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K. Peter Fritzsche, Peter G. Kirchschläger et al.: Grundlagen der Menschenrechts­bildung

Rezensiert von Prof. Dr. Josef Eckstein, 18.07.2017

Cover K. Peter Fritzsche, Peter G. Kirchschläger et al.: Grundlagen der Menschenrechts­bildung ISBN 978-3-7344-0398-9

K. Peter Fritzsche, Peter G. Kirchschläger, Thomas Kirchschläger: Grundlagen der Menschenrechtsbildung. Theoretische Überlegungen und Praxisorientierungen. Wochenschau Verlag (Frankfurt am Main) 2017. 232 Seiten. ISBN 978-3-7344-0398-9. D: 25,80 EUR, A: 26,60 EUR.

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Thema

Vor dem Hintergrund eines beachtlichen Auftriebs, den die Menschenrechtsbildung (MRB) in den letzten Jahrzehnten erfahren hat, versuchen die Autoren unter dem Leitbegriff einer „Kultur der Menschenrechte“ eine grundsätzliche theoretische Fundierung und Reflexion dieser Arbeit zu leisten mit dem Ziel, eine verbesserte Praxis anzuregen.

Entstehungshintergrund

Die Autoren arbeiten seit vielen Jahren im Bereich der MRB, zuletzt immer öfter auch gemeinsam. Sie bringen unterschiedliche Fachkompetenz ein: Politikwissenschaft (K. P. Fritzsche, Prof. em., für Politikwissenschaft, UNESCO-Lehrstuhl), Theologie und Philosophie (P. G. Kirchschläger, Visiting Fellow und Forschungsmitarbeiter Uni Luzern) sowie Rechtswissenschaft (Th. Kirchschläger, Rechtsanwalt, Zentrum für Menschenrechtsbildung an PH Luzern). Neben praktischen Erfahrungen in der MRB eint sie das Interesse an einer theoretischen-konzeptionellen Fundierung ihrer Arbeit und der zugrundeliegenden Normen bzw. der aktuell diskutierten gemeinsamen Leitidee der „Kultur der Menschenrechte“.

Aufbau

Die Arbeit umfasst neben der Einleitung und einem gemeinsam verantworteten Schlusskapitel insgesamt acht Kapitel.

Am Anfang stehen eine Analyse der rechtliche Dimension der Menschenrechte und deren Bedeutung für die MRB (Kap. 2) und die Skizzierung einer Entwicklungstheorie der MRB im Kontext der UN-Deklaration zur Menschenrechtsbildung von 2011 (Kap. 3).

Die normative Grundlegung der MRB sowie die „Kultur der Menschenrechte“ als neue Leitidee werden in den nächsten beiden Kapiteln diskutiert. Für die Umsetzung und praktische Arbeit machen sich die Autoren auf die Suche nach Gemeinsamkeiten, Unterschieden und Anschlussstellen in Bereich der Kinderrechts- und der Inklusiven Bildung sowie in weiteren „benachbarten pädagogischen Ansätzen“ wie z.B. politische oder interkulturelle Bildung, Friedensbildung, Werteerziehung etc. (Kap. 6 – 8).

Anschließend wird die in der Menschenrechtsforschung entwickelte Unterscheidung zwischen impliziter und expliziter MRB diskutiert (Kap. 9).

Abschließend fassen die Autoren ihre Schlussfolgerungen in zwölf Thesen zusammen.

Inhalt

1. Einleitung: Die Intention der Autoren ist es, durch einen „theoretischen Blick“ auf die MRB einen Beitrag zu einer verbesserten Praxis zu leisten. Gemeinsam verstehen sie dabei die MRB als einen „lebenslangen Aufklärungs- und Bildungsprozess, in dem Menschen unterstützt und selbständig lernen, welche Errungenschaft die Menschenrechte für das Leben eines jeden Individuums und für das Zusammenleben in der (Welt-)Gesellschaft darstellen (können)“ (S. 8).

2. Menschenrechte in ihrer rechtlichen Dimension und die Rolle der Menschenrechtsbildung (S. 10-23): Anknüpfend an eine Definition der Menschenrechte als „die durch das internationale Recht garantierten Rechtsansprüche von Personen gegen den Staat oder staatsähnliche Gebilde, die dem Schutz grundlegender Aspekte der menschlichen Person und ihrer Würde in Friedenszeiten und im Krieg dienen“ (S. 11) wird erläutert, was man unter der Rechtsdimension der Menschenrechte versteht, was diese schützen, welche rechtlichen Verpflichtungen sich aus den Menschenrechten ergeben und wer für den Schutz von Menschenrechten verantwortlich ist („duty-bearers“). Abschließend wird die Rolle der Menschenrechtsbildung für die Entwicklung und Realisierung der Menschenrechte diskutiert.

3. Gedanken zu einer Entwicklungstheorie der Menschenrechtsbildung unter Berücksichtigung der UN-Deklaration zu Menschenrechtsbildung und -training (S. 24-49): Einleitend werden Faktoren angesprochen, die zur MRB als pädagogischer Ansatz geführt haben. Im Weiteren steht die 2011 von der UN-Generalversammlung verabschiedete „Declaration on Human Rights Education and Training“ im Mittelpunkt: Menschenrechte als zentraler Inhalt der MRB, die Lernebenen der MRB – „Lernen über, durch und für Menschenrechte“ (S. 31) – sowie ausführlich das „Menschenrecht auf Menschenbildung“, das von der UN-Deklaration untermauert wird.

4. Menschenrechtsbildung: Normativität, Universalität und Diversität (S. 50-80): Im Zentrum dieses Kapitels steht die Normativität der Menschenrechte, d.h. sie umfassen ein „Sollen und einen Geltungsanspruch bzw. das, was sein sollte“, beschreiben „Maximen humanen Lebens“. Dazu wird aufgezeigt, dass diese Normativität einerseits universell ist, sie gilt für alle Menschen gleich und überall, andererseits aber zugleich einer „moralischen Begründung“ bedarf. Im zweiten Teil des Kapitels wird dann herausgearbeitet, dass diese Normativität der Menschrechte auch die Normativität der MRB konstituiert; sie gibt vor, was MRB sein und wie sie angelegt werden soll. Daraus ergeben sich eine Reihe von „prinzipiellen Anfragen“, wie MRB beschaffen sein muss, auf die ein rechtlicher Anspruch besteht.

5. Menschenrechtskultur – Was wir darunter verstehen, warum wir sie brauchen und wie wir sie durch Bildung (mit)gestalten können (S. 81-126): Das Konzept einer „Kultur der Menschenrechte“ sieht der Autor eine maßgebliche Ressource der Stärkung der Menschenrechte. Um dem derzeit noch unscharf verwendeten Begriff der Menschenrechtskultur ein theoretisches Profil und eine kritische Ausrichtung zu geben, sucht er bei benachbarten Kultur-Ansätzen nach Anregungen. Entsprechend überprüft werden das Konzept der politischen und demokratischen Kultur, der „Inklusion“ und der „Rechtskultur“ sowie eine Reihe von weiteren benachbarten Kultur-Ansätzen wie z.B. „Friedenskultur“, „Multikultur und Interkultur“, „Willkommens- und Anerkennungskultur“. Diese Analyse führt abschließend zu 15 Thesen zum Beitrag der MRB zur Entwicklung einer Kultur der Menschenrechte.

6. Kinderrechtsbildung als Beitrag zur Kultur der Menschenrechte (S. 127-140): Diskutiert werden die „hohen Wirksamkeitschancen“ von frühem Lernen von Kindern in Menschenrechtsfragen und insbesondere einer „menschenrechtstauglichen Schulkultur“, die an einzelnen beispielhaft vorgestellten Initiativen bzw. Modellschulen praktiziert wird.

7. Inklusive Bildung als Beitrag zu einer Kultur der Menschenrechte (S. 136-140): Als „besondere, innovative Differenzierung“ innerhalb der MRB wird die inklusive Bildung vorgestellt, die durch die UN-Konvention zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen von 2006 einen deutlichen „Innovationsschub“ erhielt.

8. Benachbarte Bildungsansätze und ihr Verhältnis zur Menschenrechtsbildung (S. 141-205): Der Überblick über benachbarte Ansätze und deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten will zum einen Verständnis für „Alleinstellungsmerkmale“ der MRB entwickeln und zum anderen „Brückenprinzipien“ suchen, „um zusammen mit anderen Bildungsansätzen die Kulturen der Ungerechtigkeit, der Gewalt und der Exklusion zu überwinden“ (S. 142). Ausgewählt werden die Ansätze der Politischen Bildung/Education for Democratic Citizenship, Friedensbildung, Interkulturelle Bildung, Werteerziehung, Holocaust Education und der Bildung für nachhaltige Entwicklung sowie der Bereich der „Corporate Social Responsibility“ aus der ökonomischen Bildung.

9. Implizite Menschenrechtsbildung: Defizit- oder Ressourcenperspektive (S. 206-210): Die Unterscheidung zwischen impliziter und expliziter MRB wird kritisch hinterfragt, insbesondere der Wert des Begriff einer impliziten MRB für den Bildungsdiskurs.

10. Menschenrechtsbildung im Wandel – Menschenrechtsbildung für den Wandel. Zwölf Thesen zum Schluss (S. 211-213)

Diskussion

Es ist ein grundsätzlicher „theoretischer Blick“, mit dem die drei Autoren das Thema Menschrechte und Menschenrechtsbildung reflektieren – analytisch, normativ, kritisch-konstruktiv; interessiert an konzeptioneller Klärung und Fundierung, zugleich offen für Bezüge zu und Anregungen aus benachbarten Ansätzen. Die unterschiedlichen fachwissenschaftlichen Bezüge der Autoren eröffnen den Zugang zur „Multidimensionalität“ der Menschenrechte mit ihrer rechtlichen, politischen und moralischen Dimension. Mit dieser theoretischen Arbeit sollen auch Gestaltungsmöglichkeiten für die Praxis bzw. die Ermöglichung neuer Praxis aufgezeigt werden, wobei dies nur ansatzweise geleistet wird. Allerdings werden „benachbarte“ pädagogische Ansätze vergleichsweise breit auf mögliche „Brückenschläge“ hin untersucht.

Die Autoren handeln – abgesehen vom Einleitungs- und Schlusskapitel – die zentralen Themen bzw. Kapitel jeweils als Einzelbeiträge ab, die für sich stehen und an einzelnen Stellen auch unterschiedliche Positionen beinhalten. Auf eine „Nivellierung“ dieser Unterschiede wurde bewusst verzichtet (S. 8). Allerdings kommt es so zu einer Reihe von Redundanzen, die – da auch entsprechende Überleitungen zwischen den Kapiteln fehlen – zu Lasten der Lesbarkeit gehen.

Fazit

Das Buch ist primär für theoretisch orientierte Leserinnen und Leser interessant, die sich systematischer mit den konzeptionellen Grundlagen einer Bildungsarbeit zur Förderung der Menschenrechte auseinandersetzen möchten.

Rezension von
Prof. Dr. Josef Eckstein
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Es gibt 2 Rezensionen von Josef Eckstein.

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ISSN 2190-9245