Melanie Werner, Stefanie Vogt et al.: Wissenschaftliches Arbeiten in der Sozialen Arbeit
Rezensiert von Prof. Dr. Johannes Emmerich, 30.05.2017
Melanie Werner, Stefanie Vogt, Lydia Scheithauer: Wissenschaftliches Arbeiten in der Sozialen Arbeit. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2017. 128 Seiten. ISBN 978-3-7344-0388-0. D: 9,80 EUR, A: 10,10 EUR.
Thema
Eine Fragestellung zu entwickeln und diese nach wissenschaftlichen Kriterien und für andere verständlich zu beantworten, sind Grundfertigkeiten des wissenschaftlichen Arbeitens. Melanie Werner, Stefanie Vogt und Lydia Scheithauer haben einen praxisnahen Ratgeber zum Anfertigen wissenschaftlicher Texte und Präsentationen verfasst, der sich speziell an Studierende der Sozialen Arbeit richtet.
Autorinnen
Die Autorinnen sind wissenschaftliche Mitarbeiterinnen der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften der TH Köln. Sie bündeln in ihrem Werk ihre Erfahrungen in der Ausbildung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern.
Aufbau und Inhalt
„Herzlichen Glückwunsch! Sie sind Student*in der Sozialen Arbeit.“ Mit freundlichen Worten leiten die Autorinnen ihren Ratgeber ein und benennen auch gleich die Zielgruppe: Das Einführungswerk richtet sich vorrangig an Studierende der Sozialen Arbeit und möchte diese bei der Entwicklung der Grundkompetenzen des wissenschaftlichen Arbeitens unterstützen. Hierzu zählen die Fähigkeiten, wissenschaftliche Literatur zu finden, zu lesen, weiterzuverarbeiten und die Ergebnisse zu präsentieren. Studierenden wird dazu geraten, sich eine wissenschaftliche Haltung bestehend aus Zweifel, Neugier und Vernunft anzueignen.
Das Buch gliedert sich in zehn Kapitel, in denen alle wesentlichen Schritte der Bearbeitungen einer wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit besprochen werden. Kapitel eins und zwei dienen dabei vor allem der Vorbereitung auf das Thema.
Im ersten Kapitel versuchen die Autorinnen eine Antwort auf die Frage zu geben, was Wissenschaft eigentlich ist. Sie ist in ihren Augen die methodische angeleitete, transparente Suche nach Erkenntnis. Ausgangspunkt wissenschaftlichen Arbeitens ist daher immer eine Frage.
Das kurze zweite Kapitel stellt ein ideales Ablaufschema eines Schreibprojektes vor. Es umfasst sechs Etappen – von der Orientierungsphase bis hin zur Abgabe – und findet sich in gleicher Form auch schon in anderen Studienratgebern, zum Beispiel von Otto Kruse.
Ab dem dritten Kapitel werden dann schrittweise die einzelnen Stadien des wissenschaftlichen Arbeitsprozesses behandelt. Die Autorinnen starten mit Hinweisen zum wissenschaftlichen Recherchieren. Dabei geben sie zunächst einen Überblick über die Vielfalt wissenschaftlicher Quellen und listen Kriterien auf, die bei der Entscheidung über deren Zitierwürdigkeit helfen. Darauf folgt eine detaillierte Beschreibung verschiedener Recherchetechniken sowie Anwendungstipps für Bibliothekskataloge und Datenbanken. In einem eigenen Unterkapitel werden Vorteile und Tücken des Internets als wissenschaftliche Quelle diskutiert.
Kapitel vier ist dem Lesen und Weiterverarbeiten wissenschaftlicher Texte gewidmet. Der Abschnitt zum Lesen gibt unter anderem Tipps zum Erschließen schwieriger Texte und zum fokussierten Lesen. Im Abschnitt „wissenschaftliche Texte aufarbeiten“ stellen die Autorinnen eine Exzerpiertechnik vor.
Im fünften Kapitel wird auf die Entwicklung einer wissenschaftlichen Fragestellung und die Strukturierung wissenschaftlicher Texte eingegangen. Zunächst werden Methoden vorgestellt (zum Beispiel Themenpyramide, Mind-Map), die Studierende bei der eigenständigen Entwicklung einer Fragestellung unterstützen. Anschließend werden – untermalt mit Abbildungen – verschiedene Typen der Strukturierung eingeführt.
Der Großteil des sechsten Kapitels widmet sich dem Quellenbeleg in Texten und der Anfertigung eines Literaturverzeichnisses: Wie zitiere ich? Was gilt es bei Internetquellen zu beachten? Wie baue ich mein Literaturverzeichnis auf? Diese und weitere Fragen werden mithilfe zahlreicher Beispiele und umfangreicher Tabellen geklärt. Thematisiert wird dabei auch das Stichwort „Plagiate“, allerdings nicht ermahnend, sondern (angesichts der verbreiteten Angst, unbeabsichtigt ein Plagiat anzufertigen) ermutigend: Wer Techniken wissenschaftlichen Arbeitens anwendet, braucht auch keine Angst vor unbeabsichtigten Plagiaten zu haben.
In Kapitel sieben werden die obligatorischen Bestandteile einer wissenschaftlichen Qualifikationsarbeit der Reihe nach besprochen. Unter anderem formulieren die Autorinnen sechs Fragen, auf die eine Einleitung Antwort geben sollte, und präsentieren eine Checkliste mit Ratschlägen zur Anfertigung des Hauptteils.
Eine Auswahl verschiedener Arten wissenschaftlicher Texte wird den Leserinnen und Lesern im achten Kapitel vorgestellt: Paper, Textanalyse, Essay, Portfolio, Haus- und Abschlussarbeiten.
Im neunten Kapitel schwenken die Autorinnen den Blick weg von der schriftlichen Arbeit, hin zur mündlichen Präsentation wissenschaftlicher Ergebnisse. Es enthält Tipps zur Strukturierung, Visualisierung und Moderation wissenschaftlicher Vorträge.
Der Ratgeber schließt mit dem kurzen zehnten Kapitel, in dem die Autorinnen hervorheben, dass Grundkompetenzen des wissenschaftlichen Arbeitens auch in der Praxis der Sozialen Arbeit gefordert sind, etwa zur Anfertigung von Projektanträgen und Berichten.
Diskussion
Die Beurteilung eines Studienratgebers zum wissenschaftlichen Arbeiten ist angesichts der Fülle einschlägiger Lehrbücher stets mit der Frage verbunden: Was rät das Buch, was in vergleichbaren Werken nicht schon geraten wurde? Tatsächlich decken sich einige Passagen mit den Tipps und Hinweisen aus anderen Einführungen ins wissenschaftliche Arbeiten (beispielsweise die Kapitel zum Arbeitsprozess und zur Sammlung und Sortierung von Ideen). Die Autorinnen bieten allerdings mehr als die Wiederholung bekannter Tipps in neuem Gewand. Ihr Ratgeber besticht durch einen klaren und vor allem ermutigenden Schreibstil. Sätze wie: „Der erste Rohentwurf wird sprachlich holpern und poltern“ werden sicherlich einige Studierende aufmuntern, ihre Gedanken zu Papier zu bringen, auch wenn sie zunächst noch nicht wissenschaftlich klingen. Hier folgt der Ratgeber offensichtlichen den Prinzipien der prozessorientierten Schreibdidaktik, die Überarbeitung als Wesenszug von Schreibprozessen ansieht. Das Buch wird daher insbesondere Studierende ansprechen, die mehr als ein Nachschlagewerk für unterschiedliche Recherchetechniken und Zitierstile suchen.
Die Heranführung an das wissenschaftliche Arbeiten erfolgt sehr anschaulich und praxisnah. Das Buch bietet eine Fülle von Checklisten, Frageimpulsen, Abbildungen und Infoboxen, die es gerade Studierenden in der Eingangsphase erleichtern wird, sich die geforderten wissenschaftlichen Grundkompetenzen anzueignen. Dies wird zudem durch die Fokussierung auf den Studiengang Soziale Arbeit unterstützt. Die vielen Beispiele werden dadurch zugänglich und greifbar. Bereichert hätten das Buch noch Hinweise zum Umgang mit der Schwierigkeit, wissenschaftliche Objektivität gegenüber dem eigenen Forschungsthema zu bewahren. Eine Herausforderung, die sich im praxisnahen Studiengang der Sozialen Arbeit in besonderem Maße stellt.
Die einzelnen Kapitel sind so knapp wie möglich und so umfangreich wie nötig gehalten. Etwas aus dem Rahmen fällt allerdings das neunte Kapitel „Ergebnisse mündlich vortragen“. Zweifelsohne enthält es eine Reihe hilfreicher Hinweise. Zugleich werfen die Autorinnen aber an einigen Stellen Fragen auf, ohne sie konkret zu beantworten. Schaubilder wären gerade in diesem Kapitel hilfreich gewesen.
Diese Kritikpunkte schmälern aber keineswegs die Leistung des Autorinnentrios, einen kompakten, ermutigenden und praxisnahen Ratgeber erstellt zu haben, dessen Lektüre Studierenden insbesondere zum Studieneinstieg sehr zu empfehlen ist.
Fazit
Der Ratgeber erleichtert Studierenden der Sozialen Arbeit den Einstieg in das Studium. Er gibt einen kompakten, leicht zu lesenden Überblick über alle wesentlichen Phasen eines wissenschaftlichen Schreibprojektes und nennt Tipps zur Präsentation der Ergebnisse. Zahlreiche Schaubilder und Beispiele aus der Sozialen Arbeit veranschaulichen die Grundlagen des wissenschaftlichen Arbeitens. Checklisten und Tabellen schaffen Übersicht, sodass der Ratgeber auch als Nachschlagewerk verwendet werden kann.
Rezension von
Prof. Dr. Johannes Emmerich
Professor für Grundlagen der Sozialen Arbeit und ihrer Handlungskonzepte
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Zitiervorschlag
Johannes Emmerich. Rezension vom 30.05.2017 zu:
Melanie Werner, Stefanie Vogt, Lydia Scheithauer: Wissenschaftliches Arbeiten in der Sozialen Arbeit. Wochenschau Verlag
(Frankfurt am Main) 2017.
ISBN 978-3-7344-0388-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22288.php, Datum des Zugriffs 02.11.2024.
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