Hans Hopf: Aggression in psychodynamischen Therapien mit Kindern und Jugendlichen
Rezensiert von Ursula Rasch, 22.06.2017

Hans Hopf: Aggression in psychodynamischen Therapien mit Kindern und Jugendlichen. Mabuse-Verlag GmbH (Frankfurt am Main) 2017. 2. , überarbeitete und erweiterte Auflage. 208 Seiten. ISBN 978-3-86321-342-8. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 25,30 sFr.
Thema
Aggressionen spielen in Kinder- und Jugendlichentherapien eine große Rolle, denn Kinder- und Jugendlichensypchotherapeuten werden sowohl in der szenischen Symbolisierung als auch in der Beziehungsgestaltung nicht selten mit heftigen, häufig archaisch anmutenden Aggressionsdurchbrüchen konfrontiert.
Der Betrachtung dieser Thematik sowohl im Hinblick auf eine umfangreiche Begriffsklärung und der Erläuterung einiger theoretischer Hintergründe als auch behandlungstechnischer Besonderheiten widmet sich der Autor im vorliegenden Buch.
Autor
Dr. Hans Hopf ist seit langen Jahren analytischer Kinder – und Jugendlichen Psychotherapeut, sowie Gutachter für ambulante tiefenpsychologisch fundierte und psychoanalytische Kinder – und Jugendlichen Psychotherapien. Er ist Gründungsvorstand, Dozent Kontrollanalytiker an den psychoanalytischen Instituten Stuttgart und Würzburg. Zusätzlich ist er in mehreren Fachverlagen Autor zahlreicher analytischer Veröffentlichungen.
Entstehungshintergrund
Das vorliegende Buch wurde vor 20 Jahren zum ersten Mal aufgelegt. Nach einem Fachvortrag des Autors zu dieser Thematik bei einem Kongress wurde er aufgefordert, den Vortrag zu einem Buch zu erweitern. In der vorliegenden aktuellen Auflage wurden die damaligen Texte um neuere Erkenntnisse ergänzt sowie die Literaturangaben auf den aktuellen Stand der Fachdiskussion erweitert.
Aufbau und Inhalt
In sechs Kapiteln beschäftigt sich der Autor mit dem Thema Aggression.
Während der Leser im ersten Kapitel einen Überblick über die Entwicklung des Aggressionsbegriffs in der Psychoanalyse, und einen Einblick in die Begriffsauffassung innerhalb wichtiger psychoanalytischer Theorien erhält, setzt sich der Autor im folgenden Kapitel mit der Bedeutung der Geschlechtsunterschiede für die Entstehung von aggressiven Tendenzen auseinander, wobei er klar benennt, dass die Neigung zu Aggression bei Jungen öfter zu finden ist als bei Mädchen.
Dass Aggression und ADHS häufig zusammenhängen, ist bekannt, und bevor der Autor sich in seinem vierten Kapitel speziell einer umfassenden und kritischen Betrachtung dieses Störungsbilds widmet, beschreibt er im dritten Kapitel Wege zur sorgfältigen und gründlichen Diagnose von aggressiven Verhaltensweisen. An mehreren Fallbeispielen wird die Diagnostik aggressiven Verhaltens auf dem Hintergrund von Ich- und Selbstentwicklung, von Verarbeitungsmodus und Konflikt betrachtet, und dabei dem Struktururniveau der jeweiligen Patienten besondere Beachtung geschenkt.
Praxisnah geht es im folgenden Kapitel weiter: Anhand von unterschiedlichen Fallbetrachtungen werden Behandlungstechniken vorgestellt sowie behandlungstechnische Probleme erörtert. Der Leser erhält dadurch einen differenzierten Einblick in die verschiedenen Facetten von Aggression, mögliche psychodynamische Hintergründe, und erlebt, wie vielschichtig sich diese Thematik im therapeutischen Alltag zeigt.
Patienten mit unterschiedlichsten aggressiven Störungen werden vorgestellt und fallbezogen verschiedene Behandlungstechniken sowie Reflexionsansätze erörtert, so dass der Autor in diesen Auseinandersetzungen für den Leser auch als Psychotherapeut erlebbar wird.
Als ein wichtiger Bestandteil der Behandlungstechnik wird die Persönlichkeit des Psychotherapeuten beschrieben. Diese kann mitverantwortlich dafür sein, ob und in welcher Form Aggressionen der Patienten sich in den Therapiestunden zeigen und in welcher Weise Psychotherapeuten in der Lage sind, diese zu containen.
Im letzten Kapitel widmet sich der Autor der Betrachtung der Zunahme von Aggression in unserer Gesellschaft. Er skizziert die Lebensgeschichte von drei männlichen, adoleszenten Amokläufern, die sich in mehreren Faktoren gleicht, so dass sich schwere psychische Störungen entwickeln konnten, die lediglich ein auslösendes Ereignis zu diesen grauenvollen Taten benötigten.
Hans Hopf schließt ab mit einigen Gedanken über die vielerorts sich entwickelnde Fremdenfeindlichkeit in Zusammenhang mit Hass und Aggression. Dabei wird die Entstehung von Fremdenhass genauer betrachtet, und einer empirischen Untersuchung von Horst Eberhard Richter Raum gegeben. Hier wurde u.a. festgestellt, dass Menschen sich vor Fremdenhass schützen können, wenn sie die Vergangenheit kritisch erinnern und aufarbeiten. Dies schafft die in letzter Zeit wünschenswerte soziale Offenheit, mit der Fremdenfeindlichkeit verhindert werden kann.
Diskussion
Ich betrachte das Buch als eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der Thematik, die ich im psychotherapeutischen Alltag wichtig finde. Sowohl einer genauen Begriffsklärung als auch einer differenzierten und umfassenden Diagnostik hat ein Psychotherapeut unbedingt Beachtung zu schenken. Gerade in der – oft schnellen und ungenauen – Diagnostik von ADHS zeigen sich die Auswirkung von gegenteiligem Vorgehen, indem diese Störung in den letzten Jahrzehnten explosionsartig angewachsen zu sein scheint. Außerordentlich spannend ist es, in den beschriebenen Fallbeispielen Aggressionen im psychotherapeutischen Alltag zu begegnen, zu lesen, wie vielfältig die Störung sich zeigen kann und in der konkreten Fallbetrachtung unterschiedlichste Behandlungstechniken quasi mitzuerleben. Dass dabei die Persönlichkeit des Therapeuten eine entscheidende Rolle spielt kann nicht oft genug betont werden. Die Notwendigkeit, sich mit dieser immer wieder auseinanderzusetzen, ergibt sich daraus von selbst.
Im Nachdenken über die Entstehung von Gewalttaten innerhalb der Gesellschaft zeigt sich, dass die Beschäftigung mit dem Thema Aggression nicht nur ein therapeutisches Problem ist. „Der Verlust an Nähe gefährdet die Humanität“, mit diesem Zitat von Horst Eberhard Richter weist der Autor auf gesellschaftliche Verantwortung hin, die letztendlich eine Verantwortung für jeden Einzelnen von uns ist: die Verantwortung, Kindern mit Einfühlsamkeit und Respekt zu begegnen, ihnen gleichermaßen Räume zur (von Erwachsenen) unbeobachteten Selbstwirksamkeit, als auch klare elterliche Struktur und Begleitung zu bieten.
Fazit
Mit dem Buch Aggression in psychodynamischen Therapien mit Kindern und Jugendlichen hat Dr. Hans Hopf ein vielschichtiges Fachbuch geschrieben, das neben einer differenzierten theoretischen Fundierung einen spannenden Einblick in die psychotherapeutische Praxis gibt und sich mit unterschiedlichsten Behandlungstechniken sowie gesellschaftlicher Bedeutung der Thematik auseinandersetzt.
Das Buch ist so fesselnd geschrieben, dass man es kaum weglegen kann, der Leser wird im Grunde in eine eigene Auseinandersetzung mit dieser Thematik hineingeführt.
Rezension von
Ursula Rasch
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Zitiervorschlag
Ursula Rasch. Rezension vom 22.06.2017 zu:
Hans Hopf: Aggression in psychodynamischen Therapien mit Kindern und Jugendlichen. Mabuse-Verlag GmbH
(Frankfurt am Main) 2017. 2. , überarbeitete und erweiterte Auflage.
ISBN 978-3-86321-342-8.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22806.php, Datum des Zugriffs 02.12.2023.
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