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Peter Schäfer, Olga Burkova et al. (Hrsg.): 100 Jahre Fachbereichstag Soziale Arbeit

Rezensiert von Prof. Dr. Christa Paulini, 13.02.2018

Cover Peter Schäfer, Olga Burkova et al. (Hrsg.): 100 Jahre Fachbereichstag Soziale Arbeit ISBN 978-3-8474-2136-8

Peter Schäfer, Olga Burkova, Holger Hoffmann, Marion Laging, Lothar Stock (Hrsg.): 100 Jahre Fachbereichstag Soziale Arbeit. Vergangenheit deuten, Gegenwart verstehen, Zukunft gestalten. Verlag Barbara Budrich GmbH (Opladen, Berlin, Toronto) 2017. 246 Seiten. ISBN 978-3-8474-2136-8. D: 29,90 EUR, A: 30,80 EUR.

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Thema

Die AutorInnen sind alle Mitglieder des Vorstandes des Fachbereichstages Soziale Arbeit und wollen mit dieser Festschrift zum 100jährigen Bestehen des Fachbereichstags Soziale Arbeit „aus unterschiedlichen Perspektiven umfassende Einblicke in die Entwicklung und das (Selbst)Verständnis Sozialer Arbeit und ihrer disziplinären Interessensvertretung“ (S. 7) geben und greifen dabei aktuelle Fragestellungen und Probleme auf. Der Fachbereichstag Soziale Arbeit versteht sich als Sprachrohr, als Diskussionsplattform sowie als Interessensvertretung für die Studiengänge und die Studienprogramme Sozialer Arbeit an Hochschulen.

HerausgeberInnen und Entstehungshintergrund

Die AutorInnen sind Vorstandsmitglieder des Fachbereichstages Soziale Arbeit. Sie stellen in ihrer Qualifikation die Bandbreite der DozentInnen für Soziale Arbeit an den Hochschulen für angewandte Wissenschaft dar.

  • Peter Schäfter, Dr. Jur ist Professor für Familienrecht und Jugendhilferecht am Fachbereich Sozialwesen, FB 06, der Hochschule Niederrhein, University of Applied Science und erster Vorsitzende des Fachbereichstages seit 2012.
  • Olga Burkova, Dr. phil ist Professorin für Soziale Arbeit an der HAW Hamburg, Fakultät Wirtschaft und Soziales, Departement Soziale Arbeit. Ihre Schwerpunktthemen an der Hochschule sind Beratung und Case Management sowie IT- und mediengestützte Beratungsformen und Sozialinformatik.
  • Holger Hoffmann, Dr. jur. ist Professor für Rechtswissenschaft, insbesondere Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Verwaltungslehre an der Fachhochschule Bielefeld, Fachbereich Sozialwesen.
  • Marion Laging, Dr. phil., Dipl.-Soz.päd. Soz.arb. ist Professorin für Soziale Arbeit an der Hochschule Esslingen, Fakultät Soziale Arbeit, Gesundheit und Pflege. Ihre Schwerpunkte an der Hochschule sind Theorien und Konzepte der Sozialen Arbeit in der Suchtprävention und Suchthilfe, Suchtprävention bei Studierenden und Internationale Soziale Arbeit
  • Lothar Stock, Dr. phil. ist Professor für Sozialarbeitswissenschaft an der HTWK Leipzig Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften. Seine Fachgebiete an der Hochschule sind Methoden der Sozialen Arbeit / Gemeinwesenarbeit und Sozialpolitik.

Aufbau und Inhalt

Das Buch hat den Untertitel: Vergangenheit deuten, Gegenwart verstehen, Zukunft gestalten. Der Aufbau des Buches entspricht dieser Struktur.

Lothar Stock beschäftigt sich in seinen Beitrag mit der Zusammenarbeit der Ausbildungsstätten für Soziale Arbeit von 1917 bis heute. Die Geschichte der Zusammenarbeit beginnt mit der Initiative von Alice Salomon; das erste Treffen findet am 24. Januar 1917 statt. Die Schulen schließen sich zur „Konferenz Sozialer Frauenschulen Deutschlands“ zusammen. Lothar Stock stellt die Entwicklung in der Weimarer Republik, die Gleichschaltung durch die Nationalsozialisten ebenso dar wie den Neustart nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Gründung der Fachhochschulen in den 1970er Jahren und der Umbenennung zum Fachbereichstages Soziale Arbeit in den 1990er Jahren schließen den Artikel ab.

Elke Kruse geht näher auf die Entwicklung der Sozialen Frauenschulen und der Einordnung der Schulen in die Ausbildungslandschaft ein. Sie stellt die Motivlage und die Konzeption und die Inhalte der Ausbildung und die Wandlung zur Wohlfahrtsschule genauer dar. Deutlich wird der Einfluss der Nationalsozialisten auf die Schulen und ihre Entwicklung herausgearbeitet. Der Artikel schließt mit kurzen Hinweisen auf die erfolgten Reformen der Ausbildung Ende der 1950er Jahre und den beginnenden1960er Jahren.

Gaby Lenz und Gudrun Ehlert fragen unter dem Titel Soziale Arbeit als Frauenberuf nach der Bedeutung des Geschlechts und der Geschlechterverhältnisse für die Entwicklung der Profession und der Ausbildung. Sie fassen Geschlecht als komplexe Kategorie, die in der Wechselwirkung von Geschlechtsdifferenzen und -hierarchien, von sozialer Konstruktion und gesellschaftlicher Strukturierung deutlich wird. In der ersten Frauenbewegung wird Soziale Arbeit als Frauenberuf einerseits und als Hilfe für andere in Not konzipiert. Im Kontext der zweiten deutschen Frauenbewegung wird u.a. Soziale Arbeit als typischer Frauenberuf aber auch die Geschlechterverhältnisse im Studium der Sozialen Arbeit kritisch hinterfragt. Die Autorinnen stellen abschließend fest, dass Fragen zur Bedeutung von Geschlecht in der Sozialen Arbeit erst durch die Wahrnehmung der Geschlechterverhältnisse überhaupt möglich werden.

Maria-Eleonora Karsten beschäftigt sich unter der Überschrift „Organisationen, Institutionen, Professionsentwicklungen – zur notwendigen intersektionalen Verschränkungen in der Geschichte der Sozialen (Frauen)Berufe“ u.a. mit der Dethematisierung der Sozialen Berufe als Frauenberufe in unterschiedlichen Kontexten. Sie zeigt u.a. auf, wie sehr die Definitionskonstruktionen im Bildungs- und Rechtsbereich z.B. durch den „European Qualifikation Frame“ (EQF), durch den Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) aber ebenso durch die Neuformulierung des SGB VIII soziale Berufe beeinflussen und schließt ihren Beitrag mit einem Blick auf die Notwendigkeit, soziale Gerechtigkeit professionell zu vertreten.

Ulrich Bartosch beschäftigt sich intensiv mit dem Studium der Sozialen Arbeit im Bolognaprozess. Er zeichnet die Entstehung des Prozesses sowie die Ziele (die Mobilität von Studierenden. Lehrenden, Forschenden und Verwaltenden zu erhöhen) nach. Für die Soziale Arbeit ergeben sich durch den Bolognaprozess Chancen der einheitlichen Studienstrukturen, der Reduzierung der Bedeutung der Hochschultypen, Anwendungsorientierung, Beschäftigungsbefähigung und Qualitätssicherungsmaßnahmen als „Fenster der Gelegenheit“.

Peter Schäfer beschreibt unter dem Titel „Kompetenzen für die soziale Praxis“ den Prozess, der von den Lehrplänen der Konferenz Sozialer Frauenschulen zum Qualifikationsrahmen Soziale Arbeit führte. In den damaligen Lehrplänen ging es – damals und auch heute -um die notwendigen Inhalte der Ausbildung, um die Frage der Haltung und des Habitus sowie der Staatlichen Anerkennung. Die Entwicklung des Qualifikationsrahmens Soziale Arbeit, der vom Fachbereichstag Soziale Arbeit 2006 erstmals veröffentlicht wurde, ist eng verbunden mit der Entwicklung und der Anforderung des Bolognaprozesses auf europäischer Ebene. Er ist fachbezogener Referenzrahmen bzw. fachlicher Qualifikationsrahmen und ebenso Ausdruck der Scientific Community, „der Gestaltungsfreiheit und Entwicklungsoffenheit gewährleistet und gleichzeitig einen konsensualen Rahmen der Kompetenzorientierung sichert“ (S. 135).

Ulrich Mergner geht näher auf die Mühen der Schaffung einer gemeinsamen Interessensvertretung für das Soziale ein. Im Gegensatz zu den sogenannten MINT Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) verfügen die Professionen und Organisationen im Sektor der sozialen Dienstleistungen nur über gering ausgeprägte bereichsübergreifende kollektive Vertretungsmacht. Er beschreibt den historischen Prozess in dem, verbunden mit dem Fachbereichstag Soziale Arbeit, versucht wurde ein Gegengewicht zu MINT durch SAGE (Soziale Arbeit und Heilpädagogik, Gesundheits- und Pflegewissenschaften, Erziehungs- und Bildungswissenschaften) zu etablieren. Er stellt fest, dass dieser Prozess gegenwärtig zum Stillstand gekommen ist und fragt wie dies „in der Herausbildung gemeinsamer Definitions- und Verhandlungsmacht der genannten Fächer und Professionen überwunden werden kann.“ (S. 138). Dabei sieht er u.a. die Hochschulen in der Verantwortung, da es nicht um „kurzfristige Koalitionsbildungen, sondern um langfristige Bildungsprozesse“ (S. 156) geht.

Walter Lorenz beschäftigt sich mit Internationalität im Studium und in der Praxis Sozialer Arbeit. Er geht u.a. darauf ein, dass Soziale Arbeit bereits sehr früh in ihrer Geschichte von internationalen Begegnungen und Einflüssen bestimmt war und nennt beispielshaft Jane Addams, Alice Salomon sowie Octavia Hill. Diese Kontakte unterstrichen die Wissenschaftlichkeit der Profession durch die Anschlussfähigkeit der Diskurse sowie deren Universalität (vgl. Hering 2002). obwohl der Bezug zum nationalen Rahmen rechtlich, kulturell und sprachlich nicht ignoriert werden konnte. Er zeigt die Geschichte der Internationalisierung und der involvierten Institutionen (IFSW, IAASW) auch nach dem Zweiten Weltkrieg kenntnisreich auf und stellt fest, dass es mit der Entwicklung des ERASMUS-Programms 1987 zu einer entscheidenden Neubelebung und Verbreitung der internationalen Begegnung und Projekte kam. Er vertritt, dass die Auseinandersetzung mit internationalen Dimensionen elementar zur Geschichte und zum Wesen der Sozialen Arbeit gehört und nicht einigen SpezialistInnen überlassen werden darf.

Holger Hoffmann und Marion Laging zeichnen die Entwicklung der Sozialen Arbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund und Fluchtgeschichte – und deren gesellschaftlichen Entwicklung in Deutschland – auf. Dieses Arbeitsfeld ist stark geprägt von rechtlichen und politischen Rahmungen. „Menschen mit Migrationshintergrund“ sind jedoch keine homogene Gruppe. „Je nach ihren rechtlichen Status leben sie z.B. als Asylantragsteller, Unionsbürger, Drittstaatler, Spätaussiedler mit deutschen und ausländischer Staatsangehörigkeit oder als anerkannter Flüchtling in Deutschland“ (S. 173f). Ethische Dilemmata für SozialarbeiterInnen entstehen in diesem Arbeitsfeld dann, wenn rechtliche Bedingungen den fachlichen Anforderungen der Sozialen Arbeit entgegenstehen. Die AutorInnen gehen nach der rechtlichen Klärung auf die geschichtliche Entwicklung beginnend von den 1960er Jahren ein, fragen nach der Rolle der Sozialen Arbeit in der Einwanderungsgesellschaft und der Vermittlung von Interkultureller Kompetenz in der Ausbildung. Sie schließen ihren Artikel mit einem Blick auf die Anforderungen an die Soziale Arbeit im europäischen Kontext ab.

Armin Wöhrle geht in seinen Beitrag der Frage nach, was Soziale Arbeit mit Management zu tun hat. Er beschäftigt sich mit der Distanz der Sozialen Arbeit zur Steuerung und fragt warum diese Fragen über Jahrzehnte in der Disziplin nicht systematisch behandelt wurden, sondern überwiegend fachfremden Disziplingen – vorwiegend den Verwaltungs- und Wirtschaftswissenschaften – überlassen wurden. Erst mit den sozialpolitischen Umbrüchen seit den 1990er Jahren hatten die Fragen zur wirtschaftlichen Steuerung die Fakultäten Soziale Arbeit eingeholt. Seitdem werden Sozialmanagementstudiengänge an den Fakultäten für Soziale Arbeit angeboten, obwohl gleichzeitig auch eine Abwehrhaltung (Haupert 2005, Galuske 2007) entstand, die einen prinzipiellen Bruch zwischen der Fachlichkeit der Sozialen Arbeit und dem Marktmechanismus vertrat. Im weiteren Beitrag geht er intensiv die weitere Entwicklung und Stand des Sozialmanagements ein.

Abschließend gehen Olga Burkova, Marion Laging, Lothar Stock, Sebastian Bamberg und Silke Hempelmann auf die Ergebnisse der Masterverbleibsstudie des Fachbereichstags Soziale Arbeit näher ein. Mit der Umstellung auf das System der Studiengänge auf Bachelor-Master im Rahmen des Bolognaprozesses war es erstmals möglich einen Abschluss der Sozialen Arbeit zu erreichen, der Universitätsabschlüssen gleichgestellt ist, der eine Berufslaufahn für Beamte im Höheren Dienst ermöglichte sowie die Chance zur Promotion im eigenen Fach eröffnete. Die quantitative Untersuchung wurde im Zeitraum Dezember 2015 bis März 2016 durchgeführt. Gefragt wurde nach der Einmündung in den Arbeitsmarkt ebenso wie der Stellenwert des Masterstudiums. Im Ergebnis wurde deutlich, dass es noch keinen ausreichend entwickelten Arbeitsmarkt für MasterstudentInnen gibt; dies zeigt sich auch bei der geringen Auswirkung des Masterstudiums auf das Gehaltsniveau. Gleichzeitig zeigte sich, dass Studierende die nach einer gewissen Zeit der Berufstätigkeit ein Masterstudium aufnehmen, von einer größeren Passgenauigkeit hinsichtlich der vermittelten Inhalte berichten. Die Absolventen bewerten das Masterstudium als sehr gut für die eigene persönliche Entwicklung.

Zielgruppen

Dieses Buch ist sowohl für Studierende, PraktikerInnen als auch Lehrende in der Sozialen Arbeit sehr interessant. Es vermittelt Wissen über vergangene und gegenwärtige Diskurse in der Sozialen Arbeit.

Fazit

Der Titel macht neugierig, die Ausführungen sind meist spannend und gut nachvollziehbar. Das Buch wird seinen Anspruch „Vergangenheit deuten, Gegenwart verstehen, Zukunft gestalten“ mit der Vielfalt der Themen sehr gut gerecht und bietet einen ausgezeichneten Einstieg in die vergangenen und derzeitigen Diskurse in der Sozialen Arbeit.

Rezension von
Prof. Dr. Christa Paulini
HAWK Hildesheim/Holzminden/Göttingen, Fakultät Soziale Arbeit und Gesundheit
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Es gibt 16 Rezensionen von Christa Paulini.

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ISSN 2190-9245