Klaus Menne: Erziehungsberatung als Hilfe zur Erziehung
Rezensiert von Dr. Anke Höhne, 08.10.2018

Klaus Menne: Erziehungsberatung als Hilfe zur Erziehung. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2017. 400 Seiten. ISBN 978-3-7799-3610-7. D: 49,95 EUR, A: 51,40 EUR, CH: 64,30 sFr.
Thema
Das Buch „Erziehungsberatung als Hilfe zur Erziehung“ von Klaus Menne gibt einen Überblick über die Entwicklung der Erziehungsberatung als Hilfe zur Erziehung. Dabei spannt das Buch einen Bogen von der Entwicklung der Erziehungsberatung als Jugendhilfeleistung über die Qualität der Erziehungsberatung, ihr Verhältnis zur Psychotherapie, Fragen des Kinderschutzes bis hin zur Jugendhilfeplanung für Erziehungsberatung.
Autor
Der Autor Klaus Menne ist Diplom-Soziologe und war von 1985 bis 2014 der Geschäftsführer der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke).
Entstehungshintergrund
Mit Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG) ist Erziehungsberatung in das System der Hilfen zur Erziehung einbezogen worden. Der Autor des Buches war als Geschäftsführer des trägerübergreifenden Fachverbandes der Erziehungs- und Familienberatung in Deutschland, der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung, daran beteiligt.
Das Buch versammelt Aufsätze und Vorträge von Klaus Menne zur Thematik und stellt die zentralen Arbeitsfelder der Erziehungs- und Familienberatung im Kontext der anderen Hilfen zur Erziehung dar. Dabei wurden die Beiträge redaktionell bearbeitet und vereinheitlicht, zum Teil gestrafft, um Wiederholungen zu vermeiden sowie gegebenenfalls aktualisiert. Das Buch versteht sich dabei als Einführung in die wichtigsten Arbeitsfelder der Erziehungs- und Familienberatung.
Zielgruppe
Die Zielgruppe des Buches sind Studierende, Beratungsfachkräfte und Verantwortliche der Kinder- und Jugendhilfe.
Aufbau und Inhalt
Das Buch umfasst acht Abschnitte, in denen jeweils bis zu fünf Beiträge zu der jeweiligen Thematik versammelt sind. Die Deutsche Nationalbibliothek bietet Einblick in das vollständige Inhaltsverzeichnis.
Das Vorwort gibt einen Überblick über den Entstehungshintergrund, den Aufbau des Buches und die Inhalte der einzelnen Abschnitte.
In Abschnitt 1 („Zur Übersicht“) gibt der Autor einen Überblick über „Erziehungsberatung als Jugendhilfeleistung“, in dem er die historische Entwicklung der Erziehungs- und Familienberatung seit Inkrafttreten des KJHG beschreibt. Statistische Auswertungen zur Inanspruchnahme und den Kosten von Erziehungsberatung sowie deren Veränderungen im Zeitverlauf runden den Abschnitt ab. Deutlich arbeitet der Autor heraus, dass sich Erziehungsberatung von einer am medizinischen Modell orientierten psychotherapeutischen Praxis zu einer Beratung weiterentwickelt hat, die das Wohl des betroffenen Kindes oder Jugendlichen in den Mittelpunkt gerückt hat und heute stärker auf Kooperation (z.B. mit Kindertageseinrichtungen, Schulen, dem Familiengericht und auch dem Jugendamt) ausgerichtet ist.
Abschnitt 2 („Qualität der Erziehungsberatung“) umfasst zwei Beiträge:
- Qualitätsmerkmale und Kennziffern in der Erziehungs- und Familienberatung
- Organisation und Qualität – Kriterien für eine regionalisierte Erziehungsberatung
Zunächst stellt der Autor die Qualitätsmerkmale der Erziehungs- und Familienberatung dar: Strukturqualität (materielle und personelle Ressourcen), Prozessqualität (Handlungsabläufe in der Beratungsstelle) und Ergebnisqualität (Wirksamkeit von Beratung). Im zweiten Beitrag fokussiert Menne auf die Regionalisierung sozialer Dienste, zu der im Achten Jugendbericht aufgefordert wurde. Dabei werden die Kriterien für eine regionalisierte Erziehungs- und Familienberatung thematisiert (z.B. Fachkraftquote nach Anzahl der Minderjährigen, Vernetzung, Niederschwelligkeit der Inanspruchnahme, Multidisziplinarität der Fachkräfte, Trennung der Beratungsstelle von anderen Institutionen).
Abschnitt 3 („Verhältnis zur Psychotherapie“) enthält drei Beiträge:
- Psychotherapeutisch kompetente Erziehungsberatung – Ihre Rahmenbedingungen und rechtlichen Grundlagen
- Beratung oder Behandlung? Zur Bedeutung des Patientenrechtegesetzes für die Erziehungsberatung
- Psychotherapie und Erziehungsberatung
Hier umreißt der Autor zum einen die Bedeutung von Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten und Psychologischen Psychotherapeuten in der Erziehungsberatung. Im zweiten Beitrag geht Menne sehr detailliert auf die Bedeutung des 2013 in Kraft getretenen Gesetzes zur Verbesserung der Rechte von Patientinnen und Patienten für die Erziehungsberatung ein. Der letzte Beitrag widmet sich dem Verhältnis von Erziehungsberatung und Psychotherapie.
Abschnitt 4 („Erziehungsberatung und die Hilfen zur Erziehung“) umfasst fünf Beiträge:
- Erziehungsberatung im Kontext der Hilfen zur Erziehung – Fakten aus der Statistik
- Die Familienverhältnisse in der Fremdunterbringung: Ist Scheidung ein Leitindikator für die Hilfen zur Erziehung?
- Die Familienverhältnisse heute – ein Nachtrag
- Die Kosten der erzieherischen Hilfen
- Scheidung, Beratung und die Hilfen zur Erziehung
In diesem Abschnitt wird Erziehungsberatung als eine Form der Hilfen zur Erziehung detaillierter betrachtet, zunächst mit einem statistischen Überblick über die Entwicklung der Erziehungsberatung. Der zweite Beitrag widmet sich der Rolle der elterlichen Trennung und Scheidung für die Inanspruchnahme von Erziehungsberatung. Die anderen Beiträge thematisieren die Familienverhältnisse junger Menschen, die in einer Einrichtung außerhalb ihrer Familie untergebracht sind anhand der Jugendhilfestatistik, die Kosten der erzieherischen Hilfen sowie Scheidung und Trennung von Eltern als Handlungsfeld der Erziehungsberatung.
Abschnitt 5 („Trennung und Scheidung“) enthält drei Beiträge:
- Beratung im Kontext des Familiengerichts
- Fragen und Antworten zum Familienverfahrensrecht in der Praxis
- Erziehungsberatung und gemeinsame elterliche Sorge nach Trennung und Scheidung – rechtliche Fragen nach der Kindschaftsreform
Im ersten Beitrag geht es um die Beratung von getrennten Eltern, bei denen das Familiengericht die Beratung vor einer justiziellen Entscheidung quasi anordnet, um eine einvernehmliche Umgangsregelung zwischen den Eltern zum Wohle der betroffenen Kinder zu erzielen. Daran anschließend werden Fragen und Antworten zur Stellung von Erziehungs- und Familienberatung im Kontext des familiengerichtlichen Verfahrens behandelt. Der nachfolgende Beitrag schließt hier inhaltlich an, indem er rechtliche Fragen nach der Kindschaftsreform für die Rolle der Erziehungsberatung und die gemeinsame Sorge nach Trennung und Scheidung behandelt. Konkret thematisiert der Beitrag, ob Erziehungsberatung zu den „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ oder zu den „Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung“ zu zählen ist. Während „Angelegenheiten des täglichen Lebens“ durch das Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, allein zu klären sind, sind „Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung“ bei gemeinsamer elterlicher Sorge nur einvernehmlich von beiden Eltern wahrzunehmen.
Abschnitt 6 („Kinderschutz“) umfasst zwei Beiträge:
- Kinderschutz in der Erziehungsberatung
- Beratung als Wächteramt
Der erste Beitrag thematisiert die Grenzen von Erziehungsberatung, d.h., wenn das Wohl des Kindes oder Jugendlichen, der sich in der Beratung befindet, gefährdet ist und stellt die erforderlichen Schritte dar, die getätigt werden müssen, um bei „gewichtigen Anhaltspunkten“ ggf. Daten an das Jugendamt weiterzugeben. In der Erziehungsberatung muss eine Einschätzung des Gefährdungsrisikos im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte vorgenommen werden. Der andere Beitrag behandelt die Nähe der Erziehungsberatung zum Wächteramt des Staates, wenn es darum geht, seelische Beeinträchtigungen und Entwicklungsschwierigkeiten, denen Kinder in ihrem Prozess des Aufwachsens ausgesetzt sein können, von diesen abzuwenden.
Abschnitt 7 („Evaluation und Statistik“) umfasst drei Beiträge:
- Differentielle Evaluation in der Erziehungs- und Familienberatung
- Die Einmal-Beratung
- Trendwende in der Erziehungsberatung? Eine Kommentierung und Differenzierung
Im ersten Beitrag stellt der Autor Ergebnisse des bke-Modellprojekts „Jugendhilfeplanung für Erziehungs- und Familienberatung“ zu Belastungen, Wirksamkeit und Zufriedenheit im Setting Erziehungs- und Familienberatung vor. Der zweite Beitrag thematisiert ebenfalls Ergebnisse des bke-Modellprojekts „Jugendhilfeplanung für Erziehungs- und Familienberatung“, allerdings fokussiert auf das Phänomen der Einmal-Beratungen in der Erziehungs- und Familienberatung. Der dritte Beitrag stellt amtliche Daten zur Erziehungsberatung im Zeitverlauf vor um Trends und Entwicklungen sichtbar zu machen.
Abschnitt 8 („Jugendhilfeplanung für Erziehungsberatung“) enthält zwei Beiträge:
- Einführung in das Projekt „Jugendhilfeplanung für Erziehungs- und Familienberatung“
- Auf dem Wege zu einer empirischen Ableitung des Beratungsbedarfs – eine Skizze
Im ersten Beitrag wird das bereits in Abschnitt 7 zitierte Modellprojekt „Jugendhilfeplanung für Erziehungs- und Familienberatung“ detaillierter vorgestellt. Der zweite Beitrag unternimmt auf Basis der im Modellprojekt analysierten Indikatoren eine quantitative Bestimmung des Bedarfs an Erziehungs- und Familienberatung.
Ein umfangreiches Literaturverzeichnis versammelt alle im Buch zitierten Quellen. Das Buch schließt mit ausgewählten Veröffentlichungen des Autors, die zum Weiterlesen, Weiterstudieren, Weiterdenken anregen. Die im Buch verwendeten Publikationen von Klaus Menne sind kursiv hervorgehoben.
Diskussion und Fazit
Das Buch stellt umfassend und kenntnisreich die Entwicklung der Erziehungsberatung als Hilfe zur Erziehung für die letzten Jahre dar. Dabei widmet sich der Autor sehr unterschiedlichen Aspekten der Erziehungsberatung wie z.B. Qualitätsmerkmalen, Abgrenzung zur Psychotherapie, Hilfen zur Erziehung, Trennung und Scheidung sowie Kinderschutz. Dabei verfolgte der Autor das Ziel, durch den Fokus auf unterschiedliche Aspekte der Erziehungsberatung zur Klärung der fachverbandlichen Positionen der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) beizutragen.
Dem Buch ist anzumerken, dass es eine Zusammenstellung verschiedener bereits anderenorts publizierter Veröffentlichungen ist, die sowohl Aufsätze als auch Vorträge umfassen. Teilweise sind die Beiträge in der Ich-Form verfasst. Durch das Aufgreifen bereits publizierter Beiträge sind teilweise Wiederholungen verbunden. Andererseits bietet das Buch durch seinen Abschnittscharakter auch die Option, sich nur vertiefend mit bestimmten Aspekten der Erziehungsberatung als Hilfe zur Erziehung zu beschäftigen (z.B. mit der „Qualität in der Erziehungsberatung“ oder „Trennung und Scheidung“).
Ein Abkürzungsverzeichnis hätte dem Buch gut getan, denn der Autor verwendet eine Vielzahl von Abkürzungen, die vielleicht zu Beginn eines Beitrags einmal kurz aufgelöst werden, aber aufgrund der Vielzahl an Beiträgen in diesem Sammelband auch leicht übersehen werden können.
Rezension von
Dr. Anke Höhne
Dipl.-Sozialwiss., Referentin bei SUCHT.HAMBURG gGmbH, Systemische Beraterin und Familientherapeutin
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