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Peter Patze-Diordiychuk, Jürgen Smettan u.a. (Hrsg.): Passende Beteiligungsformate wählen (Bürgerbeteiligung)

Rezensiert von Dr. Rolf Frankenberger, 17.10.2017

Cover Peter Patze-Diordiychuk, Jürgen Smettan u.a. (Hrsg.): Passende Beteiligungsformate wählen (Bürgerbeteiligung) ISBN 978-3-86581-853-9

Peter Patze-Diordiychuk, Jürgen Smettan, Paul Renner, Tanja Föhr (Hrsg.): Passende Beteiligungsformate wählen. oekom Verlag (München) 2017. 364 Seiten. ISBN 978-3-86581-853-9. D: 34,95 EUR, A: 36,00 EUR.
Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung. Band 2.

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Thema

Bürgerbeteiligung gilt in der wissenschaftlichen Diskussion um die Krise der repräsentativen Demokratie als ein zentraler Schlüssel zur Revitalisierung der Demokratie. Darüber hinaus zeigen zahlreiche Untersuchungen, dass gut gemachte Bürgerbeteiligung die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit politischen Prozessen und Entscheidungen verbessert. Problematisch ist hingegen eine unzureichende, unprofessionell oder nur zu Alibizwecken durchgeführte Beteiligung. Dass „kooperative Bürgerbeteiligung“ (S. 17) nicht immer gelingt, hat verschiedene Ursachen.

  1. Dies kann erstens am Selbstverständnis von Amts- und Mandatsträgern liegen, die sich durch Bürgerbeteiligung in ihrer Tätigkeit eingeschränkt fühlen.
  2. Zweitens gibt es durchaus auch seitens der Bürgerinnen und Bürger Vorbehalte gegenüber der Wirksamkeit von Beteiligung.
  3. Und drittens ist Beteiligung nach wie vor sozial selektiv: Es sind die besser gebildeten und reicheren Bürgerinnen und Bürger, die sich beteiligen (S. 17-18).

Und nicht zuletzt entwickelt sich erst langsam in den Verwaltungen und politischen Gremien eine Beteiligungskultur und ein Fachwissen, die notwendig sind, um Bürgerbeteiligung zu gestalten.

Entstehungshintergrund

Das im Kontext der Akademie für Lokale Demokratie e.V.( ALD) (www.lokale-demokratie.de) – ein gemeinnütziger Verein mit dem Ziel der „Förderung der Entwicklungszusammenarbeit“ und der „Förderung des demokratischen Staatswesens (…) unter dem Gesichtspunkt der wachsenden Strukturschwäche der repräsentativen Demokratie und des zunehmenden Bedürfnisses der Menschen nach erweiterten Möglichkeiten politischer Teilhabe“ (Satzung der ALD) – entstandene und vom Land Sachsen-Anhalt geförderte fünfbändige „Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung“ soll dazu beitragen, Bürgerbeteiligung so zu gestalten, dass sie den Herausforderungen gerecht wird.

Den HerausgeberInnen Peter Patze-Diordiychuk, Jürgen Smettan, Paul Renner und Tanja Föhr ist es ein zentrales Anliegen, „den gesamten Beteiligungsprozess in den Blick zu nehmen, indem ein breites Set an Methoden vorgestellt wird, die von der Auftragsklärung bis zur Ergebnis- und Lerntransfersicherung reichen“ (S. 20). Band 1 (vgl. die Rezension) stellt Methoden der Planung und Auftragsklärung vor, insbesondere der Erhebungs- und Analysetechniken. Der hier besprochene Band 2 beschäftigt sich mit konkreten Beteiligungsformaten und stellt 20 Methoden vor. Die geplanten Bände 3 (Online-Beteiligungsverfahren), 4 (Werkzeuge zur Lern- und Transfersicherung) und 5 (Moderationstechniken) sind für die nächsten drei Jahre angekündigt.

HerausgeberInnen

Die HerausgeberInnen weisen vielfältige akademische und praktische Erfahrung im Bereich der Bürgerbeteiligung auf.

  • Dr. Peter Patze-Diordiychuk ist Gründer der Akademie für lokale Demokratie e.V. und heute ehrenamtlicher Vereinsvorsitzender. Er ist gegenwärtig Referent für Bürgerbeteiligung beim Regierungspräsidium Freiburg und verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Demokratieförderung, Bürgerbeteiligung, Regional- und Kommunalentwicklung.
  • Prof. Dr. Jürgen Smettan lehrt und forscht als Dozent für Volkswirtschaftslehre an der Berufsakademie Sachse. Er ist zudem Geschäftsführer der IDENTRA GmbH, die neben Eignungsgutachten und Berufsberatung auch Coaching und Mediation anbietet.
  • Paul Renner ist Sozialwissenschaftler und studiert momentan im M.Sc. Studiengang Planung und Partizipation an der Universität Stuttgart.
  • Tanja Föhr arbeitet als Business Coach, Moderatorin und Illustratorin. Sie arbeitete unter anderem beim Innovationszentrum Niedersachsen GmbH und ist mit ihrem Unternehmen FÖHR Agentur für Wissenstransfer und Innovationskulturen im Beteiligungsbereich tätig.

Aufbau und Inhalt

Der Band ist gegliedert in vier inhaltliche Teile, in denen jeweils spezifische Methoden vorgestellt werden. Diese Methodenkapitel sind jeweils so aufgebaut, dass zunächst Ziele und Voraussetzungen erläutert werden, danach Organisation und Ablauf. Es werden jeweils Referenzen und Literatur zum Weiterlesen aufgeführt.

In Teil 1 „Argumente erkennen und Interessen verstehen“ stellen Experten die folgenden fünf Methoden vor:

  • Aktivierende Befragung (S. 28-41): Dient in erster Linie dazu, Menschen zum Nachdenken anzuregen, relevante Themen zu identifizieren und zu artikulieren.
  • Einwohnerversammlung (S. 42-59): Hat das Ziel kommunale Informationen an die Bürger zu vermitteln, deren Ideen und Bedürfnisse zu einem bestimmten Thema zu erfassen und mit den Bürgern in Kontakt zu treten.
  • Bürgerpanel (S. 60-77): Durch eine repräsentative Befragung sollen Bürger aktiviert und deren Meinungen zu kommunalen Themen erfasst werden
  • Partizipative Rasche Befragung (S. 78-93): Betroffene Bürger werden in die Planung und Umsetzung von lokalen Entwicklungsprozessen eingebunden.
  • Planungszelle (S. 94-113): In mehrere Gruppen von ca. 20 Personen (Planungszelle) werden lokales Wissen erschlossen und Vertrauen zwischen den Akteuren in Politik, Verwaltung und Bürgerschaft aufgebaut, um politisches Engagement zu stärken.

In Teil 2 werden Methoden vorgestellt, mit denen man „Ideen sammeln und Szenarien erarbeiten“ kann. Dies sind:

  • ModerationsMethode (S. 114-131): dient der Einbindung von relevanten perspektiven auf ein Thema und der Förderung kreativer Problemlösung bei kurzen treffen.
  • Open Space Conference (S. 132-149): Einbindung von bis zu 2000 Personen bei der Klärung und Veränderung von Vorhaben. Dient der Generierung von Ideen, Interessen und Vorschlägen.
  • Zukunftswerkstatt (S. 150-161): Im Unterschied zur Open Space Conference eher kleinere Gruppen, die Fragestellung und Probleme vor dem Hintergrund von Zukunftsaspekten tief diskutieren.
  • Szenariotechnik (S. 162-179): Entwicklung von möglichen Entwicklungspfaden zusammen mit einer kleineren Gruppe von Bürgern.
  • Sechs Denkhüte (S. 180-199): Strukturierte Diskussion und Betrachtung von Problemen aus verschiedenen Blickwinkeln oder Denkmodellen heraus.

Zum „Visionen entwerfen und Aktionspläne Entwickeln“ können die Methoden aus Teil 3 verwendet werden:

  • Planungsworkshop (S. 200-213): Dient der Entwicklung von Aktionsplänen und der Definition von Zuständigkeiten in einem Prozess.
  • Zukunftskonferenz (S. 214-229): Planung von Zukunftsvorhaben unter Einbezug aller relevanten Interessensgruppen.
  • Appreciative Inquiry (S. 230-247): Ansatz der sich für kleine wie große Gruppen eignet, um bestehende Potentiale für Beteiligung nutzbar zu machen.
  • Planning for Real (S. 248-259): Methode für große und kleine Gruppen bis zu 5000 Personen, mit der Menschen aktiviert und mobilisiert werden, um Pläne zu diskutieren und umzusetzen.
  • Real Time Strategic Change Conference (S. 260-279): Dient dazu, möglichst unterschiedliche Personen in Beteiligungsprozesse einzubeziehen.

Interessen integrieren und Konflikte lösen“ ist Thema von Teil 4. Hier werden fünf Methoden vorgestellt:

  • Mediation (S. 280-293): Dient klassisch der Lösung von Konflikten und kann bei kleinen bis mittelgroßen Gruppen eingesetzt werden.
  • Konsensuskonferenz (S. 294-305): Kontroverse Themen werden in Gruppen bis 30 Personen diskutiert, um ein Bewusstsein für die Widersprüche zu schaffen und zur Konfliktlösung beizutragen.
  • Dynamic Facilitation (S. 306-321): Mit dieser Methode können in kleinen Gruppen Prozesse der kreativen Konfliktlösung eingeleitet werden.
  • CODM-Modell (S. 322-333): CODM steht für Consensus Oriented Decision Making und dazu, in kleinen Gruppen das Interesse aller Betroffenen bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen.
  • Konfliktlösungskonferenz (S. 334-351): Ehrenamtliche Interessenvertreter werden zusammengebracht, um deren unterschiedliche Interessen zu integrieren und entstandene Konflikte zu lösen.

In einem Indexteil (S. 352-364) werden die AutorInnen vorgestellt und die Methoden in einer Übersichtstabelle entlang der Kriterien Ziele, Teilnehmerzahl, Dauer, Kosten und Prozessphasen bei der Durchführung zusammengefasst.

Fazit

Das Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung ist ein sehr guter erster Zugang für die Planung und Gestaltung von Beteiligungsverfahren gestalten will. Band 2 ist ein gut strukturiertes Werk, das durch klare, übersichtliche und identisch aufgebaute Beiträge einen ersten schnellen Zugriff auf Methoden und Formate der Bürgerbeteiligung ermöglicht. Der Index der Methoden als vergleichende Tabelle ermöglicht einen schnellen Zugriff auf die einzelnen Methoden, die dann detaillierter dargestellt werden. Die getroffene Auswahl umfasst die gängigsten Methoden ebenso wie einige weniger bekannte, aber sehr brauchbare Formate, die es ermöglichen, verschiedene Phasen der Bürgerbeteiligung systematisch zu gestalten, vom Erfassen von Argumenten über das Sammeln von Ideen und das Entwickeln von Visionen und Plänen bis hin zur Konfliktlösung.

Rezension von
Dr. Rolf Frankenberger
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Es gibt 21 Rezensionen von Rolf Frankenberger.

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Zitiervorschlag
Rolf Frankenberger. Rezension vom 17.10.2017 zu: Peter Patze-Diordiychuk, Jürgen Smettan, Paul Renner, Tanja Föhr (Hrsg.): Passende Beteiligungsformate wählen. oekom Verlag (München) 2017. ISBN 978-3-86581-853-9. Methodenhandbuch Bürgerbeteiligung. Band 2. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22592.php, Datum des Zugriffs 21.03.2023.


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