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Burkhard Bierhoff: Liebe im Konsumkapitalismus

Rezensiert von Prof. Dr. habil. Gisela Thiele, 10.02.2017

Cover Burkhard Bierhoff: Liebe im Konsumkapitalismus ISBN 978-3-658-14716-7

Burkhard Bierhoff: Liebe im Konsumkapitalismus. Springer VS (Wiesbaden) 2016. 49 Seiten. ISBN 978-3-658-14716-7. D: 9,99 EUR, A: 10,27 EUR, CH: 10,50 sFr.

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Thema

Das vorliegende Essential bietet aktuelles, konzentriertes Wissen über ein fachspezifisches Thema der kommodifizierten Liebe, das kompakt auf das Wesentliche beschränkt, schnell, unkompliziert und damit verständlich darüber informieren soll. Essentials dienen als kurze Einführung in ein aktuelles Thema oder als Einstieg in ein noch recht unbekanntes Themenfeld und sind Wissensbausteine. Dieses Büchlein, das ganze 49 Seiten umfasst, ist als Ermutigung gedacht, sich den komplizierten Seiten der Liebe zu stellen.

Autor

Herausgeber ist Burkhard Bierhoff, Professor an der Brandenburgischen, Technischen Universität in Cottbus/Senftenberg. Der Autor möchte verdeutlichen, dass der Konsumkapitalismus mit dem Überkonsum auch die Formen der Liebe verändert und sie deutlich kommodifiziert. Nur wer sich auf das Wagnis der Liebe einlassen könne, kann ihre Chance als befreiende, in den Herzen der Menschen entstehende Kraft erfahren.

Aufbau und Inhalt

Das Essential ist in sieben Kapitel unterschiedlicher Länge gegliedert und beginnt mit einer „Einführung“. Heute liebten sich die Menschen relativ frei und dennoch sei die Praxis der Liebe gesellschaftlich auf den Konsum ausgerichtet. Damit Liebe wirklich frei und grenzüberschreitend sein kann, müsse sie aus der Kommodifizierung heraustreten (S. 3).

Im zweiten Kapitel „Strukturen der Konsumgesellschaft“ wird herausgearbeitet, dass der Konsumkapitalismus das sexuelle Verhalten der Menschen dem Marketing unterworfen habe, um die sexuelle Attraktivität und die Verkäuflichkeit auf dem Personalmarkt zu erhöhen. Die westliche Industriegesellschaft halte sich allen anderen Kulturen und Lebensformen gegenüber überlegen und es scheint alles unbeirrt den Weg weltweiter Expansion zu gehen, ohne die natürlichen Schranken, die auch die Liebe hat, anzuerkennen.

In Kapitel drei „Kommodifizierung im Konsumkapitalismus“ wendet sich der Autor dem Problem der kommodifizierten Struktur zwischenmenschlicher Beziehungen zu, die sich auf Distanz und Angst, verbunden mit dem Wunsch nach Nähe und Geborgenheit, gründeten. Auch wenn sich Menschen innerhalb des Konsumspektakels bewegten, hätten sie immer noch Distanz und Eigenwillen, ihre Liebe aus Subjektivem zu speisen.

Das vierte Kapitel ist mit dem Titel „Formen der Liebe zwischen Tauschwert, Gebrauchswert und Liebenswert“ überschrieben. Hier wird versucht, die Hintergründe für die in der Postmoderne sich veränderten Liebesformen zu erfassen und die Kontaktanbahnung über digitale Medien zu skizzieren (S. 13). Heutige Formen der Liebe seien eingegrenzt, sie seien nicht mehr traditionell und kontrolliert bestimmt, sondern richteten sich eher am Markt und den eigenen Begehrlichkeiten aus. Über den Tausch- und Gebrauchswert hinaus gäbe es noch einen Liebenswert, der auf die Einmaligkeit der liebenden Subjekte und deren Begegnungen bezogen sei. Erst wenn die Menschen begriffen, dass Liebe weder eine Frage des Tauschs und Gebrauchs noch des Besitzes sei, sondern der Begegnung, könne die Warenstruktur tendenziell überschritten werden.

Den „Konsumkapitalistische(n) Inszenierungen der Liebe“ ist das fünfte Kapitel gewidmet. In der Postmoderne, so die folgenden Ausführungen, sei die Verfügung über Ressourcen gegenüber dem Besitz und Haben vorrangig geworden. Im Zwischenmenschlichen sei eine tiefe Liebesbeziehung gegenwärtig zu wenig, denn sie könnte als Mangel und der Beschränkung nach Abwechslung gedeutet werden. Die Chance der Begegnung und menschlicher Nähe müssten dauerhaft enttäuscht bleiben, damit die Konsumlust, die Nachfrage nach Beziehungsangeboten, die online feilgeboten würden, dauerhaft bestehen (S. 21).

Der Unterschied zwischen „Polyamore(n) und ‚normale(n)‘ Beziehungen“ wird im folgenden Kapitel herausgearbeitet. Nur sequentielle oder sich überschneidende Beziehungen, die im Geheimen ablaufen, rechtfertigten nicht, von einer polyamoren Beziehung zu sprechen. Letztere seien darauf begründet, dass alle Beteiligten offen sind und diese gutheißen. Wir seien heute von Ambiguitäten und Zerrissenheit betroffen, obgleich wir eine Vision echter Liebe hätten, seien wir doch den kompensatorischen Tendenzen des Kaufens, Arbeitens und Liebens unterlegen.

Das vorletzte Kapitel nimmt die „Liebe im Business der Bewusstseinsindustrie“ in den Blick. Für die Kommodifizierung von Liebesbeziehungen werden zwei Filmbeispiele angeführt, die den um Liebe und Sexualität medialen Markt repräsentieren sollen. Die heutige Beziehungsrealität in ihrer Freizügigkeit sei viel zu desillusionierend, dass die Befreiung aus der kommodifizierten Struktur ein Traum bliebe.

Der „Epilog: Überwindung der Glücksarmut durch Liebe“ beendet mit Kapitel acht das Essential. Die Ausführungen beziehen sich auf die Liebe, die mit Glücksansprüchen, mit Freude am persönlichen Wachstum des Selbst verbunden seien, aber das Glück lasse sich nicht einfangen. Es sei mit einer Leichtigkeit verbunden, die sich nur dem erschließe, der abwarten könne und nichts erzwinge (S. 41). Der Weg, dem hoffenden Eros, dem aktiven Gemeinwesen und der geschwisterlichen Verbundenheit der Menschen zur Rettung zu verhelfen sei nur durch die unverzichtbare Transformation des Ökonomischen erreichbar.

Fazit

Dieses Essential ist etwas für anspruchsvolle Leser, die die verwendete Fachsprache lieben und verstehen. Leider scheint die romantische Liebe mit fester und tiefer Verbundenheit der Partner in neoliberalen Zeiten nicht mehr tragfähig zu sein, denn viel zu sehr habe uns, dem Autor zufolge, der Kommerz und die digitalen Medien im Griff. Sie verschafften uns Freizügigkeit, freie Liebe, Abwechslung, neue Formen sowie polyamore zwischenmenschliche Beziehungen, die schnell und unkompliziert austauschbar seien. Es bleibe aber, so der letzte Satz der Publikation, noch eine Vision bestehen, die Kraft der Liebe auf neue lohnenswerte Ziele zu richten. Gerade deshalb lohnt es sich, diese komprimierten Ausführungen ohne jegliche Redundanz zu lesen. „In der Kürze liegt die Würze“ sagt ein Sprichwort und noch viel mehr bringt uns dieses Essential – äußerst interessante und komplexe Gedanken, wissenschaftlich und theoretisch herausfordernd und anspruchsvoll.

Rezension von
Prof. Dr. habil. Gisela Thiele
Hochschule Zittau/Görlitz (FH)
Berufungsgebiete Soziologie, Empirische Sozialforschung und Gerontologie
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Zitiervorschlag
Gisela Thiele. Rezension vom 10.02.2017 zu: Burkhard Bierhoff: Liebe im Konsumkapitalismus. Springer VS (Wiesbaden) 2016. ISBN 978-3-658-14716-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22082.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.


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