Ulrike Schneck: Psychosoziale Beratung und therapeutische Begleitung von traumatisierten Flüchtlingen
Rezensiert von Julia Schindewolf, 24.04.2017
Ulrike Schneck: Psychosoziale Beratung und therapeutische Begleitung von traumatisierten Flüchtlingen. Psychiatrie Verlag GmbH (Köln) 2016. 250 Seiten. ISBN 978-3-88414-654-5. D: 29,95 EUR, A: 30,80 EUR.
Thema
Das Buch beschäftigt sich mit möglichen psychotherapeutischen Angeboten für geflüchtete Menschen und den Anforderungen an solche Angebote. Es versucht, Hilfestellungen sowohl für professionell Tätige als auch Ehrenamtliche in der Flüchtlingsarbeit zu geben, damit diese ihre Angebote entsprechend der Bedürfnisse der Flüchtlinge gestalten können.
Autorin
Ulrike Schneck ist Diplom-Psychologin sowie systemische Therapeutin. Seit 2014 hat sie die psychologische Leitung der Regionalstelle Tübingen von refugio Stuttgart übernommen.
Aufbau
Das Buch ist in insgesamt sechs Kapitel unterschiedlicher Länge gegliedert, die nachfolgend näher beschrieben werden. Im Anhang befinden sind neben dem Literaturverzeichnis einige Links, die Tipps zu weitergehender Literatur, Informationsmaterial usw. geben.
Inhalt
Das erste Kapitel „In welcher Lebenssituation befinden sich Geflüchtete?“ beschäftigt sich zum einen mit den Lebensbedingungen, denen Flüchtlinge in ihrem Heimatland und während der Flucht ausgesetzt waren. Es wird ein kurzer Überblick über die verschiedenen möglichen Fluchtursachen gegeben. Zum anderen wird die Lebenssituation im Aufnahmeland Deutschland beschrieben. Hierzu wird auf gesellschaftliche sowie rechtliche Rahmenbedingungen eingegangen. Weiterhin wird die spezifische Situation von Kinder sowie Familien beschrieben.
Nachdem zuerst die äußerlichen Rahmenbedingungen beschrieben wurden, beschäftigt sich das zweite Kapitel mit der Frage „In welchen inneren Prozessen befinden sich Geflüchtete?“. Es werden insbesondere belastende Rahmenbedingungen des Asylverfahrens und der fehlenden Selbstwirksamkeit durch Arbeitsverbote sowie traumatisierende Momente der Flucht und der vorherigen Lebensbedingungen thematisiert. Der Begriff der Resilienz wird erklärt und aufgezeigt, welche Hilfen von den Flüchtlingen als entlastend erlebt werden und ihnen die Möglichkeit zur Stabilisierung geben.
Das dritte Kapitel „Zum Konzept des psychischen Traumas“ gibt eine Einführung in die Psychotraumatologie und klärt über Entstehung sowie psychische und körperliche Auswirkungen von Traumatisierung auf. Es werden unterschiedliche Arten von Traumata und der Verlauf einer Traumatisierung erläutert. Die wichtigsten Symptome wie Vermeidungsverhalten, Übererregung, fragmentierte Erinnerungen und körperliche Symptome werden beschrieben und Tipps zu einer frühen Diagnostik gegeben. Hierzu wird ein Kurzfragebogen zur Verfügung gestellt.
Das vierte Kapitel „Trauma und Belastungsfaktoren“ zeigt die Verbindung der beiden vorangegangenen Kapitel auf. Es wird anhand von Beispielen erläutert, wie die zuvor beschriebenen äußeren und inneren Bedingungen und Barrieren die Entstehung von Traumafolgeerkrankungen begünstigen können. Traumafolgeerkrankungen wirken sich wiederum auf die Gestaltung des alltäglichen Lebens wie zum Beispiel im Kontakt mit Behörden, beim Spracherwerb, im Familienleben usw. aus. Im zweiten Teil des Kapitels werden Möglichkeiten zur Überwindung der inneren Barrieren und der negativen Gefühle wie Schuld und Scham aufgezeigt. Hierbei wird auch auf die Möglichkeiten der Fachkräfte eingegangen, bedürfnisgerechte Angebote zu entwickeln. Einen großen Stellenwert nehmen hierbei die Zusammenarbeit mit Dolmetschern sowie die Vernetzung unterschiedlicher Hilfsangebote ein.
Auf die Bedingungen gelingender Hilfen wird auch im fünften Kapitel „Wichtige Grundkompetenzen von Helfenden“ eingegangen. Das Kapitel beschreibt, welche persönlichen Fähigkeiten der Helfenden im Umgang mit geflüchteten Menschen hilfreich sind. Es werden Tipps zu passenden und unpassenden Arbeits- und Verhaltensweisen gegeben. Das Kapitel regt durch einen Leitfaden zur Selbstreflexion und einem Abschnitt zur Selbstfürsorge dazu an, die eigene Rolle in der Arbeit zu hinterfragen und Beziehungsangebote zu optimieren.
Das sechste Kapitel „Besonderheiten in der beratenden und psychotherapeutischen Arbeit“ richtet sich insbesondere an psychotherapeutische Fachkräfte. Es werden Tipps zur Gestaltung der Erstkontakte sowie zu Diagnose und möglichen Fallstricken der Diagnose gegeben. Die Grundprinzipien der therapeutischen Beziehungsgestaltung werden anhand von Beispielen aus der Arbeit mit geflüchteten Menschen erläutert. Das Kapitel schafft zudem ein Bewusstsein dafür, dass Vorstellungen von Krankheit und Heilung immer kulturell bedingt sind und die verschiedenen Sichtweisen Beachtung finden müssen. Es werden kulturspezifische Krankheitsbilder erläutert. Im letzten Teil des Kapitels werden praktische Tipps zu therapeutischen Vorgehensweisen gegeben, die sich in der bisherigen Arbeit der Autorin als hilfreich erwiesen haben. Hierbei werden bspw. Themen wie die Gestaltung von Gesprächs- und Beziehungsangeboten, Krisenintervention und Umgang mit Fremd- und Selbstgefährdung behandelt.
Fazit
Das vorliegende Buch beschäftigt sich mit der Gestaltung hilfreicher beratender und psychotherapeutischer Angebote für Flüchtlinge. Es wendet sich hierbei an alle Menschen, die mit Flüchtlingen arbeiten, bezieht sich im letzten Kapitel aber explizit auf therapeutische Methoden. Das Buch ist somit ein hilfreiches Werk sowohl für Ehrenamtliche als auch Fachkräfte, wenn es darum geht, geflüchtete Menschen in ihren besonderen und teils sehr belastenden Lebenssituationen zu verstehen und zu unterstützen. Durch die vielen Beispiele aus der praktischen Arbeit der Autorin ist das Buch sehr anschaulich geschrieben.
Rezension von
Julia Schindewolf
Sozialarbeiterin M.A., Traumapädagogin, im Bereich unbegleitete minderjährige Flüchtlinge tätig
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Es gibt 9 Rezensionen von Julia Schindewolf.
Zitiervorschlag
Julia Schindewolf. Rezension vom 24.04.2017 zu:
Ulrike Schneck: Psychosoziale Beratung und therapeutische Begleitung von traumatisierten Flüchtlingen. Psychiatrie Verlag GmbH
(Köln) 2016.
ISBN 978-3-88414-654-5.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22086.php, Datum des Zugriffs 23.01.2025.
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