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Christiane Hellwig: Wertebasierte Gesprächsführung

Rezensiert von Michael Bertram-Maikath, 28.07.2017

Cover Christiane Hellwig: Wertebasierte Gesprächsführung ISBN 978-3-658-12050-4

Christiane Hellwig: Wertebasierte Gesprächsführung. Wirkprinzipien des Personzentrierten Ansatzes. Springer (Berlin) 2016. 47 Seiten. ISBN 978-3-658-12050-4. D: 9,99 EUR, A: 10,27 EUR, CH: 10,50 sFr.

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Thema

Indem die Autorin sich den Wirkprinzipien des Personzentrierten Ansatzes, maßgeblich mit dem Namen Carl R. Rogers´ verbunden, widmet, greift sie ein Thema auf, das (in Bezug auf einzelne Aspekte und Begriffe unterschiedlich stark) eine breite Rezeption durch die Soziale Arbeit erfahren hat. Durch eine konzeptionelle Weiterentwicklung unternimmt Hellwig den Versuch durch eine „wertebasierte Gesprächsführung“ die Haltung in Rogers´ Ansatz, pragmatisch für die Handlungslogiken, Anforderungen und Strukturen in Unternehmen zu erschließen. Rogers´ Aussage (2009: 89 f.), wonach es „sehr wahrscheinlich (ist), dass die Implikationen dieses Theoriegerüstes für industrielle Produktion weiterentwickelt werden“, 1959 erstmals formuliert, erweist sich damit als weitsichtig und wird u.a. durch diese Arbeit realisiert (wenngleich Hellwig ihre Spielart der Personzentrierung auf die Wirtschaft im Allgemeinen, nicht exklusiv auf die industrielle Produktion, bezieht).

Autorin

Christiane Hellwig ist Coach (DACB/GWG) und hat 2012, nach dem Studium der Sozialpädagogik (Dipl.), der Soziologie und Sozialpsychologie (M.A.) sowie 20 jähriger beruflicher Tätigkeit, die Deutsche Akademie für Coaching und Beratung gegründet. Sie ist sowohl in Hochschulen als auch in Unternehmen in der Weiterbildung und Beratung aktiv.

Entstehungshintergrund

Das vorliegende Werk ist in den „essentials“ des Springer-Verlags erschienen und verfolgt demnach den Anspruch eine kurze, sprachlich gut zugängliche Einführung zu sein, die sich am aktuellen Stand der Fachdiskussion und/oder der Praxis orientiert.

Hellwig ist der Ansicht, so schildert sie im Vorwort, dass der Wert des Personzentrierten Ansatzes darin liegt, dass er „übergreifend einsetzbar (ist) und … (als) Fundament jeglicher zwischenmenschlicher Interaktion“ (S. VIII) angesehen werden kann. Erklärtes Ziel dieser Arbeit ist es also, dem Untertitel entsprechend, die Wirkprinzipien dieses Ansatzes und seine Möglichkeiten im Hinblick auf eine Prozessbegleitung bzw. -gestaltung aufzuarbeiten, damit diese „kontextübergreifend genutzt werden“ (ebd.) können.

Aufbau und Inhalt

Das Werk ist in sechs Kapitel gegliedert, wobei Kapitel eins, drei und vier jeweils unterschiedlich stark in Unterkapitel differenziert sind.

Hellwig geht einleitend davon aus, dass Menschen (sie siedelt diese Überlegungen im Kontext der beruflichen Leistungsfähigkeit an, betont aber gleichzeitig, dass sie generelle Gültigkeit besitzen) Motivation bedürfen, um Zielsetzungen zu realisieren. Diese Motivation ergibt sich aus hochgradig individuellen Motiven, die im Verlauf einer Biographie erworben werden und – nicht selten unbewusst – das Verhalten determinieren sowie in persönlichen Werten aufgehen. Sie identifiziert die Selbstaktualisierungstendenz (das Streben nach Selbstentfaltung), formuliert durch Carl R. Rogers, als universelles, allen Menschen angeborenes Motiv, welches allerdings durch ein behinderndes soziales Umfeld – primär in den direkten Beziehungen – gehemmt werden kann. Dies betont ihrer Ansicht nach die hohe Relevanz einer wertebasierten Gesprächsführung.

In Kapitel zwei widmet sich die Autorin der Unterscheidung zwischen technischer und haltungsfundierter Realisierung einer wertebasierten Gesprächsführung, wobei sie für Letzteres plädiert. Dabei argumentiert sie, dass, bei technischer Umsetzung, nicht nur positive Effekte reduziert werden, sondern auch, dass das Ausbleiben der Resultate fälschlicherweise der (vermeintlichen) Ineffektivität der Personzentrierung zulasten gedeutet wird.

In Kapitel drei werden die Wirkprinzipien des Personzentrierten Ansatzes ‚sauber‘ und praxisnah (mit Fallbeispielen und Reflexionsfragen) vorgestellt:

  • Verbindung herstellen: In-Kontakt-Kommen
  • Inkongruenz: Unstimmigkeit erspüren
  • Kongruenz: Einklang finden
  • Wertschätzung: Bedingungslos und positiv
  • Empathie: Einfühlung erfahren
  • Erreichen: Resonanz spüren

Im darauf folgenden vierten Kapitel werden die drei Art von Wissen bzw. Wissensquellen dargestellt:

  1. Der innere Bezugsrahmen generiert Wissen über die Introspektion. Durch eine Selbstbeobachtung der eigenen Verhaltensweisen, Wahrnehmungs- und Deutungsmuster, des gesamten subjektiven Erlebens und Handelns soll Selbsterkenntnis ermöglicht werden.
  2. Wenngleich im inneren Bezugrahmen angesiedelt, richtet die Empathie ihren Fokus nach außen, also auf den inneren Bezugrahmen des Gegenübers.
  3. Der äußere Bezugsrahmen betrachtet Personen aus der Perspektive dritter, sodass Hypothesen über diese Person modifiziert, revidiert, verworfen – kurz: realistischer werden (können).

In Kapitel fünf nimmt Hellwig eine Zusammenführung der vorgestellten Wirkprinzipien und Wissensarten, ergänzt durch „sachbezogene Erfordernisse“ (S. 40) (konkretisiert in: „pragmatische Prozessführung sowie Ziel- und Handlungsorientierung“[ebd.]) vor, welche sie im Begriff „personzentriert-integratives Vorgehen“ (S. 39) subsumiert. So spannt die Autorin den Bogen von Rogers´ humanistischer Haltung zum beruflichen Alltag eines Unternehmens, was die Ausführungen in diesem Kapitel zur Quintessenz des vorliegenden Werks macht.

Das abschließende sechste Kapitel kann als eine Zusammenfassung der vorliegenden Arbeit gelesen werden, in der die Voraussetzungen eines personzentriert-integrativen Vorgehens sowie dessen positive Effekte komprimiert dargestellt werden.

Diskussion

Hellwig siedelt ihre Argumentation, wie bereits erwähnt, in einem unternehmerischen Kontext an. Weil „Motivation … zu einem der Schlüsselbegriffe für Leistung und Erfolg geworden“ (S. 1) ist, zeigt sich hier ein erweiterter Handlungsspielraum für Führungskräfte: mehr Motivation = mehr Produktivität. Diese Position als basale Prämisse erscheint, zumindest aus der Perspektive der Sozialen Arbeit, problematisch, da in dieser an Gewinnmaximierung interessierten Logik, Mitarbeiter/innen buchstäblich zu Humankapital werden. So kann der Personzentrierte Ansatz Rogers´ – zugespitzt formuliert – in pervertierte Form zweckentfremdet, instrumentalisiert werden; er wird Mittel zum Zweck, um Personal leistungsfähiger, also gewinnbringender zu machen. Paradoxer- und zynischerweise würde der humanistische Anspruch in Rogers´ Denken so dazu korrumpiert werden, inhumane (weil Menschen nach ökonomisch nutzendem Verhalten bewertet werden) Strukturen zu kaschieren, zu stabilisieren.

Diese bewusst scharf formulierte Kritik soll nicht als eine pauschale Diskreditierung verstanden werden. So soll auch erwähnt werden, dass die Erwerbsarbeit – vor dem Hintergrund einer lebensweltorientierten Sozialen Arbeit, die danach fragt, was Menschen in ihrem Alltag hilfreich zur Bewältigung ihres Lebens ist – für viele Menschen wichtige soziale und psychische, letztlich auch materielle Bedürfnisse erfüllt sowie dem Tag stabilisierende Struktur und Routine gibt und damit – auf individueller Ebene – funktional sein kann. So kann Rogers´ Ansatz – wenn der den als Haltung verstanden wird – die Lebensqualität von Arbeitnehmer/innen heben, auch wenn die Intention der Führungskräfte dies nur sekundär zum Ziel hat.

Die Soziale Arbeit muss also das richtige Maß zwischen kritischer Thematisierung (und Veränderung) der gesellschaftlichen – in diesem Fall ökonomischen – Verhältnisse und der Pragmatik einer gelingenden individuellen Lebensbewältigung finden, sodass eine Personzentrierung auch in der gewinnorientierten Arbeitswelt nicht generell zu negieren ist. Trotz dieser Relativierung wären kritische Worte zu Unternehmenskulturen, die Menschen als Humankapital betrachten, wünschenswert gewesen; in einer Publikation, die sich nicht an die Soziale Arbeit, sondern an die führenden Verantwortlichen solcher Unternehmen richtet, kann dies allerdings wohl nur schwerlich erwartet werden.

Geschlossen werden soll nichtsdestotrotz mit einem Positivum: Hellwig ist es nicht nur gut gelungen, den Unterschied zwischen Gesprächstechnik und grundlegender persönlicher Haltung aufzuzeigen. Vielmehr ist, das soll hier betont werden, lobenswert, dass sie dieses Kapitel überhaupt aufgenommen, also explizit thematisiert und mit einer fundamentalen Bedeutung versehen hat. So begegnet sie einer schwerwiegenden Problematik in der theoretischen und praktischen Rezeption der Personzentrierung: dem Missverständnis, dass diese als Technik variabel einsetzbar sei und eine selbstkritische Reflexion der eigenen (professionellen) Haltung damit obsolet würde.

Fazit

Die Arbeit von Hellwig stellt eine bündige Einführung in die wesentlichen Begriffe des Personzentrierten Ansatzes nach Carl R. Rogers dar, welche – trotz der aufgeführten Monita – eine lohnende Lektüre für Sozialarbeitende und Studierende sein kann, die einen schnellen Einstieg in Rogers´ zentrale Begriffe suchen. Dabei ist, neben den Ausführungen zu den Wirkprinzipien, vor allem das Kapitel zur Differenzierung zwischen Haltung und Technik hervorzuheben, weil es der Autorin dort gelingt die Problematik pointiert anzusprechen und Missverständnisse zu klären.

Literatur

Rogers, R. C.: Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen, 2009 München

Rezension von
Michael Bertram-Maikath
B.A. Soziale Arbeit, M.A. Soziologie/Politikwissenschaft
Beruflich in der Sozialen/politischen Arbeit mit geflüchteten Menschen tätig
Lehrbeauftragter an der Hochschule Magdeburg-Stendal
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Es gibt 23 Rezensionen von Michael Bertram-Maikath.

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ISSN 2190-9245