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Lotte Habermann-Horstmeier: Gesundheits­förderung und Prävention

Rezensiert von Prof. Felix Wettstein, 28.07.2017

Cover Lotte Habermann-Horstmeier: Gesundheits­förderung und Prävention ISBN 978-3-456-85707-7

Lotte Habermann-Horstmeier: Gesundheitsförderung und Prävention. Kompakte Einführung und Prüfungsvorbereitung für alle interdisziplinären Studienfächer. Hogrefe AG (Bern) 2017. 159 Seiten. ISBN 978-3-456-85707-7. 19,95 EUR. CH: 26,90 sFr.

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Thema

Die „Kompaktreihe Gesundheitswissenschaften“ der Hogrefe-Verlagsgruppe richtet sich an ein breites Publikum im deutschsprachigen Raum. Der zweite Band dieser jungen Reihe heisst „Gesundheitsförderung und Prävention“. Das Werk soll allen Interessierten, auch jenen ohne spezielle Fachkenntnisse, einen schnellen und übersichtlichen Einstieg in Gesundheitsförderung und Prävention ermöglichen. Da die Thematik inzwischen in etlichen Studiengängen des Sozial-, Gesundheits- und Bildungsbereichs Teil des obligatorischen oder fakultativen Programms ist, will das Buch ausserdem mit seinen didaktischen Teilen das Selbststudium unterstützen.

Aufbau und Inhalt

Die Themenfelder Gesundheitsförderung und Prävention sind in der ersten Buchhälfte in insgesamt neun Kapiteln wiedergegeben. Verteilt auf die neun Kapitel sind 14 Aufgabenstellungen für die Verarbeitung der vorangegangenen Inhalte eingestreut.

Eingeführt wird dieser Grundlagenteil mit der Klärung der Begriffe Gesundheit, Krankheit, Pathogenese und Salutogenese. Das zweite Kapitel verweist auf das Fundament eines Menschenrechts auf Gesundheit und stellt die Ottawa-Charta der Gesundheitsförderung sowie das WHO-Programm „Gesundheit 21“ vor. Kapitel 3 klärt wichtige Konzepte und Unterscheidungen innerhalb von Prävention: primär, sekundär, tertiär; Verhältnisse versus Verhalten; Gegenüberstellung des Bevölkerungsansatzes und des Hochrisikogruppen-Ansatzes. Konzepte, die vor allem im Rahmen von Gesundheitsförderung diskutiert werden, sind Ressourcenstärkung, Empowerment, Partizipation sowie die Orientierung an Settings als Orte der strukturellen Intervention. Ein eigenes Kapitel „Gesundheitliche Ungleichheit“ legt den Fokus auf die sozialen Determinanten von Gesundheit und beleuchtet unterschiedliche soziale Lagen und Zugehörigkeiten im Hinblick auf die Gesundheitschancen.

Kapitel 6 geht auf Modelle des Gesundheitsverhaltens ein und stellt verschiedene gesundheitspsychologische Theorien vor, am ausführlichsten das HAPA-Modell (Health Action Process Approach). Kurze Artikel beleuchten anschliessend die Themen „Lebensstil“ (in der Begriffsdeutung, die Thomas Abel vorschlägt) und Gesundheitskompetenz. Beidemale wird nochmals auf die unterschiedliche Ausgangslage je nach sozio-ökonomischer Zugehörigkeit verwiesen. Und abschliessend werden die beiden Ansätze Gesundheitsförderung oder Prävention einander tabellarisch gegenübergestellt.

Der zweite Buchteil – immerhin rund 40 Seiten umfassend – enthält die „Lösungsvorschläge zu den Aufgabenstellungen“. Vorschläge deshalb, weil die 14 Aufgaben mehrheitlich offen formuliert sind und zu unterschiedlichen, auch persönlich gefärbten Antworten führen können. Der dritte Buchteil, „Anhang und Serviceteil“, enthält ein Glossar mit knapp 90 kurz erläuterten Fachbegriffen zu Public Health, Gesundheitsförderung und Prävention sowie Hinweise auf andere Bücher mit Grundlagencharakter und Links auf Basisdokumente (Charta, Deklarationen, Strategien).

Diskussion

„Kompakte Einführung“ verspricht das Buch im Untertitel und löst dieses Versprechen auch ein. Der Aufbau ist klar und einleuchtend; grundlegende Voraussetzungen von Gesundheitsförderung und Prävention sowie wichtige Teilkonzepte werden in kurzen Zusammenfassungen präsentiert. Wer sich die Mühe nimmt, die vorgeschlagenen Aufgabenstellungen selbständig zu beantworten, kann gestützt auf eigenes Erfahrungswissen (und bei Bedarf unter Verwendung des Glossars) tiefer in die Thematik eintauchen. Gleichwohl ist die Komplexität soweit reduziert, dass Interessierte aus benachbarten Wissensgebieten ohne Vorkenntnisse folgen können.

Der Nachteil dieser Reduktion auf kurze Sequenzen: Eine reflexive oder diskursive Auseinandersetzung mit den angesprochenen Themen findet kaum oder nicht statt. Einige Debatten der jüngeren Zeit finden nicht Einlass. Fehlende Elemente sind beispielsweise: Das doppelte Kontinuum von Gesundheit und Krankheit (ergänzend zum einfachen Kontinuum des Salutogenesemodells), damit verbunden die Möglichkeit, zwischen Schutzfaktoren und Ressourcen zu unterscheiden, die Strategie „Gesundheit 2020“ der WHO Europa, die zunehmend gebräuchlichere Unterscheidung in universelle, selektive und indizierte Prävention (welche überzeugender ist als primär-sekundär-tertiär), die Frage nach den ethischen Prinzipien zur Begründung von Prävention oder von Gesundheitsförderung, schliesslich Überlegungen zur Wirkungsüberprüfung von gesundheitsförderlichen oder präventiven Interventionen. Nur kurz angesprochen wird das Konzept Resilienz.

Fünf Verhaltensweisen werden als entscheidend für Morbidität und Mortalität bezeichnet: Ernährung, Bewegung, Tabak, Alkohol und Schlafverhalten. Das Themenspektrum von Gesundheitsförderung oder von Prävention würde jedoch zweifellos darüber hinausweisen, zum Beispiel unter Berücksichtigung von ökologisch-physikalischen Einflussfaktoren, psychischen Belastungen (etwa Stress, Ängste, Zweifel), psychischen und kognitiven Ressourcen (etwa Selbstwert, Selbstregulationsfähigkeit, Kontrollüberzeugungen), Sexualität, Konfliktbewältigungsfähigkeiten, Formen von sozialem Kapital und vieles mehr. Auch fehlt ein Kapitel, das sich dem konkreten methodischen Handeln annimmt und die Frage beantwortet, wie Gesundheitsförderung, wie Prävention betrieben wird, was innerhalb von „Verhaltens- oder Verhältnisorientierung“ die verschiedenen denkbaren Handlungsmethoden sind. Einzig der Gesundheitszirkel als settingbezogene Methode wird kurz beschrieben.

Einen Teil vermögen die differenzierten Antwortvorschläge zu den 14 Aufgabenstellungen wettzumachen. So wird etwa der Vergleich von „Verhaltensprävention“ und „Verhältnisprävention“ (zwei zwar verbreitete, aber sprachlich nicht überzeugende Begriffe) in Aufgabe 8b mit Stressprävention am Arbeitsplatz erläutert. Oder die Antwort zu Aufgabe 13b verdeutlicht, dass „Schlaf und Gesundheit“ nicht nur unter dem Aspekt von Schlafverhalten interessiert, sondern auch von strukturellen Faktoren abhängt, zum Beispiel Arbeitszeiten oder Stundenplänen.

Fazit

Das Buch eignet sich sehr gut dazu, einen ersten Einblick in Gesundheitsförderung und Prävention zu erhalten und auf Konzepte, Grundsatzdokumente oder Theorien zu stossen, die anderswo vertiefend bearbeitet werden. Wollte man die – fachlich begründeten – Erweiterungen und diskursiven Ansätze realisieren, wäre unweigerlich ein grösserer Umfang nötig. Die Kompaktheit des Bandes kommt deshalb besonders jenen entgegen, welche sich Gesundheitsförderung und Prävention sozusagen „im Nebenfach“ aneignen.

Rezension von
Prof. Felix Wettstein
Pädagoge, Dozent an der Hochschule für Soziale Arbeit der FH Nordwestschweiz in Olten, Leiter des Master of Advanced Studies (MAS) Gesundheitsförderung und Prävention, Mitglied der Koordinationsgruppe des Netzwerks Gesundheitsförderung D|A|CH. Zusätzliche Homepage www.dach-gf.net
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Es gibt 6 Rezensionen von Felix Wettstein.

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Zitiervorschlag
Felix Wettstein. Rezension vom 28.07.2017 zu: Lotte Habermann-Horstmeier: Gesundheitsförderung und Prävention. Kompakte Einführung und Prüfungsvorbereitung für alle interdisziplinären Studienfächer. Hogrefe AG (Bern) 2017. ISBN 978-3-456-85707-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23133.php, Datum des Zugriffs 16.09.2024.


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