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Melanie Werner, Stefanie Vogt et al.: Wissenschaftliches Arbeiten in der Sozialen Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Anna Maria Riedi, 05.04.2017

Cover Melanie Werner, Stefanie Vogt et al.: Wissenschaftliches Arbeiten in der Sozialen Arbeit ISBN 978-3-7344-0388-0

Melanie Werner, Stefanie Vogt, Lydia Scheithauer: Wissenschaftliches Arbeiten in der Sozialen Arbeit. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2017. 128 Seiten. ISBN 978-3-7344-0388-0. D: 9,80 EUR, A: 10,10 EUR.

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Thema

Die Publikation bietet Studienanfänger*innen der Sozialen Arbeit Arbeitshilfen für Literaturrecherche, Hausarbeiten und Präsentationen. Wissenschaftliche Haltung, Techniken und Denkweisen gelten den Autorinnen als Voraussetzungen für einen gelingenden Berufseinstieg – auch ausserhalb einer akademischen Karriere. Denn auch in der Praxis der Sozialen Arbeit gilt es Projektanträge zu schreiben, Konzepte zu präsentieren und Berichte zu erstellen. Im Fokus steht jedoch das Anliegen, Studierende beim wissenschaftlichen Arbeiten zu unterstützen.

Autorinnen

Die Autorinnen lehren und arbeiten an der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der TH Köln im Bereich der Propädeutik, Geschichte und Theorien der Sozialen Arbeit und der inklusiven Hochschulentwicklung.

Entstehungshintergrund

Die Publikation basiert auf zahlreichen Lehrveranstaltungen zu wissenschaftlichem Arbeiten. Verschiedene Kolleg*innen haben den Autorinnen dazu Materialien zur Verfügung gestellt.

Aufbau

Die Publikation ist in zehn Kapitel unterteilt:

  1. Wissenschaftlichkeit und wissenschaftliche Haltung
  2. Arbeitsschritte beim Erstellen von wissenschaftlichen Arbeiten
  3. Quellen und Literatur finden
  4. Quellen und Literatur erschliessen
  5. Leitfragen entwickeln und den roten Faden herausarbeiten
  6. Antworten auf Fragen verschriftlichen
  7. Formaler Aufbau einer wissenschaftlichen Arbeit
  8. Besonderheiten verschiedener wissenschaftlicher Arbeiten
  9. Mündliche Präsentation von Ergebnissen
  10. Wissenschaftlich Arbeiten in Studium und Praxis

Alle Kapitel enthalten Informationsboxen mit weiterführender Literatur und Tipps. Die Hinweise in den einzelnen Kapiteln werden anhand von Beispielen aus der Sozialen Arbeit ausgeführt. Die Autorinnen verwenden für die geschlechtersensible Sprache jeweils das Gendersternchen und erläutern diese Schreibweise in Kapitel 6.3.

Inhalt

Wissenschaftlicher Habitus. Aus Sicht der Autorinnen „beschreibt, bewertet und analysiert [Soziale Arbeit, AMR] soziale Probleme und ausserschulische Bildungszusammenhänge“ (S. 9). Wichtig dabei ist es, eine forschende Haltung einzunehmen und die sogenannten sozialen Probleme nicht einfach zu hinzunehmen. Unterschiedliche Erkenntniswege zu kennen und sie transparent zu machen, gehört zum Kerngeschäft Sozialer Arbeit, sowohl im akademischen wie auch im berufspraktischen Schaffen. Daher sind für die Autorinnen drei Schritte fundamental: (I) die Entwicklung einer Fragestellung oder einer These, (II) die Beantwortung der Fragestellung beziehungsweise das Belegen oder Widerlegen einer These nach wissenschaftlichen Kriterien sowie (III) die Darstellung der Ergebnisse. Die nachfolgenden Ausführungen erläutern diese drei Schritte.

Der Arbeitsprozess im Überblick. Zu Beginn der Erstellung eines wissenschaftlichen Beitrages ist es hilfreich, sich einen Überblick zu verschaffen, welche Arbeitsphasen bei welcher Textsorte anstehen. Dazu zählen in Anlehnung an Thomas-Johaentges (2013) insbesondere die Orientierungsphase, die Recherchephase, die Strukturierungsphase, allenfalls die Erhebungs- und Auswertungsphase, das Verfassen der Arbeit, die Endphase (formieren und korrigieren) sowie die Abgabe. Die Anforderungen jeder Phase werden kurz skizziert und es wird auf das entsprechende Kapitel verwiesen, welches nachfolgend die Phase eingehender erläutert.

Quellen- und Literaturrecherche. Die Autorinnen erläutern Quellenarten und Zitierwürdigkeit unterschiedlicher Quellen. Sie zeigen Möglichkeiten und Grenzen der Recherchetechniken wie z.B. Stichwortsuche, Schlagwortsuche oder freie Suche. Die Recherche in Bibliothekskatalogen, Verbundkatalogen und Datenbanken wie auch die wissenschaftliche Recherche im Internet wird mit konkreten Beispielen von Katalogen, Datenbanken und Internetportalen erläutert. Auf weitere Recherchestrategien wie Seminar-Literaturlisten etc. wird hingewiesen. Abschliessend wird über verschiedene Möglichkeiten der Literaturbeschaffung (z.B. Fernleihe) informiert.

Arbeiten mit wissenschaftlichen Texten. Die Arbeit mit wissenschaftlichen Texten besteht vornehmlich in der Lektüre und in der Aufarbeitung des Gelesenen. Zu beiden Arbeitsschritten geben die Autorinnen unterstützende Hinweise: Überblickslesen resp. Querlesen, Re-Lektüre, verschachtelte Sätze in kleinere Sätze zerschlagen, Überschriften bei jedem Absatz setzen, Texte mit eigenen Worten zusammenfassen sowie wissenschaftliche Exzerpte erstellen. Die Informationsbox enthält in diesem Kapitel Hinweise auf Literaturverwaltungsprogramme.

Fragestellungen entwickeln
Die Autorinnen empfehlen, zunächst Ideen zu sammeln und sie zu sortieren. Dazu stellen sie Sortiertechniken vor: Mindmapping und Themenpyramide. Diese Techniken dienen dazu, das Thema einzuschränken. Sie erzeugen aber noch nicht unmittelbar eine Fragestellung. Für die Formulierung der Fragestellung, insbesondere der Leitfrage in einer wissenschaftlichen Arbeit, werden Kreativtechniken und eine Leitfragen-Typologie nach Stickel-Wolf & Wolf (2013) vorgestellt.
Liegt die Fragestellung in einer ersten Formulierung vor, dann gilt es eine Gliederung der Arbeit zu erstellen, die sich – idealerweise – aus der Leitfrage ableiten lässt. Hier bieten die Autorinnen eine Fülle von unterschiedlichen Vorgehensweisen anhand konkreter Leitfragen. Die Beispiele dienen dazu aufzuzeigen, wie die Logik der Argumentationslinie (roter Faden) aufgebaut sein könnte. Deduktiver, induktiver, dialektischer und vergleichender Textaufbau sowie Textaufbau nach der Problemlöseformel und Textaufbau mit der Viersatzmethode.
Liegen Leitfrage und Gliederung vor, kann mit der Ausarbeitung eines Exposés begonnen werden. Das Exposé enthält gemäss den Autorinnen unter anderem den Arbeits-Titel, eine Zusammenfassung des Forschungsstandes, die Leitfrage, die Problemstellung, Angaben zur Relevanz des Themas, zum Vorgehen (Literaturarbeit, empirische Arbeit), zur gewählten Untersuchungsmethodik und zum Zeitplan (Meilensteine). Die Arbeitsgliederung wird aufgezeigt und ein erster Überblick über die Literatur gegeben. Das Exposé erfüllt drei Funktionen: Reflexionsfunktion (gegen innen), Korrektivfunktion (gegen aussen), Planungs- und Kontrollfunktion (Projektplan).

Wissenschaftlich schreiben
Sprachliche Anforderungen an einen wissenschaftlichen Text sehen die Autorinnen insbesondere darin, dass die Sprache präzise ist und die Texte stringent, logisch und argumentativ überzeugend sind. Textstrukturskizzen helfen Studierenden dabei, den roten Faden beim Schreiben immer sichtbar zu haben und Wichtiges von Unwichtigem trennen zu können.
Zu den wissenschaftlichen Standards gehören für die Autorinnen, dass alle zentralen Begriffe definiert sind, dass Fachbegriffe (adäquat) verwendet werden, dass Behauptungen nicht ohne Begründung dastehen, dass Quellen alle korrekt bibliografiert sind und dass auf die Ich-Form verzichtet wird, wenn klar ist, dass es sich um eine intellektuelle Leistung der Student*in handelt, um nicht den Eindruck zu vermitteln, dass dies „lediglich Ihre Meinung und nicht Ergebnis einer wissenschaftlichen Analyse“ (S. 61) ist.
Zu den wissenschaftlichen Standards zählen die Autorinnen auch eine geschlechtersensible und inklusive Sprache. Sie weisen aber darauf hin, dass auch inklusive Sprachweisen Grenzen haben und nicht als Fertig-Rezepte zu verstehen sind. So sind beispielsweise der Gender-Gap (Student_innen) wie auch das Gender-Sternchen (Student*innen) von der unterstützenden Software für Menschen mit Sehbehinderung nicht lesbar und stellen damit eine Barriere dar. Zu einer inklusiven Sprache zählt ebenfalls die kritische Reflexion auf Normalitätsvorstellungen, beispielsweise wenn Familie als „Vater-Mutter-Kind“ (S. 64) gedacht wird.
Liegt der erste Entwurf des Textes vor, gilt es ihn auf Klarheit und Verständlichkeit zu prüfen. Wenn wissenschaftliche Texte schwer lesbar sind, sollte dies nur „der inhaltlichen Komplexität, nicht der Sprache geschuldet sein“ (S. 65). Die beiden wichtigsten Hinweise für klares und verständliches Schreiben sehen die Autorinnen im verständlichen Formulieren und in der Streichung aller überflüssigen Ausführungen.
Neben der sprachlichen Klarheit ist die Herkunft fremder Textteile eineindeutig auszuweisen. Daher zeigen die Autorinnen an verschiedenen Beispielen auf, wie fremde Quellen und Texte in der wissenschaftlichen Arbeit zu belegen und zu bibliografieren sind. Sie weisen auf unterschiedliche Konventionen für Zitate, Paraphrasen, Kurzverweise, Literaturverzeichnis etc. hin und legen dar, wie Plagiate vermieden werden können.
Abschliessend zeigen die Autorinnen, wie eine gute Formatierung Inhalte strukturieren hilft. Sie geben Empfehlungen zur Seitenformatierung, zu Schriftart, zu Schriftgrösse und Zeilenabstand.

Teile eines wissenschaftlichen Textes. Die Autorinnen gehen davon aus, dass in jeder wissenschaftlichen Textart Untergliederungen vorkommen: Einleitung, Hauptteil, Schluss und Literaturverzeichnis. Darüber hinaus benötigen einige ein Deckblatt, ein Abstract, ein Inhaltsverzeichnis und andere Verzeichnisse (Abkürzungen, Tabellen, Abbildungen etc.) sowie einen Anhang und allenfalls eine eidesstattliche Erklärung (z.B. bei Abschlussarbeiten). Die Funktion und mögliche Inhalte der einzelnen Teile werden anhand von Beispielen kurz erläutert.

Textsorten. Wissenschaftliches Arbeiten kennt unterschiedliche Textsorten: Paper, Textanalyse, Hausarbeit, Abschlussarbeit, Essay, Portfolio etc. Wie die Textsorten sich hinsichtlich Zielsetzung, Länge und Form unterscheiden, zeigen die Autorinnen im Weiteren auf.

Der mündliche Vortrag. Gilt es die Ergebnisse mündlich vorzutragen, dann brauchen Studierende sowohl Fachwissen wie auch Techniken. Im Idealfall haben Studierende das Fachwissen bereits in der wissenschaftlichen Arbeit erarbeitet. Bei den Techniken sind unterschiedliche Elemente eines mündlichen Vortrags zu beachten. Er besteht nicht nur aus Rede. Neben der eigentlichen Präsentation gilt es auch Inhalte zu visualisieren (Beamer, Visualizer, Flipchart Handout etc.). Gelegentlich gehört auch die Moderation einer Fragerunde oder einer Diskussion zum mündlichen Vortrag. Nicht vergessen sollten Studierende, sich von anderen aktiv ein Feedback zum Vortrag geben zu lassen. Feedbackgeben soll in beiden Rollen geübt werden: als Geber*in und als Nehmer*in.

Wissenschaftliches Arbeiten in Studium und Praxis. Techniken und Konventionen wissenschaftlichen Arbeitens sind für Fachpersonen Sozialer Arbeit auch in der Berufspraxis relevant. Die Autorinnen weisen daher abschliessend nochmals darauf hin, dass es auch in der (späteren) beruflichen Praxis gilt, Konzepte, Projekte, Bericht etc. klar, nachvollziehbar, argumentativ und regelgeleitet zu verfassen.

Diskussion

Angesichts der bestehenden, vielfältigen Literatur zu wissenschaftlichem Arbeiten ist die Frage berechtigt, was eine weitere Publikation bringt. Insbesondere dann, wenn sie materiell nur rund 125 Seiten umfasst, formal im Kleinformat (kleiner als A5) gedruckt ist und inhaltlich den ganzen Bogen eines Arbeitsprozesses für wissenschaftliche Arbeiten abdecken will. Was also könnte der Mehrwert dieser Publikation sein?

Die Autorinnen lehren selber Studierende in Soziale Arbeit. Nahe an der Literatur, an den Themen und Fragestellungen Sozialer Arbeit führen sie ihre Studierenden ganz grundständig in die Logik, in die Konventionen und die Techniken des wissenschaftlichen Denkens und Schreibens ein. Im Fokus der Publikation stehen daher immer Lesende, die von einer schulischen Kultur auf eine hoch-schulische Kultur hin zu sozialisieren sind. Die Autorinnen haben nicht den Anspruch, dass mit dieser Publikation alle komplexeren Fragen wissenschaftlichen Arbeitens abgedeckt sind. So wird eingangs beispielsweise nur darauf hingewiesen, dass Wissenschaft verschiedene Erkenntniswege kennt. Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie als solche werden jedoch nicht thematisiert – es wird nur darauf verwiesen, dass Studierende „im Studium der Sozialen Arbeit unterschiedliche Erkenntniswege kennen lernen [werden, AMR]“ (S. 10). Das Anliegen der Autorinnen ist es, den Einstieg in wissenschaftliches Arbeiten im Rahmen eines Studiums Sozialer Arbeit zu unterstützen. Dazu stellen sie verschiedene good-practice Beispiele zur Verfügung, weisen auf die wichtigsten Konventionen hin und zeigen einen idealtypischen Weg von der Idee zum Produkt im wissenschaftlichen Arbeiten auf.

So ist die Publikation denn auch kein Nachschlagewerk, das bei spezifischen oder komplexen Fragen und Problemen zu konsultieren wäre. Auch ein Stichwortverzeichnis (Index) sucht man vergebens. Aber es ist ein Lehrbuch, dem es überaus gut gelingt, ganz basal in zentrale Kulturtechniken und Grundhaltungen wissenschaftlichen Arbeitens einzuführen.

Möglicherweise könnte diese Einführung für Studierende noch an Gehalt gewinnen, wenn die Autorinnen stärker auf den iterativen Charakter wissenschaftlichen Arbeitens hinweisen. Das von ihnen vorgestellte idealtypische, eher lineare Vorgehen (Idee, Thema, Recherche, Frage, Erarbeitung, Präsentation) könnte stärker auch in seiner zirkulären, gleichzeitigen, sich wiederholenden und damit oft auch irritierenden Version dargestellt werden.

Fazit

Die Autorinnen bieten eine äusserst sorgfältige, überaus anregungsreiche und sehr gut verständliche Einführung in wissenschaftliches Arbeiten für Studierende Sozialer Arbeit. An der Schnittstelle von schulischem zu hoch-schulischem Arbeiten unterstützt diese Publikation die Akkulturation in akademische Systeme. Sie verweist auf zentrale Kulturtechniken und Grundhaltungen wissenschaftlichen Arbeitens und bietet Materialien für selbstgesteuerte Lernprozesse von Studierenden oder auch von anderweitig Interessierten, die sich wissenschaftliches Arbeiten aneignen möchten.

Rezension von
Prof. Dr. Anna Maria Riedi
Sozialwissenschafterin, BFH Berner Fachhochschule, Departement Soziale Arbeit
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Zitiervorschlag
Anna Maria Riedi. Rezension vom 05.04.2017 zu: Melanie Werner, Stefanie Vogt, Lydia Scheithauer: Wissenschaftliches Arbeiten in der Sozialen Arbeit. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2017. ISBN 978-3-7344-0388-0. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22114.php, Datum des Zugriffs 09.11.2024.


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