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Etta Wilken: Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom

Rezensiert von Dr. Karoline Klamp-Gretschel, 05.10.2017

Cover Etta Wilken: Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom ISBN 978-3-17-028436-4

Etta Wilken: Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom. Förderung und Teilhabe. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2017. 252 Seiten. ISBN 978-3-17-028436-4. D: 25,00 EUR, A: 25,70 EUR, CH: 35,50 sFr.

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Thema

Zur Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Trisomie 21 ist es notwendig, sich mit syndromspezifischen Charakteristika wie auch dem sich durch medizinische Entwicklungen verändernden Umfeld auseinanderzusetzen. Durch eine auf die spezifischen Anforderungen fokussierte Förderung kann Teilhabe erfolgen. Insbesondere werden „die Herausforderungen schulischer Inklusionsgestaltung thematisiert und in ihrer Bedeutung für die Teilhabe in außer- und nachschulischen Lebensbereichen entfaltet“ (Klappentext).

Daraus ergeben sich Fragen nach der konkreten Förderung in den Lebensphasen frühe Kindheit, Kindergartenalter, Schulzeit, Jugendalter, Erwachsenenalter sowie in den Lebensbereichen Familie und Gesundheit.

Herausgeberin und Autor_innen

Prof. Dr. Etta Wilken ist emeritierte Professorin der Leibniz Universität Hannover. Am dortigen Institut für Sonderpädagogik lehrte sie Allgemeine und integrative Behindertenpädagogik. Darüber hinaus engagiert sie sich seit 1978 außeruniversitär in der Beratung von Eltern von Kindern mit Trisomie 21.

Darüber hinaus beinhaltet das Buch Beiträge von Udo Wilken, Christiane Müller-Zurek, Gerhard Hammersen, Matthias Gelb und Ruth Kamping.

Entstehungshintergrund

Nach jahrzehntelanger Erfahrung in der Arbeit mit Familien von Kindern mit Trisomie 21 stellt diese Publikation eine Möglichkeit für Wilken dar, ihre Erfahrungen weiterzugeben und Fragen zur Förderung zu beantworten. Trotz aller Entwicklungen in der Pränataldiagnostik macht Wilken deutlich, dass die Anzahl der geborenen Kinder mit Trisomie 21 gleich bleibt (vgl. S. 21), so dass es notwendig ist, die Förderung noch besser an das Syndrom anzupassen. Dabei bildet vor allem das der Arbeit und Interaktion zugrunde liegende Menschenbild, „das den grundsätzlichen Anspruch auf gute familiäre, pädagogische und gesundheitliche Entwicklungsbedingungen betont und weitestgehende Selbstbestimmung ermöglichen möchte“ (S. 11), den Ausgangspunkt für jegliche Förderung.

Aufbau und Inhalt

Das Buch von Etta Wilken beinhaltet nach einem Vorwort zwölf Kapitel:

  1. Familiäre und gesellschaftliche Aufgaben der Erziehung von Kindern
  2. Basisinformationen
  3. Teilhabe und Förderung in der Familie
  4. Förderung in der Familie und durch Therapie
  5. Die Entwicklung von Kindern mit Down-Syndrom
  6. Kindergartenalter und Vorschulzeit
  7. Die Schulzeit
  8. Pubertät und Jugendalter
  9. Arbeit, Freizeit und Wohnen (Udo Wilken)
  10. Perspektiven für das Leben als Erwachsene
  11. Von der Frühförderung zu einem selbstbestimmten Leben – Erfahrungen einer Mutter (Christiane Müller-Zurek)
  12. Gesundheit und Krankheit bei Kindern und Jugendlichen mit Down-Syndrom (Gerhard Hammersen, Matthias Gelb, Ruth Kamping)

Danach wird die Literatur dokumentiert (Gerhard Hammersen, Matthias Gelb, Ruth Kamping) und es folgen Informationen zu den Autorinnen und Autoren.

Das Vorwort beinhaltet einen Rückblick auf Wilkens disziplinäre Erfahrungen und Begegnungen mit Menschen mit Trisomie 21 und eine Verortung der Publikation innerhalb der aktuellen medizinischen und inklusiv-förderpädagogischen Entwicklungen.

In Kapitel 1 setzt sich Wilken mit den unterschiedlichen Einflüssen auf das Familienleben auseinander und den damit einhergehenden Anforderungen an die Eltern.

Die theoretischen Grundlagen werden in Kapitel 2 erörtert, indem die historische Entwicklung (Kap. 2.1), die Ätiologie (Kap. 2.2) und die Häufigkeit (Kap. 2.3) der Trisomie 21 zusammengefasst werden.

In Kapitel 3 werden die Bedeutung von familiären Ressourcen und einem Familienalltag beschrieben. Dazu erfolgt eine Unterteilung in verschiedene familiäre Einheiten, Eltern (Kap. 3.1), Geschwister (Kap. 3.5) und Familienangehörige, Freunde und Nachbarschaft (Kap. 3.6); und in Erfahrungsphasen mit Trisomie 21: Diagnosemitteilung (Kap. 3.2), Neuorientierung und Bewältigung der Familiensituation (Kap. 3.3) und Selbsthilfe (Kap. 3.4).

Es schließt sich Kapitel 4 an, das sich den Fördermaßnahmen in der Familie und in Therapiesituationen widmet. Jegliche Förderung soll zur Aktivierung der kindlichen Eigenaktivität beitragen (vgl. S. 49). Es gilt Rahmenbedingungen und Therapien, die Entwicklung fördern, zu beschreiben (Kap. 4.1); die Charakteristika von Behandlung und Therapie (Kap. 4.2) sowie unrealistische Erwartungen an und von Therapien (Kap. 4.3) zu bestimmen. Abschließend werden Förderprogramme (Kap. 4.4) und Kriterien (Kap. 4.5), die bei der Auswahl eines solchen hilfreich sein können, dargestellt.

Kapitel 5 befasst sich mit der kindlichen Entwicklung von Kindern mit Trisomie 21. Genauer werden die Bereiche Babys und Kleinkinder (Kap. 5.1), Ernährung (Kap. 5.2), Motorik (Kap. 5.3), Kommunikations- und Sprachförderung (Kap. 5.4) sowie Entwicklung zur Selbstständigkeit (Kap. 5.5) ausgeführt.

Das Kapitel 6 skizziert die Phase des Kindergarten- und Vorschulbesuchs, die u.a. durch Einschränkungen in der Wahrnehmungsfähigkeit (vgl. S. 82) gekennzeichnet ist. Hierbei wirft Wilken einen Blick auf Spiel- und Lernverhalten (Kap. 6.1), Inklusionsbestrebungen im Kindergarten (Kap. 6.2), Motorik (Kap. 6.3), Sprachverständnis und Sprechen (Kap. 6.4), frühes Lesen (Kap. 6.5) und Selbstständigkeit (Kap. 6.6).

Daran schließt sich Kapitel 7 an, das die Schulzeit und vor allem den Gedanken der schulischen Inklusion näher beleuchtet. Das Kapitel differenziert sich in zehn Unterkapitel aus: Motorik (Kap. 7.1), Hören und Sehen (Kap. 7.2), Sprache (Kap. 7.3), Intelligenz und Lernen (Kap. 7.4), Unterricht (Kap. 7.5), Lesen (Kap. 7.6), Schreiben (Kap. 7.7), Mathematik (Kap. 7.8), lebenspraktische Fähigkeiten (Kap. 7.9) und schulische Förderung/Inklusion (Kap. 7.10).

In Kapitel 8 nimmt Wilken das Jugendalter und die Pubertät in den Blick, indem sie sich der ‚Vorbereitung‘ auf das Erwachsenenalter mit den dazugehörigen Entwicklungsfragen und -aufgaben widmet. Dazu bezieht sie die körperliche Entwicklung (Kap. 8.1), die Freizeitgestaltung (Kap. 8.2), Sprache und Selbstgespräche (Kap. 8.3 und 8.4), die Identitätsfindung (Kap. 8.5), Pubertät und Sexualität (Kap. 8.6) sowie lebenspraktische Kompetenzen und soziale Fertigkeiten (Kap. 8.7) ein.

Es folgt das Kapitel 9, verfasst von Udo Wilken, das einen Ausblick auf das Erwachsenenleben mit Trisomie 21 wagt. Er beschäftigt sich mit Arbeitstätigkeit als Chance zur Entwicklung (Kap. 9.1), der damit einhergehenden Förderung von Kompetenzen zur Freizeit- und Lebensgestaltung (Kap. 9.2) sowie dem Übergang in eine eigene Wohnung (Kap. 9.3).

Diese Ausführungen werden von Etta Wilken in Kapitel 10 ergänzt, die die Wichtigkeit einer sinnvollen Perspektive auf das Erwachsenenleben hervorhebt. Neben Ausführungen zu Wohnen und Arbeit (Kap. 10.1), richtet sie den Fokus des Kapitels auf Beziehungen (Kap. 10.2), Elternschaft (Kap. 10.3) und Alter (Kap. 10.4).

Christiane Müller-Zurek berichtet in Kapitel 11 aus ihren eigenen Lebenserfahrungen, den Erfahrungen einer Mutter eines mittlerweile erwachsenen Sohnes mit Trisomie 21, insbesondere von vielfältigen Therapieerfahrungen von Geburt des Sohnes bis ins Erwachsenenalter.

Das Buch schließt mit dem Kapitel 12, das sich medizinischen Aspekten der Trisomie 21 aus Sichtweise dreier Ärzt_innen widmet. Während Gerhard Hammersen einen Überblick möglicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen und deren erhöhten Prävalenzen bei der Trisomie 21, wie z.B. Hörbeeinträchtigungen, Krebserkrankungen, Herz- oder Schilddrüsenerkrankungen, formuliert (Kap. 12.1), diskutiert Matthias Gelb die Möglichkeit der Nahrungsmittelergänzung (Kap. 12.2). Abschließend formuliert Ruth Kamping Hinweise zu orthopädischen Problemen und motorischen Besonderheiten bei Menschen mit Trisomie 21 (Kap. 12.3).

Am Ende des Buchs finden sich das Literaturverzeichnis und ein Überblick über die Autor_innen.

Diskussion

Etta Wilken möchte eine differenzierte Grundlage zur weiteren Förderung und Teilhabe von Menschen mit Trisomie 21 schaffen. Es liegen bereits vielfältige Publikationen zum Down-Syndrom vor (u.a. auch von Wilken), die im vorliegenden Buch hinsichtlich der Lebenslaufperspektive chronologisch geordnet und durch langjährige Erfahrungen mit Menschen mit Trisomie 21 ergänzt werden. Dazu vereint Wilken wissenschaftliche Erkenntnisse mit Fallbeispielen, die die Relevanz der syndromspezifischen Förderung zum Erreichen von gesellschaftlicher Teilhabe im Alltag hervorheben.

Es wird deutlich, dass Wilken als Grundlage für jegliche Förderung das Menschenbild der entsprechenden Fachkraft in Therapie, Pflege und Erziehung sowie die Zugewandtheit zu dem Kind bzw. Jugendlichen mit Trisomie 21 auffasst. Unter diesem Gesichtspunkt stellt sich die Publikation als Bejahung der Fördermöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen mit Trisomie 21 dar, denn es zeigt sich „wie wichtig die Überwindung eingrenzender Vorannahmen über Lernmöglichkeiten der Kinder mit Down-Syndrom ist“ (S. 147). Müller-Zurek weist jedoch aus eigener Erfahrung daraufhin, dass es notwendig ist, realistische Erwartungen an die Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten der Personengruppe zu stellen (vgl. S. 201).

Während das Buch in den ersten acht Kapiteln eine einheitliche Struktur aufweist, wird die Fokussierung in den letzten vier Kapiteln etwas diffuser. Das liegt sicherlich an den vielfältigen Themenbereichen, die es noch kurz anzusprechen gilt. Eine Ausweitung auf das Erwachsenenalter erscheint schlüssig, muss aber aufgrund der Zielsetzung der Publikation außen vor bleiben. Gleichsam können die Ausführungen anderen Autor_innen als Grundlage zur Ergänzung um weitere Ausführungen in anderen Publikationen dienen.

Es gelingt Wilken herauszuarbeiten, dass Menschen mit Trisomie 21 ein Recht auf eine syndromspezifische Förderung haben, um ihre Potentiale bestmöglich entfalten zu können. Vor allem tritt ihre Wertschätzung und Anerkennung für die Personengruppe und ihre Familien hervor.

Fazit

Es ist den Autor_innen gelungen, einen umfassenden Blick auf Kindheit und Jugend von Menschen mit Trisomie 21 zu werfen. Durch die herausragende, fachliche Expertise aller Beteiligten und vielfältige Blickwinkel (aus Pädagogik, Medizin und aus persönlichen Erfahrungen) ist ein wesentlicher Beitrag zur gesellschaftlichen Teilhabe der Personengruppe entstanden.

Wie zu Beginn von Wilken hervorgehoben, nehmen pränataldiagnostische Untersuchungen zwar zu, die Anzahl der Geburten von Kindern mit Trisomie 21 bleibt konstant (vgl. S. 21), so dass eine weitere Auseinandersetzung mit einer adäquaten Förderung unerlässlich bleibt.

Das Buch kann allen Fachkräften und Angehörigen, die mit Menschen mit Trisomie 21 arbeiten oder leben, aber vor allem auch Studierenden sowie weiteren interessierten Leser_innen uneingeschränkt empfohlen werden.

Rezension von
Dr. Karoline Klamp-Gretschel
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Es gibt 20 Rezensionen von Karoline Klamp-Gretschel.

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Zitiervorschlag
Karoline Klamp-Gretschel. Rezension vom 05.10.2017 zu: Etta Wilken: Kinder und Jugendliche mit Down-Syndrom. Förderung und Teilhabe. Kohlhammer Verlag (Stuttgart) 2017. ISBN 978-3-17-028436-4. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23093.php, Datum des Zugriffs 14.01.2025.


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