Christiane Grefe: Global Gardening
Rezensiert von Prof. Dr. Dr. Bernhard Irrgang, 19.10.2017

Christiane Grefe: Global Gardening. Bioökonomie - neuer Raubbau oder Wirtschaftsform der Zukunft? Verlag Antje Kunstmann GmbH (München) 2017. 319 Seiten. ISBN 978-3-95614-060-0. D: 22,95 EUR, A: 23,60 EUR, CH: 32,90 sFr.
Autorin
Frau Christiane Grefe hat längerer Zeit als freie Journalistin bei diversen Zeitungen und Zeitschriften gearbeitet und ist seit 1999 Reporterin für die Zeit. Mit dem Werk Global Gardening ist ihr eine gut geschriebene, übersichtliche und informative Einführung in die Bioökonomie gelungen. Es handelt sich dabei um eines der zukunftsträchtigsten gesellschaftlichen und ökonomischen Themenfelder, die sich gerade im Umbruch und in der Neuorganisation befinden.
Aufbau und Inhalt
In den 1980ern tauchte der Begriff Bioökonomie zum ersten Mal in den USA auf und bezeichnete eine Wirtschaftsweise, die sich auf der Grundlage der Sonnenenergie ökologischen Grenzen fügen und vom permanenten Wachstumszwang befreien sollte. Aus der Selbstbegrenzung wurde außer neuen Fotovoltaik- und Windkraftanlagen angesichts der neoliberalen Jahrzehnte erst mal nichts. Wahrscheinlich wären wir heute weiter bei der dreifachen Herausforderung, den Klimawandel zu bekämpfen und zugleich trotz Schwinden der Ressourcen in Zukunft 9 Milliarden Menschen mit allem zu versorgen. 2010 tauchte dieser Begriff dann wieder auf, allerdings kaum wieder zu erkennen in der Form. Als Bioökonomie propagierten Politiker und Wissenschaftler nun die wirtschaftliche Nutzung biologischer Erkenntnisse mit dem Ziel, fossile Ressourcen zu ersetzen. Aus der übergreifenden Theorie einer ökologischen Wirtschaftsweise war eine PR-Floskel geworden, um Forschungsgelder für die Biotechnologie und die umstrittene Gentechnik zu mobilisieren und der Landwirtschaft neue Absatzquellen zu erschließen (S. 11 f.), so die Vermutung von Frau Grefe.
Dabei wäre es wichtig, die Nutzung biologischer Ressourcen systemisch zu sehen, also miteinander verbunden. In diesem Sinne wäre die Bioökonomie der Überbau der Green Economy und nicht ein Teil von ihr. Dabei stellt sich die Frage: welche Technologie kann eine gesellschaftliche Transformation herbeiführen, und wo dient Technologie bloß als Ablenkungsmanöver, um einen radikaleren Wandel in Richtung einer verbrauchsärmeren Gesellschaft zu vermeiden? Und letztlich: wie geht die globale Gesellschaft mit dem begrenzten Land um, auf dem sie lebt, und wie mit der Natur insgesamt? (S. 14). Der Klimawandel ist die zentrale Herausforderung der Bioökonomie (S. 23). Dabei muss von der Gentechnik-Promotion zum nachhaltigen Ressourcenmanagement vorangeschritten werden (S. 27). Allerdings zeichnet sich sowohl in der Bundesrepublik wie auf ministerieller Ebene in der EU ein Wandel ab, der Nachhaltigkeit, die Förderung der Regionen und eine Rolle als grüner Teil der Kreislaufwirtschaft in den Mittelpunkt der Bioökonomie-Förderung setzt (S. 32 f.).
Trotz der neuen Nachdenklichkeit beim Bioökonomierat, der Bundesregierung und auch der EU Kommission im Hinblick auf Ressourcenmanagement bleibt die Realität der Märkte oft genug noch im alten Denken und Wirtschaften des globalen Agrobusiness, aber auch anderer Industrien und Forschungsinstitute verhaftet. Der Durchbruch ins postfossile Zeitalter ist noch nicht vollendet, und vielleicht ist Biomasse auch nicht vorbehaltlos der Stoff, aus dem die Zukunft wächst. Der erste Großversuch mit Biosprit war jedenfalls keineswegs erfolgreich. Er steht eher für die Einsicht, dass ökologische Zerstörung auch im Namen der Nachhaltigkeit möglich ist (S. 34).
Schon in den achtziger Jahren hatte Georgescu-Roegen im Hinblick auf eine physikalische Interpretation des Entropiegesetzes eine Wirtschaftstheorie der Selbstbegrenzung entwickelt, denn durch Verbrennen würden Kohle, Öl und Gas in nicht mehr verfügbare Energieformen umgewandelt werden, und zwar, weil sie endlich seien, für immer. Von der Energie übertrug Georgescu-Roegen seine Entropie-These auf die Welt der Stoffe und Materialien. Es ist unmöglich, Stoffe komplett zu recyceln. Damit werde Entropie höchstens verzögert, denn der gesamte Wirtschaftsprozess sei kein Kreislauf, wie es die meisten Theorien behaupten. Es bleibt Abfall oder Umweltverschmutzung notwendigerweise übrig. Ilya Prigogine warf ihm einen Denkfehler vor, da Physik und Wirtschaft ganz unterschiedliche Sphären seien und man Entropie-Gesetze nicht ohne weiteres in eine andere Sphäre übertragen könne (S. 36-38). Der Rezensent glaubt, dass Georgescu-Reogen für Physik und Chemie als Grundlagen der klassischen Industriegesellschaft recht hat, dass aber das Leben in seiner Evolution im Hinblick auf Entropie ein echtes Kunststück zu Stande gebracht hat, welches Entropie durch Aufnahme von (Sonnen-) Energie und fast vollständige Wiederverwendung des organischen Materials durch Kompostierung hinauszögert. So könnte Bioökonomie tatsächlich ein wesentlicher Bestandteil der Lösung des Dilemmas der Industriegesellschaft sein bzw. werden, wenn es ihr gelingt, ihre Stoffströme weitgehend wieder zu verwenden und sich so einer Kreislaufwirtschaft zumindest annähert.
Die Anfänge der Bioökonomie
Die Verheißungen der neuen Bioökonomik beginnen bei den Mikroorganismen. Dank ihrer extremen Anpassungsfähigkeit haben die einfachen Lebensformen unendlich viele Eigenschaften entwickelt, und die machen Firmen sich zu Nutze. Die Ressourcenkrise und der daraus resultierende Zwang, Rohstoffe aller Art immer effizienter zu nutzen, macht die kleinen Helfer heute noch einmal attraktiver. Aufgrund einer neuen Inventur der Natur, können viele Mikroorganismen zu Zellkernfabriken werden. Auch mit gentechnisch verändern Bakterien, die schon seit geraumer Zeit Humaninsulin erfolgreich produzieren, lassen sich durch das Zusammenwirken von Big Data und Biotech neue Entwicklungspotenziale realisieren. So umstritten es auch sein mag, das Leben auf seinen Informationskern zu reduzieren, Big Data ermöglicht eine immer genauere Inventur der Natur – und erleichtert damit auch ihre Manipulation (wenn man Eingriffe in Natur so nennen mag). Und in diesem Zusammenhang kommen die neuen Verfahren der Genom-Editierung (traditionell des Gentransfers), der nun zielgenau erfolgen kann, gerade richtig, um der traditionellen Form der Bioökonomie einen entscheidenden Schritt voran zu helfen, indem präzise designte Zellkernfabriken erzeugt werden können (S. 44-47).
Novozym, ursprünglich ein kleines, dänisches Startup zur Herstellung von Humaninsulin, ist zum europäischen Vorzeigeunternehmen in der Bioökonomie geworden. Zehntausende von Mikroorganismen sind heute auf ihre Eigenschaften hin bereits untersucht und kommen immer mehr in die Lage, möglicherweise nach einigen Veränderungen auch weitere Prozesse in der Bioverfahrenstechnik durchführen zu können. Inzwischen hat Novozym eine Kooperation mit Monsanto (der Firma mit der meisten Erfahrung bei der Freisetzung transgener Pflanzen weltweit) begonnen und kann wirksam den Weg in eine nachhaltige Bioökonomie vorantreiben (S. 86 f.). Der Gegensatz zwischen Ökobauern und Agro-Großindustrie bekommt Löcher. Mit der Verbindung von Digitalisierung und Bioökonomie wird eine Präzisions-Landwirtschaft möglich, die auf großen landwirtschaftlichen Flächen, auf kleinen Bauernhöfen wie im Stockwerk eines Hochhauses betrieben werden können (S. 61). Big Data beschleunigt Big Biotech (S. 66).
Neue Verfahren der Gentechnik und ein erweitertes Spektrum der Bioökonomie
Die neuen Verfahren der Gentechnik wie die Verwendung von Zinkfinger-Nukleasen, der TALEN-Technologie und von CRISPR Cas9, die ihre Vorbilder in Reparaturmechanismen von Zellen haben und keine klassischen Genfähren mehr benutzen, die im transgenen Organismus zurückbleiben können, markieren einen Wendepunkt in der Entwicklung der Biotechnologie, die auch auf die synthetische Biologie angewendet werden kann (S. 69). Die technischen Mittel stehen also bereit für eine Bioökonomie auf neuer Ressourcenbasis und im Dienste der Nachhaltigkeit, müssen allerdings erst noch im Einzelnen erprobt werden. So ergibt sich aus den neuen Ansätzen der Biotechnologie Kaskadennutzung als Einstieg in eine angenäherte Kreislaufwirtschaft auf biogener Grundlage. Dabei ist eine Frage faszinierend: warum bewegt sich überhaupt weltweit so viel beim Thema Bioökonomie, wenn doch gerade ihre größten Versprechen für ein postfossiles Zeitalter – etwa die sauberen Treibstoffe und Algen als multifunktionale Allzweck-Rohstoffe – nicht nur an technologischen Hürden scheitern, sondern auch an Kostengrenzen stoßen; wenn sie also angesichts des extrem günstigen Ölpreises kaum eine Marktchance haben? Müsste das Interesse an dem ganzen technologiegetriebenen Ansatz nicht längst zum Erliegen gekommen sein? Oder welche anderen Antriebe stehen hinter dem neuen Drive, biogene Rohstoffe aus unzähligen Perspektiven rundum zu erkunden? (S. 94).
Die rasante Entwicklung einer Digitalisierung der Biotechnologie eröffnet jenseits der nationalen Strategien für die Überwindung des fossilen Zeitalters eine Vielzahl weiterer Möglichkeiten und setzt damit entsprechende innovative Triebkräfte frei. Eines der zentralen, langfristigen Motive für die Forcierung der Bioökonomie ist die Energie- und Ressourcensicherheit (S. 107). Das wichtigste könnte sein, dass Nachhaltigkeit in der Zwischenzeit immer mehr zum globalen Mainstream wird (S. 109). Dadurch könnte sich das Wachstumsparadigma nachhaltig verändern. Selbstverständlich hat die Nahrungsmittelindustrie noch immer Hunger (S. 115). Darüber hinaus werden Rohstoffe knapp und das industrielle Agrarsystem ist am Anschlag (S. 116 f.). Bioökonomie ist ein immenses Mittel der Forschungsförderung und verspricht Jobs für entvölkerte Agrarregionen zum Beispiel durch Bio-Raffinerien. Eine neue Basis für das Agro-Business entsteht (S. 124-128). Welche Risiken aber bergen die synthetische Biologie oder auch nur die Umprogrammierung der Natur? (S. 131). Droht eine synthetisch-biologische Verschmutzung der gesamten Umwelt? Neuartige Entwicklungen der synthetischen Biologie könnten also längerfristig eine Anpassung vorhandener Methoden für die Risiko- und Sicherheitsbewertung notwendig machen (S. 135).
Neue synthetische Stoffe könnten zu Konkurrenzartikeln für auf dem Acker nachwachsende Rohstoffe werden, allerdings weiten auf dem Acker nachwachsende Rohstoffe zunächst einmal das Arbeitsfeld der Bauern aus. Aber wie soll der Mensch die über Jahrmillionen optimierten und eingespielten Mechanismen auf dem Acker ohne unbeabsichtigte Nebenwirkungen beeinflussen? Allerdings haben wir Hilfestellung bekommen, denn das Prinzip Versuch und Irrtum, dem herkömmlicher Züchtung Forschung folgte, lässt sich mithilfe der Informationstechnologien und der Computer-Modellbildungen heute ebenfalls rasant beschleunigen (S. 139). Da die neue Bioökonomie genauso wie eine gentechnikfreie Gentechnik erst am Anfang stehen, lassen sich alle Risiken vorab nicht abschätzen. Die grüne Gentechnik ist brisanter als die bewährte industrielle, weiße Anwendung in ihren Sicherheitsbehältern. Denn bei Pflanzen geht es naturgemäß immer um den Anbau im Feld und um Produkte, die wir uns einverleiben. Auf der anderen Seite sind die Aufgabenfelder der neuen Biotechnologien jenseits der Nahrungsmittelproduktion in den Bereichen Klimaschutz und nachwachsende Rohstoffe immens ausgeweitet worden. Und ohne sie werden wir eine nachhaltigere, an Kreisläufen angenäherte Form des Wirtschaftens insgesamt auch in den nichtbiologischen Bereichen kaum erreichen können. Problematisch könnte auch die nun erleichterte Anwendung der neuen gentechnischen Verfahren auf das Designen von Menschen und in der Stammzellforschung werden. Auf der anderen Seite werden wohl nicht unberechtigte Hoffnungen auf eine große grüne Konvergenz geweckt, die Bioökonomie zu einer neuen Wirtschaftsmacht heranwachsen lassen (S. 149), welche den Minderungen der Erwerbsarbeit durch eine umfassende Digitalisierung in anderen Bereichen der Wirtschaft kompensieren könnte.
Außerdem könnte die neue Form des Wirtschaftens neben großen Unternehmen, die durch die Präzision-Landwirtschaft für Nahrungsmittel und neue Ressourcen einschließlich Bioenergie entstehen könnten, auch kleinere und mittelständische Unternehmen einen erheblichen Aufschwung geben. Die Zentralisierung, die durch die Internetökonomie entstanden ist, könnte so eine Korrektur erfahren, wenn sich die Digitalisierung nicht mehr allein auf die Information beschränkt, sondern zur Steuerung realer Prozesse herangezogen wird. Neue Kooperationen zwischen dem Pharmabereich und der Nahrungsmittelproduktion drängen sich auf (S. 156). Wie tiefgreifend der Wandel sein kann, zeigt die jüngste Technisierungswelle des Brotmarktes, die durch den immer raffinierteren Umgang mit gentechnisch hergestellten Enzymen hervorgerufen wurde, die zu einer extrem wachsenden Anzahl ständig frischer Backwaren in Lebensmittelketten geführt hat (S. 159).
Die Transformation der Bioökonomie ist noch nicht ganz geschafft
Allerdings setzt auch die Bioökonomie-Politik vor allem auf schöne neue Produkte und nicht auf einen bewussteren und verantwortungsvolleren Umgang mit Rohstoffen. Andererseits sind im Zusammenhang mit der Digitalisierung auch biobasierte Nachhaltigkeitssimulationen möglich, obwohl es in der gegenwärtigen Praxis der Bioökonomie auch Widersprüche gibt. So werden beispielsweise Kooperationen von Unternehmen der synthetischen Biologie mit der Öl- und Gasindustrie als nachhaltig und klimaschonend vermarktet, obwohl das Unternehmen als Ganzes betrachtet sehr zwiespältig ist. Denn mithilfe des biotechnologisch hergestellten Algenöls kann Fracking zwar umweltverträglich gestaltet werden. Aber Fracking selbst ist nicht nachhaltig. Auf der anderen Seite ist nicht zu leugnen, dass der Fracking Sektor Bioökonomie in einer kritischen Phase des fallenden Ölpreises vor den finanziellen Folgen der Prozesse durch ein neues Angebot bewahrt hat (S. 160-162). Auch um den Rohstoff Wasser gibt es Streit, da Bioökonomie zu ihrem Betrieb viel Wasser benötigt. Und so darf vermutet werden, dass ein unvorsichtiger Ausbau der Bioökonomie die Konkurrenzkämpfe um Flächen verschärfen könnte (S. 170).
Trotzdem sind die Anzeichen eines Umdenkens überdeutlich. In Verbindung mit der Kaskadennutzung richtet sich der Fokus der Bioökonomie nun darauf, vor allem Reststoffe und Abfälle energetisch, chemisch oder stofflich zu verwerten. Dabei werden Bioabfälle in den Kommunen angepeilt und auch alles, was in der Land- und Forstwirtschaft übrigbleibt und derzeit – zumindest teilweise – verbrannt wird. Das macht Sinn – aber sind das wirklich immer Abfälle? (S. 179). Die steigende Nachfrage nach pflanzlichen Rohstoffen könnte andererseits die Vielfalt der Arten in wachsende Bedrängnis bringen (S. 180). Eine marktkonforme Lösung wäre hier frei, Anreize zu schaffen, Geld in die Erhaltung von Lebensräumen zu investieren (S. 182). So könnte eine neue Form der Ökonomisierung der Natur mit der Bioökonomie Einzug finden (S. 187). Dabei ist ein ökonomisch-utilitaristische Optimierungsdenken überholt und führt in eine Spirale der Entfremdung, und damit in die Gefahr möglicher Grenzüberschreitungen (S. 190). Neue Naturkontrollverheißungen könnten die Folge sein (S. 195). Eine Technisierung der Kulturlandschaften, die Fabrikgelände ähneln, fügen sich in ein Bild vom Anthropozän, das den globalen Gärtner vor allem als Homo Technologicus sieht, als einen Manager von Naturverhältnissen, bei denen die Stadt-Land-Wald-Produktion eins wird. Urbane Räume sollen immer mehr zuwachsen, und das Land wird zum industrialisierten, bebauten Grün; daneben dürfen Naturschutzgebiete als Wildnis-Reservelager bestehen bleiben (S. 196). Auf jeden Fall sollte die neue Bioökonomie die Hybris der klassischen Entwicklungspolitik nicht wiederholen (S. 212). Noch lebt fast die Hälfte der Weltbevölkerung auf dem Land, doch bis spätestens 2050 soll der Anteil auf ein Drittel geschrumpft sein. Die Kleinbauern werden zur Masse ortsgebundener Landstreicher. Ein Indikator dafür könnte die Selbstmordrate bei Landwirten weltweit sein (S. 225).
So sollte gemäß dem Leitspruch „weniger ist mehr“ eine Bioökonomie von unten konzipiert werden (S. 235). Bauern und Wissenschaftler könnten zusammenarbeiten, die Erträge auch kleinbäuerlich in Unternehmungen zu erhöhen (S. 241). Vor allem die Landflucht lässt zu wenige Bewohner einer Landbevölkerung übrig, die für eine ökologische Bearbeitung der Böden und Bewirtschaftung erforderlich wäre (S. 243). Die permanente Wiederaufbereitung ist zu propagieren. Eine Kreislaufwirtschaft funktioniert am besten von unten (S. 280 f.). Außerdem müsste der Kreislauf der Technosphäre und jenem der Biosphäre streng getrennt werden, damit Lebensmittel und Jeans ungestört kompostiert werden, dort aber Computer und Federhalter zur Zellen rein zerlegt wiederverwendet werden können (S. 257). Neben Kompostierung sind Freizeitdesigner mit neuer Lust am wieder Selbermachen gefragt. Wir brauchen eine absolute Absenkung des Naturverbrauchsniveaus und eine Kultur des rechten Maßes (S. 259). Neben einer Reparaturrevolution brauchen wir auch eine zivilgesellschaftliche Forschungswende. Neben der industriegeführten Forschung gibt es auch und in anwachsendem Maße Ansätze, dass Bürgervereinigungen sich um Forschung im Sinne der Nachhaltigkeit bemühen. Bürgerinitiativen waren vor allem erfolgreich in der Abwehr industrieller Maßnahmen. Sie haben eine neue Konsum- und Agraropposition gegründet (S. 260).
Fazit
Die Bioökonomie hat ein ungeheures Potenzial, bei Innovationen, Investitionen und bei der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen entgegen der Grundtendenz in anderen Bereichen der Digitalisierung. Sie kann auch für mehr Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft eingesetzt werden, wird dies aber möglicherweise automatisch und von selbst erreichen können. Bürgernahe politische Gestaltung dringend erforderlich und darf die Entwicklung nicht einer neoliberalen Ökonomisierung überlassen. Christiane Grefe ist es in hervorragender Weise gelungen, auf verständliche Art und Weise sachkundig über die Chancen und die Ambivalenzen einer neuen auf eine Ressourcenwende abzielende Art von Technologie und Ökonomie in interessanter und ansprechender Form zu berichten. Und – Bioökonomie ist nicht nur eine Sache der Industrienationen, sondern insbesondere auch von Entwicklungs- und Schwellenländern.
Rezension von
Prof. Dr. Dr. Bernhard Irrgang
Der Rezensent lehrte Technikphilosophie und angewandte Ethik an der TU Dresden
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Es gibt 19 Rezensionen von Bernhard Irrgang.
Zitiervorschlag
Bernhard Irrgang. Rezension vom 19.10.2017 zu:
Christiane Grefe: Global Gardening. Bioökonomie - neuer Raubbau oder Wirtschaftsform der Zukunft? Verlag Antje Kunstmann GmbH
(München) 2017.
ISBN 978-3-95614-060-0.
In: socialnet Rezensionen, ISSN 2190-9245, https://www.socialnet.de/rezensionen/23230.php, Datum des Zugriffs 03.10.2023.
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