Pamela Wolfberg (Hrsg.): Lernen von Spiel und Beziehungen zu Gleichaltrigen
Rezensiert von Dr. Richard Hammer, 16.04.2019

Pamela Wolfberg (Hrsg.): Lernen von Spiel und Beziehungen zu Gleichaltrigen. Integrierte Spielgruppen. Verlag W. Kohlhammer (Stuttgart) 2019. 80 Seiten. ISBN 978-3-17-030619-6. D: 14,00 EUR, A: 14,40 EUR.
Thema
Das Buch „Lernen von Spiel und Beziehungen zu Gleichaltrigen: integrierte Spielgruppen“ stellt das von Wolfberg entwickelte Spielgruppenmodell vor und zeigt Vorgehensweise und Wirksamkeit dieses Modells auf.
Autorin
Pamela Wolfberg ist Professorin am Department of Special Education der San Francisco State University und aktiv tätig im Rahmen des Joint Doctoral-Programms der University of California, Berkley. Studiert hat sie an der Ludwig-Maximilians Universität, München sowie an der Universität, Düsseldorf.
Ihre Forschungsinteressen konzentrieren sich vorwiegend auf die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Autismus auf dem Gebiet der Sozialisation, Spiel und Imagination sowie Inklusion mit Gleichaltrigen. Sie hat das „Integrated Play Group Modell“ gegründet und ausgearbeitet. Darüber hinaus ist sie überregional engagiert für das Recht des Kindes auf Inklusion in Spiel, Freizeit und kulturellen Aktivitäten.
Aufbau und Inhalt
Auf den 117 Seiten dieses Buches macht die Verlagsreihe des Kohlhammer Verlags: Autismus konkret das deutsche Lesepublikum mit dem „evidenzbasierten und praxiserprobten Modell“ vertraut, wie Kinder mit Autismus in das Spiel mit Gleichaltrigen integriert werden können.
Im 1. Kapitel wird das Integrated Play Group Modell (IPG) vorgestellt. Ausgehend von der Situation der Kinder mit Autismus wird die Motivation für die Entwicklung des Modells in den Vordergrund gestellt. Dies kann an zahlreichen Literaturverweisen nachvollzogen werden. Forschungsergebnisse belegen auch die Wirksamkeit des IPG-Modells. Kurz werden mit dem theoretischen Hintergrund, den Zielen und der Struktur des IPG-Modells die wesentlichen Merkmale aufgelistet.
Im 2. Kapitel werden zunächst die Unterschiede der Spielentwicklung von neurotypischen Kinder und Kinder mit ASS vor allem für das Spiel dargestellt um dann ausführlicher auf die IPG-Erfassungsmethoden einzugehen. Benannt werden die IPG-Einschätzungsinstrumente: Fragebogen zum Spiel, IPG-Notizen, IPG-Beobachtung, Untersuchung von Spielvorlieben, Profil der individuellen Spielentwicklung, Protokoll des monatlichen Fortschritts in der IPG, IPG zusammenfassendes Protokoll. Dazu finden sich im Anhang ein Beispiel für IPG-Notizen sowie eine Übersicht aller Daten, die in einem 12-Wochen-Programm erhoben werden sollen. Durch die IPG-Interventionen sollen vier Kernbereiche gefördert werden, die sich auch in der Struktur der Einschätzungsinstrumente widerspiegeln: Symbolische Spieldimension, Soziale Spieldimension, Soziale Kommunikation mit Gleichaltrigen und Spielvorlieben und Vielfalt. Eine tabellarische Übersicht zeigt exemplarisch, wie in den Kernbereichen die Ziele formuliert und damit die Entwicklung im Laufe der Interventionen kontrolliert werden kann.
In Kapitel 3 wird die Planung von IPG-Programmen und die Gestaltung von Spielumgebung praxisorientiert erläutert. Der Planungsprozess startet mit der Initiierung des IPG-Programms, dann kommen die Festlegung des Planungsteams, des Spielortes, des Zeitplans und der genauen Zusammensetzung der Spielgruppe. Hier sollen in einer Gruppe von maximal fünf Kindern ein bis zwei sog. „Spielanfänger“(Autisten) von zwei bis vier „Spielexperten“, also gleichaltrigen „neurotypischen“ Kindern lernen, wie Spielen möglich ist. Ein Erwachsener leitet die Gruppe und gibt den Kindern Orientierung. Im Weiteren geht das Buch ein auf die Gestaltung der Spielumgebung, die Auswahl der Materialien und die Strukturierung der Spieleinheit.
Kapitel 4 beschreibt die Methoden der IPG-Intervention und zeigt auf, wie das Modell für Jugendliche zu erweitern ist. Fallbeispiele illustrieren die Vorgehensweise. Inspiriert durch Vygotsky und Rogoff bauen die Methoden auf dem Prinzip der „geführten Teilnahme“ auf, d.h. „Spielexperten und Spielanfänger sollen dabei lernen, beliebte Aktivitäten zu initiieren und diese in gemeinsame Spielerlebnisse einzubauen. Durch diese Erfahrungen praktizieren Spielanfänger neue komplexere Spielformen. Mit wachsender Erfahrung im gemeinsamen Spiel verringert der Erwachsene seine Führung. Die Kinder werden ermutigt ihre Aktivitäten eigenständig miteinander auszuhandeln“ (S. 66). Die spezifischen Methoden der „geführten Teilnahme“ dabei sind: Spielinitiativen fördern, Scaffolding im Spiel, Soziale Kommunikation führen und Spiel in der Zone der nächsten Entwicklung führen. Drei Fallbeispiele lassen dies Methoden konkret nachvollziehen.
Im Fazit des Buches fasst die Autorin den Inhalt zusammen und weist auf zukünftige Entwicklungsmöglichkeiten des inklusiven Spiels hin.
Diskussion und Fazit
Lange hat es gedauert, bis dieses Buch dem deutschen Lesepublikum zur Verfügung gestellt wurde. Fast zwei Jahre hat der Verlag die Herausgabe immer wieder verschoben – warum auch immer.
Es bietet einen Einblick in das IPG-Modell, zeigt aber nur zu kurz die Methoden auf, um danach wirklich arbeiten zu können. Eine große Anzahl an Literaturverweisen ist für die deutschsprachige Leser*in nur schwer zugänglich. Um nach dem IPG-Modell arbeiten zu können müsste auf die Originalliteratur von Wolfberg zurück gegriffen – oder oder es müssten Kurse bei Autism Collective for Peer Sozialisation, Play and Imagination (www.wolfberg.com) besucht werden.
So wirkt dieses Buch manchmal wie eine „Werbebroschüre“ für das IPG-Modell. Dennoch bietet es Anregungen zur genaueren Analyse und zur Zielformulierung von Fördermöglichkeiten und für die Gestaltung von Spielsituationen für Kinder mit Autismus Spektrum Störungen. Vor allem die vielfach erprobte und bewährte Idee „Spielanfänger“ in eine Gruppe von Spielexperten zu inkludieren sollte auch hier in Deutschland aufgegriffen und realisiert werden. Es wäre vermutlich hilfreicher, dieses Buch von Wolfberg auf den deutschen Markt zu bringen: Peer Play and the Autism Spectrum: The Art of Guiding Children's Socialization and Imagination – Integrated Play Groups Field Manual. Es wird in den Kommentaren wie folgt gewürdigt: „This book is the 'bible' for social skills coaches, as far as I can tell. I read every one of the peer-reviewed, well researched, books I can get my hands on about Autism and peer-play. This is the best“ (www.amazon.de).
Rezension von
Dr. Richard Hammer
Dipl. Motologe
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Es gibt 18 Rezensionen von Richard Hammer.
Zitiervorschlag
Richard Hammer. Rezension vom 16.04.2019 zu:
Pamela Wolfberg (Hrsg.): Lernen von Spiel und Beziehungen zu Gleichaltrigen. Integrierte Spielgruppen. Verlag W. Kohlhammer
(Stuttgart) 2019.
ISBN 978-3-17-030619-6.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/22897.php, Datum des Zugriffs 26.03.2023.
Urheberrecht
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