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Diana Auth: Pflegearbeit in Zeiten der Ökonomisierung

Rezensiert von Dr. Eva-Maria Krampe, 26.07.2017

Cover Diana Auth: Pflegearbeit in Zeiten der Ökonomisierung ISBN 978-3-89691-849-9

Diana Auth: Pflegearbeit in Zeiten der Ökonomisierung. Wandel von Care-Regimen in Großbritannien, Schweden und Deutschland. Verlag Westfälisches Dampfboot (Münster) 2017. 500 Seiten. ISBN 978-3-89691-849-9. D: 44,00 EUR, A: 45,30 EUR.

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Thema

Die Tatsache, dass in vielen westlichen Wohlfahrtsstaaten in den letzten Jahrzehnten ein Wandel der Pflegepolitik und Pflegegesetzgebung vorangetrieben wurde, ist Anlass für Diana Auth, diesen Wandel in drei Staaten mit unterschiedlicher sozialstaatlicher Ausprägung zu vergleichen. Sie analysiert die Veränderungen in Großbritannien, Schweden und Deutschland mit dem besonderen Fokus auf folgende Aspekte: Ökonomisierungsprozesse und Restrukturierung des Wohlfahrtsstaates und deren Auswirkungen auf Beschäftigungs-, Geschlechter-, Care und Migrationsregime. Besondere Berücksichtigung finden dabei Fragen nach der Formalisierung und Informalisierung von Pflegearbeit und eventuelle Veränderungen in der Verteilung von Pflegearbeit zwischen Frauen und Männern.

Autorin

Dr. Diana Auth ist Politikwissenschaftlerin mit den Arbeitsschwerpunkten vergleichende Wohlfahrtsstaatsforschung, Gender Studies, Pflegeforschung, Policy-Forschung. Sie lehrt als Professorin für Politikwissenschaft/ Sozialpolitik an der Fachhochschule Bielefeld.

Aufbau

Die Arbeit ist in fünf übergreifende Kapitel gegliedert.

  1. Im ersten Teil werden die theoretischen Grundlagen (Governance-Forschung), die Begründung der ausgewählten Beispielländer und der aktuelle Stand der Care-Forschung dargelegt.

  2. Im folgenden Kapitel werden die jeweiligen nationalen Antriebskräfte und die nationalen Regime vorgestellt.

  3. Das dritte und bei weitem umfangreichste Kapitel beinhaltet die Analyse der Regulierung der Pflegearbeit in den ausgewählten Staaten über einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren.

  4. Im vierten Kapitel werden die zentralen Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst.

Im fünften Kapitel wird ein Fazit gezogen.

Die Darstellung der umfang- und detailreichen Beschreibung sowie die differenzierte Analyse politischer Prozesse, die Diana Auth vorlegt, kann und muss sich auf einige zentrale Argumentationsstränge beschränken. Schließlich wird völlig zu Recht im Editorial zum Buch darauf hingewiesen, dass es auch als „Nachschlagewerk für Pflegepolitiken in den drei Ländern dienen“ kann.

Zu Teil A

(„Theoretische Zugänge und Analyserahmen“)

Die Autorin beschreibt hier die drei unterschiedlichen theoretischen Ansätze (Governance-, Wohlfahrtsstaats-, und die gender-orientierte Care-Forschung), die sie für ihre Untersuchung miteinander verknüpft. Mit einer kritischen Diskussion dieser Ansätze in ihren unterschiedlichen Ausprägungen wird deren Nutzbarkeit für den Gegenstand der Untersuchung begründet. Der Governance-Ansatz, der von einem breiten Akteursspektrum und der institutionellen Einbindung der Akteure ausgeht, ist deshalb geeignet, weil sich mit ihm das pflegepolitische Akteursspektrum mit den zahlreichen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren und die parlamentarischen Gesetzgebungsprozesse abbilden lassen.

Die vergleichende Wohlfahrtsstaatsforschung ermöglicht mit ihren Konzepten von Konvergenz und Divergenz widersprüchliche Erkenntnisse zu fassen, nämlich konvergierende Ziele und divergierende Pfade, die sich aus der unterschiedlichen nationalstaatlichen Positionierung im globalisierten Wettbewerb ergeben.

Die Care-Forschung als gender-orientierte Wohlfahrtsstaatsforschung betrachtet zudem globale Betreuungsketten, in denen die Haus- und Sorgearbeit von Migrantinnen geleistet wird. Sie beschäftigt sich außerdem mit der ökonomischen Bewertung und Umverteilung von (unbezahlter) Sorgearbeit. In diesem Kontext will Auth mit dem Analysekonzept von Social Care die politische Ökonomie der Fürsorgearbeit, das Verhältnis zum Wohlfahrtsstaat und dessen Wandel in den Blick nehmen. Zur Klassifizierung und Bewertung von Care-Politiken zieht die Autorin außerdem Familialismus-Modelle heran, die die Familialisierung und De-Familialisierung von Pflegearbeit analytisch erklären.

Als zentrale Konzepte für die Untersuchung rückt Auth die Begriffe „Regime“ und „Regulierung“ in den Vordergrund. „Regime“ versteht sie als das wechselseitige Miteinander institutioneller Regelungen, kultureller Wertvorstellungen und das darin eingebettete Handeln von Akteuren, wie es auch in der Wohlfahrtstaats- und Geschlechterforschung verstanden wird. Mit der Verwendung des Begriffs „Regulierung“ findet eine Abgrenzung statt zum „Regieren“ oder „Steuern“, vielmehr wird damit das spezifische Zusammenspiel staatlicher und nicht-staatlicher Akteure beschrieben, in dem ökonomische und sozio-demographische Faktoren eine wichtige Rolle spielen.

Darüber hinaus wird in diesem Teil die Auswahl der drei Länder, die verglichen werden, begründet. Es wurden Länder ausgewählt, die Ähnlichkeiten in Bezug auf ihre wirtschaftlichen und politischen Grundlagen sowie auf die Alterung der Bevölkerung aufweisen, die jedoch im Hinblick auf den Wandel der Regulierung der Pflegearbeit möglichst unterschiedlich vorgehen. Außerdem sollten es Staaten sein, in denen pflegepolitische Reformen durchgeführt wurden, die einer „institutionellen Weichenstellung (Critical Juncture)“ entsprechen.

ZuTeil B

(„Pflegepoltische Antriebskräfte und nationale Regimearrangements“)

In diesem Teil erläutert Diana Auth kurz und knapp die relevanten Antriebskräfte für den pflegepolitischen Wandel in den vergangenen Jahrzehnten. Als entscheidende Faktoren identifiziert sie zum einen die unter dem Begriff der Globalisierung zusammengefassten Entwicklungen, insbesondere die Liberalisierung der Güter- und Dienstleistungsmärkte, eingeschlossen die der Kapitalflüsse und der Arbeitskräfte. Diese führten zu staatlichen Deregulierungs- und Privatisierungspolitiken mit dem Ziel, das jeweilige Land im globalen Wettbewerb als geeigneten Standort für transnationale Unternehmen zu positionieren. Es konkurrieren also nicht mehr nur Unternehmen miteinander sondern auch Nationalstaaten. In einem solchen Kontext gehen relevante Akteure davon aus, dass wohlfahrtsstaatliche Kosten mit einem Verlust der Konkurrenzfähigkeit einhergehen. Demzufolge wurde ein Wandel der Wohlfahrts- und damit auch Pflegepolitik eingeleitet.

Zum anderen nennt Diana Auth die sozio-demographischen Veränderungen in den entwickelten Industriestaaten als zentrale Ursache für die Veränderungen in den jeweiligen Pflegepolitiken. Dabei fokussiert sie vor allen Dingen auf die Zunahme der Älteren und Pflegebedürftigen bei gleichzeitigem Anwachsen der Frauenerwerbstätigkeit. Dabei sieht sie letzteres zugleich als einen Ausdruck für veränderte Geschlechterverhältnisse und sich wandelnder Familienformen.

In einem weiteren Schritt stellt die Autorin die nationalen Regimearrangements in den drei ausgewählten Ländern vor, in deren Kontext der Wandel der Pflegepolitik stattgefunden hat bzw. weiterhin stattfindet. Die von ihr als relevante Teilregime betrachteten Bereiche sind jeweils das politische System, das Wohlfahrtsstaats-, das Beschäftigungs-, das Geschlechter-, das Care- und das Migrationsregime.

Großbritannien wird kategorisiert als zentralisierter Einheitsstaat mit einem liberalen Wohlfahrtsregime, geprägt von bedarfsgeprüften Sozialleistungen, niedrigen universellen und steuerfinanzierten Sozialtransfers, bescheidenen Sozialversicherungssystemen und der Notwendigkeit privater Absicherung. Das Beschäftigungsregime ist marktorientiert und rechtlich wenig reguliert. Geschlechterpolitisch vollzieht sich ein Wandel vom starken Ernährermodell zum modernisierten Versorgermodell, d.h. der Mann bleibt vollzeitbeschäftigter Hauptverdiener und die Frau in Teilzeit arbeitende Zuverdienerin, verantwortlich für die familialen Sorgearbeiten. Demzufolge gibt es wenige Angebote der Kinderbetreuung. Im Vergleich dazu ist die Altenpflege besser ausgestattet, so dass Diana Auth von einem uneinheitlichen Care-Regime ausgeht. Die britische Einwanderungspolitik (Migrationsregime) regelt die Zuwanderung verschiedener Gruppen sehr detailliert, und zwar gemäß der Bedarfe auf den unterschiedlichen Arbeitsmärkten.

Schweden als dezentraler Einheitsstaat und Konsensdemokratie ist außerdem der Prototyp des sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates mit einem hohen Grad an sozialen Bürgerrechten, hohen Umverteilungswirkungen durch großzügige Sozialleistungen und einem gut ausgebauten öffentlichen Sektor mit sozialen Diensten. Beschäftigungspolitisch gesehen handelt es sich um ein Land mit starken Gewerkschaften, einer solidarischen Lohnpolitik und Programmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Das Geschlechterregime umfasst das Zwei-Verdiener-Modell mit institutionalisierter Kinderbetreuung. Das Care-Regime ordnet sich in das Öffentliche-Dienste-Modell ein. Soziale Dienste für Kinder und Ältere sind ausreichend vorhanden, universell verfügbar und öffentlich finanziert. Schweden gehörte zu den klassischen Einwanderungsländern, fördert jedoch neuerdings insbesondre die Arbeitsmigration. Die Integrationspolitik ist liberal und inklusiv, wovon nur die Gewährung der Staatsbürgerschaft ausgenommen ist.

Deutschland als dezentraler, föderaler Staat verfügt über ein konservativ-korporatistisches Wohlfahrtssystem mit einem Vorrang der Selbstsorge, weitreichenden Unterhaltsverpflichtungen und einem sozialen Sicherungssystem, das auf verschiedenen Sozialversicherungen basiert. Die moderate Stärke der Gewerkschaften bezieht sich vor allem auf den Schutz der Kernbelegschaften, deren Schutz relativ gut ausgebaut war. Allerdings wird diese Grundlage seit den 1980er Jahren unterminiert durch die Schaffung atypischer Beschäftigungsverhältnisse bei gleichzeitig zurückgehender Relevanz von Flächentarifverträgen. Das Geschlechterregime wird den starken Ernährermodellen zugerechnet, wobei allerings deutliche Tendenzen hin zum Zwei-Verdiener-Modell zu erkennen sind. Das Care-Regime ist durch eine starke Familienorientierung verbunden mit dem Grundsatz der Subsidiarität geprägt. Auch in Deutschland gibt es sehr unterschiedliche Behandlungen verschiedener Zuwanderungsgruppen (Deutsche per Abstammung, Arbeitsmigration, Flüchtlinge), und zwar sowohl in Bezug auf Aufenthalts- und Arbeitsberechtigungen als auch in Hinblick auf den Zugang zu sozialen Leistungen.

Zu Teil C

(„Wandel der Regulierung von Pflegearbeit in Großbritannien, Schweden und Deutschland“)

In diesem Kapitel beschreibt und analysiert Diana Auth die Veränderungen in den Pflegepolitiken der einzelnen Länder. Dabei geht sie wie folgt vor:

Zunächst umreißt sie die Rahmenbedingungen der Pflege von der Nachkriegszeit bis hin zum Prozess einer neuen Pflegegesetzgebung, die sich vor dem Hintergrund des neoliberalen Umbaus des Wohlfahrtsstaates entwickelte. Das waren in Großbritannien der „National Health System and Community Act“ von 1990, in Schweden die „Ädel-Reform“ von 1992 und in Deutschland das Gesetz zur Einführung der „Pflegeversicherung“ von 1994. Für die jeweiligen Gesetzgebungsinitiativen und -verfahren beschreibt sie die sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen ebenso wie die Aushandlungsprozesse zwischen den jeweiligen Interessensgruppen und den politischen Akteuren bis hin zu den Kompromissen, die in den Gesetzen ihren Niederschlag fanden.

Abschließend gibt sie einen Überblick über die Folgen dieser Gesetze für die Pflegearbeit. Dabei konzentriert sie sich auf den jeweiligen Wandel der Regulierung in Bezug auf

  • die familiäre Pflegearbeit,
  • die berufliche Pflegearbeit,
  • die ehrenamtliche Pflegearbeit und
  • die transnationale Pflegearbeit.

Zu Teil D

(„Vergleich des pflegepolitischen Wandels: Ökonomisierung der Pflege – Ausdifferenzierung, In-/Formalisierung und Prekarisierung von Pflegearbeit“)

In diesem Kapitel zieht die Autorin den Vergleich des pflegepolitischen Wandels in den drei Ländern unter den Bedingungen der Ökonomisierung. Diese definiert sie als neoliberale Reformagenda, deren Ziel es war, die Kosten im Bereich sozialer Sicherungssysteme und personenbezogener sozialer Dienste zu senken bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität der Leistungen. Allerdings, so betont die Autorin, dominierte in allen drei verglichenen Wohlfahrtsstaatsregimetypen das Ziel der Kostendämpfung. Die zentralen Vergleichsmomente sind folgende:

  • Effizienzorientierung der Organisation der Pflegeversorgung
  • Vermarktlichung der Leistungserbringung
  • Individualisierung pflegerischer Risiken
  • Förderung der Marktausweitung.

Dabei stellt sie fest, dass die nationalen Pflegeregime der einzelnen Staaten bis in die 1990er Jahre hinein von strukturellen Divergenzen und Kongruenzen geprägt waren. Erst mit dem Wandel stellen sich zunehmend Konvergenzen, zumindest im Hinblick auf die übergeordneten Ziele.
Demgegenüber zeigen sich bei den konkreteren Zielen deutliche Divergenzen zwischen Großbritannien und Schweden (übergeordnete und konkrete Ziele, eingesetzte Mittel) auf der einen und Deutschland auf der anderen Seite. Anders sieht es bei der Betrachtung der Passfähigkeit von Pflegereformen in die nationalen Regimes aus. Für Großbritannien wird festgestellt, dass die Reform regimekonform ist, also keine Veränderungen in Leitbild und Strukturen zur Folge hatte. In Schweden und Deutschland hingegen sind nicht alle Maßnahmen aus den nationalen Regimearrangements erklärbar, sondern werden erst im Kontext von Globalisierung und internationalem Wettbewerb plausibel.

Die insgesamt beobachtete wachsende Regulierung der Pflegearbeit hat zu umfassenden, wenn auch national unterschiedlich ausgeprägten Ausdifferenzierungen formeller und informeller Pflegearbeit geführt, so dass inzwischen in Teilen von einer Hybridisierung der Pflegearbeit gesprochen wird, d.h. von Formen pflegerischer Arbeit, die sich nicht mehr eindeutig dem einen oder anderen Sektor zuordnen lassen. Von diesen Tendenzen scheint auch die transnationale Pflegearbeit betroffen zu sein, wobei sich diese in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich gestaltet.

Darüber hinaus analysiert Diana Auth Prekarisierungstendenzen in der formellen als auch in der informellen Pflegearbeit, also die Beschäftigungsverhältnisse, die soziale und materielle Absicherung sowohl von beruflich als auch von nicht beruflich Pflegenden, die abhängig sind von den jeweiligen Sozial- und Ausbildungs-/Bildungssystem der einzelnen Ländern sind.

Zum Fazit

(„Der Wandel von Care-Regimen in Zeiten der Ökonomisierung“)

In der Zusammenfassung ihrer Untersuchungsergebnisse stellt Diana Auth ihre zentralen Erkenntnisse zu den massiven Veränderungen von Pflegearbeit noch einmal knapp zusammen. Sie konstatiert für Großbritannien eine Ambulantisierung, eine Privatisierung und eine Informalisierung der Pflege. Dennoch hat auch die formelle Pflegearbeit zugenommen, die allerdings aufgrund der Privatisierung der Pflegedienste negative Lohnentwicklungen hinnehmen musste. In der Folge stieg auch die transnationale Pflegearbeit im formellen Sektor an. Die Formalisierung informeller Pflege ist für immer mehr Pflegehaushalte attraktiv geworden. Es lässt sich folglich eine Ausdehnung prekärer Beschäftigungsverhältnisse an den Rändern beruflicher Pflegearbeit beobachten.

In Schweden wurden in einer ersten Phase der Neu-Regulierung ähnliche Tendenzen deutlich, die aber seit dem Jahr 2000 gestoppt wurden, so dass gegenläufige Prozesse bemerkbar werden.

In Deutschland hat die Privatisierung zu einem Verlust der Marktanteil der freigemeinnützigen Anbieter geführt. Das führte auf der einen Seite zu einer Aufwertung und Akademisierung eines Kerns von beruflich Pflegenden und auf der anderen Seite zu breiten Rändern mit atypischen, ungeschützten und teilweise prekären Beschäftigungsverhältnissen. Daneben wurde die informelle Pflege gefördert, die zu einem expliziten Familialismus führt. Mit einer wachsenden Zahl von Pflegebedürftigen jedoch nimmt die familiäre Pflegearbeit zugunsten formeller oder gemischter Pflegearrangements ab. Zudem ist dies ein Sektor, in dem eine große Anzahl migrantischer informeller Pflegekräfte arbeitet.

Abschließend plädiert die Autorin dafür Care als staatsbürgerliches Recht zu verankern. Das solle einerseits das Recht auf Caring (Gewährleistung von Vereinbarkeit von Beruf und Pflege) beinhalten, das letztlich zu einer geschlechtergerechten Verteilung der informellen Pflegearbeit führen könnte. Andererseits gehört dazu das Recht auf Care, das eine hochwertige weitgehend öffentlich finanzierte pflegerische Versorgung garantiert.

Diskussion

Diese detaillierte und komplexe Untersuchung und Analyse des Wandels der Care-Regime in drei Ländern ist weit mehr als eine hervorragende Materialquelle, als die man sie auch nutzen kann. Vielmehr bezieht die Analyse der Restrukturierung von drei Wohlfahrtsstaaten andere Politikfelder und eine kritische Gesellschaftsanalyse ein. Theoretisch fundiert bezieht Diana Auth auch politisch Stellung zu den weltweiten und europäischen Entwicklungen seit Beginn der 1990er Jahre. Das mag in vielen Teilen gerade der gesundheits- und pflegepolitischen Forschung auf Widerspruch stoßen, könnte jedoch dazu beitragen, gewisse Selbst-/Beschränkungen zu hinterfragen. Die Tatsache, dass es sich zudem um einen explizit feministischen Beitrag handelt, sollte bei einem Forschungsgegenstand, der fast ausschließlich formelle und informelle Frauenarbeit umfasst, besonders anregend sein.

Fazit

Diana Auth hat mit dieser Arbeit einen umfassenden Vergleich der neoliberalen Veränderungen der Care-Regimes in drei Ländern mit unterschiedlichen Wohlfahrtstaatssystemen vorgelegt. Er stellt allein aufgrund der Fülle des zur Verfügung gestellten Materials, insbesondere zur Neuformulierung von Pflegepolitik in den 1990er Jahren einen substantiellen Beitrag zur Analyse moderner Pflegepolitiken dar. Die theoretische Verortung der Untersuchung in der Governance- und Care-Forschung trägt dazu bei, dass es sich keineswegs um einen beschränkten Blick auf ein eng abgegrenztes Gebiet handelt, sondern dass dieses als in komplexe staatliche, gesellschaftliche und ökonomische Zusammenhänge eingebettet verstanden wird. Unerlässlich für alle, die sich an der aktuellen Care-Pflege-Politik-Debatte beteiligen möchten!

Rezension von
Dr. Eva-Maria Krampe
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Es gibt 8 Rezensionen von Eva-Maria Krampe.

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Zitiervorschlag
Eva-Maria Krampe. Rezension vom 26.07.2017 zu: Diana Auth: Pflegearbeit in Zeiten der Ökonomisierung. Wandel von Care-Regimen in Großbritannien, Schweden und Deutschland. Verlag Westfälisches Dampfboot (Münster) 2017. ISBN 978-3-89691-849-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22152.php, Datum des Zugriffs 07.06.2023.


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