Matthias Wengenroth: Therapie-Tools Akzeptanz- und Commitmenttherapie
Rezensiert von Dr. Alexander Tewes, 20.11.2017

Matthias Wengenroth: Therapie-Tools Akzeptanz- und Commitmenttherapie.
Beltz Verlag
(Weinheim, Basel) 2017.
300 Seiten.
ISBN 978-3-621-28390-8.
44,95 EUR.
Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial.
Thema und Entstehungshintergrund
In der Reihe „Therapie-Tools“ des Beltz-Verlages werden regelmäßig Materialien für die psychotherapeutische Arbeit zu verschiedenen Therapieansätzen veröffentlicht. Ziel dieser Reihe ist, das Arbeitsspektrum für Psychotherapeuten [1] zu erweitern. Die Bände enthalten jeweils Fragebögen, Übungen, Hausaufgaben und Arbeitsblätter für Klientin und Therapeut zu dem jeweiligen therapeutischen Ansatz oder einen bestimmten Setting. Alle Arbeitsblätter sind auch online zum Download verfügbar. In dieser Veröffentlichung werden Arbeitsmaterialien zum relativ jungen Ansatz der Akzeptanz- und Commitmenttherapie (ACT), welcher der sogenannten „Dritten Welle“ der Verhaltenstherapie zugerechnet wird, vorgestellt. In der bereits zweiten Auflage wurden folgende neue Aspekte der ACT mit aufgenommen:
- Darstellung der Bezugsrahmentheorie (der theoretischen Grundlage von ACT)
- Arbeit mit dem Matrix-Modell von Polk (2014)
- Materialien zur Unterstützung der Eingangs- und Verlaufsdiagnostik
- Arbeitsblätter zu den Themen Selbstanteilnahme, Aufmerksamkeitslenkung und der Balance unterschiedlicher Faktoren der Verhaltenssteuerung
- erweiterte Beschreibung der Arbeit an den sechs Kernprozessen der ACT
- erweiterter Fokus auf Beziehungsaspekte
Autor
Matthias Wengenroth ist Diplom-Psychologe, hat mehrere Jahre am Zentrum für Psychiatrie und Psychotherapie in Herten gearbeitet und arbeitet seit 2003 in eigener psychotherapeutischer Praxis in Solingen sowie als Referent und als Übersetzer und Autor von Fachliteratur.
Aufbau und Inhalt
Der Autor eröffnet das Buch mit einer bemerkenswerten Einführung, in der er zunächst anhand der Geschichte des Bergsteigers Aaron Ralston die Akzeptanz- und Commitmenttherapie erläutert. Dieser hatte sich, nachdem er sich in einer Felsspalte den Arm eingeklemmt hatte, diesen selbst amputiert um zu überleben (filmisch dargestellt von Danny Boyle in „127 Hours“). Dieses Beispiel stehe für die ACT, bei der Klientinnen ebenfalls große Belastungen auf sich nehmen, um ein werteorientiertes Leben zu führen.
Der weitere Aufbau orientiert sich dann an den sechs therapeutischen Ansatzpunkten der ACT, wie sie im sogenannten „Hexaflex-Modell“ beschrieben werden. Hierbei wird in jedem Kapitel zunächst der Hintergrund des therapeutischen Ansatzes kurz skizziert, um anschließend die jeweiligen Arbeitsmaterialien vorzustellen.
Kapitel 1: Akzeptanz und Bereitschaft. Die hier vorgestellten Inhalte finden ihre Anwendung in der Regel zu Beginn der Therapie, da insbesondere bei der ACT eine Motivation erzeugt werden muss, an dieser zunächst paradox wirkenden Therapieform teilzunehmen. In der Regel melden sich Klienten zur Therapie an, um Dinge zu verändern und somit belastende Erlebnisse kontrollieren zu lernen. Hier wird nun jedoch gefordert, die „Kontrollagenda“ aufzugeben und das Belastende anzunehmen. Hierfür wird eine Vielfalt an konfrontierenden Arbeitsmaterialien geliefert, die auch im weiteren Verlauf der Behandlung immer wieder Anwendung finden können.
Kapitel 2: Defusion. „Defusion“ beschreibt in der ACT einen Zustand, in dem die Klientin in der Lage ist, Gedanken als solche (und nicht als Tatsachen) zu erkennen. Deren Inhalte werden also nicht mehr „für bare Münze genommen“ (z.B. „Ich bin wertlos“). Grundlage dieses Ansatzes ist die sogenannte „Bezugsrahmentheorie“ nach Hayes (2001), für die auch erstmalig Materialien beigefügt wurden.
Kapitel 3: Gegenwärtigkeit. Neben dem Aspekt der Akzeptanz (Kapitel 1) ist dieser Teil derjenige, der die meisten inhaltlichen Überschneidungen mit den achtsamkeitsbasierten Ansätzen der fernöstlichen Schule bietet, die auch in anderen Therapieformen der sogenannten „dritten Welle“ (z.B. DBT-A, MBCT) Anwendung finden. Konkret werden hier diverse Achtsamkeitsübungen vorgestellt.
Kapitel 4: Selbst als Kontext. „Selbst als Kontext“ ist im Gegensatz (zum pathologischen) „Selbst als Konzept“ zu sehen. Dieses beschreibt den Umstand, dass die betroffene Person sich komplett mit ihren verinnerlichten Selbstannahmen identifiziert. Es wird daran gearbeitet, eine Art Metaebene einzunehmen, von der aus die Wahrnehmung der eigenen Person ohne Bewertung betrachtet wird. Dies ist der abstrakteste und anspruchsvollste Teil der ACT. Die bekannteste Technik ist hier die sogenannte „Schachbrettmetapher“, bei der die Klienten lernen, ihr Leben („das Schachspiel deines Lebens“) aus einer Beobachtungsperspektive (der des Brettes) zu wahrzunehmen.
Kapitel 5: Werte. Die Wertearbeit stellt den zentralen Baustein und damit ein Alleinstellungsmerkmal der ACT dar. Hierbei geht es im Gegensatz zu anderen (verhaltenstherapeutischen) Ansätzen nicht darum, (Therapie)Ziele, sondern vielmehr persönliche Werte zu erarbeiten. Diese können dann wiederum die Grundlage für die Ausarbeitung von konkreten Zielen bieten. Werden die Werte früh erarbeitet, kann hinterher im Grunde die gesamte Therapie daran ausgerichtet werden.
Kapitel 6: Commitment. „Commitment“, also „Engagement“ oder „Verpflichtung“ beschreibt dann den letzten Schritt: Sich auf konkrete Verhaltensänderungen als Ziel der Therapie zu verpflichten. Dies erfolgt jedoch auf Basis der bereits erarbeiteten Werte (s. Kapitel 5), was diese deutlich nachhaltiger werden lässt.
Zusätzlich wurde, wie bereits oben erwähnt, ein Kapitel mit Arbeitsmaterialien für die Diagnostik beigefügt. Diese dienen nicht einer klassischen Diagnostik im Hinblick auf das Störungsbild, sondern vielmehr dienen sie der Diagnostik von Stärken und Schwächen der Klientin hinsichtlich der oben beschriebenen ACT-Prozesse und der damit verbundenen Therapieplanung. Des Weiteren werden sämtliche Arbeitsmaterialien mit diversen Audiodateien online zum Download zur Verfügung gestellt.
Diskussion
Die Therapie-Tools Akzeptanz- und Commitmenttherapie liefern einen unglaublich umfassenden Fundus an Arbeitsmaterialien für die Arbeit mit diesem spannenden neuen Ansatz. Diese können und sollten jedoch nur Anwendung finden, wenn der Therapeut entsprechend geschult ist: Grundlage sollten eine Approbation als Verhaltenstherapeutin oder Psychiater sein, ergänzt durch einen Einstieg in die ACT. Hierfür werden zunehmend auch Seminare angeboten, entsprechendes Literaturstudium (z.B. Louma et al., 2009) reicht jedoch ebenfalls aus. Wie so häufig ist der wichtigste Aspekt dann jedoch eine umfassende Super- oder Intervision; dies gilt bei der ACT umso mehr, da sie immer wieder provokatives und kontraintuitives Handeln auf therapeutischer Seite verlangt. Verunsicherung (des Klienten) ist hier Teil des Prozesses. Die Audiodateien runden das Gesamtbild ab. Wenn auch bei anderen Veröffentlichungen dieser Reihe zurecht kritisiert werden kann, dass wirkliche Psychotherapie nicht (ausschließlich) in Form von Paper-Pencil-Verfahren absoviert werden kann, muss hier unbedingt festgehalten werden, dass die hier gelieferten Materialien einen sehr aktiven therapeutischen Ansatz liefern. Die Audiodateien sind hervorragend eingesprochen worden.
Fazit
Bei entsprechender Vorbildung – Approbation und Fortbildung (im Hinblick auf die Akzeptanz- und Commitmenttherapie) – ist diese Materialiensammlung eine unverzichtbare Ergänzung zu anderen Publikationen und für die therapeutische Tätigkeit unbedingt zu nutzen. Für alle Anderen liefern die Unterlagen einen interessanten Einblick in das Vorgehen, jedoch wären da andere Publikationen (z.B. „Das Leben annehmen“ von Matthias Wengenroth, 2016) eher zu empfehlen.
[1] Aus Gründen der besseren Lesbarkeit werden im Text die männliche und weibliche Form wechselweise genutzt. Es sind immer beide Geschlechter gemeint.
Rezension von
Dr. Alexander Tewes
Instituts- und Ausbildungsleiter LAKIJU-VT (Lüneburger Ausbildungsinstitut für Kinder- und Jugendlichen-Verhaltenstherapie), Psychiatrische Klinik Lüneburg gemeinnützige GmbH im Verbund der Gesundheitsholding Lüneburg
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