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Bettina Rudert: Das Dilemma von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität

Rezensiert von Claudia Dünki, 19.07.2017

Cover Bettina Rudert: Das Dilemma von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität ISBN 978-3-8300-9189-9

Bettina Rudert: Das Dilemma von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Ansätze für ein erneuertes Qualitätsmodell in der stationären Altenpflege. Verlag Dr. Kovač GmbH (Hamburg) 2016. 342 Seiten. ISBN 978-3-8300-9189-9. D: 99,80 EUR, A: 102,60 EUR.

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Thema

Das besprochene Buch befasst sich mit Qualität bzw. Qualitätsmodellen in der stationären Altenpflege in Deutschland. Dabei wird insbesondere auf das Struktur-Prozess-Ergebnis-Modell von Avedis Donabedian eingegangen, welches über gesetzliche Regelungen, den fachpflegerischen Diskurs sowie verbandsspezifische Vorgaben auf breiter Front Eingang in die stationäre Altenpflege gefunden hat. Die Schwierigkeiten der Übertragung von Qualitätsmodellen in andere Kontexte werden thematisiert und infolge dessen entwirft die Autorin abschließend einen neuen Modellentwurf für die Qualitätsbewertung in der stationären Altenpflege.

Autorin und Entstehungshintergrund

Dr. Bettina Rudert (Jahrgang 1965) ist als selbstständige Beraterin, Dozentin und Fachautorin im Gesundheitswesen tätig. Im Rahmen ihrer Dissertation an der Universität Duisburg (Essen) ist diese Publikation entstanden – zum Teil in Zusammenarbeit mit Bernd Kiefer, der ebenfalls über langjährige Erfahrungen im Gesundheits- und Sozialwesen verfügt.

Aufbau

Nach der Einleitung folgt mit Kapitel 2 die Darstellung der methodischen Grundlagen der durchgeführten Studie. In Kapitel 3 wird der Qualitätsbegriff (insbesondere bezogen auf das Gesundheitswesen) behandelt. Es folgt eine detaillierte Darstellung des Struktur-Prozess-Ergebnis (SPE)-Modells von Donabedian sowie dessen Anwendung in der bundesdeutschen Altenpflege in Kapitel 4.

Daran anschließend werden in Kapitel 5 weitere Qualitäts- und Qualitätsmanagementmodelle besprochen und es wird deren Eignung für die stationäre Altenpflege diskutiert. Kapitel 6 bezieht eine modelltheoretische Sichtweise ein. Aus diesen Erkenntnissen wird in Kapitel 7 ein erweiterter, qualitätsrelevanter Modellentwurf für die stationäre Altenpflege in Deutschland erarbeitet.

Im abschließenden Kapitel 8 wird die Studie zusammengefasst, und es werden fach- und gesellschaftspolitische Konsequenzen zur Diskussion gestellt.

Inhalt

Das Buch behandelt die Frage, inwiefern sich das SPE-Modell eignet, um die Qualität in der stationären Altenpflege in Deutschland zu bewerten. Dazu werden in einer qualitativen Studie Experteninterviews geführt, die Fachliteratur gesichtet und anhand der Grounded Theory ausgewertet.

Mit der Einführung der sozialen Pflegeversicherung Mitte der 1990er-Jahre fand das SPE-Modell von Avedis Donabedian Einzug in die stationäre Altenpflege. Diese Entwicklung wird chronologisch in den ersten vier Kapiteln dargestellt. Während das Kapitel 2 die Methode der Untersuchung erörtert und vorwiegend forschungsinteressierte Lesende ansprechen dürfte, wird im anschließenden Kapitel der Qualitätsbegriff in Bezug auf das Gesundheitswesen diskutiert. Hier wird ein Schwerpunkt auf Dienstleistungsqualität und insbesondere die Qualität im Gesundheitsbereich gelegt.

Im vierten und längsten Kapitel (gut 100 Seiten) stellt die Autorin nicht nur das SPE-Modell dar, sondern zeigt auch die Anwendung und Nutzung des Modells in Deutschland auf. Die Qualitätsdimensionen Struktur, Prozess und Ergebnis werden zueinander in Beziehung gesetzt und Probleme einer Übertragung aus dem ursprünglichen Bereich (klinische Versorgung) in die stationäre Altenpflege ausformuliert. Rudert schließt, dass das SPE-Modell für die stationäre Altenpflege nicht geeignet ist. Insbesondere fehlten: wichtige Elemente wie die sozialen und psychosozialen Interaktionen zwischen den handelnden Personen und Interessengruppen sowie expliziter Bezug zu gesetzlichen und makrostrukturellen Rahmenbedingungen in der Altenpflege.

Über 46 Seiten werden elf weitere Qualitäts- und Qualitätsmanagementmodelle in Kürze beschrieben und deren Übertragbarkeit auf die Altenpflege in Deutschland bewertet:

  • Modell der wahrgenommen Servicequalität (von Grönroos)
  • Dienstleistungsqualitätsmodell (von Parasuraman, Zeithami & Berry)
  • Dienstleistungsqualitätsmodell (von Meyer & Mattmüller)
  • EFQM-Kriterienmodell
  • Zusammengefasstes Servicequalitätsmodell (von Brogowicz, Delene & Lyth)
  • Dynamisches Prozessmodell der Dienstleistungsqualtitä (von Boulding, Staelin, Kalra & Zeithaml)
  • Beziehungsqualitätsmodell (von Liljander & Strandvik)
  • Qualitatives Zufriedenheitsmodell – QZM (von Stauss & Neuhaus)
  • Prozessmodell der DIN-EN-ISO-9000-Normenreihe (PDCA-Modell)
  • Modell zur hierarchischen Dimensionierung der Dienstleistungsqualität (von Brady & Cronin)
  • Modell zur Erreichung von Gesamtqualität in NPOs (von Matul & Scharitzer)

Gemäß Rudert bieten auch diese Qualitäts- und Qualitätsmanagementmodelle keine passende Alternative für die spezifischen Bedingungen in der stationären Altenpflege. In Anlehnung an die Modelltheorie entwirft die Autorin in Kapitel 7 ein ergänztes Qualitätsmodell. Ausgangspunkt ist das Plan-Do-Check-Act-Modell (PDCA-Modell) der DIN EN ISO 9001:2015. Der Modellentwurf berücksichtigt die von der Autorin aus Theorie und Empirie neu herausgearbeiteten Bestandteile:

  • Image als Filter
  • Kommunikation, Interaktion und Beziehungsgestaltung
  • Orientierung an Kunden und relevanten Interessengruppen
  • Verantwortung der Leitung

Zusätzlich werden eine zeitliche Komponente sowie eine Makroebene in den Modellentwurf integriert. Aus all diesen Elementen entsteht ein umfassendes PDCA-Modell für die stationäre Altenpflege in Deutschland. Die Autorin hält fest, dass empirische Belege für die Anwendbarkeit des Modells ausstehen.

Diskussion

Das Buch bietet auf hohem Niveau eine gute und umfassende Zusammenfassung der Situation der Qualitäts- und Qualitätsmanagementdiskussion in der stationären Altenpflege in Deutschland. Die Aussagen aus den Experteninterviews werden im ersten Teil eher anekdotisch bestätigend angewendet. Die tabellarischen und grafischen Zusammenfassungen der detailliert aufgearbeiteten Themen/Modelle sowie die schriftlichen Zusammenfassungen am Ende der jeweiligen Kapitel erleichtern eiligen Lesenden den Überblick über die teilweise längeren Kapitel.

Das Buch leistet eine sehr sorgfältige und gut nachvollziehbare Aufarbeitung der Thematik. (Fach-)Begriffe werden durchwegs definiert und trennscharf verwendet. Die Kapitel 4 und 7 stechen dabei besonders hervor. Das SPE-Modell wird aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet, und stets wird in der Weiterentwicklung Bezug darauf und auf die Ausgangsfragestellung genommen. Insbesondere das Verbinden des SPE-Modells mit der stationären Altenpflege und die Analyse der Schwierigkeiten einer Übertragung aus einem anderen Kontext (klinische Versorgung) sind schlüssig dargestellt. Kapitel 7 bringt die empirische Untersuchung und den Fachdiskurs klar nachvollziehbar zusammen. Die Abbildung 35 mit dem umfassenden PDCA-Modell für die stationäre Altenpflege kann als visuelle Zusammenfassung gelesen werden. Dabei erschließt sich die Systematik der Darstellung nicht unmittelbar und auch die entsprechenden textlichen Beschreibungen bleiben teils vage. Der Einbezug des Images als Filter kann als Gewinn für den neu erarbeiteten Modellentwurf angesehen werden, wobei die Autorin dem Leser im Ausblick schuldig bleibt, wie eine (empirische) Überprüfung und Validierung des Modells aussehen könnte.

Zusammenfassend trägt das Buch zur Weiterentwicklung der Qualitätsdiskussion bei. Der Aussagebereich beschränkt sich nicht nur auf die stationäre Altenpflege sondern regt auch einen feldübergreifenden Diskurs zum Thema Qualität und Qualitätsmanagement an. Die Aufarbeitung von Donabedians SPE-Modell und das Aufzeigen von Ergänzungen resp. Alternativen sind sowohl für den Pflegebereich als auch für andere Humandienstleistungs-Bereiche, für die Qualitätsmanagement relevant ist, äußerst aufschlussreich.

Fazit

Anhand der Ergebnisse einer umfassenden qualitativen Studie befindet die Autorin das SPE-Modell nach Donabedian als nicht geeignet für die stationäre Altenpflege. Darauf aufbauend erarbeitet Bettina Rudert auf der Grundlage des PDCA-Modells der DIN EN ISO 9001:2015 ein erweitertes Qualitätsmodell für die stationäre Altenpflege in Deutschland. Die Herleitung dieses Modellentwurfs erfolgt sorgfältig und reflektiert. Die umfassende Aufarbeitung und Weiterentwicklung des SPE-Modells leisten einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsdiskussion in der stationären Altenpflege. Sie bieten auch interessante Perspektiven für weitere Felder, in denen das SPE-Modell verbreitet ist (z.B. die Aus- und Weiterbildung, die Kinder- und Jugendhilfe etc.).

Rezension von
Claudia Dünki
Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für organisationsbezogene Weiterbildung und Beratung am Institut Weiterbildung und Beratung der Pädagogischen Hochschule Fachhochschule Nordwestschweiz
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Es gibt 1 Rezension von Claudia Dünki.

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Zitiervorschlag
Claudia Dünki. Rezension vom 19.07.2017 zu: Bettina Rudert: Das Dilemma von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Ansätze für ein erneuertes Qualitätsmodell in der stationären Altenpflege. Verlag Dr. Kovač GmbH (Hamburg) 2016. ISBN 978-3-8300-9189-9. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22300.php, Datum des Zugriffs 08.10.2024.


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