Tilman Leptihn: Pflegekonzepte in der Gerontopsychiatrie
Rezensiert von Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind, 26.04.2005

Tilman Leptihn: Pflegekonzepte in der Gerontopsychiatrie. Entwicklung und praktische Umsetzung in der Altenpflege mit Erstellung einer speziellen Leistungs- und Qualitätsvereinbarung (LQV).
Schlütersche Fachmedien GmbH
(Hannover) 2004.
2., aktualisierte Auflage.
159 Seiten.
ISBN 978-3-89993-119-8.
12,90 EUR.
CH: 21,90 sFr.
Reihe: Pflege.
Zur Thematik des Buches
Standard, Normierung, Qualität, Qualitätsnachweis, Evaluation sind zu entscheidenden Begriffen der stationären Altenpflege seit Einführung der Pflegeversicherung geworden. Kategorien, die vorher eher nur in Bereichen der Technik und Wirtschaft Relevanz besaßen, bestimmen nun mehr und mehr den Alltag in den Heimen, denn allein ein Fünftel der Arbeitszeit und teils mehr wird mit Aufgaben der Dokumentation, Überprüfung der Standards etc. verbracht. Die vorliegende Veröffentlichung kann als eine Handreichung zur Erfassung und Anwendung dieser Vielzahl an Bestimmungen, Normen und Durchführungsvorgaben verstanden werden.
Der Autor ist Fachkrankenpfleger für Psychiatrie und arbeitet als so genannter "Care-Manager" bei einem Träger mehrerer ambulanter und stationärer Einrichtungen in Hannover.
Inhalt
Das Buch ist in sieben Kapiteln untergliedert.
- Die ersten drei Kapitel ("Die Forderung der Kostenträger", "Der Ist-Zustand in der Altenpflege" und "Die Konzeptentwicklung") behandeln eher einführend die verschiedenen Rahmenbedingungen in Gestalt der gesetzlichen Bestimmungen unter besonderer Berücksichtigung der Leistungs- und Qualitätsvereinbarung (LQV), die Irritationen und Belastungen durch die neuen Vorgaben und praxisnahe Empfehlungen für die Gestaltung einer Konzeptentwicklung in den Einrichtungen.
- Das vierte Kapitel ("Ein gerontopsychiatrisches Pflegekonzept") enthält die verschiedenen Elemente und Faktoren, die nach Ansicht des Autors für ein gerontopsychiatrisches Pflegekonzept erforderlich sind: u. a. Pflegeleitbild, Menschenbild, Milieugestaltung (u. a. Wochen- und Tagesstruktur), Biografiearbeit, die AEDL nach Krohwinkel und Aspekte der so genannten "indirekten Betreuung" (u. a. Führungsstruktur, Verfahren der Qualitätskontrolle, Dienstübergaben, Teambesprechungen, Außenkontakte und Wohnraumkonzepte).
- Kapitel 5 ("Die praktische Umsetzung") beschreibt auf wenigen Seiten die erforderlichen Arbeitsschritte zur praktischen Umsetzung eines gerontopsychiatrischen Konzeptes.
- Im sechsten Kapitel ("Maßnahmen zur Qualitätssicherung") beschreibt der Autor die seiner Meinung nach erforderlichen Maßnahmen zur Qualitätssicherung: u. a. Qualitätszirkel, systematische Informationssammlung, Ermittlung von Zielen, Überprüfung der Pflegeergebnisse, Dokumentation des Pflegeprozesses und Pflegestandards.
- Nebst einer kurzen Schlussbetrachtung (Kapitel 7) findet sich noch ein Anhang, der neben einigen bekannten Erhebungsverfahren (u. a. MMSE, Cohen-Mansfield-Skala) ein Muster für eine Leistungs- und Qualitätsvereinbarung gemäß § 80a SGB XI nach den Bestimmungen des Landes Niedersachsen anführt.
Kritische Würdigung
Es gilt vorab darauf hinzuweisen, dass der Autor bereits im Jahr 2003 eine Broschüre mit ähnlichem Inhalt veröffentlicht hat (Guter Wille allein reicht nicht. Leitfaden für ein gerontopsychiatrisches Pflegekonzept. Bonn: Psychiatrie Verlag, 2003. 3., aktualisierte und bearbeitete Auflage), zu der der Rezensent bereits eine Rezension vorgelegt hat. Um sich nicht unnötig wiederholen zu müssen, kann auf die kritische Würdigung des anderen Buches verwiesen werden.
Neu und problematisch erscheint dem Rezensenten an dieser Veröffentlichung das Ansinnen, höhere Leistungsentgelte im Bereich der Demenzpflege für die Einrichtungen der stationären Altenhilfe erzielen zu wollen. Ähnlich dem "Hamburger Modell" können z. B. auch in Niedersachsen erhöhte Pflegesätze abgerechnet werden, wenn ein "Mehrbedarf" an Leistungserbringung für bestimmte Klientelgruppen (u. a. Demenzkranke mit bestimmten Verhaltenssymptomen) in der so genannten LQV aufgeführt wird. Der exemplarisch angeführte "Mehrbedarf" des Autors kann vom Rezensenten in den meisten Fällen jedoch nicht nachvollzogen werden. Einerseits werden überwiegend Strategien und Handlungsmodelle aufgelistet, die den Nachweis ihrer Effektivität bisher nicht erbracht haben und sich in den Heimen teils als geradezu schädlich herausgestellt haben (Validation, ROT, basale Stimulation bei der Körperpflege), andererseits werden Leistungen angeführt, die das Maß der Notwendigkeit gemäß der Pflegeversicherung übersteigen ("Orientierungsspaziergänge" u. a.).
Fazit
Die vorliegende Veröffentlichung vermag nicht zu überzeugen. Eine angemessene Pflege und Betreuung Demenzkranker im Kontext von Bürokratisierung und unzureichenden Pflegekonzepten wird kaum gelingen können, denn viele hier offerierte Ideen und Konzepte erinnern den Rezensenten weniger an eine heimelige Atmosphäre voller Geborgenheit, die für Demenzkranke Grundlage für Sicherheit und Wohlbefinden ist, sondern eher an perfekt durchgeplante Funktionsabläufe aus Wirtschaft und Verwaltung.
Rezension von
Dr. phil. Dipl.-Psychol. Sven Lind
Gerontologische Beratung Haan
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Es gibt 224 Rezensionen von Sven Lind.
Zitiervorschlag
Sven Lind. Rezension vom 26.04.2005 zu:
Tilman Leptihn: Pflegekonzepte in der Gerontopsychiatrie. Entwicklung und praktische Umsetzung in der Altenpflege mit Erstellung einer speziellen Leistungs- und Qualitätsvereinbarung (LQV). Schlütersche Fachmedien GmbH
(Hannover) 2004. 2., aktualisierte Auflage.
ISBN 978-3-89993-119-8.
Reihe: Pflege.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/2216.php, Datum des Zugriffs 08.12.2023.
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