Jutta König: 100 Fehler bei der Einstufung von Pflegebedürftigen
Rezensiert von Hans-Joachim Dörbandt, 01.03.2017
Jutta König: 100 Fehler bei der Einstufung von Pflegebedürftigen … und was Sie dagegen tun können. Grundlagen kennen. Kompetent vorbereiten. Fachlich argumentieren. Schlütersche Fachmedien GmbH (Hannover) 2017. 5., aktualisierte Auflage. 96 Seiten. ISBN 978-3-89993-835-7. D: 16,95 EUR, A: 13,40 EUR, CH: 20,50 sFr.
Thema
Nach langjähriger Vorbereitung begann am 01. Januar 2017 in der Pflege eine neue Zeitrechnung. Ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff wurde geschaffen. Ein neues Begutachtungsinstrument und neue Pflegegrade wurden geschaffen. Das bedeutet für alle mit den Neuregelungen befassten oder betroffenen Personen: Wer auf Augenhöhe mit dem Medizinischen Dienst der Kranken- und Pflegeversicherung (MDK) verhandeln will, muss das neue Begutachtungsinstrument sehr gut kennen.
Dieses Buch weitere Buch der Autorin Jutta König soll Tipps, kompakte Informationen und erfolgreiche Strategien geben. In der Schlüterschen Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG erschien ihr erstes praxisorientiertes Buch, „Das neue Begutachtungsinstrument – Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch den MDK“. Vor allem die Beschäftigten in den Pflegekassen, den Pflegestützpunkten, die Pflegekräfte, die Rechtsanwälte und weitere mit der Pflegeversicherung befasste Menschen bis hin zu den Gerichten der sozialen Gerichtsbarkeit müssen sich jetzt mit der neuen Materie auskennen, sie detailliert kennen und umsetzen können. Der richtige Pflegegrad ist gut für den Pflegebedürftigen und Gold wert für das Pflegeunternehmen.
Leider führen immer wieder Irrtümer zu falschen Einschätzungen der Beteiligten. So werden oftmals Leistungsansprüche nicht beantragt und erfüllt. Die Autorin hat deshalb „100 Fehler bei der Einstufung von Pflegebedürftigen“ aufgelistet und gibt dabei auch Hinweise, was dagegen getan werden kann.
Autorin
Jutta König ist Wirtschaftsdiplom-Betriebswirtin Gesundheit (VWA) und Sachverständige bei verschiedenen Sozialgerichten im Bundesgebiet. Sie unterrichtet Pflegesachverständige und Pflegeberater, arbeitet als Unternehmensberaterin und Dozentin in den Bereichen SGB XI, SGB V, Heim- und Betreuungsrecht. Sie ist examinierte Altenpflegerin, Pflegedienst- und Heimleitung.
Aufbau und Inhalt
Das Werk ist im Inhaltsverzeichnis für zehn Abschnitte ausgewiesen, aber nur in neun Abschnitte gegliedert. Ein Vorwort ist vorangestellt.
Die zehn (neun) Abschnitte sind:
1. Das Verfahren
2. Die Vorbereitung zur Einstufung
3. Die Begutachtung
4. Die Fragen zur Selbstständigkeit und zur Hilfe
5. Die Berechnung
6. (fehlt)
7. Begrifflichkeiten
8. Pflegedokumentation
9. Das Gutachten
10. Denk- und Merkwürdiges
Es folgen ein Literaturverzeichnis und ein Register.
Diskussion
Tatsächlich gab es für den Gesetzgeber in den vergangenen Jahren immer wieder Anhaltspunkte und Verbesserungsansätze an der gesetzlichen Pflegeversicherung. In der Praxis hatte sich der Begriff der Pflegebedürftigkeit als nicht real umsetzbar gezeigt. Es wurden bestimmte Aktivitäten des täglichen Lebens voneinander abgegrenzt bewertet. Das erfolgte in der Regel auf der Basis der Begutachtungsrichtlinien für den MDK, in denen bestimmte Zeitansätze in Minuten täglicher Grundpflege vorgegeben worden sind. Hier waren in der Vergangenheit und auch noch heute Ansatzpunkte für Streitigkeiten mit den Pflegeeinrichtungen, aber auch mit den Pflegekassen und den MDK an der Tagesordnung. Versicherte der Pflegekassen beantragten Leistungen weil sie annahmen, dass sie zumindest als erheblich Pflegebedürftig anzusehen waren. Die übliche Altersgebrechlichkeit verwechselten sie dabei mit der erheblichen Pflegebedürftigkeit, wie das Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) vorgab und waren dann enttäuscht, wenn der MDK-Gutachter keine erhebliche Pflegebedürftigkeit feststellen konnte und die Pflegekasse die gewünschte Leistung ablehnen musste.
Ab dem 01.01.2017 gibt es keine Pflegestufen mehr. Jetzt gibt es Pflegegrade, die allerdings durch die Zusammenrechnung von Punkten in den einzelnen Bereichen ermittelt werden müssen. Ob dieser Weg über die Punkteberechnung zielgerichteter sein wird, als über Minutenberechnungen, wird sich in der Praxis und speziell in der sozialgerichtlichen Praxis zeigen. Warten wir es ab.
Für den Praktiker bietet sich jedenfalls mit dem vorliegenden Buch ein sehr guter Einstig in die neuen Regelungen und Grundsätze und vor allem vor dem Hintergrund des neuen Begutachtungsinstruments (NBI). Es ist sachlogisch an möglichen Fehlbeurteilungsstrukturen aufgebaut und befasst sich zunächst mit den Neuerungen durch die Pflegestärkungsgesetze II und III (PSG II und PSG III).
Eine bessere Übersichtlichkeit wäre für eine bessere Praxisnähe geschaffen worden, wenn die neuen Begutachtungsrichtlinien und ein Muster-Gutachten in das Buch mit aufgenommen worden wären. Die in einige „Fehler“ eingebetteten Tabellen reichen so nicht aus, denn die erläuternden Hinweise der Begutachtungsrichtlinien fehlen an den entsprechenden Stellen.
Dennoch sind die hier praxisnah anhand von Einzelbeispielen dargestellten Fakten für den Alltag gut zu gebrauchen, um sich einen guten Überblick zu verschaffen. Wie sich die Feststellungen eines MDK-Gutachters auswirken und welche Ergebnisse sie bringen können, ist den Ausführungen zu entnehmen.
Fazit
Mit dem Buch der Autorin „Das neue Begutachtungsinstrument“ wird dem anzusprechenden Personenkreis sehr anschaulich die neue gesetzliche und praktische Lage der Pflegeversicherung nahe gebracht. Das jetzt neu erhältliche Buch mit den „100 Fehlern bei der Einstufung von Pflegebedürftigen“ bietet darüber hinaus einen sehr guten praktischen Einstieg in die neue Materie und gibt darüber einen guten Überblick. Der Aufbau der ab 01.01.2017 vom MDK zu verwendenden Gutachten wird leider nicht dargestellt. In einzelnen Fallbeispielen wird gleichwohl partiell darauf eingegangen. Für den Praktiker, der täglich mit den Fragen der Pflegeversicherung konfrontiert wird, wäre eine Aufnahme der Pflegerichtlinien, der Begutachtungsrichtlinien und damit der Formulargutachten hilfreich gewesen. So muss der Leser leider immer dann, wenn er sich über die Richtlinien oder die neuen Gutachtenformulare oder von Teilen daraus ein Bild machen möchte, auf andere Fundstellen außerhalb der o. g. Bücher, wie z. B. das Internet zugreifen, was umständlich ist, denn gerade die Richtlinien sind in der täglichen Praxis regelmäßig für Zweifelsfragen heranzuziehen. Der Umfang des Buches mit seinen nur 96 Seiten hätte es sicher zugelassen, auch diese Unterlagen mit aufzunehmen.
Zusammen mit dem Buch der Autorin „Das neue Begutachtungsinstrument“ (vgl. die Rezension) ermöglicht das vorgestellte Buch einen allgemeinen praxisgerechten Überblick über das neue Pflegerecht.
Rezension von
Hans-Joachim Dörbandt
Fachautor in den Bereichen Pflege, gesetzliche Pflegeversicherung, gesetzliche Krankenversicherung
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Zitiervorschlag
Hans-Joachim Dörbandt. Rezension vom 01.03.2017 zu:
Jutta König: 100 Fehler bei der Einstufung von Pflegebedürftigen … und was Sie dagegen tun können. Grundlagen kennen. Kompetent vorbereiten. Fachlich argumentieren. Schlütersche Fachmedien GmbH
(Hannover) 2017. 5., aktualisierte Auflage.
ISBN 978-3-89993-835-7.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22384.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.
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