als Autor(inn)en; die werden nachfolgend beim jeweiligen Beitrag namentlich aufgeführt.

Aufbau und Inhalt

Das knappe Vorwort stammt von Wilfried Bos dessen zentrale Passage den Inhalt des Buches in prägnanter Weise zusammenfasst: „Deutschland beteiligte sich im Jahr 2015 zum dritten Mal – zuvor in den Jahren 2007 und 2011 – mit der vierten Jahrgangsstufe an der Studie. Dies ermöglicht neben der Berichterstattung aktueller Befunde aus TIMSS 2015 in nationaler und internationaler Perspektive auch den Blick auf Trendverläufe seit 2007. Neben der Frage, welche Kompetenzen Schülerinnen und Schüler am Ende der vierten Jahrgangsstufe in den Domänen Mathematik und Naturwissenschaften in Deutschland und im internationalen Vergleich erreichen, legt der vorliegende Berichtsband den Fokus auf weitere relevante Faktoren schulischen Lehrens und Lernens: Schulische Rahmenbedingungen werden hinsichtlich der Aus- und Fortbildung von Lehrerinnen und Lehrern, der Merkmale des Fachunterrichts und des Lernens im Ganztag beleuchtet. Zusätzlich werden die Nutzung von außerschulischem Nachhilfeunterricht sowie soziale Kompetenzen von Kindern am Ende der Grundschulzeit betrachtet.

Einen weiteren Themenschwerpunkt bilden die Disparitäten im Kompetenzerwerb am Ende der Grundschulzeit: Im Fokus stehen Fragen nach Leistungsunterschieden zwischen Mädchen und Jungen, Kindern unterschiedlicher sozialer Herkunft und Migrationshintergründe sowie die Bedeutung von Schülerleistungen für die Schullaufbahn- und für Übergangsempfehlungen. Ein abschließendes Kapitel gibt zudem einen knappen Überblick zu zentralen Bildungsreformen im Primarbereich seit der Jahrtausendwende und analysiert vertiefend Trends in mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland von 2007 bis 2015.“ (S. 11-12)

Das erste Kapitel TIMSS 2015: Wichtige Ergebnisse im Überblick (Wilfried Bos, Heike Wendt, Olaf Köller, Christoph Selter, Knut Schwippert und Daniel Kasper) bietet zwischen den Abschnitten „Einleitung“ und „Bildungspolitische und didaktische Forderungen“ eine Darstellung zentraler Ergebnisse mit vier Schwerpunkten:

  1. Mathematische Kompetenzen im internationalen Vergleich
  2. Naturwissenschaftliche Kompetenzen im internationalen Vergleich
  3. Merkmale von Lehr- und Lernbedingungen im Primarbereich
  4. Trends in den Schülerleistungen.

Das vorliegende Kapitel und seine Strukturierung bieten Anlass, die für Leser(innen) aus der Sozialen Arbeit relevant erscheinende TIMSS 2015 – Ergebnisse zusammenfassend an dieser Stelle darzulegen. Dazu wird die o. g. Schwerpunkt – Ordnung zur Gliederung herangezogen, die dargestellten Ergebnisse beruhen aber nicht samt und sonders auf Angaben des 1. Kapitels; wo es dort an Angaben mangelte oder diese zu wenig differenziert erschienen, wurde auf Resultate aus den einschlägigen Sachkapiteln zurückgegriffen. Die zentralen Ergebnisse von TIMSS 2015 lassen sich damit in stark komprimierter Form wie folgt darstellen.

1. Mathematische Kompetenzen im internationalen Vergleich:

  • Mit einem Leistungsmittelwert von 522 Punkten befinden sich die deutschen Schüler(innen) im Mittelfeld der Rangreihe der teilnehmenden Staaten. Dieser Wert liegt einerseits signifikant über dem internationalen Mittelwert (509 Punkte), andererseits aber signifikant unter sowohl dem Mittelwert der teilnehmenden EU-Staaten (527 Punkte) wie dem der OECD-Staaten (528 Punkte). Signifikant bessere Mathematikleistungen als Deutschland erzielen 21 Staaten; darunter sind 12 EU-Staaten.
  • Immerhin 23 Prozent, also bald ein Viertel der Schüler(innen) in Deutschland erreichen nicht die Kompetenzstufe III; sie verfügen allenfalls über ein elementares mathematisches Wissen sowie über elementare mathematische Fähigkeiten und Fertigkeiten, mathematisches Lernen in der Sekundarstufe I wird dieser Schüler(innen)gruppe erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Signifikant höher als in Deutschland ist der Prozentsatz dieser Gruppe in 12 Teilnehmerstaaten, signifikant niedriger hingegen in 16, darunter 10 europäischen.
  • Lediglich 5 Prozent der Schüler(innen) in Deutschland erreichen die höchste Kompetenzstufe V; sie verfügen über mathematische Fähigkeiten und Fertigkeiten zur Lösung verhältnismäßig komplexer Probleme. Signifikant größere Prozentanteile in dieser Spitzengruppe verzeichnen 24 Teilnehmerstaaten, darunter 11 europäische.

2. Naturwissenschaftliche Kompetenzen im internationalen Vergleich

  • Mit einem Leistungsmittelwert von 528 Punkten befinden sich die deutschen Schüler(innen) in der oberen Hälfte der Rangreihe der Teilnehmerstaaten. Dieser Wert liegt signifikant über dem internationalen Mittelwert (505 Punkte) und auf einem vergleichbaren Niveau wie die Mittelwerte der teilnehmenden EU-Staaten (525 Punkte) sowie OECD-Staaten (527 Punkte). In 15 Staaten, darunter 6 EU-Mitgliedsstaaten, zeigen die Schüler(innen) signifikant bessere Kompetenzen als in Deutschland.
  • 22 Prozent und damit ein gutes Fünftel der Schüler(innen) in Deutschland erreichen nicht die Kompetenzstufe III; diese Schüler(innen) können zwar elementares Faktenwissen abrufen, allerdings fehlt es ihnen an einem grundlegenden naturwissenschaftlichen Verständnis, womit die Voraussetzungen für den weiteren Wissenserwerb ungünstig sind. In 9 Teilnehmerstaaten ist der Prozentsatz dieser Gruppe signifikant höher, signifikant niedriger hingegen in 12, darunter 5 europäischen.
  • Nur knappe 8 Prozent der Schüler(innen) in Deutschland erreichen die höchste Kompetenzstufe V; diese Schüler(innen) können bereits am Ende der Grundschulzeit naturwissenschaftliche Zusammenhänge verstehen sowie begründen und weisen elementare Fähigkeiten im Bereich der naturwissenschaftlichen Denk- und Arbeitsweisen auf. 14 Teilnehmerstaaten, darunter 5 europäische, erzielten hier signifikant größere Prozentanteile.

3. Geschlecht, sozio-ökonomischer Status und Migrationshintergrund als (mögliche) Einflussfaktoren von Disparitäten

  • Für die Gesamtskala Naturwissenschaften zeigt sich in Deutschland kein signifikanter Geschlechtsunterschied. Wohl aber (zugunsten der Jungen) einer für die Gesamtskala Mathematik, der aber mit 5 Prozent absolut klein und im internationalem Vergleich als „normal“ anzusehen ist; Deutschland weicht hier weder vom EU- noch vom OECD-Mittelwert ab. „Normal“ muss man mit „üblich“ übersetzen, nicht mit „naturwüchsig“. Denn es gibt Länder, in denen die Mädchen nicht nur in den Naturwissenschaften signifikant besser abschneiden als die Jungen, sondern auch in Mathematik: In Finnland etwa, das seit PISA 2000 in Sachen schulischer Bildung für viele zum Hoffnungs- und manche zum Schreckensland wurde. Von „Geschlecht“ im Zusammenhang mit Bildung zu reden, macht offensichtlich nur Sinne, wenn weniger an Biologie („Sex“) als an Sozialität („Gender“) gedacht wird.
  • Weder vom EU- noch vom OECD-Mittelwert weicht Deutschland, Mathematik und Naturwissenschaften zusammenfassend beurteilt, auch bei der sozialen Disparität, ab. Es gibt freilich Länder, in denen der familiäre Hintergrund weniger zur schulischen Leistung beiträgt als hierzulande: in Mathematik und in den Naturwissenschaften gleichermaßen in Finnland. Die Autor(inn)en des 10. Kapitels, in dem soziale Disparitäten analysiert werden, illustrieren, was „soziale Disparität“ faktisch meint: „Es bestätigen sich die internationalen Befunde dahingehend, dass ausgeprägte soziale Disparitäten im deutschen Bildungssystem vorhanden sind, wobei die Leistungsunterschiede zwischen Kindern, deren Eltern den Dienstklassen [TIMSS 2016 definiert den familiären Hintergrund über EPG-Klassen; vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Berufsklassifikation] angehören, und Kindern, deren Eltern den Gruppen der Arbeiter angehören, je nach verglichenen Gruppen und Testdomäne, in etwa ein bis zwei Lernjahre betragen. Ähnliches gilt, wenn Viertklässlerinnen und Viertklässler aus armutsgefährdeten Elternhäusern mit Mitschülerinnen und Mitschülern verglichen werden, die nicht armutsgefährdet sind.“ (S. 314)
  • Auf die Breite gesehen erzielen in fast allen Teilnehmerstaaten Schüler(innen), deren Eltern im jeweiligen Land geboren wurden, bessere Leistungen als ihre Mitschüler(innen), deren Eltern ihren Geburtsort im Ausland haben. In Deutschland beträgt der Leistungsvorsprung von Schüler(innen) der ersten Gruppe gegenüber jener der zweiten in Mathematik 31 und in den Naturwissenschaften 47 (Differenz-)Punkte; das entspricht einem Lernjahr bzw. anderthalb Lernjahren.

4. Trends

  • „Sowohl für Mathematik als auch für die Naturwissenschaften ist unter Kontrolle von Veränderungen in den Schülercharakteristika und differentiellen Leistungsentwicklungen [von TIMSS 2007 zu TIMSS 2015] ein signifikanter Leistungszuwachs von 12 bzw. 22 Punkten zu beobachten.“ (S. 379) Ohne Einführung von Kontrollvariablen – eine Operation, über die man diskutieren kann – gilt zum einen: In TIMSS 2015 liegen die Schülerleistungen auf der Gesamtskala Naturwissenschaften auf dem Niveau der Leistungen in TIMSS 2007 und TIMSS 2011. Und zum anderen: In TIMSS 2015 liegen die Schülerleistungen auf der Gesamtskala Mathematik in Deutschland auf dem Niveau der Leistungen in TIMSS 2007 und fallen signifikant schlechter aus als in TIMSS 2011.
  • Was die o. g. Disparitäten betrifft, so ist zuerst für geschlechtsspezifische Unterschiede festzuhalten: „Bei geschlechtsspezifischer Betrachtung der Leistungsentwicklung von TIMSS 2007 zu TIMSS 2015 zeigt sich, dass die Mädchen in Mathematik ihre mittleren Leistungswerte gehalten haben und in den Naturwissenschaften tendenziell etwas besser geworden sind. Jungen erzielen in TIMSS 2015 hingegen in beiden Domänen in der Tendenz schlechtere Leistungen als in TIMSS 2007.“ (S. 22) Für soziale Disparitäten gilt: „Das Ausmaß der sozial bedingten Ungleichheit ist in Deutschland seit TIMSS 2007 konstant geblieben… Auch in keinem anderen Trendteilnehmerstaat ist es gelungen, in diesem Zeitraum eine Verringerung der Disparitäten zu erreichen, in einigen dieser Staaten sind die Unterschiede sogar größer geworden.“ (S. 23) Und was schließlich Migrationshintergrund betrifft: „Beim nationalen Vergleich der migrationsbedingten Leistungsdisparitäten im Trend zeigt sich, dass diese sowohl in Mathematik als auch in den Naturwissenschaften in TIMSS 2015 signifikant niedriger ausfallen als noch 2007; ein Effekt, der sich nominell bereits in TIMSS 2011 abzeichnete.“ (S. 23)

In Kapitel II Ziele, Anlage und Durchführung der Trends in International Mathematics and Science Study (TIMSS 2015) berichten Heike Wendt, Wilfried Bos, Daniel Kasper, Anke Walzebug, Martin Goy und Donieta Jusufi zunächst von der deutschen Beteiligung an vergleichenden Schulleistungsuntersuchungenin Mathematik und Naturwissenschaften, referieren dabei gewonnene zentrale Erkenntnisse und Fragestellungen, stellen TIMSS 2015 als kooperatives Forschungsprojekt dar und skizzieren Design und Untersuchungsdurchführung von TIMSS 2015 mit seinen methodischen Details wie etwa Stichprobe und Untersuchungsinstrumente.

Einen vertieften Einblick in Mathematische Kompetenzen im internationalen Vergleich: Testkonzeption und Ergebnisse bieten im 3. Kapitel Christoph Selter, Daniel Walter, Gerd Walther und Heike Wendt. Analog dazu ist Kapitel IV Naturwissenschaftliche Kompetenzen im internationalen Vergleich: Testkonzeption und Ergebnisse von Mirjam Steffensky, Thilo Kleickmann, Daniel Kasper und Olaf Köller lesen.

Im 5. Kapitel berichten Raphaela Porsch und Heike Wendt über Aus- und Fortbildung von Mathematik- und Sachunterrichtslehrkräften und im 6. gewähren Svenja Rieser, Ruven Stahns, Anke Walzebug und Heike Wendt Einblicke in die Gestaltung des Mathematik- und Sachunterrichts.

Über Bildungsangebote an Ganz- und Halbtagsgrundschulen in Deutschland informieren im 7. Kapitel Heike Wendt, Martin Goy, Anke Walzebug und Renate Valtin und im 8. ist bei Karin Guill und Heike Wendt Außerschulischer Nachhilfeunterricht am Ende der Grundschulzeit das Thema. In beiden Fällen wurde nicht geprüft, ob Schultyp bzw. Nachhilfeunterricht eine Auswirkung auf die bei TIMSS 2015 gemessene Leistung hat; das kann nicht untersucht werden, da es dazu Längsschnittdaten bräuchte, die TIMSS – Daten aber Querschnittsdaten sind.

Über die schon erwähnten Disparitäten informieren ausführlich die nächsten drei Kapitel. Den Anfang machen im 9. Kapitel Heike Wendt, Ricarda Steinmayr und Daniel Kasper mit Geschlechterunterschiede in mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen. Dem folgend Soziale Disparitäten der Schülerleistungen in Mathematik und Naturwissenschaften von Tobias C. Stubbe, Knut Schwippert und Heike Wendt. Beschlossen wird die Analyse von Disparitäten mit dem 11. Kapitel Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund (Heike Wendt, Knut Schwippert und Tobias C. Stubbe).

Die beiden nachfolgenden Kapitel stellen Ergebnisse von deutschen Zusatzerhebungen zu TIMSS 2015 dar. Über Soziale Kompetenz von Kindern in Deutschland am Ende der Grundschulzeit berichten im 12. Kapitel Kristina A. Frey und Heike Wendt und anschließend wird von Tobias C. Stubbe, Jennifer Lorenz, Wilfried Bos und Daniel Kasper Der Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe beleuchtet.

Die Ergebnisse zur sozialen Kompetenz beruhen auf Selbstauskünften (TIMSS-Schülerfragebogen) der Schüler(innen), weshalb ein methodisch begründeter Zweifel an der Gültigkeit (Validität) der Ergebnisse besteht. Solchen Zweifel in Rechnung stellend, können die Ergebnisse für die Soziale Arbeit dennoch von Interesse sein. Die Bedeutung der Ergebnisse seien an einem besonders interessant erscheinenden Punkt illustriert: „Ein kausaler Zusammenhang zwischen der Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse im Griff, die eigenen Interessen im Blick zu haben, und eigenem Fortkommen ist nicht unplausibel… Kinder wären schon frühzeitig durch Eltern und Lehrkräfte in der Beherrschung unerwünschter Impulse und in der gesunden Wertschätzung eigener Ziele zu unterstützen. Vor dem Hintergrund der berichteten Befunde ist eine solche Unterstützung insbesondere für Kinder von un- und angelernten Arbeitern wichtig, die nur bezüglich Impulskontrolle und Durchsetzungsfähigkeit gegenüber Kindern von Eltern der Dienstklasse I und II ein gewisses Defizit zeigen.“ (S. 347)

Der Übergang von der Primar- in die Sekundarstufe, um zum zweiten Beitrag zu kommen, wird nicht nur von der schulischen Leistung(sfähigkeit), sondern auch von Faktoren gesteuert. Einen davon hat Wilfried Bos bei der Pressekonferenz anlässlich der TIMSS 2015-Präsentation angesprochen: „Kaum etwas bewegt, beklagte er, habe sich bei der Kopplung der Schülerleistungen an die soziale Herkunft [s.o.]. Auch der Übergang auf die weiterführende Schule sei noch immer sozial selektiv. ‚Kinder von ungelernten Arbeitern müssen wesentlich bessere Schulleistungen als Kinder von Akademikern erbringen‘, sagt Bos, ‚um von der Lehrkraft eine Gymnasialempfehlung zu bekommen.‘“ (Kerstan, 2016, S. 89) Man kann das konkretisieren: Während Kinder aus Familien, die der oberen Dienstklasse zuzuordnen sind, bereits mit mathematischen Kompetenzen von 526 Punkten gute Chancen auf eine Gymnasialpräferenz ihrer Lehrkräfte haben, benötigen Kinder aus Familien mit un- und angelernten Arbeitern 573 Punkte; in Naturwissenschaften sind die Unterschiede sogar noch etwas größer. Es sind aber nicht die Lehrer(innen) allein, die auf die künftige Schullaufbahn Einfluss haben, zu nennen sind auch die Eltern: Sie schlagen in dieselbe Kerbe wie die Lehrer(innen).

Mit dem 14. und letzten Kapitel Trends in mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen am Ende der Grundschulzeit in Deutschland (Daniel Kasper, Heike Wendt, Wilfried Bos und Olaf Köller) endet der Sachtext des Buches. Hier wird eine längsschnittliche Perspektive eingenommen, unter der TIMSS 2007, 2011 und 2015 vergleichend betrachtet werden.

Das Buch schließt mit drei Anhängen sowie gesonderten Verzeichnisse der Abbildungen und Tabellen. Der erste Anhang (A) enthält weiterführende Informationen zu den Teilnehmerstaaten von TIMSS 2007 – 2015, Anhang B die Beschreibung der internationalen Benchmarks für das Mathematik-Kompetenzmodell in TIMSS 15 und Anhang C das Gleiche für die Naturwissenschaften.

Diskussion

Das Buch bietet zu hiesigen Schüler(innen) an der Schlüsselstelle zur Richtung weisenden Sekundarstufe I eine breite und aktuelle Bestandsaufaufnahme der Kernkompetenzen und der sie beeinflussenden Faktoren. Zusammen mit den gleichzeitig veröffentlichten Ergebnissen von und Analysen zu PISA 2015 (Reiss u.a., 2016), die eine zweite Schlüsselstelle der Bildungsbiographie, nämlich das Ende der Sekundarstufe I, ausleuchtet, zeichnet es ein breites Bild vom Leistungsvermögen der deutschen Schule und seinen Schwächen (vgl. dazu auch Bonsen & Priebe, 2016).

Fazit

Das Buch gehört in mindestens zwei Exemplaren in die Bibliothek jeder Hochschule oder Hochschulabteilung für Soziale Arbeit; eines davon in die Präsenzabteilung. Und natürlich sollte es – zumindest kapitelweise – von Studierenden und Lehrenden auch gelesen werden – insbesondere die drei Diversitäts-Kapitel zu Geschlecht, sozialer Herkunft und Migrationshintergrund (zu den beiden letzten Punkten vgl. Heekerens, 2012, 2013c, 2013d) sowie die zur sozialen Kompetenz und zum Übergang von der Primar- zur Sekundarstufe.

Literatur

  • Bonsen, M. & Priebe, B. (Hrsg.) (2016). PISA – Folgen und Fragen. Anstöße zur Qualitätsentwicklung im Bildungssystem. Selze: Friedrich Verlag (www.socialnet.de/rezensionen/22004.php).
  • Heekerens, H.-P. (2012). Perspektivenwechsel in der Bildungsdebatte. Sozialmagazin, 37(3), 44-54.
  • Heekerens, H.-P. (2013a). Rezension vom 13.03.2013 zu Bos, W. et al. (Hrsg.) (2012). TIMSS 2011. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen von Grundschulkindern in Deutschland im internationalen Vergleich. Münster – New York- Berlin – München: Waxmann. Socialnet Rezensionen (www.socialnet.de/rezensionen/14539.php).
  • Heekerens, H.-P. (2013b). Rezension vom 12.06.2013 zu Hattie, J., Beywl, W. & Zierer, K. (2013). Lernen sichtbar machen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Socialnet Rezensionen (www.socialnet.de/rezensionen/15193.php).
  • Heekerens, H.-P. (2013c). Die Bildungsungerechtigkeit in Deutschland dauert an. Neue Praxis, 43, 581-588.
  • Heekerens, H.-P. (2013d). Ein verlorenes Jahrzehnt. Bildungsgerechtigkeit im Spiegel jüngster Schulleistungsstudien. Unsere Jugend, 65, 485-494.
  • Heekerens, H.-P. (2014). Rezension vom 26.09.2014 zu Hattie, J. (2014). Lernen sichtbar machen für Lehrpersonen. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren. Socialnet Rezensionen (www.socialnet.de/rezensionen/15009.php).
  • Kerstan, T. (2016). Nehmt die Schwachen mit. DIE ZEIT Nr. 50/2016 vom 1.12.2016, S. 89.
  • Reiss,  K., Sälzer,  C., Schiepe-Tiska,  A., Klieme,  E. Köller. O. (Hrsg.) (2016). PISA 2015. Eine Studie zwischen Kontinuität und Innovation. Münster: Waxmann (www.socialnet.de/rezensionen/22060.php).

Rezension von
Prof. Dr. Dr. Hans-Peter Heekerens
Hochschullehrer i.R. für Sozialarbeit/Sozialpädagogik und Pädagogik an der Hochschule München
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Es gibt 186 Rezensionen von Hans-Peter Heekerens.

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ISSN 2190-9245