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Irene Leser: Die Grundschule aus Sicht von Kindern mit Migrations­hintergrund

Rezensiert von Monika Pietsch, 23.02.2018

Cover Irene Leser: Die Grundschule aus Sicht von Kindern mit Migrations­hintergrund ISBN 978-3-7799-3679-4

Irene Leser: Die Grundschule aus Sicht von Kindern mit Migrationshintergrund. Beltz Juventa (Weinheim und Basel) 2017. 384 Seiten. ISBN 978-3-7799-3679-4. D: 39,95 EUR, A: 41,10 EUR, CH: 51,90 sFr.

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Thema

Irene Leser untersucht in zwei Grundschulen jeweils eine Klasse, die in den Klassenstufen 1 bis 3 gemeinsam unterrichtet werden. Die Untersuchung beinhaltet Fragebögen für alle Eltern und Kinder und auch Interviews. Leser stellt die Kinder mit Migrationshintergrund in den Mittelpunkt.

Autorin

Irene Leser ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Forschungskoordinatorin im Institut Erziehungswissenschaften der Humboldt-Universität Berlin. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind: qualitative Methoden, Bildungs-, Migrations- und Kindheitsforschung.

Entstehungshintergrund

Menschen mit Migrationshintergrund unterscheiden sich stark voneinander. In der PISA- Studie wurde unter anderem benannt, das Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem schlechter abschneiden als Kinder deutscher Herkunft. Leser analysiert nun in ihrer Dissertation wie Kinder über ihre Schule denken und welche Funktion sie für sie hat.

Aufbau und Inhalt

Kapitel 1 ist die Einleitung.

Kapitel 2: Zur Bestimmung des Begriffs Migrationshintergrund hat das Ziel eine relevante Definition für den Migrationshintergrund für die Analyse zu finden. Leser stellt dar, dass nach einer Definition des Statistischen Bundesamtes Personen z.B. der 1. bis 3. Generation mit einem ausländischen Elternteil, Spätaussiedler, Eingebürgerte, in Deutschland geborene Deutsche mit ausländischen Eltern zu den Menschen mit Migrationshintergrund gezählt werden. Insgesamt ist das eine Gruppe von 20,5 % der Bevölkerung. Da die Kultusministerkonferenzen der Bundesländer teils andere Definitionen nutzen, ist ein Vergleich schwierig und die Gewichtung der Ergebnisse ändern sich je nach Definition.

Kapitel 3: Die Perspektiven der aktuellen Bildungs- und Migrationsforschung beschreibt die Erklärungsmomente, warum Kinder mit Migrationshintergrund im deutschen Bildungssystem deutlich schlechtere Bildungserfolge aufweisen. Dazu wurden z.B. untersucht wie die rechtliche Statussituation von MigrantInnen ist, welche familiären Unterschiede es hinsichtlich sozialer und sozialökonomischer Herkunft gibt, die Einflüsse der Nachbarschaft, schulische Einflussfaktoren wie Sichtweisen der LehrerInnen auf die Kinder mit Migrationshintergrund. Leser stellt fest, dass es nur sehr wenige LehrerInnen mit Migrationshintergrund gibt, so fehlen den SchülerInnen die Vorbilder. Die angeführten Studien zeigen, dass eine eher stereotypische Sicht auf SchülerInnen mit Migrationshintergrund besteht.

Kapitel 4: Methodologische Herangehensweise beschreibt die Untersuchungsmethode. Hier wird die mehrebenenperspektivische Analyse angewandt. Dabei steht das Kind im Mittelpunkt, zusätzlich werden Daten erhoben aus: der regionalen Ebene, schulstrukturelle Faktoren, klassenspezifische Bedingungen, schulische Interaktion und familiäre Hintergründe.

Kapitel 5: Zur Analyse der sozialstrukturellen Einbettung der beiden Untersuchungsklassen zeigt auf, welche Unterschiede es in der Einbettung des Einzugsbereichs zwischen den untersuchten Klassen gibt.

Kapitel 6: Die sozialen Netzwerke der SchülerInnen untersucht inwieweit z.B. das Geschlecht oder das Alter der Kinder einen Einfluss auf die Einbettung in das klassenspezifische Netzwerk hat. Die Netzwerkstrukturen werden hinsichtlich der Freundschafts-, Hilfs- und Abneigungsnennungen analysiert.

Kapitel 7: Die Sichtweisen ausgewählter Kinder auf die Schule. Die einzelnen Kinder werden kurz vorgestellt, die soziokulturelle Lebenslage des Kindes und ihrer Familie beschrieben. Anschließend werden verschiedene Themen dargestellt: z.B. familiäre Eingebundenheit, Freizeitgestaltung, netzwerkspezifische Positionierung innerhalb der Klasse, Lieblingsort, die Sicht des Kindes auf die Lernwelt Schule. Zur Erhebung wurden ausführliche Interviews geführt und Fragebögen von den Kindern, LehrerInnen und Eltern ausgefüllt.

Kapitel 8: Zusammenfassung: Die Grundschule, ein Ort des Lernens und Spielens zeigt, dass die Kinder mit Migrationshintergrund einen unterschiedlichen Blick auf ihre Grundschule haben je nach Schichtzugehörigkeit, Kenntnissen der deutschen Sprache, den gemachten Erfahrungen in der außerschulischen Welt etc.

Kapitel 9: Methodische Reflexion und Ausblick

Es folgen noch Transkription, Literatur und Danksagung.

Diskussion und Fazit

In Kapitel 9, Methodische Reflexion, werden all die kritischen Anmerkungen an der Analyse vorweggenommen. Als Fazit bleibt: Es ist interessant sich mit der Frage der Sichtweise von Kindern auf ihre Schule zu beschäftigen und es gibt noch viele sinnvolle Folgefragestellungen (so z.B. auch Kinder deutscher Herkunft oder Flüchtlingskinder zu untersuchen). Leser beschreibt, dass schon durch die unterschiedlichen Definitionen von Migrationshintergrund unterschiedliche Ergebnisse generiert werden. Ebenso würde jede andere Erhebungsform Aspekte der Ergebnisse verstärken und andere vernachlässigen.

Die Ergebnisse dieser Untersuchung zeigen, dass es den Prototyp des Kindes mit Migrationshintergrund nicht gibt. Die Sicht der Kinder auf die Schule ist geprägt von der Schichtzugehörigkeit, dem Bildungskapital und der Bildungsambitionen der Eltern, den Kenntnissen in der deutschen Sprache, u.v.m. Spaß am Lernen hängt unter anderem davon ab, inwieweit die Kinder auch außerschulisch bildungsrelevanten Inhalten begegnen. Daraus und aus dem Ergebnis, dass insbesondere kreative und spielerische Umsetzung von Lerninhalten Freude am Lernen machen, kann sicher unterstützend für Lehrende sein.

Das Buch eignet sich insbesondere für interessierte LehrerInnen, die über den Tellerrand hinaus schauen wollen und sich kritisch mit der eigenen Sicht auf Kinder und Familien mit Migrationshintergrund auseinander setzen wollen. Das Buch bietet dazu Gelegenheit. Die ausführlichen Hintergrundinformationen sind der Dissertation geschuldet, so wird aber auch eine Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen möglich gemacht.

Rezension von
Monika Pietsch
Training und Konstruktives Lernen
selbständige Trainerin und Beraterin, Schwerpunkt: Team- und Führungskompetenzen mit den Methoden des konstruktiven Lernens
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Es gibt 60 Rezensionen von Monika Pietsch.

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ISSN 2190-9245