Thomas Klein: Sozialstrukturanalyse
Rezensiert von Prof. Dr. Christa Paulini, 23.09.2018
Thomas Klein: Sozialstrukturanalyse. Eine Einführung. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2016. 2., überarbeitete Auflage. 352 Seiten. ISBN 978-3-7799-3419-6. D: 24,95 EUR, A: 25,60 EUR, CH: 34,60 sFr.
Thema
Das Buch ist als Einführung in die Sozialstrukturanalyse konzipiert. Die Beschreibung und Analyse sozialer Strukturen betrifft letztendlich alle Teilbereiche der Gesellschaft. Nach Vorbemerkungen im ersten Kapitel zu Begriff und Gegenstand, generellen Konzepten und Folgerungen für die Konzeption des Lehrbuches geht es in den weiteren Kapiteln um die Thematiken Bevölkerung, Haushalt und Familie sowie soziale Ungleichheit und soziale Mobilität. Das Buch schließt mit den informationellen Grundlagen der Sozialstrukturanalyse geschrieben von Johannes Stauder.
Autor
Thomas Klein ist seit April 1994 Professor für Soziologie in Heidelberg mit der Ausrichtung „Makrosoziologie und Methoden der empirischen Sozialforschung“. Derzeit ist er Dekan der Fakultät für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Seine Forschungsgebiete sind Sozialstrukturanalyse, Bevölkerungssoziologie, Familiensoziologie, Soziologie des Alter(n)s sowie Soziologie der Gesundheit. Er hat weitere Rufe (abgelehnt) an die Universitäten Kassel (1994), Konstanz (2002), Bern (2003) und Aachen (2007).
Aufbau und Inhalt
Das Buch untergliedert sich in fünf Kapitel. Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
Im Vorwort zur zweiten Auflage erläutert der Autor die Struktur des Buches als Lehrbuch. Ziel des Lehrbuches ist es die „dargebotenen Informationen und deren Aussagekraft inklusive der damit verwendeten Maßzahlen verständlich zu machen“ (S. 20). Den Leser/innen soll empirisches Basiswissen zu den einzelnen Themenbereichen, die wichtigsten damit verbundenen Maßzahlen und empirischen Zusammenhänge, Ursachen und Hintergründe sozialstruktureller Entwicklungen sowie Folgen und Konsequenzen auch für andere Teilbereiche der Sozialstruktur vermittelt werden (vgl. S. 19).
Im ersten Kapitel beschreibt der Autor die Sozialstrukturanalyse nach Geißler 2002:19) folgendermaßen: „Die Sozialstrukturanalyse zergliedert die Gesellschaft in ihre relevanten Elemente und Teilbereiche und untersucht die zwischen ihnen bestehenden Wechselbeziehungen und Wirkungszusammenhänge“ (S. 22). Für die Konzeption eines Lehrbuches erscheint es sinnvoll „vor allem die unterschiedlichen Interpretationen und den jeweiligen Aussagegehalt alternativer Sozialstrukturbeschreibungen intensiv zu behandeln“ (S. 22f). Im weiteren Teil des Kapitels beschreibt der Autor generelle Konzepte d.h. die Grundmuster der Erklärung sozialer Strukturen sowie die Dynamik sozialstruktureller Entwicklung (Alters-, Kohorten- und Periodeneffekte) und die Folgerungen für die Konzeption des Lehrbuches, dass sowohl „eine Beschreibung als auch eine Analyse sozialer Strukturen“ (S. 37) bietet.
Im zweiten Kapitel geht es um das Thematik Bevölkerung. Genauer wird Bevölkerungsgröße, Altersstruktur, Geburten u.a. auch die gesellschaftliche Bedeutung der Geburtenentwicklung sowie die Thematik der Lebenserwartung u.a. auch soziale Determinanten aber auch die gesellschaftliche Bedeutung der Lebenserwartung genauer dargestellt. Das zweite Kapitel schließt mit der Thematik Migration, es stellt den Verlauf der Wanderungsströme (Außenwanderung, Binnenwanderungen) dar, beleuchtet die Hintergründe und Determinanten der Wanderungsbereitschaft und schließt mit den gesellschaftlichen Konsequenzen der Zuwanderung und der sozialstrukturellen Bedeutung der Zuwanderung.
Das dritte Kapitel widmet sich der Thematik Haushalt und Familie. Der Autor stellt fest, dass „Veränderungen und internationale Unterschiede der Haushaltskomposition und der Verteilung privater Lebensformen (sind) eine Folge der demografischen Entwicklungen sowie des Wandels von Partnerwahl und Beziehungsstabilität und des Auszugs von Kindern aus dem Elternhaus“ (S. 122) sind. Diese Ausdifferenzierung privater Lebensformen wirkt sich in den Bereichen soziale Sicherung, Erwerbsbeteiligung, Geburtenentwicklung aber auch bei der Sozialisation der nachwachsenden Generation aus (vgl. S. 122). Im Kapitel stellt der Autor die Punkte Haushalts- und Familienstrukturen (u.a. partnerschaftliche Lebensformen, historische Hintergründe, soziale Implikationen) näher dar. Anschließend geht es ausführlich um die Thematik Partnerwahl und Heirat einschließlich der Veränderungen und der gesellschaftlichen Bedeutung der Partnerwahl. Daran schließt sich die Thematik Scheidung und Wiederheirat an. Das Kapitel endet mit dem Punkt des Auszuges von Kindern aus dem Elternhaus und deren gesellschaftlichen Bedeutung d.h. die Entkoppelung von Heirat und Auszug aus dem Elternhaus gibt dem Auszugsverhalten und der Gründung eines eigenständigen Haushaltes eine eigenständige Bedeutung, denn es zeigt u.a. den Wandel der Generationenbeziehungen.
Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Thematik soziale Ungleichheit und soziale Mobilität und stellt das umfangreichste Kapitel innerhalb des Buches dar. „Die soziale Strukturierung der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Kinderzahl, Migrationshintergrund, Haushaltstyp und Familienstand, Konfession, Bildung, Beruf, Einkommen und weitere Merkmalen bestimmt zum Teil erheblich über die gesellschaftliche Verteilung von Lebensumständen und Lebenschancen.“ (S. 180) Für die soziale Ungleichheit sind sozialgruppenspezifische Vor- und Nachteile in der Gesellschaft maßgebend, die nicht relativ kurzfristig wechselbar und vergleichsweise frei wählbar sind. Die Kategorien Bildung, Beruf und materieller Wohlstand sind in erster Linie für die Analyse sozialer Ungleichheit von Bedeutung. Im Unterkapitel Bildung geht es u.a. um Bildungsstruktur, Bildungsexpansion und intergenerationale Bildungsmobilität, die Ursachen der Bildungsexpansion und soziale Unterschiede der Bildungsbeteiligung, um Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit auch im Beschäftigungssystem und für die Wohlstandsverteilung. Im weiteren Teil des Kapitels geht es um die Berufsstruktur und Beschäftigung. „Die (Nicht)Integration in das Beschäftigungssystem und die berufliche Stellung sind wohl die zentralen Determinanten sozialer Ungleichheit“ (S. 218). Der Zugang zu Bildung bzw. der Nichtzugang zu Bildung wird u.a. deswegen so stark beachtet, weil Bildung eine wichtige Voraussetzung für die Integration in das Erwerbsleben und für die Erlangung beruflicher Positionen darstellt. Das Beschäftigungssystem ist für die soziale Ungleichheit bedeutsam einerseits hinsichtlich der beruflichen Stellung und andererseits hinsichtlich der Integration in das Erwerbssystem. Im weiteren Verlauf geht der Autor genauer auf die Entwicklung von Berufsstruktur und Beschäftigung, deren Einordnung und Entwicklung ein. Unterpunkte sind dabei Berufsmobilität (intergenerational sowie intragenerational), Beschäftigungsmobilität, Beschäftigungschancen und Frauenerwerbstätigkeit und u.a. der Einfluss der beruflichen Stellung auf Einkommen, Klassenbewusstsein und politisches Handeln. Im dritten Unterkapitel geht es um die Thematik Wohlstand und Armut. „Materieller Wohlstand ist die wichtigste Dimension sozialer Ungleichheit“ (S. 251). Aber auch die bisher dargestellten Ungleichheiten im Bildungs- und Beschäftigungssystem bleiben weiterhin von Bedeutung, da sie nachhaltigen Einfluss auf die materielle Lebenssituation haben. Zuerst stellt der Autor die Maßzahlen und Entwicklung der Wohlstandsungleichheit (ressourcenbezogene Verteilung bezogen auf das Einkommen und im späteren Teil des Kapitels bezogen auf Vermögen) dar. Einkommenskonzepte, Einkommensverteilung, Höhe der Armutsquote, Armutsgrenzen sowie Vermögensverteilung und Verteilung des Konsums werden dargestellt. Im weiteren Verlauf geht es um die Ursachen der Einkommensungleichheit und deren Veränderung (S. 277) aber auch um wohlfahrtsstaatliche und familiäre Umverteilung und um die Konsequenzen der Einkommensungleichheit und Einkommensmobilität. Weitere Dimensionen sozialer Ungleichheit sind die Ungleichheit der Arbeitsbedingungen, Ungleichheiten im Bereich der Gesundheit und Lebenserwartung, Ungleichheiten des sozialen Kapitals sowie die ungleiche Machtverteilung sowie die Ungleichheitsdimension des Prestiges.
Im fünften Kapitel werden die informationellen Grundlagen der Sozialstrukturanalyse von Johannes Stauder genauer beschrieben. Es geht sowohl um die allgemeinen Charakteristika von Sozialstatistiken als auch um die wichtigsten Datenquellen und welche regelmäßigen Publikationen und Datenbanken für die Analyse zur Verfügung stehen.
Zielgruppen
In seiner Einleitung stellt der Autor fest, dass Kenntnisse der Sozialstruktur nicht nur zum Grundbestand soziologischen Wissens gehören, sondern inzwischen auch unerlässlich in Parteien, Regierung, Verbände und Gewerkschaften sind sowie von politisch interessierte Bürger und Bürgerinnen gekannt werden müssen. „Die Beschreibung und Analyse sozialer Strukturen betrifft letztlich alle Teilbereiche der Gesellschaft“ (S. 19). Sie umfassen die Bereiche, die in diesem Lehrbuch behandelt werden also demografische Entwicklung, Haushalts- und Familienstrukturen, Erwerbstätigkeit, Beruf, Einkommen und Wohlstand. Dementsprechend würde ich dieses Lehrbuch allen Studierenden und Lehrenden und Arbeitenden nicht nur von sozialen Berufen sondern auch anderen Berufen z.B. Architekt/innen, Designer/innen, Betriebswirt/innen etc. empfehlen, da die Erkenntnisse über demografische Entwicklung, über Haushalts- und Familiengrößen, über Armuts- und Reichtumsentwicklung für alle Berufe, die mit Menschen und ihren Lebenssituationen zu tun haben, sehr zu empfehlen ist.
Fazit
Dieses Buch ist interessant aufgebaut, es gibt einen sehr guten Überblick über die aktuellen Diskussionen und Theorien, die im Bereich von Sozialstrukturanalyse diskutiert werden. Es vermittelt grundlegende Informationen zur Struktur unserer Gesellschaft und ist gleichermaßen übersichtlich und faktenreich.
Rezension von
Prof. Dr. Christa Paulini
HAWK Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit
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Zitiervorschlag
Christa Paulini. Rezension vom 23.09.2018 zu:
Thomas Klein: Sozialstrukturanalyse. Eine Einführung. Beltz Juventa
(Weinheim und Basel) 2016. 2., überarbeitete Auflage.
ISBN 978-3-7799-3419-6.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22189.php, Datum des Zugriffs 11.10.2024.
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