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Michael Domes, Knut Eming (Hrsg.): Soziale Arbeit - Perspektiven einer selbstbewussten Disziplin und Profession

Rezensiert von Prof. Dr. Wolfram Stender, 29.03.2018

Cover Michael Domes, Knut Eming (Hrsg.): Soziale Arbeit - Perspektiven einer selbstbewussten Disziplin und Profession ISBN 978-3-86388-750-6

Michael Domes, Knut Eming (Hrsg.): Soziale Arbeit - Perspektiven einer selbstbewussten Disziplin und Profession. Budrich Academic Press GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2017. 155 Seiten. ISBN 978-3-86388-750-6. D: 23,00 EUR, A: 23,70 EUR.

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Thema

Kaum etwas in der Diskussion über Soziale Arbeit ist so umstritten wie die Behauptung, dieser Beruf erfülle den Status nicht nur einer Profession, sondern sogar einer wissenschaftlichen Disziplin. Viele, die von außen auf die Soziale Arbeit schauen, bestreiten dies, aber auch intern gibt es nach wie vor einen ebenso lauten wie polytonalen Chor von Gegenstimmen. Gleichwohl es nicht an Versuchen mangelt, die Soziale Arbeit als Wissenschaft zu begründen – man denke z.B. an die Arbeiten von Engelke (2009), Mühlum (2004), Erath (2006), Staub-Bernasconi (2018) oder Birgmeier und Mührel (2011) –, pflegen nicht wenige Fachkräfte der Sozialen Arbeit einen ausgeprägt antiwissenschaftlichen Habitus und weisen die wissenschaftlichen Grundlagen ihres Berufes weit von sich. Domes und Eming beziehen hier eine Gegenposition. Sie halten Soziale Arbeit sogar für eine „selbstbewusste Disziplin und Profession“ und attestieren ihr ein „emanzipatorisches Potential“.

Herausgeber

Michael Domes und Knut Eming lehren an der SRH Hochschule Heidelberg.

Entstehungshintergrund

Der Sammelband geht auf eine Ringvorlesung „Think Global, Act Social – Perspektiven einer selbstbewussten Disziplin und Profession“ zurück, die im Wintersemester 2014/15 an der SRH Hochschule Heidelberg stattfand.

Aufbau

Neben der Einleitung von Michael Domes enthält der Band sieben Beiträge zu verschiedenen Aspekten der Sozialen Arbeit:

  1. die Beziehungsgestaltung (M. Domes);
  2. die Stärkenorientierung (C. Ehlers);
  3. die Machtproblematik (J. B. Sagebiel);
  4. die Lebensführungsethik (M. Leupold, D. Röh);
  5. die Sozialarbeitsforschung (J. M. Schneider);
  6. das Professions- und Disziplinverständnis (P. Erath, K. Balkow)
  7. das Theorie-Praxis-Verhältnis (E. Oestreicher, U. Unterkofler).

Inhalt

Zweifellos enthalten alle Beiträge des Bandes wissenschaftlich fundierte Anhaltspunkte für sozialarbeiterisches Handeln. Auf das im Titel angekündigte Thema – Soziale Arbeit als selbstbewusster Disziplin und Profession – geht allerdings nur ein Artikel ausführlicher ein. Peter Erath und Kerstin Balkow resümieren den „Stand der Theoriebildung, Forschung und Praxis in der Sozialen Arbeit“ unter der doppeldeutigen Fragestellung: „Wie selbstbewusst darf eine soziale Profession sein?“. Ihnen nämlich ist Soziale Arbeit einerseits zu selbstbewusst: Durch die moralische Überhöhung ihrer eigenen Tätigkeit – wie sie etwa in konfessionsgebundenen Organisationen üblich sei, aber auch in der Rede von der Menschenrechtsprofession anklinge – habe sie sich ins professionelle Abseits gesteuert. Andererseits sei sie zu wenig selbstbewusst insofern, als den Fachkräften die „Eigenart ihrer spezifischen professionellen Tätigkeit zu wenig bewusst“ (S. 120) sei. Um in diesem Sinne selbstbewusster zu werden, komme es darauf an, dass das Fachpersonal seine Vorbehalte gegenüber Wissenschaft im Allgemeinen und einer Wissenschaft Sozialer Arbeit im Besonderen ablege. „Sozialarbeitswissenschaft“ umfasse Theoriebildung, Erkenntnistheorie und Forschung und ermögliche es so, die professionelle Tätigkeit „theoretisch zu vertiefen, methodisch zu spezifizieren und empirisch zu erhärten“ (S. 120). Verschließen sich Sozialarbeiter*innen hingegen der wissenschaftlichen Erkenntnis, verfallen sie – so Erath und Balkow – leicht in stereotypisierende Denk- und Handlungsweisen. Sie sollten deshalb für wissenschaftliche Erkenntnisgewinnung offen sein, ohne jedoch dieser ihr Erfahrungswissen unterzuordnen. Worauf es ankomme, sei eine produktive Verbindung von wissenschaftlichem Wissen und Erfahrungswissen. Gelinge dies, werde Soziale Arbeit zu einer „reflexiven, multimodalen und evidenzbasierten Praxis“, „die ihre Entscheidungen im besten Wissen um das vorhandene ‚Wissen‘ trifft und bei diesen Entscheidungen persönlich Verantwortung übernimmt“ (S. 135). Voraussetzung dafür sei allerdings, dass schon im Studium der Sozialen Arbeit der Umgang mit wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und sogar Forschungsmethoden erlernt werde.

Diskussion

Der Band beleuchtet die Profession Sozialer Arbeit in erster Linie aus der Binnenperspektive, indem er professionelle Handlungsmuster (Domes), Arbeitsprinzipien (Ehlers), aber auch professionsinterne Widersprüche (Sagebiel) darstellt. Sensu stricto hingegen bietet das Buch wenig zum im Titel angekündigten Thema. Die aktuellen Kontroversen wie auch die sehr verschiedenen Perspektiven zu Disziplin und Profession Sozialer Arbeit kommen in dem Band nicht vor. Man muss sich mit den gewiss lesenswerten, gleichwohl ‚monoperspektivischen‘ Ausführungen der systemtheoretisch ausgerichteten Sozialarbeitswissenschaftler Erath und Balkow begnügen.

Und auch das „emanzipatorische Potential“ (S. 12), das die Herausgeber der Sozialen Arbeit in ihrer Einleitung attestieren, wird an keiner Stelle und keinem Beitrag ausgeführt. Dies ist auch deshalb bedauerlich, weil sich darüber eventuell ein Disziplin- und Professionsverständnis hätte darstellen lassen, das einer qualitativ anderen Traditionslinie der Sozialen Arbeit folgt als das an Exklusionsverwaltung und stellvertretender Inklusionsvermittlung orientierte von Erath und Balkow.

Fazit

Das Buch ist ein Sammelband, wie es sie leider viele gibt: ohne wirklichen thematischen Zusammenhang wird Beitrag an Beitrag gereiht. Und wie so häufig führt auch hier der Titel den Leser in die Irre. Wer ein Buch über den Stand der Forschung zu Disziplin und Profession der Sozialen Arbeit erwartet, wird enttäuscht.

Literatur

  • Birgmeier, Bernd/Mührel, Eric (2011): Wissenschaftliche Grundlagen der Sozialen Arbeit, Schwalbach/Ts., 2011.
  • Engelke, Ernst (2009): Die Wissenschaft Soziale Arbeit. Werdegang und Grundlagen (3. Überarbeitete u. erweiterte Auflage), Freiburg i. Br., 2009.
  • Erath, Peter (2006): Sozialarbeitswissenschaft. Eine Einführung, Stuttgart, 2006.
  • Mühlum, Albert (Hrsg.) (2004): Sozialarbeitswissenschaft. Wissenschaft der Sozialen Arbeit, Freiburg i. Br., 2004)
  • Staub-Bernasconi, Silvia (2018): Soziale Arbeit als Handlungswissenschaft. Soziale Arbeit auf dem Weg zu kritischer Professionalität (2. Vollständig überarbeitete u. aktualisierte Ausgabe), Opladen/Toronto, 2018.

Rezension von
Prof. Dr. Wolfram Stender
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Es gibt 23 Rezensionen von Wolfram Stender.

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ISSN 2190-9245