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Tobias Esch: Der Selbstheilungscode

Rezensiert von Elisabeth Vanderheiden, 07.11.2017

Cover Tobias Esch: Der Selbstheilungscode ISBN 978-3-407-86443-7

Tobias Esch: Der Selbstheilungscode. Die Neurobiologie von Gesundheit und Zufriedenheit. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2017. 335 Seiten. ISBN 978-3-407-86443-7. D: 19,95 EUR, A: 20,60 EUR, CH: 27,90 sFr.

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Thema

Tobias Esch erläutert in seinem Buch, wie Menschen ihre Selbstheilungskompetenz stärken und Selbstheilungsprozesse unterstützen können. Seit vielen Jahren untersucht er unter anderem in Harvard und an der Berliner Charité, wie selbst chronische Krankheiten – zum Beispiel Diabetes, Asthma oder Rückenschmerzen – durch einen ganzheitlichen Ansatz, der auf den vier Säulen positive Emotionen, Entspannung, Ernährung und Bewegung beruht, gelindert werden. Mithilfe neuester Forschungsergebnisse beschreibt er, welche Faktoren für Gesundheit und Zufriedenheit entscheidend sind und gibt Anregungen für eine aktive Mitgestaltung von Selbstheilungsprozessen.

Autor

Tobias Esch ist Allgemeinmediziner, Neurowissenschaftler und Gesundheitsforscher. Seit vielen Jahren untersucht er Grundlagen der Selbstheilung und welche Potenziale außerhalb der Schulmedizin nachweisbar für die Gesundheit genutzt werden können. Seit 2016 ist er Professor für Integrative Gesundheitsversorgung und Gesundheitsförderung an der Universität Witten/Herdecke.

Aufbau und ausgewählte Inhalte

Esch setzt im Wesentlichen sieben große thematische Akzente:

  1. Selbstheilung und Stress – ein ungleiches Paar
  2. Alle Wege führen zum Hirn – und darüber hinaus
  3. Open your mind – die aktive Verknüpfung von Körper und Geist
  4. Den ganzen Menschen ins Zentrum stellen – nicht nur seinen Körper
  5. BERN – ein ganzheitlicher Ansatz auf vier Säulen
  6. Grenzen und Gefahren – den kritischen Blick bewahren
  7. Ausklang der Reise.

Wenn Esch von einem sogenannten Selbstheilungscode spricht, meint er damit kein Standardrezept im Sinne einer Bedienungsanleitung, sondern eher ein grundsätzliches Verständnis, das helfen kann, die eigenen Selbstheilungskräfte zu reaktivieren oder zu stärken und nutzt dazu folgendes Bild: „Stellen Sie sich dieses Buch also zunächst als eine Art Schlüssel zu einem wunderschönen, weitläufigen Anwesen vor, auf dem Sie sich dann frei bewegen können, das Sie gleichzeitig aber auch instand halten und pflegen sollten“ (14).

Dazu betont er die starke Wechselwirkung zwischen Körper und Geist im Kontext von Selbstheilung (14) und zum zweiten, dass „es in jeder Phase unseres Lebens eine Chance gibt, positiven Einfluss auf die eigene Gesundheit und Zufriedenheit nehmen zu können“ (15). Dabei sind mit diesen Selbstheilungskräften zwei Dimensionen verbunden: zum einen sie zur Linderung von Symptomen oder Heilung von Krankheiten nutzen, zum anderen diese zur Gesundheitsförderung einzusetzen, um so zu mehr Wohlbefinden und Zufriedenheit beizutragen (22).

Beispielhaft soll hier das fünfte Kapitel und damit ein Ansatz zur Selbstheilung vorgestellt werden: „BERN“ – einen ganzheitlicher Ansatz auf vier Säulen

  • Erste Säule Stressreduzierendes Verhalten
  • Zweite Säule: Ausreichend Bewegung
  • Dritte Säule: Regelmäßige innere Einkehr und Entspannung
  • Vierte Säule: Achtsamer Genuss und gesunde Ernährung
  • Gemeinschaft, Glaube, Schlaf und Flow – was noch zur Selbstheilungskompetenz beitragen kann

BERN ist die Abkürzung des aus der Mind-Body-Medizin stammenden Konzeptes und leitet sich wie folgt ab:

  • Stressreduzierendes Verhalten (Behaviour)
  • Ausreichend Bewegung (Exercise)
  • Regelmäßige innere Einkehr und Entspannung (Relaxation) und
  • Achtsamer Genuss und gesunde Ernährung (Nutrition).

Diese vier Säulen sind so konzipiert, dass sie alltagstauglich sind und sich im gewohnten sozialen Umfeld realisieren lassen (214). Als weiteren zentralen Gedanken, der sich durch alle vier Säulen hindurch zieht, betont Esch die Achtsamkeit, daher bezieht Esch diese als relevante zusätzliche Komponente in seine Überlegungen auch mit ein: „Wenn es uns gelingt, der Achtsamkeit in allen vier Bereichen zu kultivieren, wenn wir Achtsamkeit zu einem Merkmal unserer inneren Haltung machen, mit der wir unser Leben begreifen und angehen, dann schaffen wir auch gute Voraussetzung für Gesundheit und Zufriedenheit.“ (215).

Da sich Esch bereits in den vorangegangenen Kapiteln intensiv mit Stress und den gesundheitlichen Auswirkungen befasst hat, konzentriert er bei der Erläuterung der ersten Säule eher auf die drei folgenden Aspekte: Stresssymptome erkennen, Verhalten analysieren und sich neu ausrichten und das Leben bzw. Verhalten neu gestalten. Er gibt zu diesen drei Schwerpunkten jeweils eine kurze Einführung, konzentriert sich dann aber tatsächlich auf konkrete achtsamkeitsfördernde Übungen, wie ein Dankbarkeitstagebuch etc. Eine sehr schöne Übung zur Verhaltensanalyse sei hier kurz beschrieben, die Übung Poetry. Dabei ist der/die Leser*in aufgefordert, Wortschnipsel aus Zeitschriften zu sammeln und nach einem bestimmten Modus, z.B. jedes dritte Wort auf jeder dritten Seite auszuschneiden. Es sollten nur positiv konnotierte Begriffe gesammelt werden. Wurden etwa vierzig Worte gefunden, kann daraus ein Gedicht entstehen, ggf. durch einige wenige eigene Worte ergänzt (224).

Die zweite Säule des BERN-Modells ist ausreichende Bewegung bzw. Sport als Antwort auf Stress und damit nachhaltige Maßnahme zur Selbstheilung. Esch führt aus, dass wir in Deutschland durchschnittlich auf 27 Minuten Bewegung pro Tag kommen (234), während auf Konsum von Video, Film und Fernsehen 124 Minuten täglich kommen. Dreißig Minuten zusätzlich an an bewußter körperlicher Aktivität werden im Sinne der Selbstheilung bzw. präventiven Gesundheitsförderung für sinnvoll erachtet (239), wobei diese auch durchaus aufgesplittet werden können.

Als dritte Säule des BERN-Modells ist die regelmäßige innere Einkehr und Entspannung zu betrachten. Hier arbeitet Esch insbesondere die Bedeutung von Meditationen und Achtsamkeitsübungen heraus. Er stellt einige sogenannte Mini-Mediationen vor, die sich leicht in den Alltag integrieren lassen, etwa beim Anstehen an der Kasse oder Warten im Stau umsetzten lassen (247), aber auch Atemübungen, eine Body-Scan-Übung oder eine Metta-Mediation, eine der klassischen buddhistischen Meditationsübungen, auch Mitgefühlsmediation genannt.

Der achtsame Genuß und die gesunde Ernährung bilden die vierte Säule des BERN-Modells. Esch ermuntert hier insbesondere zu bewußtem und achtsamem Essen, traditioneller mediteraner Küche sowie saisonaler und regionaler Küche. Auch eine kurze Auseinandersetzung mit dem Fasten schließt sich an.

„Gemeinschaft, Glaube, Schlaf und Flow – was noch zur Selbstheilungskompetenz beitragen kann“ – so betitelt Esch das letzte Unterkapitel dieses Kapitels. Leider wird dabei das Thema Glaube bzw. Spiritualität auf faktisch 8 Zeilen abgehandelt. Darüber mehr zu lesen, wäre sicherlich spannend gewesen. Dazu gibt es zwischenzeitlich ja auch zahlreiche Studien. Erfreulicherweise wird das Thema aber zwischendurch immer wieder aufgegriffen – en passent sozusagen (293f z.B.). Deutlich mehr Aufmerksamkeit wird dem Flow-Konzept von Mihaly Csikszentmihalyi gewidmet. Flow meint dabei, das „Prinzip der vollständigen Vertiefung“ (282), den „angenehmen Zustand, bei dem alles wie von selbst zu laufen scheint“ (283), wenn wir uns in dem „ optimalen Korridor zwischen Unterforderung und Überforderung, zwischen Langeweile und Stress“ bewegen (283). Das kann beispielsweise bei der Arbeit, bei sportlicher Betätigung, beim Sex oder beim kindlichen Spiel erlebt werden.

Esch schließt Betrachtungen zur (selbst)heilenden Wirkung der Gemeinschaft an: „Selbstheilung funktioniert nicht alleine – auch wenn es danach klingen mag. Im Gegenteil: Einsamkeit ist Gift. Und auch das Glück kommt selten allein vorbei. Bei einsamen Menschen, die zugleich unter der Einsamkeit leiden (das mag nicht zwingend für jeden gelten), sind zum Teil diesselben Nervenzellen vermehrt aktiv wie bei den Menschen, die unter Schmerzen leiden.“ (289). Dabei hat Gemeinschaft nicht nur eine psychologische, sondern auch eine physische Dimension, wie Esch herausarbeitet: Berührungen führen dazu, dass der Blutdruck sinkt, weniger Medikamente benötigt werden, Wunden besser heilen, selbst bei Knochenbrüchen (291).

Die abschließenden Ausführungen in diesem Kapitel widmen sich dem Schlafen und seinen Auswirkungen auf die Selbstheilungskräfte.

Diskussion und Fazit

Esch hat ein gut lesbares und fundiertes Buch vorgelegt, das nicht nur erklärt, wie Selbstheilung – aus ganzheitlicher Perspektive betrachtet – funktioniert, sondern auch, was jede/r Einzelne dazu selbst beitragen kann. Dazu präsentiert er zum einen aktuelle neurobiologische, medizinische und psychologische Erkenntnisse, aber auch konkrete Übungen und alltagstaugliche Handlungsvorschläge. Eine spannende und inspirierende Lektüre!

Rezension von
Elisabeth Vanderheiden
Pädagogin, Germanistin, Mediatorin; Geschäftsführerin der Katholischen Erwachsenenbildung Rheinland-Pfalz, Leitung zahlreicher Projekte im Kontext von beruflicher Qualifizierung, allgemeiner und politischer Bildung; Herausgeberin zahlreicher Publikationen zu Gender-Fragen und Qualifizierung pädagogischen Personals, Medienpädagogik und aktuellen Themen der allgemeinen berufliche und politischen Bildung
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Es gibt 184 Rezensionen von Elisabeth Vanderheiden.

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Zitiervorschlag
Elisabeth Vanderheiden. Rezension vom 07.11.2017 zu: Tobias Esch: Der Selbstheilungscode. Die Neurobiologie von Gesundheit und Zufriedenheit. Beltz Verlag (Weinheim, Basel) 2017. ISBN 978-3-407-86443-7. In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23170.php, Datum des Zugriffs 11.09.2024.


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