Beate Hörr, Wolfgang Jütte (Hrsg.): Weiterbildung an Hochschulen
Rezensiert von Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker, 04.04.2017

Beate Hörr, Wolfgang Jütte (Hrsg.): Weiterbildung an Hochschulen. Der Beitrag der DGWF zur Förderung wissenschaftlicher Weiterbildung. W. Bertelsmann Verlag GmbH & Co. KG (Bielefeld) 2017. 287 Seiten. ISBN 978-3-7639-5564-0. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.
Thema
Lange bevor Weiterbildung als genuine Aufgabe der Hochschulen deklariert wurde, existierten Pflänzchen wissenschaftlicher Weiterbildung, deren Gedeihen davon abhing wie stark sie von den Protagonisten gepflegt oder in eigenen Einrichtungen unterschiedlichen Zuschnitts verankert werden konnten. Dieser Band gibt Einblick in die Entwicklung wissenschaftlicher Weiterbildung an Hochschulen, wie sie maßgeblich von der Fachgesellschaft „Deutsche Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudien e.V. (DGWF)“ vertreten wurde.
Herausgeber*in / Verfasser*innen
Die Herausgeberin Dr. Beate Hörr war von 2012 bis 2016 Vorstand und ist aktuell Beisitzerin der DGWF, seit 2000 Leiterin des Zentrums für wissenschaftliche Weiterbildung an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Mitglied in verschiedenen Organisationen der Erwachsenen- und Weiterbildung.
Der Herausgeber Prof. Dr. Wolfgang Jütte ist seit 2009 Professor für Erziehungswissenschaften mit dem Schwerpunkt Weiterbildung an der Universität Bielefeld. Weiterbildung und Weiterbildungsforschung sind seit Jahren seine Forschungs- und Tätigkeitsschwerpunkte. Wolfgang Jütte ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft „Forschung“ der DGWF. Alle weiteren 40 Autor*innen waren oder sind in der DGWF aktiv oder ihr verbunden bzw. haben sich als Forschende oder Vertreter*in einer Universität oder Hochschule mit wissenschaftlicher Weiterbildung befasst.
Entstehungshintergrund
Der Sammelband entstand als eine Art „Inventur“ und „Selbstvergewisserung“ (S. 7) in Vorbereitung auf das 50-jährige Jubiläum, das 2020 begangen wird. Die Protagonisten der 70er und 80er Jahre haben den aktiven Dienst in den Weiterbildungs-Einheiten der Hochschulen verlassen – der „Generationswechsel“ (S. 7) ist vollzogen, die Gesellschaft ist gewachsen, hat sich ausdifferenziert und neu formiert. Diese „Zwischenbilanz“ (S. 9) unter Mitwirkung der Insider ist systematisiert, die Themen der Fachgesellschaft sind definiert und die Aufgaben des nächsten Jahrzehnts angesichts der Veränderungen der vergangenen Dekade sind erkenntlich. Die chronologische Darstellung wird einem Jubiläumsband überlassen.
Aufbau
Der Inhalt des Buches gliedert sich in folgende Themenkomplexe:
- Geleitwort des Vorstands der DGWF und Einführung der Herausgeberin und des Herausgebers (S. 7-12)
- Zielsetzung und Wirkungsweise: die Fachgesellschaft (S. 13-47)
- Thematische Bereiche: die Arbeitsgemeinschaften (S. 49-92)
- Im förderativen Spannungsfeld: die Landesgruppen (S. 93-136)
- Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg (S. 137-168)
- Perspektiven auf Hochschulweiterbildung (S. 169-240)
- Empfehlungen der DGWF (S. 241-277)
Viele Beiträge beginnen mit einem Abstract. Ein Verzeichnis der Autorinnen und Autoren (S. 278-287) rundet den Band ab.
Zum ersten und zweiten Abschnitt
Nach dem Geleitwort des Vorstands und der Einführung der Herausgeber (erster Abschnitt S. 7-12) gibt Beate Hörr im zweiten Abschnitt einen Überblick über die Entwicklung und den Wandel der Fachgesellschaft DGWF.
Vor mehr als 45 Jahren wurde auf der dritten Jahrestagung des Arbeitskreises 1970 in Hannover die erste Mitgliederversammlung abgehalten, eine Satzung des Vereins „Arbeitskreis Universitäre Erwachsenenbildung (AUE)“ verabschiedet und ein Vorsitzender gewählt; die Eintragung ins Vereinsregister erfolgte erst 1971.
2001 wurde der AUE umbenannt in „Deutsche Gesellschaft für wissenschaftliche Weiterbildung und Fernstudium (DGWF)“. Obwohl der AUE e.V. zunächst auf die „universitäre Erwachsenenbildung“ zielte, hat er sich recht bald für Hochschulen geöffnet. Legt man die Phaseneinteilung von Andrä Wolter zugrunde, so repräsentiert er eine typische Einrichtung der dritten Phase der „wissenschaftlichen Weiterbildung seit Mitte der 70er Jahre“. Mit der Gründung des AUE gingen auch Verunsicherungen einher, inwieweit sich der Zusammenschluss auf bestehende Strukturen an Universitäten auswirken könne, zeigte sich doch, dass die Mitgliederzahlen des AUE wuchsen, sich mit den Sektionen, Arbeitsgemeinschaften, Landesverbänden und der internationalen Verflechtung Strukturen zu etablieren begannen, die kontinuierliche Präsenz ermöglichten und in der hochschulpolitischen Debatte mit Anfragen und Stellungnahmen präsent waren. Beate Hörr kann deshalb mit Fug und Recht behaupten, dass die DGWF „die (im Original unterstrichen) Stimme der wissenschaftlichen Weiterbildung in Deutschland“ (S. 15) wurde. So vielgestaltig wie die wissenschaftliche Weiterbildung, so heterogen sind die Ansprüche der Mitglieder: die DGWF hat die Rolle eines „Intermediärs“ (S. 16), er bewegt sich zwischen Mitglieder- und Einfluss-Logik und sitzt sprichwörtlich gelegentlich „zwischen den Stühlen“ (S. 17). Eine Stärke der DGWF lag sicherlich darin, die Verbandsstrukturen den Anforderungen anzupassen, gesellschaftliche Akteure (z.B. Volkshochschulen, Hochschulrektorenkonferenz, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände) einzubinden, die Kommunikation nach außen zu suchen und sich selbst in einflussreiche nationale wie internationale Netzwerke wie z.B. die Deutsche Gesellschaft für Hochschulpädagogik, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen, University Lifelong Learning einzubringen und sich mit Empfehlungen und Beiträgen sichtbar zu positionieren.
Wolfgang Jütte, Claudia Lobe und Markus Walber berichten von der „Wissenskooperation durch Tagungen und Publikationen“ (S. 31-47). Die Tagungstitel (1970 bis 2016) spiegeln einerseits wiederkehrende Themen wider, sie sind aber auch Abbild der hochschulpolitisch jeweils brisanten Aspekte. Die Tagungen wurden seit 2007 regelmäßig evaluiert, jedoch ohne auf eine Zeitreihenanalyse abzuzielen.
2014 erfolgte der Umstieg, so dass bereits erste Resultate vorliegen. Neben Ergebnissen über die Teilnehmerstruktur (Geschlecht, Alter), die Institutionen (Hochschulen für angewandte Wissenschaften, pädagogische Hochschulen, Universitäten) und Beschäftigungsverhältnisse (Projektstellen, leitende, operative oder wissenschaftliche Tätigkeiten) sind vor allem die Erkenntnisse über die aktive Rolle der Teilnehmenden (Vortragende) und die Zusammenhänge zwischen Teilnahmemotiven und Tätigkeitsfeldern interessant. Ein Kapitel zeigt die Veränderung der Publikationsstrategie der DGWF auf: Die zeitnahe Veröffentlichung von Abstracts sowie eine Umstellung der Zeitschrift auf Open Access und ein Peer-Review-Verfahren erweisen sich als zeitgemäß.
Zum dritten Abschnitt
Jeder der vier Beiträge des dritten Abschnitts „Thematische Bereiche: die Arbeitsgemeinschaften“ stellt die Entwicklung, die Zielsetzung, die Aktivitäten und Ergebnisse je einer Arbeitsgemeinschaft der DGWF dar.
Die Arbeitsgemeinschaft der Einrichtungen für Weiterbildung an Hochschulen (AG-E) ist die älteste. Ihre Wurzeln reichen bis 1981 zurück, offiziell gegründet wurde sie durch Beschluss des AUE-Vorstandes im Jahr 1983. Karla Kamps-Haller zeichnet die Stationen der AG-E im Gespräch mit Bernhard Christmann (Geschäftsführer der Akademie der Ruhr-Universität gGmbH bis 2012) und Helmut Vogt (bis 2016 Arbeitsstelle für wissenschaftliche Weiterbildung der Universität Hamburg) in einem Interview nach. Die AG-E sollte dazu dienen, den ca. 183 Zentraleinrichtungen wissenschaftlicher Weiterbildung im Jahr 1983, wovon drei an Fachhochschulen angesiedelt waren, im von Hochschullehrern geführten Verband im Vorstand eine Stimme zu verleihen. Nach einer Projektphase entwickelte der Austausch eine Eigendynamik und führte zu einem wechselseitigen Lernprozess. Die AG-E nahm sich eigenständiger Aufgaben an und veranstalte jeweils im Frühjahr eines Jahres eine eigene Tagung, lange bevor sie sich im Jahr 2001 eine Geschäftsordnung gab. Zu den Herausforderungen der AG-E, die sich als „Interessensvertretung der Einrichtungen für Weiterbildung innerhalb der DGWF“ (S. 56) versteht, gehörten die quantitative Zunahme an Einrichtungen (in etwa eine Verzehnfachung), die Verschiedenheit der Einrichtungen, die Formate wissenschaftlicher Weiterbildung, die Qualitätssicherung und die von Bologna initiierten Veränderungen u.a.m.
Die „Arbeitsgemeinschaft für das Fernstudium an Hochschulen“ (AG-F) wird von Burkhard Lehmann (Geschäftsführer des Zentrums für Fernstudien und Universitäre Weiterbildung an der Universität Koblenz-Landau und Vorsitzendem der DGWF) vorgestellt. 1995 wurde sie eine eigenständige Institution im AUE e.V., nachdem das Fernstudium seit ca. 20 Jahren einen ungeheuren Aufschwung erlebt und zur Gründung von Fernstudienverbünden und -hochschulen geführt hatte, wobei die Verbindung zwischen Fernstudium und wissenschaftlicher Weiterbildung keineswegs zwingend vorhanden sein musste. Die „Integration“ wurde vollzogen, aber erst 2003 wurde mit der Umbenennung in DGWF das Fernstudium im Namen der Gesellschaft sichtbar. Die AG-F erlebte eine von internationalen Entwicklungen inspirierte aktive Gemeinschaft mit eigenen Projekten bis die „digitale Wende“ (S. 70) (Bildungstechnologien, E-Communities und Online Learning) eingeläutet wurde. Deren Vertreter organisieren sich andernorts und Hochschulen können sich vielleicht wieder stärker auf den Content fokussieren.
Die „Bundesarbeitsgemeinschaft Wissenschaftliche Weiterbildung für Ältere (BAG WiWA)“ (S. 73) umfasst ca. 70 Mitglieder. Ihre Wurzeln reichen bis in die 70er Jahre zurück, 1985 wurde eine AG gegründet und seit 1994 ist die BAG in die DGWF eingebunden. Trotz der Tendenz zur Öffnung der Hochschulen für eine Weiterbildung älterer Menschen bestanden nach Angaben der Verfasser*innen Thomas Bertram, Silvia Dabo-Cruz, Karin Pauls und Michael Vesper erhebliche Hürden, sowohl Angebote an Hochschulen zu institutionalisieren und zu verstetigen als auch die gerontologische Forschung als Thema in der Fachgesellschaft zu etablieren. Die Bologna-Reform und deren Ausrichtung auf die Beschäftigungsfähigkeit markierten einen Einschnitt für das Studium älterer Menschen an den Universitäten. Die BAG WiWA reagierte mit der Präzisierung ihrer Ziele, die sie in einer öffentlichen Erklärung 2013 in Oldenburg kundtat und seither aktiv verfolgt, indem sie sich z.B. mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) und anderen gesellschaftlichen Akteuren vernetzt. Ein weiterer Fokus liegt auf der Zielgruppenanalyse (Anbieter und Teilnehmende von wissenschaftlicher Weiterbildung für Ältere). Hier werden vorhandene Analysen konzentriert und Wissen generiert. Künftige Herausforderungen sehen die Autor*innen in der „Intensivierung der konzeptionellen Zusammenarbeit“ (S. 82), in gemeinsamen Forschungsaktivitäten und Anregungen für Angebotsformate und in der Verstetigung von Studienmöglichkeiten für Ältere an bologna-reformierten Hochschulen.
2012 wurde die jüngste Arbeitsgemeinschaft der DGWF ins Leben gerufen: die AG Forschung. Sie wird von deren Sprecher und Sprecherinnen Wolfgang Jütte, Maria Kondratjuk und Mandy Schulze beschrieben. Ähnlich wie von der Forschungslandkarte Weiterbildung konstatiert, ist auch die Landschaft im Forschungsfeld Hochschulweiterbildung zerklüftet, eine Kartographie ist nicht in Sicht. Um die „wissenschaftliche Reflexion“ (S. 86) in diesem Handlungsfeld zu systematisieren, hat die AG die Vernetzung professionalisiert, ein Forschungsforum gegründet, die existierenden punktuellen Forschungsresultate in eine Systematik eingepflegt, die Reflexion über Nachhaltigkeit und die Forschung zur Didaktik wissenschaftlicher Weiterbildung intensiviert.
Zum vierten Abschnitt
Im vierten Abschnitt des Buches stellen sich die acht Landesgruppen der DGWF vor: Ihre Altersspanne ist recht breit. Nachfolgend sind sie chronologisch nach dem Gründungsdatum angeordnet:
- Landesgruppe Berlin und Brandenburg (1993),
- Landesgruppe Nord (Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Schleswig-Holstein) (2007),
- Landesgruppe Baden-Württemberg (2008),
- Landesgruppe Hessen (Verbund seit 2004, gegründet 2011),
- Landesgruppe Nordrhein-Westfalen (2012),
- Landesgruppe Rheinland-Pfalz und Saarland (2013),
- Landesgruppe Mitteldeutschland (Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen) (2014) und
- Landesgruppe Bayern (2015).
Beweggründe für die institutionelle Verankerung lagen darin, den teilweise informell vorhandenen, häufig persönlich-bilateralen Austausch systematisch zu vernetzen und regelmäßig themenbezogene Treffen / Tagungen zu veranstalten.
Die im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts gegründeten Gruppen sind auf die projektgeförderten Veränderungen des Hochschulzugangs („Öffnung der Hochschulen“) und die daraus resultierenden Angebotsformate und den quantitativen Aufwuchs in den Abteilungen zurückzuführen. In allen Landesgruppen gibt es einen Sprecherrat, der die organisierten Hochschulen nach innen zur DGWF und nach außen, z.B. gegenüber den Landesministerien vertritt. Trotz der gegebenen Heterogenität der Mitglieder in den Landesgruppen (Hochschulart, Verankerung der wissenschaftlichen Weiterbildung, Angebote) wird der interne Austausch in jedem Beitrag als anregend, der Positionierung wissenschaftlicher Weiterbildung dienlich und weitgehend frei von Konkurrenz beschrieben. In den Landesgruppen werden Themen behandelt, die z.T. aus der Praxis wissenschaftlicher Weiterbildung aufpoppen und einer generellen Regelung bedürfen: z.B. Anrechnungen und Vergabe von Creditpoints, berufsrechtliche Gleichstellung von Abschlüssen, Vollfinanzierung der Angebote, Vor- und Brückenkurse u.a.m. Zumeist haben die Landesgruppen auch Kontakt zu den regionalen Nicht-Mitglieds-Hochschulen. Einige Landesgruppen haben Themenpapiere verfasst, die eine Diskussionsgrundlage für die DGWF gebildet und eine breite thematische Beschäftigung initiiert haben.
Zum fünften Abschnitt
Im fünften Abschnitt stellen sich das österreichische und das schweizerische Netzwerk wissenschaftlicher Erwachsenenbildung sowie eucen (european university continuing education network) vor.
Von Beginn an gehörte der Blick über „den Tellerrand hinaus“ zur Zielsetzung der Fachgesellschaft. Dies spiegelt sich erfolgreich darin wider, dass u.a. Andreas Fischer, Universität Bern, Gründungsmitglied und Vizepräsident von Swissuni – Verein universitäre Weiterbildung Schweiz (www.swissuni.ch) Mitglied im Beirat der DGWF war. Er gibt in seinem Beitrag „Wirkungsvolle Interessensvertretung der universitären Weiterbildung in der Schweiz: Swissuni“ (S. 151-158) einen Überblick über die rechtliche Verankerung und die Organisation von wissenschaftlicher Weiterbildung in der Schweiz sowie die Ziele und Aufgaben des im Jahr 2002 gegründeten Vereins Swissuni und dessen im Jahr 1991 entstandenen Vorläuferarbeitskreises. Mit Blick auf die Ergebnisse der Vereinsaktivitäten lassen sich viele vergleichbare Anliegen identifizieren, wie z.B. die Kommunikation untereinander und nach außen, die Qualität universitärer Weiterbildung, das ECTS-System, die Formate wissenschaftlicher Weiterbildung, die rechtliche Verankerung u.a.m. Im Unterschied zur DGWF sind in Swissuni nur universitäre Hochschulen organisiert, während die schweizerischen Fachhochschulen als selbständig agierende Konkurrenten gesehen werden.
Die ausschließliche Konzentration auf die Universitäten ist auch bei AUCEN (Austrian University Continuing Education and Staff Development Network) gegeben, das seit 1996 existiert und zunächst als informeller Round Table agierte, 1998 den bis heute existierenden Namen und schließlich 2005 die Vereinsstruktur annahm. Die Autorinnengruppe des Berichts über AUCEN besteht aus Vorstands- und Geschäftsführungsmitgliedern, die zurecht stolz darauf sein können, dass die wissenschaftliche Weiterbildung im „ersten österreichischen Universitätsentwicklungsplan 2016 bis 2021“ (S. 142) des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft aufgenommen und „als dritte Säule der Lehre an Universitäten“ (S. 142) aufgeführt wurde. AUCEN verzeichnet einen hohen Organisationsgrad der Universitäten, lediglich zwei sind nicht vertreten, weil sie keine Universitätslehrgänge anbieten. Die von Anfang an bestehende Vernetzung mit der DGFW bezeichnen die Verfasserinnen als gewinnbringendes „Über-den-Tellerrand-Schauen“ (S. 147), zumal ähnliche Themen wie z.B. die Anrechnung von Leistungen, die Struktur des Angebots u.a.m. zu behandeln waren.
Françoise de Viron zeigt anhand ausgewählter Prüfkriterien für Netzwerke die Funktionalität und die Qualität des European University Continuing Education Network (eucen) auf, dessen Mitglied die DGWF als eines der größten von 17 nationalen Netzwerken seit Gründung im Jahr 1991 ist. In Summe kann eucen als kollaboratives und interorganisationales Netzwerk identifiziert werden, das als Community of Practise miteinander und voneinander lernt.
Zum sechsten Abschnitt
Unter der Überschrift „Perspektiven auf Hochschulweiterbildung“ (sechster Abschnitt) greifen vier Autoren und eine Autorin einzelne Aspekte der wissenschaftlichen Weiterbildung auf.
Ursula Bade-Becker fokussiert „Rechtliche und organisatorische Herausforderungen der wissenschaftlichen Weiterbildung“ (S. 171-179). Zur Sprache kommen das spannende Aufeinandertreffen von „regelgeprägter Ordnung der Verwaltung“ und „disziplinär geprägter Logik der Wissenschaft“ (S. 172) sowie die rechtlichen, finanziellen und personellen Komponenten, die bei der Organisation wissenschaftlicher Weiterbildung zu berücksichtigen sind.
Andrä Wolter geht der Frage nach, ob und wenn ja, welche Impulse im Bund-Länder-Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen“ als „Motor wissenschaftlicher Weiterbildung“ (S. 181-194) zu werten sind. Nach einer differenzierten Betrachtung der Phasen wissenschaftlicher Weiterbildung an den Hochschulen in Deutschland sieht der Autor das Programm als „ein deutliches Zeichen“ des Bundes und der Länder, „dass es ihnen ernst ist mit der Öffnung der Hochschulen für Berufstätige und lebenslanges Lernen“ (S. 191). Es sei eine Art „Studienreformlaboratorium der Hochschulentwicklung“ (S. 192) mit Pilotfunktion entstanden, dessen Effekte vorwiegend qualitativer Art seien und deren Nachhaltigkeit erst gesichert werden müsse.
Aus der Überprüfung der Konstellation „Beruflichkeit und wissenschaftliche Weiterbildung“ schlussfolgert Bernd Kaßebaum in seinem Beitrag (S. 195-210) drei dringende Punkte: Angebote wissenschaftlicher Weiterbildung an Hochschulen müssen sich an „beruflicher und wissenschaftlicher Handlungskompetenz“ (S. 207) orientieren, „soziale und berufliche Durchlässigkeit“ (S. 207) müssen stärker gefördert und „wissenschaftliche Weiterbildung müsse als Teil der Bildungsarchitektur“ (S. 208) erachtet werden. Im Konzept einer „erweiterten modernen Beruflichkeit“ (S. 201) sieht der Verfasser die Verbindung realisiert; Beruflichkeit bedeute auf wissenschaftlicher Basis reflektierte Praxis und Erfahrung mit Bildungs- und nicht nur Beschäftigungsbezug.
Wolfgang Seitter warnt in seinem Beitrag „Zielgruppen in der wissenschaftlichen Weiterbildung“ (S. 211-219) davor, die vielfältigen und iterativen Passungsprozesse zwischen externen und internen Zielgruppen zu vernachlässigen. In Hochschulen als Organisationen ergibt sich im Konzert der verschiedenen Akteure und Promotoren erst der „Möglichkeitskorridor“ (S. 216) wissenschaftlicher Weiterbildung, woraus im Anschluss interne Passungen und Abstimmungen erfolgen, um die Bedingungen eines erfolgreichen Angebots zu schaffen.
Ortfried Schäffter nimmt den „Sonderstatus“ wissenschaftlicher Weiterbildung aufgrund der „Inkompatibilität von Forschung und Bildung“ (S. 226) zum Anlass, das „substanzialistische“ (S. 227) Verständnis zu überwinden und auf der Basis einer „relationstheoretische[n] Deutung“ die praxisfeldorientierte und die wissenschaftlich-theoretische Gegenstandsbetrachtung als „dialogischen Aushandlungsprozess“ (S. 229) zu betrachten, der auf transdisziplinärer Ebene eine neue Qualität von Wissen erschafft. Praxisforschung ist nach Meinung des Verfassers das Medium der Wahl, um solche Prozesse zu ermöglichen. Für wissenschaftliche Weiterbildung, insbesondere diejenige an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, kann die Öffnung der Wissensgenerierung zur Gesellschaft und die Einbindung von Akteuren eine „aufgabenorientierte Wissenschaft“ forcieren, die ein „strukturelles Gegengewicht gegen die (…) fortschreitende Parzellierung in sich segmentär abgrenzende Teildisziplinen“ (S. 237) bilden könne.
Zum siebten Abschnitt
Im letzten Abschnitt des Bandes sind drei Empfehlungen der DGWF abgedruckt:
- Die älteste Empfehlung „Perspektiven wissenschaftlicher Weiterbildung in Deutschland aus Sicht der Einrichtungen an Hochschulen“ (S. 263) stammt aus dem Jahr 2005 und fasst wesentliche Eckpunkte für die Organisation, die Finanzierung, Qualität und Struktur wissenschaftlicher Weiterbildung im Übergang zur gestuften Studienstruktur von Bachelor und Master zusammen.
- In „Formate wissenschaftlicher Weiterbildung“ (S. 255) aus dem Jahr 2010 wird eine Systematisierung vorgestellt, mögliche Kombinationen werden aufgezeigt.
- Die jüngste Empfehlung widmet sich der „Organisation der wissenschaftlichen Weiterbildung an Hochschulen“ (S. 243). Sie wurde im Juli 2015 beschlossen und ersetzt eine Vorläuferempfehlung aus dem Jahr 2010.
Diskussion
Die DGWF als Vertreterin der wissenschaftlichen Weiterbildung hat eine bewegte Entwicklung hinter sich; aus den ihr entgegen gebrachten Widerständen ging sie oft gestärkt hervor, weil sie die Herausforderungen (rechtliche, personelle, strukturelle, fiskalische) angenommen, sich wandlungsfähig gezeigt hat und auf diese Weise auf Länder-, Bundes- und europäischer Ebene auch Einfluss geltend gemacht hat. Das zeigt dieser Sammelband recht plastisch auf, ohne in Selbstbeweihräucherung zu verfallen.
In Abschnitt 6 werden neben den bekannten und andauernden strukturellen Klärungen, die zu thematisieren sind, interessante neue Gebiete wissenschaftlicher Weiterbildung an Hochschulen angerissen, die es wert sind, verfolgt zu werden, z.B. die „moderne Beruflichkeit“ (S. 201), die hochschulintere Entwicklung, die notwendig ist, um ein passendes Angebot zu gestalten, die disziplinübergreifende und transdisziplinäre Herangehensweise in Lehre und Forschung, die Öffnung zur Gesellschaft u.a.m. Deshalb hält der Band auch Hausaufgaben für alle Akteure bereit, die in den nächsten Jahren für ausreichend theoretische, forschende und praktische Betätigung sorgt.
Fazit
Der Sammelband bietet – der Zielsetzung gemäß – „Inventur“, „Erinnerungsarbeit“ und „kommunikatives Gedächtnis“ (S. 7) der DGFW, Dokumentation des Geleisteten und Verweise auf kommende Aufgaben. Der Band ist aber weit mehr als die Chronik einer Fachgesellschaft: Wer in Sachen wissenschaftlicher Weiterbildung up-to-date sein möchte, hat mit der Lektüre des Buches die Chance, es zu werden.
Rezension von
Prof. Dr. Irmgard Schroll-Decker
Lehrgebiete Sozialmanagement und Bildungsarbeit an der Fakultät Sozial- und Gesundheitswissenschaften der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg
Website
Mailformular
Es gibt 80 Rezensionen von Irmgard Schroll-Decker.